Cesare Battisti

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Cesare Battisti (um 1910)

Cesare Battisti (* 4. Februar 1875 in Trient, damals Österreich-Ungarn; † 12. Juli 1916 ebenda) war Geograph sowie sozialistischer Abgeordneter zum österreichischen Reichsrat und zum Tiroler Landtag. Als Irredentist trat Battisti mit Kriegsbeginn 1915 aufseiten Italiens in den Krieg gegen Österreich ein. 1916 wurde er von österreichischen Kaiserjägern gefangen genommen und nach kurzem Prozess in Trient wegen Hochverrats hingerichtet. An seiner Person werden in Österreich und Italien seither unterschiedliche Deutungen des Nationalitätenkonflikts festgemacht.

Leben

Jugend und politische Sozialisation

Gedenkplakette am Geburtshaus Battistis in Trient

Battisti wurde als Sohn eines Kaufmanns im damals österreichischen Trient geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Trient studierte er an der Universität Wien Geographie, wechselte 1896 allerdings an die Universität Florenz, wo er sein Studium erfolgreich beendete.

In seiner Wiener Studienzeit hatte Battisti in sozialistischen Kreisen um Wilhelm Ellenbogen eine erste politische Sozialisation erfahren und damit begonnen, sich publizistisch zu betätigen. In Florenz schloss er Bekanntschaft mit dem sozialistischen Intellektuellen Gaetano Salvemini, in dessen Umfeld er auch seine spätere Frau Ernesta Bittanti kennenlernte, die er 1899 heiratete.

Um die Jahrhundertwende betätigte sich Battisti aktiv am Aufbau der sozialistischen Partei im Trentino, u. a. als Herausgeber der Zeitschrift L'Avvenire. 1911 wurde er für die Sozialisten in das Abgeordnetenhaus des Österreichischen Reichsrats gewählt; 1914 erreichte er zusätzlich ein Mandat für den Tiroler Landtag.

Im Zuge des wachsenden Nationalitätenkonflikts innerhalb des Vielvölkerstaates Österreich-Ungarn wandte sich Battisti vom sozialistischen Internationalismus ab und trat ins Lager der italienischen Irredentisten über. Die Zerstörung der italienischen Rechtsfakultät an der Universität Innsbruck im Jahr 1904 (Fatti di Innsbruck) gilt diesbezüglich als Schlüsselereignis, welches Battisti darin bestärkte, dass die soziale Lage im Trentino nur durch eine Loslösung von Österreich und eine Angliederung an Italien zu verbessern sei.

Kriegsfreiwilliger gegen Österreich aufseiten Italiens

Cesare Battisti (rechts) und Fabio Filzi nach ihrer Gefangennahme durch österreichische Kaiserjäger (1916)

Battisti setzte sich bereits kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 nach Italien ab und warb dort aktiv für einen Kriegseintritt aufseiten der Entente, um das Trentino von Österreich-Ungarn loszulösen und an Italien anzuschließen. Im Gegensatz zu Ettore Tolomei und Gabriele d'Annunzio forderte Battisti nicht den strategisch bedeutenden Brennerpass als nördliche Staatsgrenze Italiens, sondern eine Grenzziehung entlang der sprachlich-kulturellen Trennlinie zwischen deutschem und italienischem Kulturraum an der südlicher gelegenen Salurner Klause – eine Forderung, die sich 1919 auf den Friedensverhandlungen von Saint-Germain nicht durchsetzte und zur italienischen Annexion des Trentino wie auch Südtirols (südlich des Brenners) führte. [1]

Mit Kriegseintritt Italiens im Mai 1915 meldete sich Battisti als Freiwilliger zum italienischen Heer. Zunächst diente er als einfacher Soldat im Alpini-Bataillon „Edolo“; in einer Skifahrereinheit kämpfte er unter anderem auf dem Adamello. Battisti wurde mehrfach ausgezeichnet und nach kurzer Zeit zum Leutnant befördert. Nach einer Versetzung zum „Vicenza-Bataillon“ kämpfte er auf dem Monte Baldo sowie 1916 in der Südtiroloffensive auf dem Pasubio und auf dem Monte Corno. Dort wurde er nach schweren Gefechten am 11. Juli 1916 gemeinsam mit dem Irredentisten Fabio Filzi von österreichischen Truppen gefangen genommen.

Hinrichtung

Am 11. Juli 1916 wurde Cesare Battisti gemeinsam mit Fabio Filzi nach Trient gebracht. Battisti wurde auf einem offenen Leiterwagen, die Hände in Ketten geschlossen, durch die Stadt kutschiert und von staatstreuen Einwohnern verspottet und angespuckt.[2] Als Abgeordneter zum österreichischen Reichsrat genoss Battisti formalrechtlich parlamentarische Immunität. Dessen ungeachtet wurde er kurz nach seiner Gefangennahme vor ein Kriegsgericht gestellt, das ihn im Castello del Buonconsiglio nach zweistündigem Prozess am 12. Juli 1916 zum Tode durch den Strang verurteilte.[3]

Die Hinrichtung erregte aufgrund einer Reihe von besonderen Vorfällen großes Aufsehen im In- und Ausland. Battisti musste zwar aufgrund des Tatbestands des Hochverrats mit seiner Verurteilung rechnen, doch wurde er von den österreichischen Behörden noch zusätzlich herabgewürdigt. So wurde Battisti eine „langjährige verräterische Gesinnungsbetätigung“ und ein „würdeloser Anschluss an einen auch vom moralischen Standpunkt aus verächtlichen Feind“ vorgeworfen. Weiters wurde deklariert, dass er als Rädelsführer und „Ursächer des Banditenüberfalls Italiens auf die Monarchie“ für die „Ströme schuldlosen Blutes unserer Braven gegen den welschen Erbfeind“ verantwortlich sei.[4]

Hinrichtung Battistis in Trient (1916)

Battistis Bitte, als Offizier ehrenhaft erschossen zu werden und während seiner Hinrichtung die italienische Offiziersuniform zu tragen, wurde von den Behörden abgelehnt. Das Urteil wurde unmittelbar nach Abschluss des Kriegsgerichtsprozesses vom Wiener Scharfrichter Josef Lang vollstreckt. Aufgrund eines technischen Defekts überlebte Battisti die erste Exekution am Würgegalgen. Die übliche Begnadigung nach einem derartigen Vorfall wurde ihm allerdings nicht gewährt. Battisti wurde somit in einer zweiten Vollstreckung hingerichtet. Im Anschluss daran posierten der Henker und zahlreiche Schaulustige für ein Foto, das anschließend als Postkarte weite Verbreitung fand.[5]

Battistis Leichnam wurde kurz nach der Hinrichtung im Hof des Castello del Buonconsiglio verscharrt. Am 31. Oktober 1918 – kurz vor dem Einmarsch der italienischen Truppen in Trient – wurde er vom österreichischen Militär in ein Massengrab umgebettet, wo er im November schließlich von den eingerückten italienischen Militärs exhumiert wurde. Nachdem der Leichnam von Battisti Sohn identifiziert worden war, wurde er in Trient feierlich aufgebahrt.[6]

Rezeption

Cesare Battistis Schicksal wurde bereits kurz nach seinem Tod in nationalistischen wie antinationalistischen Diskursen intensiv und kontrovers verarbeitet.

Herabwürdigende Zurschaustellung des erhängten Battisti (1916)

Nationalistische Deutungen: In kaisertreuen und deutschnationalen Kreisen Österreichs galt Battisti spätestens nach seiner Hinrichtung als Inbegriff des italienischen Verräters. In Italien wurde er hingegen als später Vertreter des Risorgimento posthum mit dem höchsten Militärorden ausgezeichnet und wie andere Irredentisten (Fabio Filzi, Nazario Sauro, Guglielmo Oberdan) zum Nationalhelden stilisiert, nach denen zahlreiche öffentliche Einrichtungen benannt wurden. Battisti findet ebenso in der vierten Strophe der patriotischen Hymne La leggenda del Piave Erwähnung.

In seiner Heimatregion Trentino wurde Battisti 1920 mit anderen Protomartiri della Grande Guerra als Ehrenmitglied in die Accademia Roveretana degli Agiati aufgenommen.[7] Der Berg, auf dem er von den Österreichern gefangen genommen wurde, erhielt zum Ursprungsnamen Monte Corno den Zusatz Battisti.

Obwohl Sozialist, wurde Battisti gegen den Willen seiner Frau auch von den italienischen Faschisten vereinnahmt, die ihm 1935 in seiner Heimatstadt Trient ein Mausoleum errichteten. Eine von Adolfo Wildt gestaltete Büste Battistis findet sich auch im Innenraum des 1928 eingeweihten Siegesdenkmals in Bozen, das ursprünglich auch Battistis Namen tragen sollte.[8][9]

Antinationalistische Interpretationen: Obwohl die national-gegensätzlichen Deutungen der Figur Battistis lange Zeit den öffentlichen Diskurs bestimmten, existierten von Anfang an auch historische Interpretationen, die an der Figur Battistis das Scheitern von Nationalismen hervorhoben. Battistis Hinrichtung und insbesondere die Zurschaustellung seines Leichnams zwecks Photographie thematisierte der österreichische Schriftsteller Karl Kraus bereits unmittelbar nach den Ereignissen in seinem Werk Die letzten Tage der Menschheit. Kraus rückte dabei nicht den Tod Battistis, sondern das selbstzerstörerische Wirken eines österreichischen Chauvinismus in den Mittelpunkt:

Der Nörgler: Das österreichische Antlitz ist jederlei Antlitz. Es lauert hinter dem Schalter der Lebensbahn. Es lächelt und greint je nach Wetter. (...) Zumal aber ist es das des Henkers. Des Wiener Henkers, der auf einer Ansichtskarte, die den toten Battisti zeigt, seine Tatzen über dem Haupt des Hingerichteten hält, ein triumphierender Ölgötze der befriedigten Gemütlichkeit, der »Mir-san-mir« heißt. Grinsende Gesichter von Zivilisten und solchen, deren letzter Besitz die Ehre ist, drängen sich dicht um den Leichnam, damit sie nur ja alle auf die Ansichtskarte kommen.

Der Optimist: Wie? So eine Ansichtskarte gibt es?

Der Nörgler: Sie wurde von amtswegen hergestellt, am Tatort wurde sie verbreitet, im Hinterland zeigten sie »Vertraute« Intimen, und heute ist sie als ein Gruppenbild des k. k. Menschentums in den Schaufenstern aller feindlichen Städte ausgestellt, ein Denkmal des Galgenhumors unserer Henker, umgewertet zum Skalp der österreichischen Kultur. Es war vielleicht seit Erschaffung der Welt zum erstenmal der Fall, daß der Teufel Pfui Teufel! rief.“

Karl Kraus: Die letzten Tage der Menschheit, Die Fackel, Wien 1919.[10]

In den 1960er-Jahren knüpfte der Historiker Claus Gatterer in seinem Buch Unter seinem Galgen stand Österreich - Cesare Battisti. Porträt eines „Hochverräters“ an die kritische Interpretation Karl Kraus' an. Gatterer recherchierte die politischen Zeitumstände und daraus resultierende Motive Battistis, wobei er in Österreich erstmals Battistis demokratische Grundüberzeugungen hervorhob:

„Das vorliegende Buch ist einem nichtnationalistischen Irredentisten gewidmet, einem ,internationalistischen’ und pazifistischen Sozialisten, der im Jahre 1914, nachdem andere den Krieg begonnen hatten, sowohl zum Bannerträger des ,letzten Risorgimento-Krieges’ als auch der Zerstörung der plurinationalen Habsburgermonarchie wurde. Battisti wählte den Weg, den auch andere Nicht- oder Antinationalisten genommen hatten. Ich will nur einen erwähnen: den ersten Präsidenten der Tschechoslowakei, Tomáš G. Masaryk. Die beiden, Battisti und Masaryk, verfolgten ein ähnliches, wenn auch nicht gleiches Ziel: Battisti sah in der Zerschlagung Österreichs die Möglichkeit, den Traum Giuseppe Mazzinis Wirklichkeit werden zu lassen: die Schaffung der vereinigten (nationalen) Staaten von Europa; weniger ambitioniert dagegen Masaryk, für den der Krieg (indem er den Zerfallsprozeß Österreichs vollendete) in die Bildung einer neuen demokratischen Gemeinschaft und Einheit der Donauvölker münden sollte.“

Claus Gatterer: Unter seinem Galgen stand Österreich. Cesare Battisti – Porträt eines „Hochverräters“ [erweiterte Neuauflage], Wien-Bozen 1997 (Erstausgabe 1967)[11]

In Italien bzw. im Trentino wurde die demokratische Gesinnung Cesare Battistis in erster Linie von seiner Witwe Ernesta Bittanti und dem gemeinsamen Sohn Gigino Battisti (die sich in den 1930er und 40er-Jahren als Antifaschisten exponierten) weitergetragen.[12] An ihre Rezeptionsgeschichte wie auch an die Ansätze Claus Gatterers knüpfte in den 1970er- und 80er-Jahren eine kritische Trentiner und Tiroler Regionalgeschichtsschreibung an.

Literatur

Sachliteratur
Belletristik

Einzelnachweise

  1. Hugo Hantsch: Leopold Graf Berchtold. Grandseigneur und Staatsmann. Verlag Styria, Graz/Wien/Köln 1963. Band 2: S. 696 und István Diószegi: Außenminister Stephan Graf Burián. Biographie und Tagebuchstelle. In: Annales Universitatis Scientiarum Budapestinensis de Rolando Eötvös nominatae. Sectio historica 8 (1966), S. 169-208, hier: S. 177
  2. Hans Hautmann: Militärprozesse gegen Abgeordnete des österreichischen Parlaments im Ersten Weltkrieg, in: Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, 21. Jg, 2/2014, S. 7-8.
  3. Hans Hautmann: Militärprozesse gegen Abgeordnete des österreichischen Parlaments im Ersten Weltkrieg, in: Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, 21. Jg, 2/2014, S. 8-9.
  4. Hans Hautmann: Militärprozesse gegen Abgeordnete des österreichischen Parlaments im Ersten Weltkrieg, in: Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, 21. Jg, 2/2014, S. 7.
  5. Hans Hautmann: Militärprozesse gegen Abgeordnete des österreichischen Parlaments im Ersten Weltkrieg, in: Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, 21. Jg, 2/2014, S. 9.
  6. Hans Hautmann: Militärprozesse gegen Abgeordnete des österreichischen Parlaments im Ersten Weltkrieg, in: Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, 21. Jg, 2/2014, S. 9.
  7. Mitgliederdatenbank der Akademie
  8. Thomas Pardatscher: Das Siegesdenkmal in Bozen: Entstehung, Symbolik, Rezeption. Athesia, Bozen 2002
  9. Marilena Pinzger: Steinernes Zeichen des Imperiums. Faschistische Denkmalsarchitektur in Südtirol am Beispiel des Siegesdenkmals in Bozen. Universität Wien, Diplomarbeit 2011
  10. Karl Kraus: Die letzten Tage der Menschheit (Onlineausgabe)
  11. Claus Gatterer: Unter seinem Galgen stand Österreich. Cesare Battisti – Porträt eines „Hochverräters“ [erweiterte Neuauflage], Folio-Verlag, Wien-Bozen 1997, S. 15.
  12. Artikel von Mimma Battisti (Enkelin Cesare Battistis) im Gedenken an den Antifaschisten Gianantonio Manci, www.salto.bz vom 29. April 2015

Weblinks

Commons: Cesare Battisti – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien