Arkadien

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Regionalbezirk Arkadien
Περιφερειακή Ενότητα Αρκαδίας
(Αρκαδία)
Datei:PE Arkadias in Greece.svg
Datei:PE Arkadias in Greece.svg
Basisdaten
Staat: Griechenland
Region: Peloponnes
Fläche: 4.419 km²
Einwohner: 86.685 (2021[1])
Bevölkerungsdichte: 19,6 Ew./km²
NUTS-3-Code-Nr.:
Gliederung: 5 Gemeinden
Website: www.arcadia.gr

Arkadien (Vorlage:ELSneu2) ist eine Landschaft im Zentrum der Peloponnes und ist einer der fünf Regionalbezirke der griechischen Region Peloponnes. Arkadien wurde nach der Unabhängigkeit Griechenlands 1833 als Präfektur eingerichtet und verlor diesen Status durch die griechische Verwaltungsreform 2010. Als Regionalbezirk entsendet Arkadien acht Abgeordnete in den Regionalrat der Peloponnes, hat darüber hinaus jedoch keine politische Bedeutung. Der Hauptort ist die Stadt Tripoli.

Geographie

Das heutige Gebiet besteht aus dem abgeschlossenen Berg- und Hochland Arkadien, etwa wie aus der Antike bekannt, und der Küstenlandschaft Kynuria, die den relativ schmalen Zugang zur peloponnesischen Ostküste am Osthang des Parnon-Gebirges bildet. Demgegenüber war das Arkadien der Antike nur das Hochland abseits der Küsten und nicht wesentlich südlicher als Megalopoli.

Die Region liegt auf durchschnittlich 500 m über dem Meer, im Norden reichen Gipfel bis 2376 m (Ziria), 2355 m (Chelmos) und 2224 m (Olonos). Das Gestein ist Kalkstein mit vielfältigen Karsterscheinungen. Zwischen Bergrücken sind abflusslose Becken, die teilweise Seen oder Sümpfe bilden.

Arkadien ist überwiegend mit Nadelbäumen bewaldet und dünn besiedelt. Die Landwirtschaft in den Tälern ist wenig ertragreich, traditionell wurde die Region durch Weidewirtschaft genutzt.

Gliederung

Arkadien umfasst die Gemeinden Gortynia, Megalopoli, Notia Kynouria, Tripoli und Voria Kynouria.

Einwohnerentwicklung

  • 1951: 154.361 (Bevölkerungsdichte 34,93/km²)
  • 1961: 134.950
  • 1971: 111.263 (Bevölkerungsdichte 25,18/km²)
  • 1991: 103.840
  • 2001: 102.025
  • 2005: 100.611
  • 2011: 86.685

Geschichte

Mythos Arkadien

Poussin, Et in Arcadia ego

Die Arkadier galten im Altertum als raues Hirtenvolk. Gewisse Charakterzüge Arkadiens lassen sich durch seine isolierte geographische Lage erklären. Seine Einwohner sehen sich als das älteste griechische Volk überhaupt an. Schon in der Zeit des Hellenismus wurde Arkadien verklärt zum Ort des Goldenen Zeitalters, wo die Menschen unbelastet von mühsamer Arbeit und gesellschaftlichem Anpassungsdruck in einer idyllischen Natur als zufriedene und glückliche Hirten lebten. Entsprechend etablierte es sich als Topos der antiken bukolischen Literatur, beispielsweise der Hirtengedichte Vergils. In der antiken lateinischen Literatur wird der ursprünglich in Griechenland befindliche Ort oft nach Sizilien verlegt.

Für die Wiederbelebung der Gattung in der europäischen Renaissance wurde um 1480 der Schäferroman Arcadia von Jacopo Sannazaro maßgeblich. Im Barock und im 16. bis 18. Jahrhundert entstanden zahllose Texte und Gemälde mit Motiven im mythischen Arkadien.

Rezeption des Arkadischen Traums in der Frühen Neuzeit

Landschaft bei Leonidi.

Aus dem Mythos Arkadien wurde in der Frühen Neuzeit die Vorstellung gewonnen, es sei Leben jenseits gesellschaftlicher Zwänge möglich. Dies waren in ihrem Kern politische Phantasien, die vor allem vom Hochadel geschürt wurden, der unter dem politischen Druck des sich stabilisierenden frühneuzeitlichen Staates unter erheblichen Disziplinierungsdruck geriet. Unter der Oberfläche dieses aristokratischen Eskapismus wurde die Idee einer individuellen Freiheit geboren und gewahrt, die zwar die Freiheit des Großadligen meinte, aber bereits seit dem 17. Jahrhundert in den Niederlanden, dann aber seit dem 18. Jahrhundert auch in Frankreich und Deutschland vom Bürgertum beerbt wurde.

Ein wesentlicher Bestandteil dieses Traums von arkadischer Freiheit war die Schäferideologie, ein vielfältig zusammengesetztes Ideensystem, deren Kern die Pastoralliteratur und deren Verarbeitung zu Motiven der dekorativen Künste seit dem 17. Jahrhundert ist. Gemäß dieser Vorstellungen fliehen Adlige vor der unerträglich gewordenen Gesellschaft aufs Land, verkleiden sich dort als Schäfer und treten mit den dort wirkenden „echten“ Schäfern in Kontakt. Thema der Handlungen dieser Literatur-Schäfer oder Bücher-Hirten ist vor allem die Liebe. Gelegentlich wird aber die Schäferidylle massiv von der Realität eines gewalttätigen Lebens (so in der Galatea von Miguel de Cervantes) oder der Ritterwelt und ihrer Kriegshandlungen (so in der Astrée von Honoré d’Urfé) heimgesucht, was bei allem Symbolismus der Pastorale einen deutlichen Zug zum Realismus darstellt. Auch der Tod, der in Nicolas Poussins Arkadischen Hirten auf sich selbst mit einer autoreferenziellen Inschrift auf dem Epitaph verweist, spielt auf der symbolischen Ebene des mythologischen Bildes eine der Wirklichkeit analoge Struktur durch: nämlich die zum wirklichen Leben gehörige Präsenz des Todes inmitten eines glücklichen Lebens.

Was zunächst lediglich als Maskenspiel erschien, wurde in der symbolischen Selbstpräsentation von Adligen zum Bildprogramm: Aristokraten ließen sich im Schäferkostüm malen und setzten sich als Hirten in Szene. Dies war die symbolisch überhöhte Form, mit der die archaische Vorstellung, wonach der Herrscher auch immer ein Hirte seines Volkes sei, in der Neuzeit als Bestandteil adliger Herrschaftsansprüche und Machtlegitimation überdauert und aktualisiert wurde.

Zur Rezeption der Idee vom glücklichen Arkadien gehörte auch, dass das Gebiet, über das ein Adliger seine Territorialherrschaft ausübte, als ein neues Arkadien vorgestellt wurde. Auf diese Weise entzogen die Aristokraten wenigstens auf der symbolischen Ebene ihr Einflussgebiet der Macht der königlichen Zentralgewalt.

Entsprechende arkadische Landschaften gab es im Europa der Frühen Neuzeit vor allem als literarisch vermittelte Konstruktionen und Phantasien. So ließ Honoré d’Urfé in seiner Heimat Le Forez (heute im Département Loire) die Handlung seines Schäferromans L’Astrée spielen. Le Forez verwandelt sich auf diese Weise wenigstens im poetischen Bild in eine neuzeitliche arkadische Landschaft. Ähnliche Phänomene konnte man überall in Europa feststellen, insbesondere im Kontext von gartenbaulichen Bemühungen. Ein weiteres Beispiel ist die Bördelandschaft bei Schloss Hundisburg.

Ausstellungen

Etwa 100 italienische Werke, entstanden zwischen der Mitte des 15. und dem Beginn des 17. Jahrhunderts, der Zeit von Botticelli, Parmigianino, Campagnola und Guercino, zeigen den Reichtum der Vorstellungen vom Sehnsuchtsort Arkadien: Die Natur wird idealisiert und mit mystisch-mythischem Flair umgeben, der auch eine Verbundenheit mit ihr zum Ausdruck bringt.

Seit 2006 beschäftigt sich der Konzeptkünstler Peter Kees mit Arkadien. Unter anderem auf der Havana Biennale (2006), an der Berliner Galerie artMbassy (2006), am ACC Weimar (2006), am Museum PAN Palazzo delle Arti in Neapel (2007) und der Kunsthalle Rostock (2011) stellte er die „Embassy of Arcadia“[3] vor. Seit 2013 annektiert er weltweit einzelne Quadratmeter Land und erklärt sie zu arkadischem Hoheitsgebiet (u. a. in Finnland, der Schweiz, Deutschland, Polen, Österreich und den Niederlanden).[3]

Siehe auch: Akadien, Et in Arcadia ego

Verkehr

Zitat

„Auch ich war in Arkadien geboren,...
doch Thränen gab der kurze Lenz mir nur.“

Friedrich Schiller (1787)

TV

Literatur

  • Johann-Karl Schmidt: Arkadien – Kritik einer Idylle, Villingen-Schwenningen 2010, ISBN 978-3-939423-22-5
  • Reinhard Brandt: Arkadien in Kunst, Philosophie und Dichtung. Rombach, Freiburg i. Br. 2005, ISBN 3-7930-9440-5.
  • Wunschbild eines neuen Arkadien. Ruhm und Nachruhm Palladios. In: Joachim Fest (Hrsg.): Aufgehobene Vergangenheit. Stuttgart 1981, S. 194–207.
  • Berthold Heinecke, Michael Niedermeier (Hrsg.): Der Traum von Arkadien 1. Beiträge zur Tagung in Hundisburg vom 16. bis 18. September 2005. ISBN 978-3-00-020890-4.
  • Berthold Heinecke, Harald Blanke (Hrsg.): Revolution in Arkadien. Beiträge zur Tagung in Hundisburg vom 19. und 20. Oktober 2006. Hundisburg 2007, ISBN 978-3-00-022454-6.
  • Berthold Heinecke, Harald Blanke (Hrsg.): Arkadien und Europa. Beiträge zur Tagung in Hundisburg vom 27. bis 29. April 2007. Hundisburg 2007, ISBN 978-3-00-022455-3.
  • Barbro Santillo Frizell: Arkadien: Mythos und Wirklichkeit, Köln: Böhlau, 2009, ISBN 3-412-20307-6.
  • Winfried Wehle: Arkadien oder das Venus-Prinzip der Kultur, in: Friedlein, Roger/Poppenberg, Gerhard/Volmer, Annett (Hrsg.): Arkadien in den romanischen Literaturen: zu Ehren von Sebastian Neumeister zum 70. Geburtstag, Heidelberg 2008, S. 41–71. (PDF; 481 kB)
  • Winfried Wehle: Menschwerdung in Arkadien: die Wiedergeburt der Anthropologie aus dem Geist der Kunst, in: Wehle, Winfried (Hrsg.): Über die Schwierigkeiten, (s)ich zu sagen : Horizonte literarischer Subjektkonstitution, Frankfurt am Main 2001, S. 83-106.(PDF; 103 kB)
  • Winfried Wehle: Wunschland Arkadien. In: Compar(a)ison. Nr. 2, 1993, S. 19–35 (PDF).
  • Winfried Wehle: Arkadien – eine Kunstwelt. In: W. Stempel/K. Stierle (Hrsg.): Pluralität der Welten – Aspekte der Renaissance (Romanistisches Kolloquium IV). München 1987, S. 137–166 (PDF).
  • Petra Maisak: Arkadien. Genese und Typologie einer idyllischen Wunschwelt. Peter Lang, Frankfurt am Main Bern 1981, ISBN 3-8204-7053-0.
Commons: Arkadien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Arkadien – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Ergebnisse der Volkszählung 2021, Griechisches Statistisches Amt (ΕΛ.ΣΤΑΤ) ELSTAT (Excel-Dokument, 67,5 kB)
  2. Mitteilung zur Ausstellung, abgerufen am 2. August 2014.
  3. a b Embassy of Arcadia

Koordinaten: 37° 30′ N, 22° 23′ O