Weltmusik

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Weltmusik oder World Music bezeichnete eine Mischform aus westlicher Populärmusik und traditionellen, nicht-westlichen Musikformen. Der Begriff kam in den 1980er Jahren auf. Das von Peter Gabriel initiierte WOMAD-Festival und das Label Real World spielte dabei eine große Rolle.

Mit der Popularisierung des Genres wurden traditionelle Musikgenres unter diesem Begriff subsumiert, der somit auch als Synonym für „Traditionelle außereuropäische Musik“ gilt. In den vergangenen Jahren geriet der Begriff daher in Kritik, weil er sich einer stark eurozentristischen Sicht auf Musik bedient.

Hier soll der Begriff als eine spezielle Stilrichtung verstanden werden im Sinne von Grenzgängen und Synthesen aus westlicher Populärmusik und traditionellen, meist nichtwestlichen Musikformen.

Geschichtliche Entwicklung

Anfänge

Die Integration von außereuropäischen Elementen in die populäre Musik stand in der Tradition der modernen klassischen Musik Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, die sich bereits mit osteuropäischer Volksmusik, aber auch asiatischer Musik, zum Beispiel den indonesischen Gamelan-Orchestern, beschäftigt hatte.

In den USA wurden spätestens seit den 1950er Jahren südamerikanische, vor allem brasilianische Elemente in die populäre Musik aufgenommen.

1960er Jahre

Seit den 1960er Jahren erweiterten Jazzmusiker, allen voran John Coltrane, ihre musikalische Sprache in Richtung speziell indischer und afrikanischer Klänge, Melodien und Rhythmen. Im Deutschland der 1980er Jahre war es vor allem der Musikjournalist Joachim Ernst Berendt, der Weltmusik den Musikhörern näherbrachte; das erste praktische Projekt mit deutschen Jazzmusikern, die Asien-Tournee des Albert-Mangelsdorff-Quintett, fand bereits 1964 statt und wurde auch damals schon von Behrendt im Fernsehen vorgestellt. Seit den 1960er Jahren also haben Bereiche des Jazz bereits Elemente traditioneller, meist nichtwestlicher Musikformen aufgenommen und verarbeitet.

Auch Rockbands wie The Beatles und The Rolling Stones begannen in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre mit indischen und arabischen Klängen zu experimentieren. Der indische Sitar-Spieler Ravi Shankar war zu dieser Zeit im Westen sehr populär. Schon in den frühen 1960er Jahren hatte sich in den USA die „Exotica“-Musik entwickelt, die Jazz, Pop mit lateinamerikanischen, afrikanischen und hawaiischen Elementen verband. Allerdings wurde hier wenig Wert auf Authentizität gelegt.

Beispiele für die Verwendung von Weltmusik in der europäischen neuen Musik sind die elektronische Komposition Telemusik von Karlheinz Stockhausen und das Stück Exotica für außereuropäische Instrumente von Mauricio Kagel.

Ebenso kamen immer mehr Musiker aus nichteuropäischen Ländern als politische Flüchtlinge oder Arbeitsmigranten in westliche Länder. Mit dem gesteigerten Interesse an nichteuropäischer Musik gewannen auch sie an Einfluss. Besonders stark war während der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung das Interesse an afrikanischer Musik. In diesem Zuge wurden unter anderem die Südafrikaner Miriam Makeba und kurz darauf Hugh Masekela zu Stars im Westen.

Afrikanische Klänge hatten ebenfalls Einfluss auf die sich entwickelnde Discomusik.

1970er Jahre

Das 1976 von Patrick Moraz veröffentlichte Album The Story of I, ein Konzeptalbum, das teilweise in Südamerika, teilweise in der Schweiz (unter anderem mit dem Bassisten Jeff Berlin) entstand und brasilianische Rhythmen mit Popmusik, Progressive Rock, von der Romantik geprägter Neoklassik, Musicalelementen und Jazz verband, wird aufgrund dieser stilistischen Breite oft als das erste Album der Weltmusik bezeichnet. Besonders Peter Gabriel zeigte sich von The Story of I beeindruckt.

1980er und 1990er Jahre

In den 1980er und 1990er Jahren erlebte die Weltmusik einen enormen Aufschwung. In diesen zwei Jahrzehnten entstanden diverse Weltmusikfestivals und Weltmusikmessen in Europa und Nordamerika. Dies ging zurück vor allem auf das Engagement Peter Gabriels mit seinem Label Real World, das aus dem 1982 von ihm gegründeten WOMAD-Festival hervorging. Festival wie Label präsentierten im Westen unbekannte Künstler und Bands aus der ganzen Welt. So wurden Nusrat Fateh Ali Khan aus Pakistan und Youssou N’Dour aus Senegal im Westen bekannt. Die zumeist nichteuropäischen Künstler produzierten allerdings oft unter westlichen Bedingungen, für den europäischen und nordamerikanischen Markt, teils auch mit westlichen Musikern und westlichem Equipment. Das führte oft zu einer Anpassung ihrer Musik an den westlichen Musikgeschmack.

In den 1980er Jahren konnten sogenannte „Weltmusiker“ auch "Chart"-Erfolge im Westen verbuchen, unter anderem Ofra Haza und Mory Kanté.

Ebenfalls eine Rolle spielte das Album Crêuza de mä des italienischen Cantautore Fabrizio De André (in Zusammenarbeit mit dem ehemaligen PFM-Mitglied Mauro Pagani) aus dem Jahre 1984, das von nicht-europäisch anmutenden Klängen geprägt ist, aber im alten Genueser Dialekt gesungen wird. Damit wurde das Spektrum der Weltmusik auch auf die traditionelle Volksmusik erweitert und vom exotisierenden Ethno auf das Repertoire der europäischen Musikethnographie ausgeweitet. Daraus ist als Ableger der Weltmusik die Neue Volksmusik entstanden, die, vom Alpenraum ausgehend, an heimisches Liedgut genauso vorurteilsfrei und „modern“ herangeht wie die klassische Weltmusik an außereuropäisches.

Ein weiteres bedeutendes Projekt entstand 1990. Unter dem Namen One World One Voice initiierten die Musiker Kevin Godley und Rupert Hine ein weitgehend zusammenhängendes Musikstück, an dem über 50 verschiedene Musiker und Bands aus aller Welt zusammenarbeiteten, darunter Afrika Bambaataa, Laurie Anderson, Mari Boine, Clannad, Johnny Clegg, Peter Gabriel, Bob Geldof, David Gilmour, Lou Reed, Ryuichi Sakamoto, Sting, Suzanne Vega und das Leningrad Symphony Orchestra. Es wurden ein Musikalbum und gleichzeitig ein Film mit der Entstehungsgeschichte und dem Video der Musik produziert. Das Projekt, das gleichzeitig unter dem Aspekt des Naturschutzes stand, sollte zeigen, dass Musik ein Medium, eine Sprache sei, die weltweit „gesprochen“ und verstanden werde.

2000er Jahre

Der Musiker Damon Albarn der Band Blur stellte eine intensive Verbindung zwischen besonders afrikanischen Musikszenen (speziell Mali) und der britischen Musikszene her. Albarn holte diverse Musiker nach England und benutzte afrikanische Klänge auf seinen Alben. Er produzierte 2008 das Erfolgsalbum Welcome to Mali des malischen Duos Amadou & Mariam.

Vom 17. bis 20. Mai 2007 fand zum ersten Mal in Deutschland die Endausscheidung auf Bundesebene des Weltmusik-Wettbewerbes Creole statt. Von den 21 Bands, die auf Landesebene von sieben Trägerschaften gewählt worden waren, gewannen die Gruppen Ulman, Äl Jawala und Ahoar Preise; Äl Jawala erhielt auch den Publikumspreis.

Im September 2015 führte die Popakademie Baden-Württemberg als erste Hochschuleinrichtung in Deutschland einen offiziellen Bachelorstudiengang für Weltmusik ein.[1]

„Weltmusik 2.0“

Von Thomas Burkhalter (siehe Literatur) wird der Begriff „Weltmusik“ im Sinne einer „Weltmusik 1.0“ – so Burkhalter – oft kritisch gesehen, da er ein eurozentrisches Verständnis der nichteuropäischen Musikkulturen andeute, die von westlichen Musikern lediglich zur „Orientalisierung“ ihres an sich weiter bestehenden Sounds herangezogen werde. Dennoch ist Musik wie die von Damon Albarn bzw. Amadou und Mariam aus Mali sehr erfolgreich in der westlichen Welt. Anfang 2011 brachte Burkhalter einen neuen Terminus für die heutige Weltmusik ins Gespräch, die von ihm so benannte „Weltmusik 2.0“:

„Weltmusik, in der Popwelt und der Clubszene lange belächelt, setzt heute Trends. Sie heisst jetzt Global Ghettotech, Ghettopop, Cosmopop, Worldtronica oder schlicht Weltmusik 2.0 – die Weltmusik der interaktiven Internetplattformen [...] Weltmusik 2.0 lässt sich in kein Korsett mehr zwängen, sie ist widersprüchlich und mehrdeutig. Es klingt das Chaos der Welt, die Hektik des Alltags, die Wut über Weltpolitik und Wirtschaft, und die Hoffnung, sich via Musik eine Existenz zu sichern.“

Musikstile

Projekte

Festivals

Literatur

  • Simon Broughton, Kim Burton, Mark Ellingham: Weltmusik. Von der Salsa zum Soukous. Das ultimative Handbuch („World Music. The Rough Guide“). Metzler, Stuttgart 2000, ISBN 3-476-01532-7.
  • Thomas Burkhalter: "Weltmusik 2.0: Zwischen Spass- und Protestkultur" Norient.com, 2011. (http://norient.com/academic/weltmusik2-0/)
  • Peter Fletcher: World musics in context. A comprehensive survey of the world's major musical cultures. Oxford University Press, 2001, ISBN 0-19-816636-2.
  • Carsten Wergin: World Music. A Medium for Unity and Difference? EASA Media Anthropology Network, 2007 (PDF)
  • Philip V. Bohlman: World Music. A Very Short Introduction. Oxford University Press, Oxford 2002, ISBN 0-19-285429-1.

Einzelnachweise

  1. Focus.de: Popakademie erhält einzigartiges Zentrum für Weltmusik, 7. Februar 2015 Abgerufen am 20. Mai 2016

Weblinks

Wiktionary: Weltmusik – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen