Obstipation

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Klassifikation nach ICD-10
K59.0 Obstipation
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Als Obstipation oder Verstopfung wird in der Medizin eine erschwerte und weniger als dreimal wöchentliche Darmentleerung bezeichnet. Bei totalem Erliegen des Stuhltransports spricht man dagegen von einer Koprostase.[1] Etwa 20 % der Bewohner Deutschlands leiden zumindest gelegentlich unter Verstopfung, davon etwa 75 % Frauen.[2] Im Alter betrifft eine Verstopfung ca. 26 % der Männer über 84 Jahren und 34 % der Frauen.[3] Ursachen sind krankhafte Veränderungen des Darmes, z. B. Zunahme der Einlagerung von Kollagen in die Darmwand, Fehlernährung, mangelnde Flüssigkeitszufuhr, Stoffwechselstörungen oder Störungen des Elektrolythaushaltes (häufig Kaliummangel), geringe körperliche Bewegung wirkt dabei begünstigend.[1] Auch nach Bauchoperationen kann es infolge von Verwachsungen oder fehlender Peristaltik zu einem Passagehindernis des Stuhlgangs kommen. Eine weitere Form der Obstipation ist das obstipations-prädominante Reizdarmsyndrom.

Das Wort Obstipation kommt vom lateinischen ob, „zu“, „entgegen“ und stipare, „vollstopfen“, „dicht zusammendrängen“, aber auch obstipatio, „das Gedrängtsein“.

Historisches

Bereits im alten Ägypten und im Mittelalter wurden Verdauungsstörungen nachweislich beschrieben. In medizinischen Schriften aus jenen Zeiten sowie in Literatur und Kunst finden sich zahlreiche Hinweise auf Obstipation.

Darmpassage

Eine vollständige Verdauung bis zum Stuhlgang unterliegt zeitlich starken Schwankungen und dauert normalerweise acht Stunden bis drei Tage.[1]

Formen

Akute Obstipation

Eine akut einsetzende Verstopfung kommt relativ selten vor und muss abgeklärt werden. In den meisten Fällen sind die Ursachen einer akuten Verstopfung in den persönlichen Lebensumständen der Betroffenen zu suchen. Die Beschwerden gleichen denen der chronischen Verstopfung. Treten zusätzlich zu den Verstopfungsbeschwerden Symptome wie

auf, können diese Beschwerden auf einen Darmverschluss (Ileus) zurückzuführen sein. Diese Patienten müssen sofort medizinisch betreut werden, bisweilen ist eine sofortige operative Behandlung notwendig. Eine akute Verstopfung kann auch die Folge eines Schlaganfalls oder eines Bandscheibenvorfalls sein.

Chronische Obstipation

Von chronischer Obstipation spricht man, wenn

  • über mehr als drei Monate der Stuhlgang regelmäßig vier Tage ausbleibt[1]
  • starkes Pressen erforderlich ist
  • ein Gefühl der unvollständigen Darmentleerung bestehen bleibt

Entsprechend ihrer Ursachen wird die chronische Verstopfung in drei Gruppen eingeteilt, die kologene Obstipation, die anorektale Obstipation und die idiopathische Obstipation, bei der keine eindeutige körperliche Ursache gefunden wird.

Kologene Obstipation

Die kologene Obstipation ist eine Form der chronischen Verstopfung, die auch unter dem Begriff Slow-transit-Obstipation bekannt ist. Durch mangelnde Beweglichkeit des Darms wird der Darminhalt nur langsam vorwärts bewegt. Da dem Darminhalt ständig Wasser entzogen wird, entsteht harter Stuhl. Die Ausscheidung kann dadurch um bis zu zwei Wochen verzögert sein. Folgende Ursachen können dafür verantwortlich sein:

Anorektale Obstipation

Die anorektale Obstipation ist eine Form der chronischen Verstopfung, die auf Veränderungen oder Störungen im Bereich des Enddarms und des Afters zurückgeführt wird. Zu den Ursachen zählen:

  • Verengung des Darmausgangs (Analstenose)
  • Herausrutschen eines Teils des Mastdarmgewebes aus dem After (Rektumprolaps, Analprolaps)
  • Aussackung des Enddarms (Rektozele)
  • angeborene Verdickung des inneren Schließmuskels (Sphincter internus)
  • gestörte Motorik von Enddarm (Rektum) und After
  • verminderte Rektumsensibilität
  • gestörte Koordination der inneren und äußeren Schließmuskeln

Idiopathische Obstipation

Bei der idiopathischen Obstipation können keinerlei krankhafte Veränderungen der Darmfunktion oder der Darmanatomie ärztlich festgestellt werden. Diese Verstopfung ist häufig zu finden. Man unterscheidet zwischen einer sogenannten Slow Transit Constipation (gestörte Stuhlpropagation durch das Kolon) und einer Beckenbodendysfunktion (Störung der Stuhlentleerung aus dem Rektum, sogenannte Outlet Obstruction). Da keine organischen Ursachen gefunden werden können, wird diese Verstopfungsform anhand der Beschwerden der Patienten und mit Hilfe einer Transitzeitmessung festgestellt. Transitzeit ist die Zeitspanne von der Aufnahme bis zur Ausscheidung der Nahrung. Auch eine Rektoskopie und eine Sphinktermanometrie (Druckmessung (Manometrie) des Schließmuskels (Sphinkter)) sollten durchgeführt werden, um die Diagnose abzusichern. Häufige Ursachen sind:

  • willkürlich unterdrückter Stuhldrang
  • Stressfaktoren
  • Reizdarmsyndrom (bei schmerzhafter Obstipation)

Reiseobstipation

Die Reiseobstipation zählt eigentlich zur kologenen Obstipation (s. o.); da sie zeitlich begrenzt (zumeist zu Beginn der Reise) auftritt, ist sie nicht zu den chronischen Verstopfungen zu zählen. Eine plötzlich auftretende Verstopfung kann Folge einer Umstellung der Ernährung und der Umgebung bei einer Reise sein. Der Körper ist mit der neuen Situation nicht vertraut und reagiert mit einer vorübergehenden Darmträgheit. Ursachen einer Reiseobstipation können sein:

  • ungewohnte Nahrungsmittel und Gewürze
  • Flüssigkeitsmangel bedingt durch hohe Temperaturen und trockene Luft
  • Zeitumstellung bei Fernreisen
  • ungewohnter Alltagsablauf

Pseudo-Obstipation

Wenn der Darm entleert ist, kann es einige Tage dauern, bis wieder normaler Stuhlgang auftritt. Es handelt sich dabei um einen natürlichen Vorgang und nicht um eine Verstopfung. Die Einnahme eines Abführmittels ist unnötig. Gründe für eine solche Darmentleerung können in einer Ernährungsumstellung, wie bei Diät oder vorangegangener Fastenkur, liegen. Andere Gründe sind heftiger Durchfall oder Missbrauch von Abführmitteln, aber auch die vorhergehende Entleerung bei Darmuntersuchungen, wie der Koloskopie.

Ursachen für Obstipationen

  • Mangel an physikalisch wirksamen Nahrungsreizen, Mangelernährung, zu geringe Flüssigkeitszufuhr
  • Vitaminmangel
  • Diabetes mellitus
  • Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn > Colitis ulcerosa)
  • Kolorektales Karzinom (im Zusammenhang mit anderen Symptomen wie Blut im Stuhl, Wechsel mit Durchfällen oder plötzlich auftretender Obstipation ohne sonstiger Ursache)
  • Zöliakie
  • Autonome Polyneuropathie
  • M. Addison
  • M. Parkinson
  • Multiple Sklerose
  • Hyperparathyreoidismus
  • Hyperkalzämie
  • Hypokaliämie
  • Bewegungsarmut des Abdomens durch Abschwächung der Zwerchfellatmung
  • Mangel an körperlicher Betätigung
  • Abschwächung der Rumpfmuskulatur
  • von der Wirbelsäule herrührende (vertebragene) Reizzustände
  • psychische Beeinflussung
  • Abstumpfung der Darmerregbarkeit durch Abführmittelmissbrauch
  • nach Bauchoperation mit Störung des Reflexspiels oder durch Verwachsungen
  • Fettansammlung oder Lymphstauungen im Bauchraum
  • toxische Nervenschädigung (Alkohol, Nikotin, Drogen)
  • chronische Entzündung z. B. Dickdarmentzündung, Adnexitis, Gallenblasenentzündung
  • Nahrungsmittelunverträglichkeit (Hereditäre Fruktoseintoleranzen)
  • Dauerhafte Therapie mit Medikamenten aus der Wirkstoffgruppe der Opioide oder Opiate (z. B. Morphin, Oxycodon, Fentanyl)
  • Volvulus (Drehung eines Abschnittes im Verdauungstrakt) (äußerst selten)
  • Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion)

Symptome

Ein mit Verstopfung Behafteter. Von Franz Xaver Messerschmidt, 1775, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg

Eine Obstipation kann sich je nach Ausprägung in unterschiedlichen Symptomen zeigen. Die Patienten leiden zu Beginn unter Völlegefühl und allgemeinem Unwohlsein, der Bauch kann gebläht sein. Häufig ist der Stuhlgang schwierig, oft schmerzhaft, und meist werden viele kleine und harte Kotportionen ausgeschieden. Mit der Verstopfung sind eine Reihe von Symptomen oder Missempfindungen gekoppelt, die sich unterschiedlich stark zeigen können:

  • seltener Stuhlgang mit Entleerung nur kleiner Stuhlmengen („Kaninchenknödel“, „Schafköttelstuhl“)
  • harter Stuhl
  • starkes Pressen bei der Darmentleerung
  • Gefühl der unvollständigen Darmentleerung
  • sehr schmerzhafter Stuhlgang
  • Blähungen
  • Fröstelgefühl, manchmal Bauchschmerzen und Appetitlosigkeit

Gesundheitliche Folgen

Eine chronische Verstopfung kann verschiedene gesundheitliche Folgen haben, wenn sie nicht rechtzeitig behandelt wird. Zu den häufigsten Komplikationen einer chronischen Verstopfung zählen:

Seltene Folgen sind die Ausbildung eines Megacolons oder die Entstehung eines mechanischen Ileus.

Diagnostik

Im Rahmen einer besonders ausführlichen Anamnese wird zunächst versucht, die große Zahl der möglichen Ursachen der Obstipation einzugrenzen.

Körperliche Untersuchung

Im Anschluss an die Anamnese erfolgt die klinische Untersuchung. Sie beginnt mit Abhören (Auskultation mittels Stethoskop), Abtasten des Bauches oder Austasten des Enddarmes (Palpation) und Abklopfen (Perkussion) des Bauches. Danach folgen weitere Untersuchungen zum Ausschluss organischer Ursachen.

Untersuchung von Blut und Urin

Die Laboruntersuchung von Blut- und Urinproben ist erforderlich, um Mineralstoff- und Elektrolytstatus der Patienten zu erheben. Diese Werte geben darüber Aufschluss, ob beispielsweise eine Stoffwechselerkrankung oder Abführmittelmissbrauch vorliegen. Die Ergebnisse geben die Richtung für weitere Untersuchungen vor und können einen ersten Hinweis auf den Grund der Obstipation liefern.

Untersuchung auf Blut im Stuhl

Der Stuhlbluttest dient dazu, auch verborgenes Blut im Stuhl nachzuweisen. Findet sich Blut im Stuhl, spricht das für eine Darmentzündung, einen Polypen oder anderen Tumor im Darm.

Ultraschall-Untersuchung

Die Ultraschall-Untersuchung des Bauches (Abdomen-Sonografie) findet ohne Strahlenbelastung und ohne Beeinträchtigung der Patienten statt. Dabei gelingt es unter guten Bedingungen, die Organe des Bauchraums auf einem Bildschirm darzustellen. Krankhafte Veränderungen wie Darmverengungen aufgrund einer Entzündung oder ungewöhnliche Luftansammlungen im Darm können auf diese Weise auffallen, wobei durch zu viel Gas im Darm die Ultraschallbilder für den Arzt nur bedingt auswertbar sind.

Darmspiegelung

Die Darmspiegelung (Koloskopie) gibt die Möglichkeit, den Darm von innen her anzusehen und zu beurteilen. Um Veränderungen wie Darmpolypen, Verengungen oder Tumoren zu erkennen, ist die Darmspiegelung die beste Möglichkeit. In einigen Fällen genügt auch die genannte Rektoskopie. Hierbei wird lediglich der Mastdarm untersucht, wogegen mit einer Koloskopie auch die höheren Abschnitte des Dickdarms, wenn nötig auch das Ileum, untersucht werden können. Vor dieser Untersuchung muss der komplette Darm entleert werden, für die Rektoskopie genügt in der Regel ein einfaches Klistier – selten ist hier ein Reinigungseinlauf nötig. Für eine Koloskopie trinken die Patienten einige Stunden vor der Untersuchung mehrere Liter einer PEG-Spüllösung, bis nur noch klare Flüssigkeit ausgeschieden wird.

Röntgenuntersuchung

Durch den Colon-Kontrasteinlauf kann die Lage des Dickdarms im Bauchraum sowie seine Arbeitsweise untersucht werden. Da der gesamte Dickdarm dargestellt werden soll, muss vor der Untersuchung der Darm gut entleert sein. Als Kontrastmittel kommt meistens Barium-Brei zum Einsatz. Unter Röntgendurchleuchtung kann man auch eine Gefäßuntersuchung durchführen, wenn Blutungen, Verletzungen, Thromben (Gerinnsel) oder Tumoren vermutet werden. Um die Arbeitsweise des Dickdarms röntgenologisch darstellen zu können, wird der ganze Dickdarm mit einem speziellen Kontrastmittel gefüllt, in dem ein starkes Abführmittel gelöst ist (Irrigoskopie). Die Darmbewegungen lassen sich dann als Film auf dem Röntgenschirm gut erkennen. Diese Untersuchung kann durch das Abführmittel kolikartige Bauchkrämpfe auslösen und wird deshalb nur in Ausnahmefällen durchgeführt.

Kolontransit-Test

Diese Untersuchung wird nur durchgeführt, wenn etwa der Verdacht auf ein Dolichokolon (überlanger Dickdarm) besteht. Man kann damit die Dickdarmtätigkeit und den Ausscheidungsrhythmus bestimmen. Die Patienten schlucken bei diesem Test an sechs aufeinander folgenden Tagen täglich morgens zur gleichen Zeit so genannte Biomarker. Hierbei handelt es sich um kleine Kapseln, die mit Bariumsulfat gefüllt und auf dem Röntgenbild gut sichtbar sind. Am siebten Tag wird eine Röntgenaufnahme des Bauches gemacht. Auf diese Weise lässt sich feststellen, wie viele Kapseln sich in den verschiedenen Dickdarmabschnitten befinden. Dadurch kann die Passagezeit durch den Darm berechnet werden. Als tolerierbare Obergrenze gelten 64 Stunden für die gesamte Darmpassage, bei einer Verstopfung kann die Passagezeit bis zu 120 Stunden betragen.

Zusätzliche Spezialuntersuchungen

In besonderen Fällen kann zur Klärung der Ursache eine Computertomographie (CT) oder eine Magnetresonanztomographie (MRT/MRI) sinnvoll sein. Bei diesen Verfahren lässt sich der ganze Dickdarm und der Schließmuskelapparat darstellen. Manchmal ist es empfehlenswert, die Diagnostik durch eine gynäkologische, urologische oder neurologische Untersuchung zu vervollständigen. Bei Verdacht auf eine neurologische Störung kann die Durchführung einer Elektromyographie (EMG) sinnvoll sein. Bei einer anorektalen Obstipation kann die anorektale Manometrie auch Aufschluss über die Funktion des Enddarmes und des Schließmuskels geben.

Psychische Untersuchungen

Auch der psychische Zustand der Patienten muss bei der Diagnostik einer Obstipation erfasst werden. Besonders bei jüngeren Frauen ist die Obstipation oft psychosomatischer Natur. Es wird nach den Lebensumständen, Ernährungsgewohnheiten sowie nach der familiären und beruflichen oder schulischen Situation gefragt. Die Antworten können deutliche Hinweise auf stressbedingte Obstipation oder auf Stuhlverhaltung (vor allem bei Kindern) geben.

Behandlung

Die Behandlung erfolgt nach einem Stufenschema: Ist die Obstipation durch Ernährungsfehler oder ungünstigen Lebensstil bedingt, ist der Hauptaspekt der Behandlung eine Umstellung der Ernährung auf ballaststoffreiche Kost, ausreichende Flüssigkeitszufuhr und ggf. die Änderung der Lebensgewohnheiten. Ausreichende Bewegung und Toiletten-Konditionierung unterstützen die Darmtätigkeit. Reichen diese Maßnahmen der Stufe 1 nicht aus, wird die Darmtätigkeit in einem zweiten Schritt mit Hilfe von Füll- und Quellstoffen angeregt z. B. Macrogol. Betroffene der Stufe 3, bei denen weder die Umstellung der Ernährungs- und Lebensgewohnheiten noch Abführhilfen der Stufe 2 helfen, benötigen zusätzlich zu gesunder Ernährung und Bewegung sog. stimulierende Abführmittel (Bisacodyl, Natriumpicosulfat, Senna alexandrina). Die Behandlung der Stufe 3 sollte mit ärztlicher Rücksprache erfolgen. Außerdem sind Auslassversuche empfehlenswert, um regelmäßig zu überprüfen, ob das Abführmittel tatsächlich noch benötigt wird. Die Dosierung des Abführmittels ist korrekt, wenn es zu einem weichen, nicht flüssigen Stuhlgang kommt. Durchfall ist ein Zeichen von Überdosierung oder zu häufiger Anwendung.Sennesprodukte werden im ärztlichen Bereich weitgehend vermieden.

Ernährungsumstellung

Zielstellung ist es, das Darmmilieu zu normalisieren, sodass die Darmtätigkeit reguliert wird. Es gilt dem Mangel an physikalisch wirksamen Nahrungsreizen, Mangelernährung und zu geringer Flüssigkeitszufuhr gegenzuwirken. Durch die Nahrungsmittel sollen die nötigen Ballaststoffe Volumen im Kot schaffen und zu hohen Flüssigkeitsentzug verhindern. Mineralien und Spurenelemente regen die Sekretion der Darmdrüsen an. Die Ernährungsumstellung bringt eine langzeitige Wirkung und ist im chronischen Fall das Mittel der Wahl.

In der Normalkost sollte Vollkornbrot (Schrotbrot, Schwarzbrot, Pumpernickel) bevorzugt werden, Misch- und Braunbrot hat nur unwesentlich mehr Ballaststoffe als Weißbrot. Speziell Kleiebrot, das eine weichere Rinde als manches Vollkornbrot hat, empfiehlt sich dabei. Eine Umstellung auf Vollwertkost mit einem hohen Anteil an Rohkost kann langfristig gesehen Besserung bei chronischer Verstopfung bringen, als sättigende Grundlagen sind Vollkorn-Teigwaren, Vollreis, Hirse, Hafer, Vollkornmüsli geeignet. Grundlegende Sättigungen sind Knollengemüse, Kartoffeln und Hülsenfrüchte. Unter den Obstsorten sind Birnen, Pfirsiche, Kirschen und Feigen geeignete Zusatzkomponenten. Faserreiche Lebensmittel, wie Sellerie, Lauch schaffen Volumen im Darminhalt, andererseits wirkt Spargel entwässernd. Dörrobst enthält abführende Stoffe, besser ist es jedoch, dieses in Wasser zu quellen und mit dieser Flüssigkeit einzusetzen. Prinzipiell ist weiche Kost zu wählen, das können sowohl gekochte Früchte, pürierte Feigen, Dörrpflaumen und Dörrbirnen, wie auch gekochtes Gemüse und Kartoffeln sein. Salate aus gekochtem Knollengemüse ergänzen den Speiseplan. Geeignet ist Erdbeerkonfitüre und als Getränke Instantkaffee, Schokoladengetränke, Milchschokolade.

Eine abführende Ernährung benutzt eingelegte Pflaumen, Feigen und Aprikosen. Bekannte Mittel mit abführender Wirkung sind Rhabarber, Sauerkraut, Rote Bete (auch als Saft erhältlich) und im Besonderen Indische Flohsamen. Beim Genuss von Kleie und Leinsamen ist auf die Beigabe von viel Flüssigkeit zu achten. Bei ungenügender Flüssigkeitszufuhr werden Blähungen und Bauchschmerzen beobachtet und es besteht die Gefahr eines Darmverschlusses. Aus gegebener Veranlassung ist eine stopfende Ernährung zu vermeiden. Somit sind Weißbrot und Teigwaren eher widersächlich. Es sollte auf Bananen, Karotten und Schokolade verzichtet werden.

Stopfende Wirkung haben Getränke wie Rotwein oder Schwarzer Tee. Stattdessen sind Mineralwasser (täglich zwei Liter) oder Kräutertee empfehlenswert. Besonders sulfatreiches Mineralwasser bindet Wasser im Darm und löst einen Spüleffekt aus, der die Gallensaftproduktion fördert.

Eine Ernährungsberatung durch eine Fachkraft ist für die Ernährungsumstellung besser, da so auf die individuellen Probleme der Patienten eingegangen werden kann. Die meisten Kliniken und Krankenkassen bieten solche Beratungen an, gelegentlich sogar spezielle Ernährungs- und Kochkurse.

Umstellung der Lebensgewohnheiten

Die Beseitigung einer Verstopfung sollte mit einer Umstellung der Lebensgewohnheiten einhergehen.

Verhaltenstherapie

Eine wichtige Säule bei der Behandlung einer Verstopfung liegt im Verändern der täglichen Lebensabläufe (Normalisierung des Lebensrhythmus, geregelter Tag-Nacht-Rhythmus mit Aktivitäts- und Ruhephasen zu möglichst gleichen Tageszeiten, Einnahme der Mahlzeiten zu den gleichen Zeiten). Die Betroffenen sollen sich vom Zwang der täglichen Stuhlentleerung befreien. So ist es auch wichtig, den Darm an eine gewisse Regelmäßigkeit zu gewöhnen, etwa indem morgens nach dem Frühstück die Toilette aufgesucht und Stuhlentleerung versucht, bei vergeblichem Versuch aber nicht länger als höchstens fünf Minuten verweilt wird. Der Stuhldrang, auch wenn er spontan auftritt, soll nicht unterdrückt werden. Eventuell vorhandene Konflikte sollten gelöst werden, und es kann hilfreich sein, mit anderen und mit sich selbst ins Reine zu kommen. Es sollen Gegenpole zum Stress, etwa durch Entspannungsübungen, Meditation, Yoga oder Autogenes Training, geschaffen werden.

Bewegungstherapie

Da jegliche Form der körperlichen Bewegung die Darmtätigkeit begünstigt (insbesondere Wandern, Laufen, Spielsportarten, Gymnastik – hier besonders Übungen zur Stärkung der Bauchmuskulatur), sollten die Patienten ihre sportlichen Aktivitäten dahingehend ausbauen. Isometrische Bauchpresse zur Stärkung der Bauchmuskulatur (Bauch zehn Sekunden lang kräftig einziehen und langsam entspannen, fünfmal wiederholen) kann hilfreich sein. Diese Übung soll dreimal täglich durchgeführt werden. Weiter begünstigen Darmmassagen, die im rechten Unterbauch beginnend mit festen kreisenden massierende Bewegungen im Uhrzeigersinn über den gesamten Bauch morgens fünf Minuten lang ausgeführt werden, den Erfolg und regen zusätzlich den Darm an. Auch Bindegewebsmassagen sollen eine günstige Wirkung haben.

Physikalische Therapie

Bei einer „schlaffen“ Verstopfung können Kniegüsse zur Darmanregung nützlich sein, auch kalte Fuß- und Halbbäder, kalte Reibe-Sitzbäder (16 bis 20 °C, zwei bis drei Minuten), dreimal täglich kalte Bauchwaschungen (drei Minuten) bringen eine Besserung der Symptome. Bei krampfartiger Verstopfung können zur Krampflösung intensive Wärmeanwendungen wie ein- bis zweimal täglich ansteigende Sitzbäder (20 bis 30 Minuten) und heiße Auflagen (Wärmflasche mit feuchtem Tuch auf dem linken Unterbauch) hilfreich sein. Dickdarmmassage von außen (im Uhrzeigersinn) können die Transitzeit im Dickdarm bis zu 47 % verringern.[4]

Rektale Entleerungshilfen (Klistier, Irrigator)

Eine altbewährte, besonders schonungsvolle Alternative zu Abführmitteln sind Darmspülungen mit reinem Wasser. Klistiere gehören zu den ältesten Instrumenten in der Medizin und wurden von jeher eingesetzt, um eine rasche, gezielte Entleerung des Enddarms herbeizuführen. Ihr Vorteil besteht darin, dass die Anwendung nur lokal wirkt, nämlich im unteren Darmabschnitt, so dass der Körper und seine Organe nicht belastet werden. Diese geeignete und altbewährte Methode ist bei vielen Patienten nicht mehr bekannt. Früher nahm das Klistiergerät in der Volksmedizin eine bedeutende Stellung ein und gehörte bis vor wenigen Jahrzehnten in jeden Haushalt und in jeden Arztkoffer.

Zusätzliche Therapie

Wenn die Koordination der inneren und äußeren Schließmuskeln gestört ist, bieten sich Biofeedback- oder Elektrostimulationstherapie an. Diese Methoden kommen vor allem bei neurologischen Störungen zum Einsatz, können unter bestimmten Umständen aber auch beim Erlernen einer richtigen Stuhlentleerung im Rahmen einer Verhaltenstherapie sinnvoll sein.

Medikamentöse Behandlung

Bei der kologenen Obstipation ist die Ursache ein träger Darm, der mit osmotischen (Lactulose) oder motilitäts- und sekretionsbeeinflussenden Abführmitteln (Bisacodyl oder Sennoside) angeregt werden kann. Nur 38 % der Einnahmen von Laxanzien wurden ärztlich verordnet, 21 % von Apothekern initiiert, 16 % von Bekannten und 12 % aus der Werbung initiiert.[5] Ist die Ursache der Obstipation dagegen Ballaststoffmangel, eignen sich Füll- und Quellstoffe (wie Flohsamenschalen).

Eine anorektale Obstipation lässt sich am besten mit rektal verabreichten Mitteln beseitigen. Dazu eignen sich Zäpfchen mit den Wirkstoffen Glycerin oder Bisacodyl und Klistiere mit Natriumdioctylsulfosuccinat.

Bei der Anwendung von Schmerzmitteln im Rahmen der Speziellen Schmerztherapie ist die Obstipation eine der häufigsten Nebenwirkungen. Dieses führt zur Empfehlung, dass jedwede Anwendung von z. B. Opiaten zumindest in den ersten Tagen der Therapie von einer Abführmittel-Einnahme begleitet sein sollte. Das häufigste in der Schmerztherapie eingesetzte und untersuchte Präparat ist das Macrogol (Handelsname Movicol).[6] Dieser Wirkstoff ist lange bekannt[7] und zudem von der European Medicines Agency für die Schmerztherapie ausführlich kommentiert.[8]

Bei einer schon lange bestehenden, chronischen Obstipation ist ein etwas aufwändigeres Verfahren notwendig, um den Darm anzuregen. Teilweise sind hier schon länger motilitäts- und sekretionsbeeinflussende Abführmittel wie Bisacodyl oder Sennoside in zu hohen Dosen verwendet worden. Hier muss zuerst wie beim Laxantienabusus von stimulierenden auf osmotisch wirkende Abführmittel gewechselt werden. Dazu wird mit Magnesiumsulfat (Bittersalz) in einer hohen Dosis von zwei Esslöffeln auf ½ Liter Wasser begonnen, bei normalem oder dünnem Stuhl wird die Dosis reduziert oder bei nicht ausreichendem Erfolg zusätzlich Lactulose-Sirup (ein bis drei Esslöffel) nach dem Frühstück gegeben. Die individuelle Dosis ist so zu wählen, dass regelmäßig (alle ein bis drei Tage) weicher Stuhlgang stattfindet. Wenn sich der Stuhl normalisiert, beginnt man langsam mit dem Ausschleichen der Abführmittel, was mehrere Monate dauern kann.

Sind Abführmittel aufgrund einer Darmlähmung notwendig und müssen ausnahmsweise über einen langen Zeitraum gegeben werden, werden mit Macrogol und Bisacodyl die besten Ergebnisse erzielt. Hier wird nur soviel gegeben, dass ein regelmäßiger, weicher aber geformter Stuhlgang besteht. Durchfall ist ein Zeichen von zu hoher oder zu häufiger Einnahme.

Sollten die vorstehenden Behandlungsstrategien nicht ausreichen, ist der Einsatz von Prucaloprid (Handelsname Resolor®) indiziert. Hierbei handelt es sich um ein Prokinetikum, welches für die Behandlung zunächst nur von Patientinnen mit chronischen Obstipation, bei denen eine Behandlung mit Laxanzien nicht ausreichend ist, zugelassen wurde. Im Juni 2015 erhielt der Hersteller Shire die EU-Zulassung auch für Männer.[9] . Für sogenannte Enterokinetische Pharmaka kann keine durchgängig positive Empfehlung für die Behandlung der Obstipation im Alter abgegeben werden, da in der Literatur beschrieben wurde, dass es für Tegaserod keine repräsentative Kohorte im Alter über 65 Jahren in den üblichen randomisierten Studien und Prucalopride bei Parkinson-Patienten nicht überzeugend gewesen sei.

In einigen Fällen, bei denen sich eine gestörte Koordination des inneren und des äußeren Schließmuskels in Form einer Spastik zeigt, kann durch Einspritzen von Botulinumtoxin (Botox) in den äußeren Schließmuskel eine Besserung der Symptomatik erzielt werden. Botox bewirkt für etwa drei bis neun Monate ein Schwächung der Verschlusskraft um etwa 20-40 Prozent und erleichtert damit die Stuhlentleerung.

Bei einer Reiseobstipation können Abführmittel mit Bisacodyl helfen, da sie schnell (Dragees über Nacht und Zäpfchen innerhalb von 30 bis 60 Minuten) wirken. Wer Phytotherapeutika (pflanzliche Arzneimittel) bevorzugt, kann Senna-Präparate anwenden, da sie ebenfalls zuverlässig (etwa acht bis zwölf Stunden nach der Einnahme, am besten über Nacht) wirken. Noch schneller wirkt ein Einlauf, der auch unterwegs mit Hilfe eines Reiseirrigators gemacht werden kann. Patienten, die schon vor Reiseantritt unter einer chronischen Verstopfung litten, sollten ihre bisher benützten Abführmittel auch weiterhin in der gewohnten Dosierung verwenden.

Bei medikamenteninduzierter Obstipation unter einer Schmerztherapie mit Opioiden kann diese effektiv durch ein Gegenmittel, welches nur im Darm wirkt vermindert werden. Dazu wird Methylnaltrexon subkutan injiziert. Es kann die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren, und wirkt deshalb antagonistisch an den Opioidrezeptoren die hier durch die Opioidwirkung der Schmerzmittel die Motilität des Darmes stören.[10][11]

Operative Behandlung

Eine operative Behandlung kann in bestimmten Fällen – besonders bei anorektaler Obstipation – erforderlich werden. Diese Behandlungsmethode soll nur angewandt werden, wenn alle anderen Behandlungsversuche einschließlich digitalem Ausräumen fehlgeschlagen sind. Häufig kann durch die operative Behandlung die Verstopfung beseitigt oder deutlich verbessert werden. Indikationen dafür sind:

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d H. Krammer, C. Kolac, U. Köhler, Stephan C. Bischoff: Tabuthema Obstipation: Welche Rolle spielen Lebensgewohnheiten, Ernährung, Prä- und Probiotika sowie Laxantien. In: Aktuel Ernaehr Med. 34, 2009, S. 38–49. doi:10.1055/s-2008-1067563
  2. J. F. Erckenbrecht: Epidemiologie der Obstipation. In: Z. Gastroenterol. Suppl. 1, 2000, S. 3–5.
  3. D. Harari: Constipation. In: Hazzards Geriatric Medicin. 6. Auflage. 2009, Kap 93.
  4. R. Thiesemann: Obstipation. Hausärztliche Geriatrie, Ärztekammer Hessen. 2. November 2013.
  5. R. Thiesemann: Obstipation. Hausärztliche Geriatrie, Ärztekammer Hessen. 2. November 2013.
  6. Pubmed-Datenbank; Suchsyntax „Pain AND macrogol“ (611 Publikationen); letzter Abruf am 21. Januar 2016.
  7. H. F. Hammer, J. Hammer, C. Gasche: [Polyethylene glycol (Macrogol)--an overview of its use in diagnosis and therapy of gastrointestinal diseases]. In: Wien Klin Wochenschr. 112(2), 28. Jan 2000, S. 53–60.
  8. EMA: Overview of comments received on ' Guideline on the evaluation of medicinal products for the treatment of chronic constipation (including opioid induced constipation) and for bowel cleansing ' (EMA/CHMP/336243/2013)
  9. Shire Receives European Approval to Use Resolor® (prucalopride) in Men for the Symptomatic Treatment of Chronic Constipation, PM von Shire vom 3. Juni 2015.
  10. Claudia Dellas: Crashkurs Pharmakologie : Repetitorium mit Einarbeitung der wichtigsten Prüfungsfakten. Elsevier, Urban & Fischer, München u. a. 2011, ISBN 978-3-437-43182-1.
  11. Klaus Aktories, Ulrich Förstermann, Franz Hofmann, Klaus Starke: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 10. Auflage. Elsevier, Urban & Fischer, München Jena 2009, ISBN 978-3-437-42522-6.