„Bedingungsloses Grundeinkommen“ – Versionsunterschied

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* [http://images.zeit.de/text/2007/16/Grundeinkommen Kolja Rudzio: Nie wieder Hartz IV in Die Zeit 12. April 2007]
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* [http://images.zeit.de/text/online/2006/39/grundeinkommen-straubhaar Artikel zu Thomas Straubhaar in Die Zeit]
* [http://images.zeit.de/text/online/2006/39/grundeinkommen-straubhaar Artikel zu Thomas Straubhaar in Die Zeit]
* [http://www.freitag.de/2007/extra/grundeinkommen.html Freitag-Debatte: Grundeinkommen, 2007]


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Version vom 10. Oktober 2007, 22:49 Uhr

Ein Bedingungsloses Grundeinkommen ist ein sozialökonomisches Modell, in dem jeder Bürger vom Staat eine gesetzlich festgelegte und für jeden Bürger gleiche finanzielle Zuwendung (Transferleistung) erhält, deren Höhe zur Existenzsicherung ausreicht und für die keine Gegenleistung erbracht werden muss.

Zu den in Deutschland diskutierten Modellen eines bedingungslosen Grundeinkommens gehören z. B. das Solidarische Bürgergeld (Althaus-Modell), das Ulmer Modell oder das Grundeinkommensmodell nach Götz Werner.

Allgemeines Konzept

Das bedingungslose Grundeinkommen stellt ein steuerfinanziertes Einkommen für alle dar, das die Existenz und gesellschaftliche Teilhabe sichern soll, ohne dass eine sozialadministrative Bedürftigkeitsprüfung erfolgt und ohne dass eine Bereitschaft zur Arbeit gefordert wird.

Das bedingungslose Grundeinkommen ist somit eine Form des Bürgergelds (Grundeinkommens). Eine andere Form ist die Negative Einkommensteuer, die in der Regel die Bereitschaft zur Annahme einer angebotenen Arbeit voraussetzt. Es unterscheidet sich von einer staatlich organisierten Grundsicherung, die nur gezahlt wird, wenn kein anderes ausreichendes Einkommen zu Verfügung steht, und die mit einer Bedürftigkeitsprüfung verbunden ist.

Je nach Modell wird eine Zahlung in Höhe des Sozialhilfesatzes bzw. des Arbeitslosengeldes II bis hin zu einer Zahlung von 1.500 Euro pro Monat vorgeschlagen.[1] Wer über mehr Geld verfügen möchte, könnte sich dies immer noch z. B. durch Erwerbsarbeit verdienen – es bestünde nur keine existenzielle Notwendigkeit mehr zur Erwerbsarbeit.

Zur Finanzierung ist in der Regel eine starke Vereinfachung und Neuordnung des Steuersystems vorgesehen sowie sehr viel weniger Aufwand und Bürokratie in der Sozialverwaltung, da bisherige Transferleistungen durch das bedingungslose Grundeinkommen ersetzt würden. Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Rente, Kindergeld und ähnliche Sozialleistungen würden schrittweise ersetzt und letztendlich wegfallen.

Modelle

Ulmer Modell

Das bedingungslose Grundeinkommen nach dem Ulmer Modell wird grundsätzlich allen Bürgern in Höhe des vom Gesetzgeber festzulegenden Existenzminimums ausgezahlt. Finanziert wird das Bürgergeld aufkommensneutral aus einer Bürgergeldabgabe. Diese Abgabe ist ein fester Prozentsatz des Bruttoeinkommens, welche dann in einem Umlageverfahren verteilt wird.

Solidarisches Bürgergeld nach Althaus

Der thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus fordert ein Solidarisches Bürgergeld genanntes bedingungsloses Grundeinkommen von 800 Euro brutto für jeden (abzgl. 200 € für eine Basis-Krankenversicherung). Alle staatlichen Transferleistungen sollen damit gebündelt werden. Verbunden ist das Konzept mit einer umfangreichen Umgestaltung („Systemwechsel“) in der Steuer- und Sozialpolitik.

Bedingungsloses Grundeinkommen nach Götz Werner

Die Initiative Unternimm die Zukunft um Götz Werner fordert die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Zeitgleich sollen alle Steuern auf Einkommen abgeschafft werden. Die Finanzierung soll dann durch eine erhebliche Erhöhung der Mehrwertsteuer erfolgen. Angestrebt wird eine Grundeinkommenshöhe von 1.500 Euro, die über mehrere Stufen schrittweise erreicht werden soll.[2]

Finanzierung

In Deutschland ergäben sich bei einem Grundeinkommen von 800 € monatlich für 80 Millionen Bürger Kosten von 768 Milliarden Euro pro Jahr. Zur Finanzierung dieser Kosten gibt es zwei wesentliche Modellansätze: Besteuerung des Konsums und Einkommensbesteuerung.

  • Besteuerung des Konsums: Beim Werner’schen Modell wird Einkommen überhaupt nicht versteuert, weshalb jedes Bruttoeinkommen 1:1 als Nettoeinkommen ausbezahlt wird. Das Werner’sche Modell schlägt zur Finanzierung des Grundeinkommens die Besteuerung von Dienstleistungen und Waren vor. Hierbei müsste das Steuersystem stark geändert werden; es würden hohe Konsumsteuern anfallen. Das könnte dazu verleiten, in größerem Maßstab Steuern zu hinterziehen (Schwarzmarkt). Allerdings wird hier das Problem der Schwarzarbeit umgangen, da Einkommen durch Arbeit nicht besteuert wird.
  • Einkommensbesteuerung (Transfergrenzenmodell, zum Beispiel das Ulmer Modell oder das Solidarische Bürgergeld): Sie könnten relativ einfach in das bestehende System eingeführt werden. Allerdings setzen sie voraus, dass genügend Personen über Einkommen verfügen, das an den einkommenslosen Bevölkerungsteil umverteilt wird. Schwarzarbeit kann dadurch gefördert werden.

Das Transfergrenzenmodell funktioniert ähnlich wie die negative Einkommenssteuer, wobei nach der Transfergrenze Einkommen anders (weniger) besteuert wird. Einkommen bleibt weiterhin „subventioniert“ und es wird der Anreiz gegeben, über die Transfergrenze zu kommen, um weniger Steuern zu zahlen. Die Finanzierung des Grundeinkommens basiert auf den Einnahmen jenseits der Transfergrenze. Das Grundeinkommen wird mit dem Einkommen verrechnet und Einkommen bleiben versteuert. Die Finanzierung basiert hier also hauptsächlich auf der Einkommensbesteuerung.

Nach dem Althaus-Modell entstünden dem Staat jährlich Kosten in Höhe von 583 Milliarden Euro. Das heutige System kostet den Staat dagegen 735 Milliarden Euro pro Jahr. Damit wäre ein bedingungsloses Grundeinkommen nach Althaus günstiger als das heutige System.[3] Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) hat das Konzept von Althaus nachgeprüft und kommt zur Feststellung: „Das Konzept (von Althaus) ist finanzierbar“, so KAS-Vorstand Bernhard Vogel.[4]

Rechtslage in Deutschland

Nach heutiger Rechtslage besteht in der Bundesrepublik kein gesetzlicher Anspruch auf ein Grundeinkommen. Menschen, die z. B. wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen außerstande sind, sich persönlich oder sozial zu entfalten, haben aber einen rechtlich gesicherten Anspruch auf eine staatliche existenzielle Mindestsicherung, die als Minimalgarantie ein Soziokulturelles Existenzminimum gewährleisten muss (BVerfGE 40, 121,133).

Ansätze zur Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens

In Brasilien wurden unter Präsident Lula erste Schritte für ein Bedingungsloses Grundeinkommen umgesetzt. Zur Zeit erhalten lediglich die Ärmsten einen geringen Betrag, bis 2010 sollen die Zahlungen auf die gesamte Bevölkerung ausgedehnt werden.

Dahingegen ist das oft in diesem Zusammenhang diskutierte Beispiel Alaskas, trotz der Bedingungslosigkeit der Auszahlung aus dem Alaska Permanent Fund, die dort jeder Bewohner erhält, kein „echtes“ Bedingungsloses Grundeinkommen, da der Betrag (2006: ca. 1.100 US-$ pro Person und Jahr) bei weitem nicht existenzsichernd ist.

In Namibia erhalten die Einwohner einer Ortschaft ein bedingungsloses Grundeinkommen, um zu prüfen, welche Auswirkungen auf die Armut sich ergeben. Gegebenenfalls soll ein bedingungsloses Grundeinkommen in Namibia eingeführt werden. [5]

Allgemeine Kritik am Bedingungslosen Grundeinkommen

Zur speziellen Kritk an den einzelnen Modellen siehe jeweiligen Hauptartikel

Die Auswirkungen auf Arbeitsmarkt und Preise sind bei keinem Modell vorhersehbar, von ihnen hängt jedoch die Tauglichkeit des Modells ab. Mit keinem Modell wird Arbeit abgeschafft, da Güter (und Dienstleistungen) auch weiterhin produziert werden müssen.[6]

Kritiker verweisen darauf, dass ein Bedingungsloses Grundeinkommen ein Anreiz zu einer verstärkten Einwanderung sein könne.[7]

Nach Ansicht von Gerd Habermann von der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer beruht die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens auf einer Vorstellung von einem Staat, in dem alle auf Kosten aller anderen leben könnten. Die psychologischen Effekte seien ein starkes Sinken der Arbeitsmotivation, besonders bei den „Schlechterverdienenden“, sowie die Ausbreitung einer innovationsfeindlichen „Rentnermentalität“. Dass die Arbeit nicht ausgehe, zeigten Vollbeschäftigungsländer von der Schweiz bis Neuseeland. Vielmehr habe sich die Zahl der Arbeitsplätze durch Automatisierung vermehrt.[8]

Aktuelle Diskussion in Deutschland

  • Die Grundsatzprogrammkommission der CDU diskutiert derzeit das Modell von Dieter Althaus.[9] CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla hält das Modell zwar für visionär, weil „jede Form von Sozialbürokratie wegfalle: keine Formulare mehr, keine Bedürftigkeitsprüfung.“ Allerdings könne ein Bürgergeld aber auch dazu führen, dass Menschen „sich endgültig aus der Arbeitsgesellschaft zurückziehen.“ [9]
    Die CDU nahe Konrad-Adenauer-Stiftung unter dem Vorsitz von Bernhard Vogel hält das Konzept für finanzierbar.[4]
  • SPD-Generalsekretär Hubertus Heil kritisiert die Althaus-Pläne für ein Grundeinkommen als „Stilllegungsprämie“. Menschen würden „als nutzlos abgestempelt“ und „mit Geld abgefunden“. [10]
  • Bündnis 90/Die Grünen stehen aktuell einem bedingungslosen Grundeinkommen eher ablehnend gegenüber[11] – so hat beispielsweise der größte Landesverband aus Nordrhein-Westfalen auf seinem Parteitag eine Initiative in Richtung eines bedingungslosen Grundeinkommen abgelehnt, das die bisherige sozialstaatliche Sicherung völlig beendet:[12]. Gleiches gilt für den Landesverband Berlin[13] Es existiert aber auch ein Vorschlag für eine Grüne Grundsicherung.[14] Die Grüne Jugend hat ein bedingungsloses Grundeinkommen im Programm.[15]
  • Die FDP fordert das „liberale Bürgergeld“, das kein Grundeinkommen darstellt, da es eine Arbeitsverpflichtung enthält.[16]

Geschichte

Mit Beginn der Renaissance wurde die Aufgabe, sich um die Unterstützung der Armen zu kümmern, als exklusives Recht der Kirche und Wohlfahrtsverbände angesehen. In Thomas Morus’ Roman Utopia (1516) wurde statt der Bestrafung von Dieben vorgeschlagen, allen Menschen des Landes eine Art Lebensunterhalt zu zahlen, um Diebstahl vorzubeugen.[21]

Juan Luís Vives (1492–1540) entwickelte die Gedanken von Thomas Morus zu einem garantierten Minimaleinkommen weiter. Grundlage war nicht Gerechtigkeit, sondern eine effektivere Ausübung der moralisch benötigten Nächstenliebe. Die geforderte Hilfe war bei Vives allerdings an den Beweis eines Arbeitswillen gekoppelt.[21]

Das Denken von Vives hatte später Einfluss auf die Ideen von Montesquieu (L’Esprit des Lois (1748), Abschnitt XXIII/29, Paris: Flammarion, Ausgabe 2, Seite 134): Der Staat schuldet allen seinen Einwohnern einen sicheren Lebensunterhalt, Nahrung, geeignete Kleidung und einen Lebensstil, der ihre Gesundheit nicht beeinträchtigt.[21]

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts tauchte eine andere Idee auf, die eine noch größere Rolle bei der Bekämpfung der Armut spielte. Die Idee wurde von dem Mathematiker und politischen Aktivist, Marie Jean Antoine Nicolas Caritat, Marquis de Condorcet(1743–1794) beschrieben. Während er im Gefängnis war, schrieb er die Arbeit: Esquisse d’un tableau historique des progrès de l’esprit humain (1795 durch seine Witwe nach seinem Tod veröffentlicht). Das letzte Kapitel enthält einen kurzen Abriss, was eine Sozialversicherung sein sollte und wie sie Ungleichheit, Unsicherheit und Armut reduzieren könnte.[21]

Thomas Paine (1737–1809) entwickelte seine Idee zwei Jahre nach Condorcets Tod weitaus detaillierter in einem Bericht, der an das Direktorat gerichtet war: „Es gibt eine unwiderlegbare Sache, dass die Erde, in ihrem natürlichen und unkultivierten Zustands war, und immer wieder sein wird, was die gemeinsame Armut der Menschheit ist. Jeder Besitzer von kultiviertem Land schuldet der Gemeinschaft eine Bodenmiete (ich kenne keinen besseren Ausdruck, um die Idee zu beschreiben) für das Land, das er besitzt, und diese Bodenmiete fließt in einen Fond, die bei diesem Umsetzungsplan vorgeschlagen wird.“ Aus diesem Fonds „soll an jede Person, die 21 Jahre alt wird, eine Summe von 15 Pfund Sterling bezahlt werden, als Teil einer Entschädigung, für den Verlust seiner oder ihrer natürlichen Erbschaft durch die Einführung eines Grundbesitzsystems. Außerdem eine Summe von 10 Pfund Sterling pro Jahr, an alle Personen, die heute 50 Jahre oder älter sind und an alle anderen, wenn sie dieses Alter erreichen – bis zum Tod.“[21]

Zahlungen, darauf besteht Paine, sollen an alle Personen entrichtet werden – egal, ob reich oder arm, weil es statt der natürlichen Erbschaft ist, welche, als Recht, jeden Menschen angeht, unabhängig vom Besitz, den er angesammelt oder von Verstorbenen geerbt hat.

Diese Idee brachte die Entwicklung eines massiven Sozialversicherungssystems in Europa hervor, das mit der Renten- und Krankenversicherung von Otto von Bismarck für die Arbeiterklasse des vereinten Deutschlands (ab 1883) begann. Obwohl es nicht auf die Armen ausgerichtet war und eine große Umverteilung an die Nichtarmen betraf, begannen diese Systeme sehr bald großen Einfluss auf die Armut zu haben, indem ihre Entwicklung schnell den öffentlichen Unterstützungsplan beeinflusste und sie zu einer zweitrangigen Rolle degradierte.[21]

Was nach Ansicht Paines den gleichberechtigten Besitz der Erde rechtfertigt, ist ein bedingungsloses Einkommen für alle, aber kein garantiertes Einkommen. Zahlreiche Reformer des 19. Jahrhunderts, wie William Cobbett (1827), Samuel Read (1829) und Poulet Scrope (1833) in England legten es soweit aus, dass die Basis eher ein garantiertes Einkommensschema ist als öffentliche Fürsorge. Der bekannteste Vertreter unter ihnen ist der exzentrische und produktive französische Schriftsteller Charles Fourier (1836: 490–2), einer der radikalen Visionäre, den Marx verächtlich als „utopischen Sozialisten“ bezeichnete. In La Fausse Industrie (1836) begründet Fourier, dass der Verstoß jeder Person gegen ein fundamentales Naturrecht – wie jagen, fischen, Früchte sammeln oder ihr Vieh auf dem Gemeinschaftsbesitz – auf das hindeutet, dass die „Zivilisation“ jedem einen Lebensunterhalt schuldet, der keine Möglichkeit hat, seine Bedürfnisse zu decken.[21]

Ein Anhänger und Verfechter der Fourierer Schule, Victor Considérant (Exposition abrégée du système Phalanstérien de Fourier, Paris, 1845), macht einen Schritt in die Richtung eines wirklichen Grundeinkommens, indem er betont, dass, wenn Arbeit ein attraktives Danke an das Phalanstère-System bedeute, „dann wird es fähig sein, ein Minimaleinkommen an den Armenteil der Gesellschaft abzugeben, mit der Gewissheit, dass sie mehr verdienten, als die Aufwendungen am Ende eines Jahres.“[21]

Als Karl Marx 1848 sein Kommunistisches Manifest in einer anderen Umgebung von Brüssel fertig stellte, veröffentlichte der Fourierer Autor Joseph Charlier (1816–1896) seine „Solution du problème social ou constitution humanitaire“ in Brüssel (Brüssel, „Chez tous les libraires du Royaume“, 1848, Seite 106), die man als erste Formulierung betrachten kann, welche ein garantiertes Grundeinkommen beinhaltet.[21]

Unter dem Namen „Minimum“ oder „revenu garanti“ (später „Staatsdividende“), schlug er vor, jedem Einwohner mit bedingungslosen Rechten eine quartalsmäßige (später eine monatliche) Zahlung zu geben, deren Höhe jährlich durch die Vertreter der Staatsregierung festgelegt wurde. In einem späteren Buch, in dem er seinen Vorschlag weiterentwickelt, benennt er es in „Staatsdividende“ um (La Question sociale résolue, précédée du testament philosophique d’un penseur, Brüssel, Weissenbruch, 1894, Seite 252) Diese Art System, so argumentiert er, würde „die Dominanz des Kapitals über die Arbeiterklasse“ beenden. Würde es nicht zu Faulheit führen? „Großes Glück für die Faulen: sie werden mit einem Taschengeld abgespeist. Die Pflicht der Gesellschaft reicht nicht über die Zusicherung eines gerechten Anteils des Genusses, was die Natur ihr zur Verfügung stellt – ohne jemandem das Recht zu nehmen.“ Alles über dem Minimum muss verdient werden.[21]

Der schwierige Appell von Charlier wurde kaum gehört und er verwarf ihn selbst sehr schnell. Der Zeitgenosse von Charlier, John Stuart Mill, fügte zu der zweiten Ausgabe seines Buches „Prinzipien der politischen Ökonomie“ folgendes hinzu und ging damit auf den Fourierster Vorschlag eines ungeprüften Grundeinkommens ein:

Die geschickteste Kombination aller Arten von Sozialismus, und mit der größtmöglichen Objektivität, ist allgemein als Fourierismus bekannt. Dieses System betrachtet nicht die Aufhebung von Privateigentum, oder sogar der Erbschaft; im Gegenteil, er zieht sie auf offene Weise mit ein – als Elemente der Verteilung von Waren und Kapital, sowie von Arbeit. [...] In der Verteilung ist ein bestimmtes Minimum für den Lebensunterhalt jedes Mitglieds einer Gemeinschaft bestimmt, ob arbeitsfähig oder nicht. Der Restbetrag der Produktion wird in bestimmten Verhältnissen geteilt, um im Voraus unter den drei Elementen bestimmt zu werden: Arbeit, Kapital und Talent.[21]

Erste konkrete Konzepte für ein garantiertes Grundeinkommen wurden unter anderen von Josef Popper-Lynkeus (Die allgemeine Nährpflicht als Lösung der sozialen Frage. Leipzig 1912) ausgearbeitet. In Österreich wurde der erste Vorschlag von Lieselotte Wohlgenannt und Herwig Büchele vorgelegt.

In den 1920er Jahren entwickelte der schottische Ingenieur Clifford Hugh Douglas eine ökonomische Theorie namens Social Credit. Die Bezeichnung stammt von Douglas’ Wunsch, gesellschaftlichen Fortschritt durch das Geldsystem zu erreichen. Seine Ideen waren während der Weltwirtschaftskrise sehr populär, wurden aber nie umgesetzt.

1980 publizierte Robert Anton Wilson in seinem Buch Die Illuminati Papiere die RICH-Ökonomie,[22] mit der er einen 4-Stufen-Plan für die Einführung eines Grundeinkommens vorschlägt. Wilson argumentiert dabei, dass der Mensch auf ein „Mehr-mit-weniger-tun“ abzielen würde, was er mit dem Wort Ephemerisierung beschreibt. Dieser Begriff stammt von Richard Buckminster Fuller, der in seinem Buch Critical Path (1981) ebenfalls Überlegungen zu einem bedingungslosen Grundeinkommen anstellte. Arbeitslosigkeit beruhe unmittelbar auf der technischen Möglichkeit dieser Ephemerisierung. Arbeit für Lohn sei eine moderne Form der Sklaverei. Wilson führt dazu Aristoteles an, der sagte, dass Sklaverei nur dann abgeschafft werden könne, wenn Maschinen gebaut würden, die sich selbst bedienen. Weiter nennt Wilson auch Norbert Wiener, einen Mitbegründer der Kybernetik, der 1947 darauf hinwies, dass der Fortschritt in der Computertechnik Massenarbeitslosigkeit auslösen werde.

Davon geht auch der französische Sozialphilosoph André Gorz aus. Seit Jahrhunderten werden immer mehr Arbeiten durch Maschinen übernommen. Der dadurch bewirkte Anstieg der Produktivität führe dazu, dass selbst bei zunehmender Produktion weniger menschliche Arbeitskraft benötigt wird. Die Vorstellung von Vollbeschäftigung werde zur Illusion. Deshalb befürwortet Gorz ein Grundeinkommen, welches ermöglicht, zu leben, ohne zu arbeiten. Jeder Mensch erhalte eine monetäre Grundlage, sich selbst zu verwirklichen. [23]

Ethische Aspekte

Die Frage, ob ein Bedingungsloses Grundeinkommen überhaupt anzustreben sei, ist auch eine moralische. Zwei Positionen stehen sich – unabhängig von der ökonomischen oder politischen Machbarkeit – gegenüber:

Befürworter leiten das Ziel eines Bedingungslosen Grundeinkommens aus der Menschenwürde ab: Das grundgesetzliche Verbot der Zwangsarbeit werde durch den ökonomischen Zwang zur Arbeit um der Selbsterhaltung willen ausgehebelt. Die Befürworter möchten damit Freiheit für die persönliche Entfaltung des Individuums schaffen und somit neue Lebenskonzepte in sozialen und künstlerischen Bereichen ermöglichen. Jeder müsse für sich beantworten, welches Menschenbild er von sich und den anderen habe: Wer von sich ehrlich behaupten könne, dass er mit einem Grundeinkommen, das ihm ein einfaches Leben ohne Überfluss ermöglicht, zufrieden sei, könne auf andere schließen. Zu häufig würde die Annahme getroffen, dass „die Anderen“ sich auf die faule Haut legen würden, doch wie viele letztlich „die Anderen“ seien, könne nur die Erfahrung lehren.

Gegner befürchten jedoch, ein bedingungsloses Grundeinkommen werde Bürger häufiger als derzeit zur Untätigkeit verleiten, da der materielle Anreiz zur Aufnahme einer Arbeit sinke. Wenn sich insbesondere für Menschen mit bisher geringem Einkommen Arbeit materiell kaum lohne, würden sich unter anderem nicht mehr genug Menschen finden, um niedrig entlohnte und besonders unangenehme Arbeiten auszuführen.

Götz Werner, ein Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens, hält dem entgegen, wenn es ein bedingungsloses Grundeinkommen gäbe, dann würde, nach den Gesetzen freier Märkte, bisher schlecht bezahlte, aber notwendige Arbeit besser bezahlt werden bzw. attraktiver gestaltet werden. Für notwendige oder weithin gewünschte Arbeiten würden zwangsläufig ansprechende und lohnende Arbeitsverhältnisse geschaffen werden, und für ausreichend attraktive beziehungsweise lukrative Arbeitsangebote fänden sich im Mittel und mittelfristig immer genug Arbeitswillige.

Nach Ansicht mancher Befürworter besteht die Frage darin, ob der Mensch die nötige Reife für ein bedingungsloses Grundeinkommen hat. Aus diesem Grund sprechen sie auch von einem „emanzipatorischen Ansatz“[24].

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Quellen

  1. Vier Modelle im Vergleich. In: WDR.de politik. 26. Januar 2007.
  2. Finanzierung und Wirkung, auf www.unternimm-die-zukunft.de.
  3. Wikinews: Bürgergeld für alle fordert Thüringens Ministerpräsident Althaus (CDU); Cordula Eubel/Albert Funk: Zwei Lager, eine Idee. In: tagesspiegel.de, 21. Juli 2006.
  4. a b Hannes Koch: 800 Euro für jeden? CDUler findet’s gut. In: taz.de, 25. Oktober 2006: „Diese Sozialreform – die größte seit Bismarck – wäre realistisch, erklärt die christdemokratische Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). ‚Das Konzept ist finanzierbar‘, sagte KAS-Vorstand Bernhard Vogel der taz.“ Vgl. auch Kölner Stadtanzeiger: „Nach Berechnungen der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) ist ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Bürger bezahlbar und nicht teurer als das heutige Sozialsystem.“
  5. Namibia: Grundeinkommen für Squatter-Gruppe: Ab Januar 2008 erhält jeder Hüttenbewohner von Omitara über zwei Jahre N$ 100 pro Monat
  6. Werner Rätz: Für ein Bedingungsloses Grundeinkommen sind Finanzierungsmodelle unvermeidlich, aber schädlich! Newsletter Netzwerk Grundeinkommen, Nr. 9, November 2006.
  7. Z. B. Richard Hauser: Alternativen einer Grundsicherung – soziale und ökonomische Aspekte. In: Zeitschrift Gesellschaft Wirtschaft Politik, Jg. 55, 2006, S. 331–348 (Online-Zusammenfassung).
  8. Freibier für alle, täglich., auf www.asu.de.
  9. a b Der Tagesspiegel: „Ich verspüre keine Fesselung“
  10. Berliner Morgenpost: SPD-General Heil flirtet mit den Liberalen, 29. Oktober 2006
  11. Wolfgang Strengmann Kuhn: Armut in Deutschland und Grundeinkommen, 21. Dezember 2006
  12. „Für einen Neuaufbruch in der Sozialpolitik“, 16./17. Juni 2007
  13. Berliner Grüne für Neuaufbruch in der Sozialpolitik, Ergebnisse der Landesdelegiertenkonferenz am 6.10.2007 von Bündnis 90/Die GRÜNEN Berlin.
  14. „D i e G r ü n e G r u n d s i c h e r u n g “
  15. Der ermutigende Sozialstaat
  16. Das Liberale Bürgergeld
  17. BAG Grundeinkommen
  18. AG Genug für Alle
  19. Netzwerk Grundeinkommen (Deutschland)
  20. DBJR: Grundeinkommen für alle, 3. Dezember 2004
  21. a b c d e f g h i j k BIEN: Three Origins
  22. Robert Anton Wilson: RICH=Rising Income through Cybernetic Homeostatis (steigendes Einkommen durch kybernetisches Gleichgewicht). In: Die Illuminati Papiere. Reinbek bei Hamburg 1980, ISBN 3-499-15191-X.
  23. http://www.attac.de/frankfurt/x_docs/Gorz-Referat.doc.
  24. Die Idee eines emanzipatorischen BGE