Gert Voss

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Gert Voss, 2011

Peter Gert Voss[1] (* 10. Oktober 1941 in Shanghai; † 13. Juli 2014 in Wien[2]) war ein deutscher Schauspieler. Er war zuletzt Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters und Kammerschauspieler.

Leben

Gert Voss verbrachte seine Kindheit bis 1948 als Sohn des Außenhandelskaufmanns Wilhelm Voss und seiner Frau Marion in Shanghai und später am Bodensee. Er studierte einige Semester Germanistik und Anglistik an der Universität Tübingen, brach das Studium aber ab, als er bei einer Schauspielereignungsprüfung Erfolg hatte. Voss nahm von 1964 bis 1966 privaten Schauspielunterricht bei Ellen Mahlke, darauf folgten erste Theaterengagements.

Nach ersten Engagements am Stadttheater Konstanz, Staatstheater Braunschweig und am Münchener Residenztheater wurde er von Hans Peter Doll, dem Intendanten des Heidelberger Theaters entdeckt. Unter ihm war er zunächst am Staatstheater Stuttgart, wo man heftig über mögliche Sympathien des Schauspieldirektors Claus Peymann für Mitglieder der Rote Armee Fraktion diskutierte;[3] dann wechselte er mit Peymann ans Schauspielhaus Bochum und wurde mit seiner Rolle des Hermann in der Hermannsschlacht von Heinrich von Kleist 1983 zum 20. Berliner Theatertreffen eingeladen.

Mit Peymann wechselte Voss 1986 ans Burgtheater in Wien, wo er im selben Jahr als Richard III. gefeiert wurde. Gleichzeitig wurde er bekämpft, wie man auch in Peymann ein "Hassobjekt" sah.[4] Die Inszenierung wurde 1987 zum Berliner Theatertreffen eingeladen, zusammen mit dem Bernhard-Stück, in welchem Gert Voss sogar im Stücktitel vorkommt: Gert Voss überzeugte offenbar auch den Schauspielern gegenüber äußerst kritischen Thomas Bernhard, der ihm und den Schauspielerinnen Kirsten Dene und Ilse Ritter als "Trio infernal"[5] ein eigenes Stück schrieb, das sehr lange in der Originalinszenierung gespielt wurde: Ritter, Dene, Voss. Bernhard hatte wie bei Minetti die Namen der gewünschten Uraufführungs-Schauspieler in den Titel geschrieben, da er wiederholt erlebt hatte, dass seine Stücke nicht mit seinen Wunschkandidaten besetzt worden waren. Vom zweijährigen Intermezzo 1994–96 am Berliner Ensemble und an der Schaubühne Berlin abgesehen, gehörte Voss seitdem dem Ensemble des Burgtheaters an. Enge künstlerische Zusammenarbeit verband ihn am Schauspielhaus Hamburg und am Burgtheater mit Peter Zadek (John Websters „Die Herzogin von Malfi“, Shakespeares „Der Kaufmann von Venedig“, Tschechows „Ivanov“, Ibsens „Rosmersholm“, Strindbergs „Totentanz“, Marlowes „Der Jude von Malta“) und George Tabori, der mit ihm in der Titelrolle Shakespeares „Othello“ inszenierte und für ihn die Stücke „Requiem für einen Spion“, „Goldberg Variationen“ und „Die Ballade vom Wiener Schnitzel“ schrieb. Zudem Zusammenarbeit mit Luc Bondy an der Schaubühne Berlin (Sascha Guitry, „Der Illusionist“), Theater an der Josefstadt Wien (Horvath, „Figaro lässt sich scheiden“), am Burgtheater und Akademietheater Wien (Tschechov, „Die Möwe“, Shakespeare, „König Lear“); mit Thomas Langhoff am Burgtheater (Thomas Bernhard, „Elisabeth II.“ und Schiller, „Wallenstein“), mit Andrea Breth am Burgtheater (Tennesse Williams, „Die Katze auf dem heißen Blechdach“), mit Thomas Ostermeier am Akademietheater Wien (Ibsen, „Baumeister Solness“).

Voss trat am Burgtheater in zahlreichen Stücken mit Ignaz Kirchner als Komikerduo auf, etwa in der schwarzen Komödie von George Tabori „Goldberg-Variationen“ (1991) oder in Neil Simons „Die Sunshine Boys“ (2003), aber auch in Samuel BeckettsEndspiel“ und in Jean GenetsDie Zofen“. Begonnen hatte ihr gemeinsames Auftreten in klassischen Stücken wie ShakespearesDer Kaufmann von Venedig“ (Shylock/Antonio) und „Othello“ (Othello/Jago). „Wie Shylock und Antonio, wie Othello und Jago sind auch Mr. Jay und Goldberg ein sadomasochistisches Männerpaar - eine Kombination wie Herr und Knecht, Vater und Sohn, Laurel und Hardy.“ (Theater Heute, August 1991) Voss bildete eine solche Komiker-Partnerschaft auch mit Branko Samarovski in Taboris „Requiem für einen Spion“ (1993).

Von seinen verschiedenen Gastauftritten, u. a. in Köln und Berlin, ist die Titelrolle im Jedermann bei den Festspielen in Salzburg hervorzuheben, die er ab 1995 vier Sommer lang spielte.

1995 wurde Gert Voss von der Times zum besten Schauspieler Europas gekürt. Claus Peymann über ihn: „Gert Voss ist als Schauspieler auf dem Zenit, über viele Jahre ist sein Können gewachsen.“ George Tabori sagte über Gert Voss: „Er ist ein gefährlicher, nackter Schauspieler, ein unheimlicher Clown, ein wilder Stier, aus dem Käfig ausgebrochen.“ Peter Zadek sagte über ihn:

„Gert Voss hat überhaupt sehr große Ähnlichkeiten mit Laurence Olivier. Auch Gert Voss hat die Gabe der Vereinfachung und der Klärung. Laurence Olivier hatte diese Ausstrahlung - man guckte nirgendwo anders mehr hin, wenn er auf der Bühne war. Er hatte einen command schon durch seine Stimme. Es war enorm, was Laurence Olivier mit seiner Stimme machen konnte. Das kann Gert Voss auch, der genauso wie er auch sehr scharf denkt.“

Hermann Beil schreibt als „Weggefährte“:

„Gert Voss gefährdet sich selbst wirklich bis zum Äußersten. Insofern ist er kein Schauspieler, der einfach auf die Wirkung seiner sogenannten Persönlichkeit vertraut. Voss verwandelt die Bühne, indem er um sein Leben spielt. Er geht aufs Ganze, und weil er stets aufs Ganze geht, bringt er immer etwas anderes mit auf die Bühne.“

Theater Heute schreibt: „Höher kann heute keine Inszenierung ansetzen als mit diesem Schauspieler.“

Gert Voss bewunderte die Bühnenpräsenz der Rolling Stones und von Bruce Springsteen.[6]

Seine Tochter Grischka gründete 1997 zusammen mit Ernst Kurt Weigel das bernhard ensemble, eine freie Off-Theater-Gruppe in Wien.

Voss starb am 13. Juli 2014 nach einer kurzen schweren Krankheit im Alter von 72 Jahren in Wien.[7] Er war mit der Dramaturgin Dr. Ursula Voss verheiratet.

Wichtige Theaterarbeiten

Filmografie (Auswahl)

Dokumentationen

  • „Der König, der Jude, der Zauberer, der Mohr“. Regie: Norbert Beilharz; ZDF, 1991
  • „Voss und die Suche nach der Zeit“. Regie: Rose Kern; ORF, 2002
  • „Abgeschminkt: Gert Voss“. Regie: Johanna Schickentanz; ZDF Theaterkanal, 2004
  • „Scheitern, scheitern, besser scheitern“. Harald Schmidt im Gespräch mit Gert Voss. Regie: André Heller; 2010

Fernsehaufzeichnungen

  • 1969 „Amphitryon“ (Regie Nils Peter Rudolph)
  • 1977 „Iphigenie auf Tauris“ (Regie Claus Peymann)
  • 1978 „Diener zweier Herren“ (Nils Peter Rudolph)
  • 1980 „Lieber Georg“ (Regie Matthias Langhoff/Manfred Karge)
  • 1981 „Hohn der Angst“ (Regie Alfred Kirchner)
  • 1981 „Kirschgarten“ (R: Langhoff /M. Karge)
  • 1982 „Die Hermannsschlacht“ (R: C. Peymann),
  • 1984 „Furcht und Hoffnung der BRD (R: Horst Siede)
  • 1986 “Ritter Dene Voss (R: C. Peymann)
  • 1988 „Kaufmann von Venedig“ (R: Peter Zadek)
  • 1989 „Wilhelm Tell“ (R: C. Peymann)
  • 1990 „Othello“ (R: George Tabori)
  • 1990 „Ivanow“ (R: P. Zadek)
  • 1998 „Fin de Partie“ (R: G. Tabori)
  • 1998 „Figaro lässt sich scheiden“ (R: Luc Bondy)
  • 2000 „Rosmersholm“ (R: P. Zadek)
  • 2003 „Elisabeth II.“ (R: Th. Langhoff)
  • 2007 „König Lear“ (R: Luc Bondy)

Auszeichnungen

Voss bekam 1988 den Gertrud-Eysoldt-Ring, 1988 die Kainz-Medaille, 1989 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, 1992 den Fritz-Kortner-Preis, 1997 den Preis des Internationalen Theaterinstituts ITI, 1998 Ernennung zum Kammerschauspieler und im Jahr 2000 bekam er den Nestroy-Theaterpreis, drei weitere Male (2001, 2002 und 2007) war er dafür nominiert; 2001 bekam er das Goldene Ehrenzeichen der Stadt Wien, 2011 das Goldene Verdienstzeichen des Landes Salzburg. Seit 1981 war Gert Voss Mitglied der deutschen Akademie der Darstellenden Künste in Frankfurt/Main, seit 1991 Mitglied der Akademie der Schönen Künste in München und seit 1994 Mitglied der Akademie der Künste in Berlin. Am 25. Juni 2009 wurde er zum Ehrenmitglied des Burgtheaters ernannt. Er wurde insgesamt sechsmal von einer Jury aller namhaften deutschsprachigen Theaterrezensenten, initiiert von der Zeitschrift Theater heute, zum Schauspieler des Jahres gewählt (1983 Hermann, 1987 Richard III, 1990 Othello, 1992 Goldberg, 1998 Hamm, 2001 Rosmer) und mehrfach nominiert im Jahresheft von Theater heute (1981 Firs im „Kirschgarten“, 1993 Zucker in „Requiem für einen Spion“, 2000 Trigorin in „Die Möve“, 2001 Barrabas in „Der Jude von Malta“).

2010 erhielt Voss den Deutschen Hörbuchpreis in der Kategorie Beste Information für seine Lesung (zusammen mit Peter Simonischek) Thomas Bernhard/Siegfried Unseld: Briefwechsel (der hörverlag, München).

Literatur

Einzelnachweise

  1. Peter Voss ist der Name, der laut Voss im Pass eingetragen ist. Zu Beginn seiner Schauspielkarierre wurde ihm nahegelegt, einen anderen Namen als Künstlernamen zu verwenden, um nicht mit Peter Voß, der Millionendieb verwechselt zu werden. Deshalb nahm Voss seinen zweiten Vornamen Gert an. Vgl.: Gert Voss als Studiogast in Herbstzeit in ORF 2, Sendung vom 17. November 2011.
  2. Schauspieler Gert Voss ist tot. Abgerufen am 14. Juli 2014.
  3. Wolfgang Höbel: Der Königsschurke. spiegel.de, 14. Juli 2014, abgerufen am 14. Juli 2014
  4. Helmut Schödel: Perfekter Techniker seiner Kunst., sueddeutsche.de, 14. Juli 2014, abgerufen am 14. Juli 2014
  5. Barbara Villiger Heilig: Jeder Zoll ein Bühnenkönig. nzz.ch, 14. Juli 2014, abgerufen am 14. Juli 2014
  6. "Und dann muss man spielen" - Gert Voss ist tot. kurier.at, 14. Juli 2014, abgerufen am 14. Juli 2014
  7. Schauspieler Gert Voss 72-jährig gestorben, abgerufen am 15. Juli 2014