Misanthropic Division

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Logo der Misanthropic Division: Ein Sturmgewehr Kalaschnikow vor einer Schwarzen Sonne
Fahne der Misanthropic Division mit Truppenabzeichen der SS-Division Totenkopf. Zwischen den Totenköpfen die Losung „Töten für Wotan“ in deutsch

Die Misanthropic Division (deutsch: Menschenhassende Einheit, Motto: Töten für Wotan) ist ein zwischen 2013 und 2014 in der Ukraine entstandenes rechtsextremes und neonazistisches internationales (hauptsächlich russisch-ukrainisches) virtuelles Neonazi-Netzwerk.[1][2][3] Ziel sei die Unabhängigkeit der Ukraine – sowohl von Russland als auch von der Europäischen Union – mit dem Ziel der Errichtung eines nationalsozialistischen Staates.[3][4] Es herrsche ein „kruder Todes- und Kriegskult“ ähnlich ihrer Schwesterorganisation in Russland, der »Wotan-Jugend«[5] Der Name wird von verschiedenen Gruppen und Einzelpersonen verwendet, die Gruppen sind dezentral organisiert, wobei weder fixe Strukturen noch andauernde Führerfiguren existieren.[6]

Es bestehen Kontakte zum Regiment Asow,[1][7] MD wurde auch als Sektion von Asow bezeichnet und[8][9] nach der Zeitung Kurier rekrutierte sich die Kommandantenebene des Regiments Asow im Jahr 2014 durchweg aus Mitgliedern der rechtsextremen Sozial-Nationalen Versammlung und der „Skinheadgruppe“ Misanthropic Division.[10] Die Zahl der Kämpfer wurde auf ein Dutzend geschätzt,[6] laut Eigenangabe hätten es 50 sein sollen. Für das Regiment Asow warb die Misanthropic Division Kämpfer an. Ihre Mitglieder gelten als rassistisch und gewaltbereit. Sie verherrlichen unter anderem den historischen Nationalsozialismus und die Waffen-SS, zudem verbreiten sie terroristische Propaganda.[2][3] Das Netzwerk umfasst Europa, USA, Kanada, Südamerika und Australien.[4][5][11][12][13]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gruppe etablierte 2013 einen Ableger in der Ukraine, dabei beteiligt waren Michhail Oreschnikow,[14] der in Russland in Maxim Martsinkewitschs (Spitzname „Tesak“) Restrukt aktiv war, sowie Dmitri Pawlow aus Belarus.[15]

Im Asow-Bataillon hatte es die Idee gegeben, für die russischen Kämpfer ein eigenes Korps zu bilden. Bis es so weit wäre, bildeten die Russen eine informelle Gruppe unter dem Namen Misanthropic Division.[16]

Laut dem Politikwissenschaftler Ivan Katchanovski hätten ukrainische rechtsextreme Gruppen wie der Rechte Sektor, die Sozial-Nationale Versammlung und die Misanthropic Division auf ihren Websites und in sozialen Medien in verschiedenen Formen angegeben, dass ihre Organisationen und Mitglieder an den Ausschreitungen in Odessa am 2. Mai 2014 beteiligt gewesen wären.[17] Der Politikwissenschaftler Taras Kuzio widersprach zuvor einer Einschätzung der Ereignisse durch Katchanovski.[18]

Auf der Internetpräsenz der Misanthropic Division auf der russischen Social-Media-Seite vk.com wurde im Juni 2014 ein Gedicht des in Russland wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilten Rechtsterroristen[19] Aleksej Wojewodin mit dem Aufruf veröffentlicht, dem Beispiel des norwegischen Rechtsterroristen und Massenmörders Anders Breivik zu folgen und auf einer Augenhöhe mit Dmitrij Borowikow zu sein. Borowikow war ein Komplize Wojewodins, welcher auf der Flucht vor der russischen Polizei erschossen wurde.[20] Der Beitrag wurde von hunderten mit „Gefällt mir“ markiert und geteilt.[21]

Die Misanthropic Division hatte die Verantwortung für eine Attacke auf LGBTQI-Aktivisten in Lwiw im März 2018 für sich in Anspruch genommen.[22]

In der Nacht auf den 24. Juni 2018 verübte eine Gruppe junger Männer zwischen 16 und 18 Jahre einen Anschlag auf eine Roma-Siedlung in Lemberg. Die mutmaßlichen Täter gaben an, Mitglieder einer neu gegründeten rechtsextremen Gruppe namens „Nüchterne und wütende Jugend“ zu sein, die Berichten zufolge neben dem eigenen Symbol (Baseballschläger und -Maske) Symbole der Misanthropic Division[23] verwendete.[24] Bei dem Angriff wurde ein Mann erstochen und drei weitere Roma verletzt, darunter ein 10-jähriger Junge.[22][25] Die Misanthropic Division selbst wies lokale Medienberichte über eine direkte Beteiligung ihrer Mitglieder an den Angriffen zurück.[26]

Der Instant-Messaging-Dienst Telegram entfernte im Sommer 2019 mehrere mit der Organisation verbundene Kanäle von seiner Plattform.[27] Während der COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 veröffentlichte die Misanthropic Division auf ihrer Internetpräsenz ein Video, das eine angebliche Beschwörung des Coronavirus von Rabbinern mit dem Ziel, Nichtjuden anzugreifen, zeigt.[8]

Ideologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

So wie andere rechtsextreme Organisationen, etwa die Atomwaffen Division oder der Rechte Sektor, vertritt die Misanthropic Division gemeinsam mit dem Regiment Asow eine weiße „indigene“ Identität. Diese wird in der rechtsextremen Szene, so wie auch Naturverbundenheit, des Öfteren als völkisches, antizivilisatorisches „Rewilding“ interpretiert.[28] Den ideologischen Prinzipien der Organisation liegen nationalsozialistische Ideen von rassischer, nationaler und ethnischer Vorherrschaft zu Grunde. Hinzu kommen misanthropische Positionen. Grundpfeiler ihrer Ideologie ist der Gedanke der Überlegenheit der weißen Rasse. Von diesem ausgehend vertritt die Misanthropic Division die Vorstellung, dass sich slawische und europäische Nationen miteinander vereinen sollten, um andere Rassen und Nationen, etwa Juden und Afroamerikaner, zu bekämpfen. Die Gruppe ruft zur offenen Konfrontation mit „Ausländern“ auf und nutzt zur Rekrutierung neuer Mitglieder unter anderem soziale Netzwerke. Für ihre Mitglieder propagiert die Misanthropic Division drei Grundregeln:[29]

„Wo auch immer ihr seid, habt eine Waffe bei euch. Verbergt eure eigenen Gesichter. Bleibt und handelt stets in einer Gruppe.“

Der Waffenkult ist ein fundamentaler ideologischer Bestandteil der Organisation. Sie proklamiert die Autonomie und Gleichheit ihrer Mitglieder sowie das Ideal der Bruderschaft und gegenseitige Hilfe auch im Fall von Ermittlungen und Haftstrafen. Gleichzeitig werden alle, welche nicht die Ideologie der White Supremacy teilen, als Feinde angesehen. Einen wichtigen Teil in der Arbeit der Gruppe nimmt die Verbreitung von anti-russischer Propaganda ein. Diese wird in Form von zahlreichen Publikationen über Probleme in der russischen Gesellschaft wie Armut, Korruption, Alkoholismus und Machtmissbrauch veröffentlicht. Das Endziel der Misanthropic Division beruht auf einer nationalsozialistischen Interpretation des Übermenschen von Friedrich Nietzsche. Als religiöse Komponenten propagiert die Organisation heidnische Konzepte und lehnt jegliche „modernen“ Konfessionen ab.[29] Im European Journal of Science and Theology wird die Misanthropic Division als destruktive neuheidnische Gruppe bezeichnet, welche bei ihren Mitgliedern den Gedanken der Zulässigkeit terroristischer Handlungen herausbildet.[30]

Struktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Misanthropic Division arbeitet mit der in Russland gegründeten neonazistischen Organisation „Wotan-Jugend“ zusammen. Diese ist auch in der Ukraine und Tschechien aktiv und unterstützte im Ukraine-Konflikt die anti-russische Seite. Im Laufe der Zusammenarbeit der zwei Gruppen kam es jedoch zu Problemen aufgrund des ukrainischen anti-russischen Chauvinismus.[2]

Nach Recherchen des Magazins Belltower.News rekrutiert die Misanthropic Division Mitglieder aus der internationalen National-Socialist-Black-Metal-Szene. Als Verbindungspersonen gelten der wegen Mordes verurteilte Neonazi Hendrik Möbus, Alexey Levkin, Sänger der Band M8l8th und Veranstalter des NSBM-Festivals Asgardsrei, sowie Famine, Sänger der französischen Black-Metal-Band Peste Noire. Weitere Verbindungen gebe es zur Identitären Bewegung sowie zu der rechtsextremen Partei Der III. Weg.[31] Das Motto Rausch der Misanthropie geht auf ein Album der Band Branikald zurück, die wie M8l8th aus der russischen NSBM-Szene entstammt.[32]

Im Dezember 2017 berichtete die Zeitung La Liberté, dass mindestens fünf Angehörige der Schweizer Armee, darunter zwei Feldweibel, Sympathisanten der Misanthropic Division Switzerland seien. Dabei handelt es sich um den Schweizer Ableger der Misanthropic Division. Ein Sprecher der Schweizer Armee erklärte daraufhin, dass mögliche Maßnahmen wie der Einzug der Waffe oder die vorübergehende Suspendierung der Betroffenen geprüft würden. Die Nationalrätin und Politikerin der Christlichdemokratischen Volkspartei, Ida Glanzmann-Hunkeler, forderte aufgrund des Vorfalls eine Stärkung der Fachstelle Extremismus in der Armee.[33]

Die Misanthropic Division verfügt über einen Ableger im Vereinigten Königreich.[34] Der Guardian schrieb im März 2018, dass die Misanthropic Division laut der britischen antirassistischen Organisation „Hope not Hate“ mit einer Reihe weit rechts stehender Organisationen in Großbritannien zusammenarbeite, darunter der verbotenen Terrororganisation „National Action“.[35]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Rechtswissenschaftler David Lowe merkte 2019 an, dass die Rekrutierung von Kämpfern für das Regiment Asow durch die Misanthropic Division von Mainstream-Medien und Politikern anscheinend übersehen wurde. Diese Entwicklung gebe wohl keinen kleineren Anlass zur Sorge als das Einreisen von Bürgern nach Syrien, um sich dem Islamischen Staat anzuschließen.[36]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Andrey V. Ivanov, Timur Z. Mansurov: Misanthropic Division’ Phenomenon as a Member of Virtual Resources of the Internet-Space. In: The Social Sciences. Band 10, Nr. 7, 2015, S. 1773–1776, doi:10.3923/science.2015.1773.1776.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. (PDF) In: Bundesdrucksache 18/4308. 1. April 2015, S. 4, abgerufen am 26. September 2017.
  2. a b c Miroslav Mareš: Kapitel 5: Gegenwärtige rechtsextremistische Radikalisierung in Ostmitteleuropa aus Sicht der terroristischen Bedrohung, S. 85 In: Jahrbuch Terrorismus des Instituts für Sicherheitspolitik, 2017, abgerufen am 27. April 2022.
  3. a b c Kai Biermann, Christian Fuchs, Astrid Geisler, Yassin Musharbash & Holger Stark: Fascism: The Brown Internationale In: Zeit Online, 11. Februar 2021, abgerufen am 27. April 2022.
  4. a b Brasilianische Neonazis kämpfen gegen pro-russische Rebellen. In: deutschlandfunk.de. 12. Januar 2017, abgerufen am 26. September 2017.
  5. a b Töten für Wotan, Junge Welt, 2015-02-14
  6. a b Taras Tarasiuk & Andreas Umland: Unexpected Friendships: Cooperation of Ukrainian Ultra-Nationalists with Russian and Pro-Kremlin Actors, 29. September 2021
  7. Schweizer Neonazis liefern Geld in die Ostukraine. In: tagesanzeiger.ch. 7. Februar 2015, archiviert vom Original am 8. Februar 2015; abgerufen am 26. September 2017.
  8. a b Arie W. Kruglanski, Rohan Gunaratna, Molly Ellenberg & Anne Speckhard: Terrorism in time of the pandemic: exploiting mayhem In: Global Security: Health, Science and Policy, 30. Oktober 2020, abgerufen am 29. April 2022.
  9. Christian Fuchs: Rechtsextremismus: Rechte Kämpferlandverschickung In: Zeit Online, 11. Februar 2021, abgerufen am 27. April 2022.
  10. Stefan Schocher: Von Nazis und Ultra-Nationalisten In: Kurier, 25. Juli 2014, abgerufen am 27. April 2022.
  11. Susann Witt-Stahl: »Asow« zu Gast in Dortmund. In: jungewelt.de. 2. März 2016, abgerufen am 26. September 2017.
  12. Brazilian Neo-Nazis Recruited to Fight pro-Russian Rebels in Ukraine. In: haaretz.com. 12. Januar 2017, abgerufen am 27. September 2017.
  13. Joe Leahy: Brazil neo-Nazi claim challenges myth of nation’s racial harmony. In: ft.com. 10. Januar 2017, abgerufen am 27. September 2017.
  14. Mikhail Oreshnikov was detained in Indonesia, 30. November 2020
  15. Russia Launches Criminal Case Against Belarussian Nationalist, Moscow Times, 12. Juli 2016
  16. Foreigners Who Fight And Die For Ukraine: Russians join Ukrainians to battle Kremlin in Donbas, Kyjw Post, 24. April 2015
  17. Ivan Katchanovski: The Far Right in Ukraine During the 'Euromaidan' and the War in Donbas, S. 41-42 In: School of Political Studies der Universität Ottawa, 2. September 2016, abgerufen am 29. April 2022.
  18. Taras Kuzio: The Study of Ukrainian Nationalism at the University of Ottawa In: Forum for Ukrainian Studies der University of Alberta, 1. Dezember 2014, abgerufen am 29. April 2022.
  19. Irina Titova: 2 Russian neo-Nazi leaders get life in jail In: Associated Press, 14. Juni 2011, abgerufen am 29. April 2022.
  20. "Gang of Patriots" Urteile veröffentlicht, Iswestija, 23. Mai 2011
  21. Johannes Due Enstad: “Glory to Breivik!”: The Russian Far Right and the 2011 Norway Attacks, S. 22 u. 29 In: Terrorism and Political Violence, September 2017, abgerufen am 29. April 2022.
  22. a b Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte: Report on the human rights situation in Ukraine 16 May to 15 August 2018, S. 22 In: ohchr.org, 15. August 2018, abgerufen am 27. April 2022.
  23. Suspects in attack on Roma camp avow themselves as members of ‘Sober and Evil Youth’ group, Kyiv Post, 25. Juni 2018
  24. Was ist „Nüchterne und böse Jugend“zaxid.net, 24. Juni 2018
  25. Andrii Kravchuk: Hate crimes and incidents in Ukraine In: LGBT Human Rights Nash Mir Center, 2018, abgerufen am 29. April 2022.
  26. Florian Kellermann: Ukraine: Rechtsradikale Gewalt gegen Roma In: Deutschlandfunk, 25. Juni 2018, abgerufen am 27. April 2022.
  27. Bennett Clifford: Migration Moments: Extremist Adoption of Text‑Based Instant Messaging Applications In: Global Network on Extremism and Technology (GNET) des Global Internet Forum to Counter Terrorism (GIFCT), 2020, abgerufen am 29. April 2022.
  28. Alexander Reid Ross & Emmi Bevensee: Confronting the Rise of Eco-Fascism Means Grappling with Complex Systems In: Centre for Analysis of the Radical Right (CARR), Juli 2020, abgerufen am 29. April 2022.
  29. a b Andrey V. Ivanov & Timur Z. Mansurov: ‘Misanthropic Division‘ Phenomenon as a Member of Virtual Resources of the Internet-Space In: The Social Sciences, 2015, abgerufen am 28. April 2022.
  30. Elena Lvovna Shchukina, Tatiana Grigoryevna Anistratenko, Alexandr Viktorovich Dyatlov, Anton Vladimirovich Serikov & Lubov Vladimirovna Solodovnik: Religious safety as one of the factors of national security In: European Journal of Science and Theology, S. 38, Juni 2018, abgerufen am 29. April 2022.
  31. Sabri Deniz Martin, Simon Hemmers: Wie ein rechtsextremes Freiwilligenregiment mit Black Metal Nachwuchs rekrutiert. In: Belltower.News. 12. August 2020, abgerufen am 13. August 2020.
  32. Jan Holzer, Martin Laryš and Miroslav Mares (2019): Militant Right-Wing Extremism in Putin’s Russia: Legacies, Forms and Threats. Routledge
  33. 20 Minuten: «Misanthropic Division»: Unteroffiziere sind Teil von Neonazi-Netzwerk In: 20min.ch, 12. Dezember 2017, abgerufen am 27. April 2022.
  34. Hacı Mehmet Boyraz: Extreme Right in the United Kingdom: Parties, movements and lone-wolfs In: Institute of Social Sciences der Türkisch-Deutschen Universität, Juni 2018, abgerufen am 29. April 2022.
  35. Kevin Rawlinson: Neo-Nazi groups recruit Britons to fight in Ukraine In: The Guardian, 2. März 2018, abgerufen am 27. April 2022.
  36. David Lowe: The Christchurch Terrorist Attack, the Far-Right, and Social Media: What can we Learn? In: The New Jurist, 21. April 2019, abgerufen am 29. April 2022.