Svante Pääbo

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Svante Pääbo

Svante Pääbo (* 20. April 1955 in Stockholm) ist ein schwedischer Mediziner und Biologe. Er gilt als Begründer der Paläogenetik. 1984 gelang ihm als Doktorand erstmals die Klonierung der DNA einer Mumie.[1] Die entsprechende Meldung in der Zeitschrift Nature zierte 1985 die Titelseite, eine sehr ungewöhnliche Ehre für einen Doktoranden. In seiner weiteren wissenschaftlichen Laufbahn hat er sich auf evolutionäre Genetik spezialisiert.

Leben

Svante Pääbo wurde als Sohn von Nobelpreisträger Sune Bergström und Karin Pääbo geboren und wuchs in Stockholm auf. Im Anschluss an seine Schulzeit besuchte er ein Jahr eine Dolmetscherschule. Ab 1975 studierte er Ägyptologie, Russisch, Wissenschaftsgeschichte und Medizin an der Universität Uppsala, wo er 1986 mit einer Arbeit in molekularer Immunologie seinen PhD, den Doktorgrad in Naturwissenschaften, erlangte. Innerhalb eines Jahres folgten kurze Aufenthalte am Institut für Molekulare Biologie an der Universität in Zürich und einem Krebsforschungszentrum in London. Die Zeit von 1987 bis 1990 verbrachte er als Postdoc an der University of California in Berkeley in der Arbeitsgruppe von Allan Wilson. 1990 erhielt Pääbo einen Ruf auf eine C4-Professur für Allgemeine Biologie an die Universität München. 1997 wechselte er nach Leipzig an das neugegründete Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. Seit 1999 leitet er dort als einer von fünf Direktoren die Abteilung Evolutionäre Genetik.

Wissenschaft

Während seiner Doktorandenzeit in Uppsala konnte Pääbo neue molekularbiologische Techniken verwenden, um DNA aus Gewebeproben zu gewinnen. Dabei kam ihm die Idee, die gleichen Techniken auch für totes Gewebematerial zu benutzen. Mit Hilfe seines früheren Professors in Ägyptologie konnte er Gewebeproben von Mumien aus der ägyptologischen Sammlung in Uppsala und des Pergamonmuseums in Ostberlin beschaffen. 1984 gelang es ihm dann erstmals, Erbgut aus Zellen der Mumienpräparate zu isolieren. Die im gleichen Jahr veröffentlichten Ergebnisse in der Zeitschrift Das Altertum der Akademie der Wissenschaften der DDR fanden jedoch keine Beachtung. Erst die Veröffentlichung 1985 in der international erscheinenden Zeitschrift Nature sorgten für eine wissenschaftliche Sensation.

Nach Beendigung seiner Dissertation bewarb sich Svante Pääbo bei Professor Allan Wilson in Berkeley auf eine Postdoc-Stelle und wurde 1987 angenommen. Die Arbeitsgruppe von Wilson war die einzige, die sich zu jener Zeit ebenfalls mit der Isolierung von Erbmaterial aus fossilem Gewebe beschäftigte. Die folgenden drei Jahre bei Wilson verliefen sehr erfolgreich, da sie eine neue Methode zur Vervielfältigung von DNA, die Polymerase-Kettenreaktion, auf eine ganze Reihe ausgestorbener Tiere wie Beutelwolf, Riesenfaultier, Höhlenbär oder Mammut anwenden konnten.

Am Max-Planck-Institut in Leipzig beschäftigt Pääbo hauptsächlich die Frage, welche genetischen Veränderungen in der Evolutionsgeschichte den modernen Menschen ausmachen. Dabei vergleichen die Mitglieder seiner Arbeitsgruppe Genmaterial des heutigen Menschen sowohl mit anderen Arten der Gattung Homo, wie dem Neandertaler, als auch mit dem anderer Frühmenschenarten und dem von Menschenaffen. 2002 veröffentlichte er unter anderem seine Forschungsergebnisse zum „Sprachgen“ FOXP2, aus dessen Fehlen oder auftretenden Defekten Sprachunvermögen resultiert.[2] 2010 gehörte Pääbo zu den Autoren einer Studie, in der nachgewiesen wurde, dass vor rund 40.000 Jahren im Altai-Gebirge neben Homo sapiens und dem Neandertaler noch eine dritte, unabhängig von diesen beiden Arten dorthin eingewanderte Population der Gattung Homo gelebt hat, genannt Denisova-Mensch.[3][4]

Ein aktuelles Projekt befasst sich mit der Sequenzierung des Neandertaler-Genoms. Eine 2010 veröffentlichte Studie ergab, dass das Genom der Neandertaler eine signifikant größere Ähnlichkeit mit dem Genom von Europäern und Asiaten hat als mit dem Genom von Afrikanern. Daraus wurde gefolgert, „dass der Genfluss vom Neandertaler zu den Vorfahren der Nicht-Afrikaner erfolgte, bevor sich die eurasischen Gruppen voneinander trennten“, das heißt im Nahen Osten, wo Neandertaler und anatomisch moderner Mensch in der Zeitspanne von vor 110.000 Jahren bis vor rund 50.000 Jahren koexistierten.[5]

  • Bereits 1997 hatte Pääbos Münchner Arbeitsgruppe in Kooperation mit dem Rheinischen Landesmuseum und amerikanischen Wissenschaftlern die mitochondriale DNA des modernen Homo sapiens mit der des Neandertalers verglichen und dabei keine Anhaltspunkte für einen Genfluss entdeckt.[6] Das Rheinische Landesmuseum hatte dafür eine Probe aus dem Oberarmknochen eines Neandertalers zur Verfügung gestellt.
  • Noch im Jahre 2004 sahen Pääbo und sein Team keine Anhaltspunkte für einen signifikanten Genfluss vom Neandertaler zum modernen Homo sapiens.[7]
  • Diese Erkenntnis änderte sich erst nach dem Einsatz neuer Untersuchungsmethoden mit dem Ergebnis, dass sehr wohl Genfluss stattgefunden habe mit einem heute messbaren Beitrag von bis zu 4 % Neandertaler-Genen zum Genpool heutiger Europäer und Asiaten.[8]
  • In den Jahren 2013 bis 2015 veröffentlichte Analyse-Daten zu den Homo-sapiens-Fossilien von Peștera cu Oase in Rumänien und Ust-Ischim in Sibirien untermauerten diese Erkenntnisse, [9][10] wobei Genfluss bislang nur in eine Richtung (Neandertaler-Väter zu Homo-sapiens-Müttern) und nicht von Homo sapiens zu Neandertalern nachgewiesen wurde.[11]

Im Jahre 2014 veröffentlichte Svante Pääbo das Buch „Die Neandertaler und wir: meine Suche nach den Urzeit-Genen.“[12]

Auszeichnungen und Mitgliedschaften

Veröffentlichungen (Auswahl)

Literatur

  • Ulrich Bahnsen: Frühe Vielfalt – Hat der Homo sapiens einen frühen Vorfahren verdrängt oder hat er sich mit ihr kreuz und quer gepaart? Genetische Analysen sorgen für neue Spekulationen. In: Die Zeit. Nr. 17/2014, 16. April 2014, S. 35–36
  • Claudia Eberhard-Metzger: Fahndung nach dem kleinen Unterschied (Porträt: Svante Pääbo). In: Spektrum der Wissenschaft. Heidelberg 2008, Nr. 11, S. 116–122. ISSN 0170-2971

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Pääbo, S. (1985): Molecular cloning of Ancient Egyptian mummy DNA. In: Nature. 314(6012):644-645. PMID 3990798 doi:10.1038/314644a0
  2. Enard, W. et al. (2002): Molecular evolution of FOXP2, a gene involved in speech and language. In: Nature. Band 418, Nr. 6900, S. 869-872. PMID 12192408 Volltext (PDF) (Memento vom 11. Juni 2007 im Internet Archive)
  3. Johannes Krause, Qiaomei Fu, Jeffrey M. Good, Bence Viola, Michael V. Shunkov, Anatoli P. Derevianko und Svante Pääbo: The complete mitochondrial DNA genome of an unknown hominin from southern Siberia. In: Nature. Band 464, 2010, doi:10.1038/nature08976
    Sensationsfund „X-Woman“: Entdeckten Forscher eine neue Menschenart? – faz.net vom 24. März 2010, Sonja Kastilan: „Filigrane Fingergene.“
  4. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 26. Dezember 2010, Seite 56: Sieh an, Miss Denisova
  5. Richard E. Green et al.: A draft sequence of the Neandertal Genome. In: Science. Band 328, 2010, S. 710–722, doi:10.1126/science.1188021
  6. M. Krings et al.: Neandertal DNA sequences and the origin of modern humans. In: Cell. Band 90, 1997, S. 19–30
  7. Keine signifikanten Beiträge des Neandertalers zum Genpool des modernen MenschenAuf: mpg.de vom 22. Juni 2015
  8. Genfluss vom Neandertaler zum Homo sapiens.Auf: mpg.de vom 28. Juni 2015
  9. Frühe Europäer haben sich mit Neandertalern vermischt. Auf: mpg.de vom 12. Juli 2015, mit einer Abbildung des Unterkiefers Oase1
  10. Erbgut des bisher ältesten modernen Menschen entschlüsselt. Max-Planck-Gesellschaft vom 22. Oktober 2014
  11. Neandertaler-Genom beim Homo sapiens nachgewiesen, noch kein Nachweis von sapiens-Genom beim Neandertaler. Auf: mpg.de vom 20. Juli 2015
  12. Die Neandertaler und wir:meine Suche nach den Urzeit-Genen. S. Fischer, Frankfurt am Main 2014 (Originaltitel: Neanderthal Man: In Search of Lost Genomes, übersetzt von Sebastian Vogel), ISBN 978-3-10-060520-7.
  13. Mitgliedseintrag von Svante Pääbo bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 22. Oktober 2015.
  14. Universitätsradio Leipzig, 5. Oktober 2009: Bundesverdienstkreuz für Svante Pääbo. Dem Direktor des Max-Planck-Instituts Leipzig, Svante Pääbo, wurde das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern verliehen.
  15. Evolutionsforscher Pääbo ausgezeichnet. In: Hamburger Abendblatt, 25. November 2009. Aufgerufen am 10. Dezember 2012.
  16. „Heiße Kartoffel“ – Mitteldeutscher Kommunikations- und Medienpreis, Preisträger 2012. Dump vom 26. Dezember 2015