Gewalt gegen Frauen

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Vergewaltigung je 100.000 Einwohner. (Stand: 2018)
Quelle: http://www.womanstats.org (englisch)
An Frauen begangene Morde je 100.000 Einwohner. (Stand: 2019)
Quelle: http://www.womanstats.org (englisch)

Gewalt gegen Frauen ereignet sich weltweit täglich und in verschiedenen Kontexten. Es werden dazu psychische, physische und sexuelle Gewalt gerechnet.[1] Die WHO benennt Gewalt gegen Frauen als eines der größten Gesundheitsrisiken für Frauen weltweit.[2] Seit 1999 wird der 25. November als Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen abgehalten.[3]

In den vergangenen Jahrzehnten stieg die Sensibilität bezüglich Gewalt gegen Frauen stark an, was zu einer sich verringernden Dunkelziffer führte.[4] In jüngster Zeit förderten auch Social Media-Bewegungen wie #MeToo diese Entwicklung.

Formen der Gewalt

Gewalt gegen Frauen und Mädchen stellt die häufigste Menschenrechtsverletzung weltweit dar (UNICEF-Veröffentlichungen). Einem Bericht der Weltbank zufolge wird mindestens eine von drei Frauen weltweit im Laufe ihres Lebens geschlagen, vergewaltigt oder ist auf andere Weise Gewalt ausgesetzt.

  • Häusliche Gewalt. Die weltweit am häufigsten auftretende Form von Gewalt gegen Frauen ist physische Gewalt durch eine vertraute Person im häuslichen Lebensbereich. 40 bis 70 Prozent der ermordeten Frauen in Australien, Russland, Israel, Kanada, Südafrika und den Vereinigten Staaten sind nach Schätzungen der WHO ihren Ehemänner oder Lebensgefährten zum Opfer gefallen. In Kolumbien wird an jedem sechsten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner ermordet. In Deutschland steht bei fast jedem zweiten Frauenmord ein dem Opfer nahestehender Mann im Verdacht (BKA 2012).
  • Sexualisierte Gewalt gegen Frauen. Weltweit wird eine von fünf Frauen in ihrem Leben Opfer von Vergewaltigung oder versuchter Vergewaltigung. In Indien wird alle 21 Minuten eine Frau vergewaltigt. „Die Dunkelziffer dürfte aber weitaus höher liegen, schätzt die Indologin Dorothea Riecker.“[2]
  • Auf der Flucht, beispielsweise von Syrien nach Europa, sind Frauen und Mädchen besonders gefährdet, Opfer von Gewalt zu werden, darunter auch sexueller Gewalt.[5]
  • Mitgiftmorde, ein Verbrechen, bei dem die Frau durch ihren Ehemann oder durch ihre Schwiegereltern umgebracht wird, weil ihre Familie nach der Heirat die Mitgift für die Familie des (neuen) Mannes nicht aufbringen kann, sind in Südasien, v. a. Indien, verbreitet.
  • Ehrenmord. Nach Schätzungen des UN-Weltbevölkerungsberichtes Ending Violence against Women and Girls kommen bei steigender Tendenz jährlich 5000 Frauen weltweit durch sogenannte Ehrenmorde ums Leben. Bei den Tätern handelt es sich überwiegend um männliche Familienangehörige. Mitunter werden sie nach einem traditionellen Regelwerk oder aus strategischen Gründen zur Strafminderung bestimmt. Laut Bericht entgehen die Täter dem eigentlichen Strafmaß ohne Verurteilung oder mit milderen Strafen. Der Bericht vermerkt, dass Ehrenmorde hauptsächlich in Ländern mit einer überwiegend muslimischen Bevölkerung begangen werden, sich allerdings nicht auf diese Länder begrenzen lassen.[6] Wolfram Reiss zufolge werden Ehrenmorde an Frauen vermehrt auch in Indien und Brasilien begangen.[7] Eine vom Bundeskriminalamts beauftragte Studie auf der Basis von 78 Prozessakten mit dem Titel Ehrenmorde in Deutschland 1996–2005 kam zu dem Ergebnis, dass die Opfer zu 57 Prozent weiblich waren, die mehrheitlich männlichen Täter zu 91 Prozent Migranten aus der ersten Generation.[8]
  • Zwangsheirat. Nach einem UNICEF-Bericht von 2003 werden weltweit mehr als 51 Millionen Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren verheiratet. Mehrheitlich handelt es sich bei Eheschließungen von unter 19-Jährigen um Mädchen, nicht Jungen. Wirtschaftlich prekäre Lebensverhältnisse der Familien haben dabei den markantesten Einfluss.[9] Nach einer vom Familienministerium in Deutschland beauftragten Studie aus dem Jahr 2005 gaben 25 Prozent der 143 befragten Frauen mit türkischem Hintergrund, die mit einem türkischen Mann verheiratet waren, an, dass ihnen ihr Ehemann vor der Hochzeit unbekannt war.[10]
Öffentliches Plakat (plan.de), Januar 2016
  • Gewalt bei der Geburt. Studien weisen nach, dass es rund um die Geburt oft zu verbaler und physischer Gewalt kommt.[11] Nach Schätzung der Organisation Human Rights in Childbirth erfahren 40 bis 50 Prozent aller Frauen psychische oder körperliche Gewalt vor, während oder nach der Geburt.[12]
  • Femizid, Abtreibung von weiblichen Föten nach vorgeburtlicher Geschlechtsselektion, Kindstötungen von Mädchen oder systematische Verwahrlosung von Mädchen sind in Süd- und Ostasien, Nordafrika und im Nahen Osten weit verbreitet. In Mexiko sind Entführung, Vergewaltigung, Mord an Frauen unter dem Begriff "Feminicido" bekannt. Die Verbrechen bleiben meist straflos, kritisieren die Vereinten Nationen und Frauenrechtsgruppen. (Siehe auch: Frauenmorde von Ciudad Juárez)
  • Menschenhandel und Zwangsprostitution: Zwischen 500.000 und zwei Millionen Menschen, davon 80 % Frauen und Mädchen, werden jedes Jahr Opfer von Menschenhandel, Zwangsarbeit oder Zwangsprostitution.
  • Weibliche Genitalverstümmelung: die Hauptverbreitungsgebiete sind das westliche und nordöstliche Afrika (z. B. Ägypten) sowie der Jemen, der Irak, Indonesien und Malaysia.
  • Säureattentate auf Frauen sind besonders in Staaten Südasiens, v. a. Bangladesch, Pakistan, Indien, weit verbreitet sowie auch aus dem Iran berichtet, werden selten angezeigt und bleiben meist straflos.
  • Steinigung, kollektive Hinrichtungsart, zu der speziell Frauen wegen Ehebruchs oder Geschlechtsverkehr vor der Ehe verurteilt werden. In Ländern wie Afghanistan, Iran, Jemen, Nigeria, Saudi-Arabien und dem Sudan wird Steinigung in Anwendung der Scharia praktiziert.[13]
  • Diskriminierung von Witwen
Beschreibung der Balinesischen Witwenverbrennung von Houtman, 1597 Verhael vande Reyse ... Naer Oost Indien

In verschiedenen Teilen der Welt werden Witwen diskriminiert. Häufig sind Traditionen die Ursache, beispielsweise das Erbrecht.[14] Auch die Opferung von Witwen, wie die Witwenverbrennung trat in der Geschichte in verschiedenen Kulturen auf. Obwohl die Witwenverbrennung in Indien praktisch ausgerottet ist, gibt es immer wieder vereinzelte Fälle, wie die aufsehenerregende Witwenverbrennung von Roop Kanwar im Jahr 1987, sowie einige Zwischenfälle in ländlichen Gegenden 2002,[15] 2006,[16] 2014[17] und 2015[18] bei denen es den Angehörigen nicht gelingt eine 70-jährige Witwe davon abzuhalten auf den brennenden Scheiterhaufen ihres Mannes zu springen.

In einigen Strömungen des Hinduismus ist das Witwentum mit extremer Ausgrenzung verbunden. Es wird von Witwen erwartet sich ein Glatze zu scheren, sie dürfen weder Schmuck noch den roten Punkt auf der Stirn tragen, müssen barfuß laufen,[19] dürfen nur noch Kleider aus grobem weißem Baumwollstoff tragen und weder Fleisch essen noch an Festen teilnehmen.[20] Viele mittellose, von der Familie verstoßene hinduistische Witwen gehen in die Stadt Vrindavan, um dort bettelnd den Rest ihres Lebens zu verbringen.[21][22]

Diese Diskriminierung wird ebenfalls dafür verantwortlich gemacht, dass hinduistische Witwen in den Selbstmord getrieben werden.[23][24]

Gewalt gegen Mädchen

Gewalt gegen Mädchen gibt es in vielerlei Formen: als häusliche Gewalt, Mädchenhandel, sexueller Missbrauch, Zwangsverheiratung, Gewalt an Schulen, Weibliche Genitalverstümmelung. Weltweit gesehen ist Gewalt die häufigste Todesursache von jungen Mädchen.[25] Nach einer weltweiten Studie des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) über Gewalt gegen Kinder und Jugendliche aus dem Jahr 2014[26] ist nahezu jedes dritte Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren, das in einer Partnerschaft lebt, Opfer emotionaler, körperlicher oder sexueller Misshandlung. Nach Schätzungen macht jedes zehnte Mädchen auf der Welt in seinem Leben die Erfahrung, zum Geschlechtsverkehr gedrängt oder gezwungen zu werden.

Studien

Deutschland

Statistiken zufolge wurden in Deutschland im Jahr 2015 mehr als 100.000 Frauen Opfer von Gewalt in der Partnerschaft. In 331 Fällen kam es zum versuchten oder vollendeten Mord oder Totschlag einer Frau durch ihren Partner oder Ex-Partner. Als größte Tätergruppe nannte das Bundeskriminalamt ehemalige Partner.[27][28] Nach den Daten des BKA („Partnerschaftsgewalt - Kriminalstatistische Auswertung - Berichtsjahr 2017“)[29] haben in Deutschland lebende Migranten – auf Seiten der Opfer wie der Tatverdächtigen – einen höheren Anteil an partnerschaftlicher Gewalt, als es ihrem Anteil an der Bevölkerung entsprechen würde.[30][31]

Prävalenzstudie 2004

Das Bundesfamilienministerium stellte 2004 die erste repräsentative Studie (Prävalenzstudie) zu Gewalterfahrungen in Deutschland lebender Frauen vor, für die 10.000 Frauen vom Alter von 16 bis 85 zu ihren Gewalterfahrungen umfassend befragt wurden. Ergebnis der Untersuchung war, dass „mindestens jede vierte in Deutschland lebende Frau schon einmal körperliche oder sexuelle Gewalt durch einen Beziehungspartner erlebt hat“.[32] Gewalt gegen Frauen wird nicht ausschließlich, aber überwiegend im häuslichen Bereich verübt, durch Partner oder Expartner. Besonders gefährdet, Opfer von Gewalt durch den (Ex)Partner zu werden, sind Frauen in Trennungs- oder Scheidungssituationen. Gewalt gegen Frauen markiert im Leben der Betroffenen häufig einen Bruch mit gewohnten Lebensbezügen (z. B. Trennung, Wohnungswechsel, Kündigung des Arbeitsplatzes), auch dann wenn der Täter nicht der Partner ist. Über die Hälfte der von physischer Gewalt betroffenen Frauen erlitt körperliche Verletzungen, ein Drittel dieser Frauen nahm aus diesem Grund medizinische Hilfe in Anspruch. Oft sind Kinder in das Gewaltgeschehen gegen die Mutter involviert.

  • 20 % der Frauen, die in ihrer letzten Partnerschaft Gewalt erfahren haben, gaben als das gewaltauslösende Ereignis die Geburt eines Kindes an, weitere 10 % die Schwangerschaft.
  • 40 % haben seit ihrem 16. Lebensjahr physische oder sexuelle Gewalt oder beides erfahren.
  • 37 % der von körperlicher und 47 % der von sexueller Gewalt Betroffenen haben mit niemandem über die Ereignisse gesprochen. Die Anteile sind noch höher, wenn der Täter der aktuelle oder ein früherer Lebenspartner ist.
  • 25 % haben Gewalt durch aktuelle oder frühere Beziehungspartner erlebt (häusliche Gewalt).
  • 13 % haben seit dem 16. Lebensjahr strafrechtlich relevante Formen sexueller Gewalt erlitten.
  • 42 % der in Deutschland lebenden Frauen haben psychische Gewalt erlebt (in Form von Einschüchterung, Verleumdungen, Drohungen, Psychoterror).
  • 56 % bis 80 % der Betroffenen haben – je nach Form der Gewalt, besonders aber bei psychischer und bei sexueller Gewalt – psychische Folgebeschwerden (Schlafstörungen, Depressionen, Ängste etc.) davongetragen.[33]

Europa

FRA-Erhebung 2014

Die Erhebung der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) zur Gewalt gegen Frauen in Europa, die 2014 veröffentlicht wurde, ist die erste dieser Art. Sie stützt sich auf Interviews mit 42.000 Frauen aus den 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU). Gegenstand der Befragungen waren Erfahrungen mit körperlicher, sexueller und psychischer Gewalt. Dies schließt auch Fälle von Gewalt in Partnerschaft (Häusliche Gewalt) ein. Des Weiteren wurden Fragen zu den Themen Stalking, sexuelle Belästigung und der Rolle von neuen Technologien in Bezug auf Missbrauch gestellt.[34] Ein Drittel der Frauen zwischen 15 und 74 Jahren gaben an, „körperliche und/oder sexuelle Gewalt“ erfahren zu haben. Das entspricht 62 Millionen Frauen. Fünf Prozent erklärten, Opfer einer Vergewaltigung, zwölf Prozent als Kinder Opfer sexueller Gewalt gewesen zu sein. Laut der Autorin der Studie, Joanna Goodey, hätten 22 Prozent der Gewaltopfer einen Arzt oder ein Krankenhaus aufgesucht, nur 15 Prozent die Polizei. In 97 Prozent waren die Täter Männer.[35][36]

Kanada

Die Regierung Justin Trudeau hat für 2016 bis Ende 2018 eine fünfköpfige Untersuchungskommission eingerichtet, um dem Problem verschwundener oder ermordeter Frauen und Mädchen unter den Autochthonen zu begegnen. Die Arbeit der Kommission ist mit Can$ 53,8 Millionen dotiert; weitere Can$ 16,17 Millionen sind für die Opferbetreuung von Hinterbliebenen für den Zeitraum von 5 Jahren bereitgestellt. Nach Angaben der RCMP von 2014 gibt es von 1980 bis 2012 landesweit eine Anzahl von 1181 Opfern, davon 1017 Ermordete, soweit ihr Tod der Polizei zur Kenntnis gebracht wurde.[37] Die Regierung Trudeau hat den Kampf gegen dieses soziale Problem für die Jahre 2016–2018 zu einem Schwerpunkt erklärt.

Indien

Laut einer Studie der Thomson Reuters Stiftung war Indien im Jahr 2018 das gefährlichste Land für Frauen weltweit. Indien lag innerhalb der 10 gefährlichsten Länder (inklusive USA und Saudi-Arabien) auf Rang 1 in 3 von 6 Bereichen: kulturelle Unterdrückung und Misshandlung von Frauen, sexualisierte Gewalt gegen Frauen sowie Menschenhandel und Zwangsprostitution.[38] Im Jahr 2016 wurden demnach 40.000 Vergewaltigungen in Indien gemeldet.[39]

Ein landestypisches Problem stellen Mitgiftmorde dar, bei denen Frauen von ihren Ehemännern getötet werden, wenn die Eltern der Frau keine ausreichende Mitgift („Aussteuer“) an den Mann gegeben haben.

International steigende Anzeigebereitschaft

Vor allem in westlichen Ländern ist über lange Zeiträume relativ synchron ein Kriminalitätsrückgang besonders bei Gewaltkriminalität und Diebstahl gut dokumentiert. Die Häufigkeit von Gewalt gegen Frauen veränderte sich in unterschiedlichen Ländern jedoch weniger einheitlich. Die Bereitschaft der Opfer, Anzeige zu erstatten stieg zwar überall an. Die Zeiträume der Anstiege lagen in unterschiedlichen Ländern jedoch etwas anders.[4]

In den USA stiegen die Anzeigeraten (das Verhältnis der angezeigten zu den tatsächlichen Fällen) von gewalttätigen, auch sexuellen Übergriffen in den 1970er Jahren etwas und ab Mitte der 1980er Jahre stark an. Seit Anfang der 1990er Jahre fallen Kriminalitätsraten (das Verhältnis von Anzeigen zur Bevölkerungsgröße) in den westlichen Ländern. In den USA ging die Zahl der Anzeigen wegen Gewaltkriminalität zwischen 1991 und 2005 um 27 % zurück. Wenn die Änderungen der Anzeigebereitschaft berücksichtigt werden, fielen die Zahlen der tatsächlichen Fälle jedoch um 51 %. Ähnliche Rückgänge wurden auch in England und Wales, sowie Skandinavien ermittelt, wo es ebenfalls regelmäßige Viktimisierungsstudien gibt.[4]

Ein Grund für die gestiegene Anzeigebereitschaft ist die verringerte Toleranz gegen sexuelle Gewalt und Gewalt gegen Frauen im Allgemeinen, zumindest in westlichen Gesellschaften. Auch die Polizei ist als Teil der Gesellschaft von der geänderten Kultur beeinflusst. Dadurch stieg ihre Bereitschaft, solche Vorfälle ernst zu nehmen und als Kriminalität zu registrieren — auch um öffentlicher Kritik vorzubeugen.[4]

Der kulturelle Toleranzlevel für Gewalt änderte sich zumindest seit den 1960er Jahren. Vorfälle, die heute angezeigt werden, wurden früher zwar als unerwünscht, unfreundlich oder inakzeptabel bezeichnet, aber nicht als kriminell. Beispiele sind Partnerschaftskonflikte oder ungewollte, sexuelle Berührung in der Öffentlichkeit. Der Kriminologe Michael Tonry meint, der kulturelle Wandel beträfe auch die Begriffe. Wäre in einer Viktimisierungsstudie in den 1960er Jahren jemand nach einem Schlag vom Partner gefragt worden, ob sie oder er Opfer einer Gewalttat geworden sei, wäre die Wahrscheinlichkeit nein zu sagen größer als heute gewesen.[40]

Viele Bewertungen von sexuellen Übergriffen haben sich verschoben. So auch Vergewaltigungen und versuchte Vergewaltigungen durch Bekannte, den Ehemann, oder bei Frauen, die auf der Suche nach einer Beziehung sind. Dies ist auch ein Erfolg des Feminismus der 1970er und 1980er Jahre. Politische Bewegungen bewirkten Verschärfungen von Gesetzen und veränderten auch der Auslegung bestehender Gesetze.[41] Seit den späten 1990er Jahren wird die Berichterstattung in den Medien zunehmend opferzentriert und moralisch.[42]

Änderungen des Anzeigeverhaltens, juristische Änderungen, einer erweiterten Registrierung durch die Polizei und der geänderten gesellschaftlichen Toleranz führten zu einem wesentlich Anstieg der Fallzahlen gegenüber den tatsächlichen Vorfällen in den Kriminalstatistiken aller entwickelten Länder.[41] In den vergangenen Jahren förderten mehrere Social Media-Aktionen diese Entwicklung wie 2012 #ichhabnichtangezeigt, 2013 #aufschrei und 2017 #MeToo. Die Wirkung waren so intensiv, dass sich Männer diskriminiert fühlten und ihren Umgang mit Frauen einschränkten.[43]

Hilfe (Deutschland)

Das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen ist das erste bundesweite Beratungsangebot für von Gewalt betroffene Frauen.[44] Telefonisch unter 08000 116 016 rund um die Uhr, via Chat oder Mail können sich Betroffene, aber auch Angehörige und Freunde sowie Fachkräfte kostenfrei beraten lassen. Die Beratung kann anonym und auch für Hörgeschädigte erfolgen.[45] Auf Wunsch werden Unterstützungsangebote vor Ort vermittelt. Es ist möglich, Dolmetscherinnen hinzuzuschalten. Die Beratung wird in 15 Sprachen angeboten.[46] Auf den Seiten des Hilfetelefons ist erkennbar, dass mit allen Bundesländern Kooperationen bestehen.[47] Das Unterstützungsangebot ist beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben angesiedelt.

Auf der Website des Bundesverbands Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) können Hilfesuchende auch anhand bestimmter Schwerpunkte in einer Datenbank nach Hilfsorganisationen in ihrer Nähe recherchieren.

Auf den Seiten der BIG Hotline (betrieben vom BIG e. V., der Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen) ist eine Broschüre mit Hinweisen für von häuslicher Gewalt betroffenen Migrantinnen verfügbar.[48] Sie enthält nicht nur Rufnummern zu Hotlines, sondern auch Kontaktdaten zu (Berliner) Frauenhäusern, Zufluchtswohnungen und Beratungsstellen.

Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes unterstützt betroffene Frauen und Mädchen u. a. durch Kampagnen, etwa gegen weibliche Genitalverstümmelung, häusliche Gewalt, Kinderehen und Ehrenmorde.

Hilfe und Beratung finden Mädchen und Frauen auch auf den Seiten von Gewaltlos.de, einem Projekt des Sozialdienstes Katholischer Frauen. Zentrales Medium ist der Chat, der rund um die Uhr geöffnet ist. Die Betroffenen finden hier anonym und kostenfrei niedrigschwellige Unterstützung und individuelle Beratung durch ausgebildete Fachkräfte.

Volkswirtschaftliche Kosten

Von den persönlichen Umständen ganz abgesehen verursacht Gewalt gegen Frauen auch gesamtwirtschaftliche Kosten. So wurde nach Medienangaben in einer Studie geschätzt, dass Gewalt gegen Frauen in Kenia Kosten in Höhe von 400 Millionen Euro jährlich verursacht, indem sie zu Verlusten in der Produktivität, zu Insolvenzen von Kleinunternehmen und zu Schulabbrüchen führt.[49]

Siehe auch

Weblinks

Commons: Gewalt gegen Frauen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, 5. März 2014
  2. a b c Gewalt gegen Frauen, Bundeszentrale für Politische Bildung, 25. November 2014
  3. Gewalt gegen Frauen 2014 Hintergründe zum Aktionstag, abgerufen am 26. März 2016
  4. a b c d Michael Tonry: Why Crime Rates Are Falling Throughout the Western World. In: Crime & Justice. Band 43, Nr. 1, 2014, S. 5–6, doi:10.1086/678181 (englisch, alternativer Volltextzugriff: scholarship.law.umn.edu).
  5. Europa: Gewalt gegen Flüchtlingsfrauen, UNHCR, 30. Oktober 2015 (Memento des Originals vom 10. April 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.uno-fluechtlingshilfe.de
  6. In: Nafis Sadik: The State of World Population, UNFPA, 2000, S. 29 (pdf)
  7. Wolfram Reiss: Die eigene Tochter wegen der Schande töten, „Ehrenmorde“ in der islamischen Welt, in: Wolfgang Mazal (Hrsg.): Familie und Religion, aktuelle Beiträge aus der interdisziplinären Familienforschung, Budrich UniPress, Opladen, 2010, S. 309
  8. Dietrich Oberwittler, Julia Kasselt: Ehrenmorde in Deutschland 1996–2005. Eine Untersuchung auf der Basis von Prozessakten, Luchterhand, Köln 2011, ISBN 978-3-472-08045-9, S. 90
  9. Sanyukta Mathur, Margaret Greene, Anju Malhotra: Too Young to Wed. The Lives, Rights, and Health of Young Married Girls, International Center for Research on Women, 2003, S. 2–3 (pdf)
  10. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland, pdf Seite 130-131.
  11. S. Miller, A. Lalonde: The global epidemic of abuse and disrespect during childbirth: History, evidence, interventions, and FIGO's mother-baby friendly birthing facilities initiative. In: International Journal of Gynaecology and Obstetrics: the Official Organ of the International Federation of Gynaecology and Obstetrics. 131 Suppl 1, Oktober 2015, S. S49–52, doi:10.1016/j.ijgo.2015.02.005, PMID 26433506 (englisch).
  12. Barbara Driessen: Gewalt unter der Geburt: „Ich habe mich noch nie so gedemütigt gefühlt“. Welt N24, 19. März 2018, abgerufen am 19. März 2018.
  13. Iran: Stop Stoning Forever Campaign. Weitere Informationen zu Gewalt gegen Frauen im Iran.
  14. Owen, Margaret. A World of Widows. Illustrated. Atlantic Highlands, NJ: Zed Books, 1996. 181-183. eBook.
  15. Arrests in Indian ritual burning In: BBC News, 7. August 2002 
  16. Sons arrested in sati death probe In: BBC News, 21. September 2006 
  17. 70-year-old woman commits 'sati' by jumping on funeral pyre of husband in Bihar, India Today, 14. Dezember 2014
  18. Widow's burnt body sparks suspicion of 'sati', Deccan Herald, 2. April 2015
  19. Carl Olson: The Many Colors of Hinduism. Rutgers University Press.
  20. My Turn, Hinduismus Today, September 1988
  21. Die Stadt der Witwen, Michaela Maria Müller, Die Welt, 17. Januar 2008
  22. Shunned from society, widows flock to city to die, CNN, 5. Juli 2007
  23. Seelen im Tod vereint, Rainer Paul, Spiegel, 11. Januar 1999
  24. Glorification of Sati' Outlawed in India, Hinduismus Today, Dezember 1988, letzter Absatz
  25. Mehr Aufmerksamkeit für Mädchen – plan.de (Memento vom 20. Januar 2016 im Internet Archive)
  26. Hidden in Plain Sight. A statistical analysis of violence against children, United Nations Children’s Fund, New York September 2014, ISBN 978-92-806-4767-9, Digitalisat (PDF; 29,7 MB).
  27. Deutschland: 100.000 Frauen erleben Gewalt in Partnerschaft. waz.de, 22. November 2016, abgerufen am 19. Dezember 2016.
  28. Margarete Stokowski: Gewalt gegen Frauen, nicht nur in Freiburg: Eine Epidemie der Gewalt. Spiegel online, 6. Dezember 2016, abgerufen am 19. Dezember 2016.
  29. publisher: BKA - Partnerschaftsgewalt - Kriminalstatistische Auswertung - Partnerschaftsgewalt - Kriminalstatistische Auswertung - Berichtsjahr 2017. Abgerufen am 27. November 2018.
  30. Opferstatistik „Häufigste Nationalitäten der Opfer von partnerschaftlicher Gewalt (> 1000 Opfer) nach Straftaten(-gruppen)“. BKA: Partnerschaftsgewalt - Kriminalstatistische Auswertung - Berichtsjahr 2017, S. 28 des PDF-Dokuments; abgerufen 27. November 2018.
  31. Täterstatistik „Häufigste Nationalitäten der TV von partnerschaftlicher Gewalt (>500 Tatverdächtige) nach Straftaten(-gruppen)“. BKA: Partnerschaftsgewalt - Kriminalstatistische Auswertung - Berichtsjahr 2017, S. 33 des PDF-Dokuments; abgerufen 27. November 2018.
  32. Ursula Müller, Monika Schröttle (2004): Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, S. 220 (pdf)
  33. Frauen gegen Gewalt e. V.
  34. Gewalt gegen Frauen: eine EU-weite Erhebung, FRA, März 2014. Autorin: Joanna Goodey (Factsheet als pdf zum Download)
  35. EU-Studie. Jede dritte Frau ist Opfer von Gewalt, Süddeutsche Zeitung, 5. März 2014
  36. EU-Studie: Jede dritte Frau in Europa ist Opfer von Gewalt, Spiegel Online, 4. März 2014
  37. RCMP 2014 (Memento des Originals vom 10. Mai 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.rcmp-grc.gc.ca
  38. Thomson Reuters Foundation - Jahresbericht: The world’s most dangerous countries for women 2018. In: poll2018.trust.org. 2018 (englisch; Detailseite).
  39. Tim van Olphen, Helena Schätzle: Gewalt gegen Frauen in Indien: „Mein Mann schnitt mir die Nase ab“. In: Der Spiegel. 26. Mai 2020, abgerufen am 26. Mai 2020.
  40. Michael Tonry: Why Crime Rates Are Falling Throughout the Western World. In: Crime & Justice. Band 43, Nr. 1, 2014, S. 7, doi:10.1086/678181 (englisch, alternativer Volltextzugriff: scholarship.law.umn.edu).
  41. a b Michael Tonry: Why Crime Rates Are Falling Throughout the Western World. In: Crime & Justice. Band 43, Nr. 1, 2014, S. 8, doi:10.1086/678181 (englisch, alternativer Volltextzugriff: scholarship.law.umn.edu).
  42. Michael Tonry: Why Crime Rates Are Falling Throughout the Western World, 43 Crime & Just. 1 (2014). S. 48, abgerufen am 6. Juni 2019 (englisch).
  43. Welt.de: Die umstrittenen Maßnahmen der verängstigten Männer. Abgerufen am 6. Januar 2020.
  44. Informationen zum Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“
  45. Gebärdensprachvideos des Hilfetelefons zur Navigation auf der Seite des Hilfetelefons (Memento des Originals vom 29. Januar 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.hilfetelefon.de
  46. http://www.hilfetelefon.de/aktuelles.html Beratung in 15 Sprachen
  47. mit den deutschen Bundesländern@1@2Vorlage:Toter Link/www.hilfetelefon.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  48. [1] Berliner Wegweiser für von häuslicher Gewalt betroffene Migrantinnen (PDF-Datei)
  49. Tobias Dammers: Die Opfer brechen ihr Schweigen – dank Fußball. In: Der Tagesspiegel. 7. September 2016, abgerufen am 12. Januar 2019.