Großes Zweiblatt

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Großes Zweiblatt

Großes Zweiblatt (Neottia ovata)

Systematik
Ordnung: Spargelartige (Asparagales)
Familie: Orchideen (Orchidaceae)
Unterfamilie: Epidendroideae
Tribus: Neottieae
Gattung: Nestwurzen (Neottia)
Art: Großes Zweiblatt
Wissenschaftlicher Name
Neottia ovata
(L.) Bluff & Fingerh.

Das Große Zweiblatt (Neottia ovata, Syn.: Listera ovata)[1] ist eine Pflanzenart aus der Gattung Nestwurzen (Neottia) innerhalb der Familie der Orchideen (Orchidaceae).

Um auf die Schutzwürdigkeit dieser unauffälligen Art aufmerksam zu machen, wurde das Große Zweiblatt vom Arbeitskreis Heimische Orchideen zur Orchidee des Jahres 1992 gewählt.

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Illustration aus Album des orchidées de l'Europe centrale et septentrionale, 1899
Ausschnitt eines Blütenstandes mit zygomorpher Blüte, gut zu sehen sind auch die Drüsen an der Blütenstandsachse

Vegetative Merkmale[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Große Zweiblatt ist eine ausdauernde krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 20 bis 50 Zentimetern erreicht, mit kurzem, walzlichem, aus mehreren Jahresabschnitten gebildetem Rhizom. Die Wurzeln sind fleischig und überwiegend horizontal kriechend.

In der Regel sind an einem Pflanzenexemplar nur zwei Laubblätter vorhanden, die fast gegenständig angeordnet sind. In der Knospenlage sind sie gerollt, zeigen also „convolute Vernation“. Die einfache, ganzrandige Blattspreite ist bei einer Länge von 5 bis 15 Zentimetern sowie einer Breite von 3 bis 8 Zentimetern ungefähr eiförmig.

Generative Merkmale[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Blütezeit reicht von Mai bis Juli. Ein einseitswendiger traubiger Blütenstand enthält 20 bis 40 Blüten. Die zwittrigen, zygomorphen Blüten sind dreizählig und besitzen keinen Sporn. Die Blütenhüllblätter sind gelbgrün.

Die Kapselfrüchte enthalten zahlreiche, winzige Samen.

Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 34 oder 36-40.[2]

Ökologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Große Zweiblatt ist ein Rhizom-Geophyt. Eine vegetative Vermehrung erfolgt durch den ungewöhnlichen Vorgang der Umbildung von Wurzeln zu Sprossen.[3] Es liegt eine Mykorrhiza vom Orchideen-Typ vor. Die Pflanze ernährt sich mindestens zeitweilig vom Wurzelpilz (Myko-Heterotrophie).[3]

Blütenökologisch handelt es sich um „Lippenblumen vom Orchis-Typ“. Die Nektarabsonderung erfolgt auf der rinnigen Unterlippe und an der Lippenbasis.[4] Die Blütenstandsachse besitzt klebrige Drüsenhaare, die aufkriechende Insekten abwehren. Die Staubbeutel liegen auf dem Rostellum und haben keine Klebscheibe. Aus der Rostellumspitze als Haftorgan für die Pollinien quillt bei Berührung explosionsartig zäher Schleim, sogenannte „Leimtropfen“, der die Pollinien an die Besucher heftet. Die Bestäubung erfolgt durch Schlupfwespen und Käfer.[3] Selbstbestäubung (Autogamie) kommt nur sehr selten vor, Fremdbestäubung (Allogamie) ist die Regel. Das Große Zweiblatt ist zugänglich für ein sehr breites Spektrum an Bestäubern, was den sehr hohen Fruchtansatz von 88 % im Schnitt erklärt. Die Besucher bleiben oft lange auf demselben Pflanzenexemplar, was einen hohen Anteil an Nachbarbestäubung (Geitonogamie) verursacht.[4]

Die Samen breiten sich als Windstreuer und Körnchenflieger aus.[3]

Habitus im Habitat

Vorkommen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Große Zweiblatt ist eine eurasiatische Pflanzenart. Ihr Areal erstreckt sich westwärts bis Island, England und Spanien, südwärts bis Sizilien, Kreta und die Türkei und ostwärts bis in den Altai und Nordwesthimalaya.[5] In Mitteleuropa kommt es zerstreut vor, im westlichen Tiefland fehlt es gebietsweise. An seinen Wuchsorten tritt es oft in sehr lockeren, individuenarmen, gelegentlich aber auch in dichten Beständen auf.[6]

Das Große Zweiblatt gedeiht am besten auf basenreichen Ton- oder Lehmböden.[6]

Als Standort werden frische Laubwälder, Wiesen, Magerrasen und Flachmoore bevorzugt. Das Große Zweiblatt besitzt eine breite ökologische Amplitude.[5] Es besiedelt Laubwälder, seltener lichte Nadelwälder oder Auenwälder, im Gebirge geht es auch in feuchte Wiesen und ins Bäche begleitende Gestrüpp; andererseits wächst es in den Kalk-Mittelgebirgen nicht selten auch in Trockenrasen.[6] In Halbtrockenrasen-Gesellschaften (Mesobromion) gilt es als Tonboden- und Wechselfrischezeiger, in Pfeifengras-Kieferngesellschaften und Pfeifengraswiesen als Magerzeiger. Im Schwarzerlen-Eschenwald (Pruno-Fraxinetum) ist es eine Begleitpflanze.[5]

In den Allgäuer Alpen steigt es am Gipfel der Kanzelwand in Bayern bis in eine Höhenlage von 2050 Meter auf.[7] Nach Baumann und Künkele hat die Art in den Alpenländern folgende Höhengrenzen: Deutschland 10-1900 Meter, Frankreich 0-2500 Meter, Schweiz 390-2300 Meter, Liechtenstein 430-1950 Meter, Österreich 120-2100 Meter, Italien 10-2300 Meter, Slowenien 50-1490 Meter.[8] In Europa steigt die Art bis 2500 Meter auf, im Himalaja bis 3000 Meter Meereshöhe auf.[8]

Bildergalerie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Manfred A. Fischer, Wolfgang Adler, Karl Oswald: Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol. 2., verbesserte und erweiterte Auflage. Land Oberösterreich, Biologiezentrum der Oberösterreichischen Landesmuseen, Linz 2005, ISBN 3-85474-140-5.
  • Dankwart Seidel: Blumen. Treffsicher bestimmen mit dem 3er-Check. 2., durchgesehene Auflage. blv, München/Wien/Zürich 2001, ISBN 3-405-15766-8.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. The Plant List. Abgerufen am 3. Juni 2020 (englisch).
  2. Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. 8. Auflage. Stuttgart, Verlag Eugen Ulmer, 2001, Seite 273. ISBN 3-8001-3131-5.
  3. a b c d Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands und angrenzender Länder. Die häufigsten mitteleuropäischen Arten im Porträt. 7., korrigierte und erweiterte Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2011, ISBN 978-3-494-01424-1, S. 465.
  4. a b Jean Claessens, Jacques Kleynen: The flower of the European orchid. Form and function. Selbstverlag, Geulle 2011, ISBN 978-90-90-25556-9 (englisch).
  5. a b c Siegfried Künkele, Helmut Baumann: Orchidaceae. In: Oskar Sebald, Siegmund Seybold, Georg Philippi, Arno Wörz (Hrsg.): Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs. Band 8: Spezieller Teil (Spermatophyta, Unterklassen Commelinidae Teil 2, Arecidae, Liliidae Teil 2): Juncaceae bis Orchidaceae. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 1998, ISBN 3-8001-3359-8, Listera ovata, S. 324–326.
  6. a b c Dietmar Aichele, Heinz-Werner Schwegler: Die Blütenpflanzen Mitteleuropas. 2. Auflage. Band 5: Schwanenblumengewächse bis Wasserlinsengewächse. Franckh-Kosmos, Stuttgart 2000, ISBN 3-440-08048-X, S. 160.
  7. Erhard Dörr, Wolfgang Lippert: Flora des Allgäus und seiner Umgebung. Band 1, IHW, Eching 2001, ISBN 3-930167-50-6, S. 394.
  8. a b Helmut Baumann, Siegfried Künkele: Orchidaceae. In: Oskar Sebald u. a.: Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs. 1. Auflage Band 8, Seite 326. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 1998. ISBN 3-8001-3359-8

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Großes Zweiblatt (Listera ovata) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien