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Sinus hyperbolicus und Kosinus hyperbolicus

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Graphen der reellen Hyperbel­funktionen und

Sinus hyperbolicus und Kosinus hyperbolicus, auch Hyperbelsinus bzw. Hyperbelkosinus genannt, sind zwei mathematische Funktionen, die zu den Hyperbelfunktionen gehören. Sie tragen die Symbole bzw. , in älteren Quellen auch und [1] Die Bezeichnungen Hyperbelsinus und Hyperbelkosinus verweisen einerseits auf die geometrische Deutung durch eine Hyperbel, andererseits auf die Analogie zu den trigonometrischen Funktionen Sinus und Kosinus. Der Graph der Hyperbelkosinusfunktion beschreibt ein an zwei Punkten aufgehängtes Seil einheitlicher Längendichte und wird daher als Kettenlinie oder Katenoide bezeichnet.

Die Funktionen und lassen sich mithilfe der Exponentialfunktion definieren:[2]

Dabei ist die eulersche Zahl. Die Klammer um das Argument wurde weggelassen.

ist eine ungerade Funktion, d. h. es gilt .
ist eine gerade Funktion, d. h. es gilt .

Die Funktionen und sind also der ungerade bzw. gerade Anteil der Exponentialfunktion:

.

Durch Verwendung komplexer Zahlen lässt sich der Zusammenhang mit den entsprechenden trigonometrischen Funktionen bzw. folgendermaßen formulieren:

Geometrische Deutung

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Eine Gerade durch den Nullpunkt schneidet die Hyperbel im Punkt , wobei für die Fläche zwischen der Geraden, ihrem Spiegelbild bezogen auf die -Achse und der Hyperbel steht. (Siehe auch die animierte Version mit Vergleich zu den trigonometrischen Funktionen.) Die Hyperbel wird auch als Einheitshyperbel bezeichnet.

Der rechte Ast der gleichseitigen Hyperbel mit der Gleichung

also der Hyperbel mit dem Mittelpunkt , der reellen Halbachse und der imaginären Halbachse , hat die Parameterdarstellung

Der Parameterwert lässt sich interpretieren als Flächeninhalt eines Hyperbelsektors (in der Abbildung ).

Die folgenden Eigenschaften gelten für die reellen Funktionen.

  Sinus hyperbolicus Kosinus hyperbolicus
Definitionsbereich
Wertebereich
Periodizität keine keine
Monotonie streng monoton steigend streng monoton fallend
streng monoton steigend
Symmetrien Punktsymmetrie zum Ursprung Achsensymmetrie zur Ordinate
Asymptotische
Funktionen
Nullstellen keine
Sprungstellen keine keine
Polstellen keine keine
Extrema keine Minimum bei
Wendestellen keine

Spezielle Werte

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mit dem goldenen Schnitt

Uneigentliche Integrale

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Für den Kosinus hyperbolicus gilt insbesondere:

Die in den geschweiften Klammern stehende Funktion wird Gudermannsche Funktion genannt.

Außerdem gilt für die Quadratwurzel:

Die Bezeichnung steht für den Lemniskatischen Arkussinus und mit dem Kürzel wird die Lemniskatische Konstante ausgedrückt.

Für den Kehrwert des kardinalisierten Sinus Hyperbolicus gilt folgendes uneigentliches Integral:

Die Bezeichnung stellt den Dilogarithmus dar.

Umkehrfunktionen

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Der Sinus hyperbolicus bildet bijektiv auf ab und hat deshalb eine Umkehrfunktion, die man Areasinus hyperbolicus nennt.

Der Kosinus hyperbolicus bildet das Intervall bijektiv auf das Intervall und lässt sich eingeschränkt auf also invertieren. Die Umkehrfunktion davon nennt man Areakosinus hyperbolicus.

Beide Umkehrfunktionen, Areasinus hyperbolicus und Areakosinus hyperbolicus, lassen sich folgendermaßen mit Hilfe von elementareren Funktionen berechnen:

.
.

Die Ableitung des Sinus hyperbolicus ist der Kosinus hyperbolicus und die Ableitung des Kosinus hyperbolicus ist der Sinus hyperbolicus:

Stammfunktionen

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Zusammenhänge (zwischen den beiden Funktionen und anderen)

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(Hyperbelgleichung)

Additionstheoreme

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insbesondere gilt für :

und für :

Reihenentwicklungen

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Die Taylorreihe des Sinus hyperbolicus bzw. Kosinus hyperbolicus mit dem Entwicklungspunkt lautet:

Produktentwicklungen

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Multiplikationsformeln

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Sei . Dann gilt für alle komplexen :

Komplexe Argumente

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Mit gilt:

So folgen beispielsweise die dritte und die vierte Gleichung auf folgende Weise:

Mit gilt

Durch Koeffizientenvergleich folgt:

Lösung einer Differentialgleichung

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Die Funktion

mit

löst die Differentialgleichung

.

Ein homogenes Seil, das nur aufgrund seiner Eigenlast durchhängt, kann durch eine Kosinus-hyperbolicus-Funktion beschrieben werden. Eine derartige Kurve nennt man auch Kettenlinie, Kettenkurve oder Katenoide.

Lorentz-Transformation

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Mit Hilfe der Rapidität kann man die Transformationsmatrix für eine spezielle Lorentztransformation (auch Lorentz-Boost) in x-Richtung folgendermaßen darstellen (für Transformationen in andere Richtungen ergeben sich ähnliche Matrizen):

Man sieht eine große Ähnlichkeit zu Drehmatrizen; man erkennt so also gut die Analogie zwischen speziellen Lorentztransformationen in der vierdimensionalen Raumzeit und Drehungen im dreidimensionalen Raum.

Der Sinus hyperbolicus tritt auch in der Kosmologie auf. Die zeitliche Entwicklung des Skalenfaktors in einem flachen Universum, das im Wesentlichen nur Materie und Dunkle Energie enthält (was ein gutes Modell für unser tatsächliches Universum ist), wird beschrieben durch

,

wobei

eine charakteristische Zeitskala ist. ist dabei der heutige Wert des Hubble-Parameters, der Dichteparameter für die Dunkle Energie. Die Herleitung dieses Ergebnisses findet man bei den Friedmann-Gleichungen. Bei der Zeitabhängigkeit des Dichteparameters der Materie tritt dagegen der Kosinus hyperbolicus auf:

Lösung algebraischer Gleichungen

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Der Sinus hyperbolicus und seine Umkehrfunktion können zum Lösen von kubischen Gleichungen verwendet werden. Das Verdreifachungstheorem des Sinus hyperbolicus lautet wie folgt:

Für gilt somit:

Da der Sinus hyperbolicus und somit auch seine Umkehrfunktion und dritte Potenz ungerade Funktionen sind, gilt: Eine reelle Lösung der Gleichung ist

Der Allgemeinfall der (durch kubische Ergänzung) reduzierten kubischen Gleichung lässt sich bei positivem auf dieses Ergebnis zurückführen, indem man sie mit der positiven reellen Größe multipliziert: Nach Kürzung bzw. geeigneter Erweiterung erhält man

Setzt man , so liefert obiges Ergebnis .

Bei erhält man somit folgendes Paar aus Gleichung und Lösung:

So gilt beispielsweise für den Kehrwert der Supergoldenen Zahl dieser Ausdruck:

Wenn der Koeffizient des linearen Gliedes verdoppelt, also gleich gesetzt wird, dann erhält man folgende Gleichung mit folgender reeller Lösung:

Auch die quartischen Gleichungen können für den Allgemeinfall vereinfacht mit den Hyperbelfunktionen gelöst werden:

Ebenso soll hierfür ein Beispiel angeführt werden:

Im Gegensatz zum Allgemeinfall der Gleichungen dritten und vierten Grades kann der Allgemeinfall der Gleichungen fünften und höheren Grades nicht elementar aufgelöst werden. Diese Tatsache wird durch den Satz von Abel-Ruffini ausgedrückt und wurde ebenso durch den Mathematiker Évariste Galois erforscht. Die Lösungen derjenigen quintischen Gleichungen aber, welche sehr wohl mit elementaren Wurzelausdrücken gelöst werden können, lassen sich stark vereinfacht mit den Hyperbelfunktionen und ihren Umkehrfunktionen darstellen. Im Folgenden sollen hierfür zwei solche quintischen Gleichungen mit ihren hyperbolisch dargestellten Lösungen gezeigt werden:

Erstes Beispiel:

Zweites Beispiel:

Einzelnachweise

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  1. Franz Brzoska, Walter Bartsch: Mathematische Formelsammlung. 2. verbesserte Auflage. Fachbuchverlag Leipzig, 1956.
  2. Ilʹja N. Bronštejn: Taschenbuch der Mathematik. 11., aktualisierte Auflage. Haan-Gruiten 2020, ISBN 978-3-8085-5792-1, S. 89.