Franz August Schenk von Stauffenberg

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Die Führer der Secessionisten (aus: Die Gartenlaube 1880), Franz August von Stauffenberg links

Franz August Freiherr Schenk von Stauffenberg (* 3. August 1834 in Würzburg; † 2. Juni 1901 in Rißtissen) war ein deutscher Jurist, Großgrundbesitzer und Politiker. Er war Präsident der Kammer der Abgeordneten (Bayern) und nach der Deutschen Reichsgründung Mitglied des Reichstags.

Otto von Bismarck wollte Stauffenberg zu einem seiner Minister machen. Kaiser Wilhelm I. soll das mit der Bemerkung abgelehnt haben, Stauffenberg sei ihm zu „rot“. 1884 wurde er zu einem der Mitbegründer der oppositionellen Deutschen Freisinnigen Partei und damit zu einem der Gegenspieler Bismarcks. Viele irrten in der Hoffnung, dass ein Liberaler in Stauffenbergs „Kronprinzenpartei“ von Kronprinz Friedrich Wilhelm bei seiner Thronbesteigung Reichskanzler würde. Gerühmt werden Stauffenbergs außergewöhnliche Intelligenz und Bildung, seine diplomatische Begabung und sein ausgleichender Gerechtigkeitssinn bei festen Grundsätzen.

Familie

Franz Frhr. Schenk v. Stauffenberg

Franz August war Sohn des Reichsfreiherrn Friedrich Schenk von Stauffenberg (* 23. Oktober 1806 in Wetzlar; † 2. Mai 1874 in Rißtissen) und seiner Frau Reichsgräfin Karoline Klementine Butler von Clonebough, gen. Haimhausen (* 31. Januar 1812 in Ansbach; † 6. November 1879 in Lindau). Alle lebenden Reichsfreiherren Schenk von Stauffenberg sind Franz Augusts und Karolines Nachkommen.

Er studierte ab 1851 Rechtswissenschaft an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und ab 1853 an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. 1853 wurde er im Corps Guestphalia Heidelberg aktiv.[1] Stauffenberg lebte vor allem in Rißtissen, seine weiteren Besitzungen lagen in Wilflingen (Langenenslingen) und Geislingen (bei Balingen).

Am 25. August 1860 heiratete er in Würzburg Reichsgräfin Ida Therese von Geldern-Egmont (* 16. Oktober 1837 in Schloss Thurnstein; † 27. März 1887 in Pallanza). Sie hatten zehn Kinder, von denen fünf im Säuglingsalter starben. Sein 10. Kind Franz Schenk von Stauffenberg überlebte als einziger Sohn und beerbte ihn.

  • Wilhelmine A. Therese Johanna Maria Schenkin von Stauffenberg (* 24. Juni 1861 in Augsburg; † 10. März 1876 in Mentone)
  • Friedrich Adam Maria Sebastian Vinzenz Schenk Freiherr von Stauffenberg (* 20. Januar 1863 in Augsburg; † 30. Januar 1863 in Augsburg)
  • Elisabeth Klementine Gabriele Maria Schenk Freiin von Stauffenberg Schenk (* 15. Februar 1864 in Augsburg; ∞ 3. Juli 1893 mit Hugo Freiherr von Linden in Rißtissen; † 20. April 1939 in Ulm)
  • Walter Ludwig Friedrich Gotthold Agatha Maria Schenk Freiherr von Stauffenberg (* 21. Februar 1865 in Augsburg,† 30. September 1865 in Augsburg)
  • Olga Gabriele Schenk Freiin von Stauffenberg (Hofdame der Herzogin Margarete Sophie, Gemahlin des Herzogs Albrecht von Württemberg) (* 11. September 1866; ∞ 6. Mai 1902 mit Friedrich Graf von Otting und Fünfstetten in Rißtissen; † 23. März 1953 in Wiesenfelden): Kinder: Maximilian, Franz und Ludwig Graf von Ottingen und Fünfstetten
  • Johanna Friederike Klementine Marie Freiin von Stauffenberg (* 16. Februar 1868 in Rißtissen; † 19. Juli 1868 in Rißtissen)
  • Gabriele Philippine Marie Barbara Schenk Freiin von Stauffenberg (* 4. Dezember 1869 in Rißtissen; ∞ 8. April 1896 mit Gustav Freiherr von Habermann in München;† 18. Oktober 1956 in München)
  • Friedrich W. Schenk Freiherr von Stauffenberg (* 2. September 1873 in Rißtissen; † 25. Oktober 1873 in Rißtissen)
  • Tochter (* 18. Juli 1874 in Rißtissen; † 19. Juli 1874 in Rißtissen)
  • Franz Wilhelm Karl Maria Gabriel Schenk Freiherr von Stauffenberg (* 14. August 1878 in Rißtissen; ∞ 27. Mai 1903 in Bonn mit Huberta Gräfin Wolff-Metternich; † 9. November 1950 in Riedlingen)

Leben

1857 wurde er Rechtsreferendar und 1860 stellvertretender Staatsanwalt. Ab 1862 war er Staatsanwalt in Augsburg. 1866 schied er aus eigenem Entschluss aus der Rechtspflege aus.

Abschaffung der Todesstrafe

Am 30. September 1866 wurde Stauffenberg bei einer Nachwahl in Augsburg in die Kammer der Abgeordneten (Bayern) gewählt. Er war zunächst elf Jahre Mitglied dieser Kammer. Von 1871 bis 1875 war er ihr Präsident. Schon in seinem ersten parlamentarischen Antrag vom 20. Februar 1867 forderte er für das Königreich Bayern die Abschaffung der Todesstrafe. Er begründete seinen Antrag unter anderem damit, dass die Todesstrafe niemanden von einem Verbrechen abschrecken könne. Man dürfe die Gemütsverfassung eines Verbrechers vor und nach der Tat nicht gleichsetzen. Fast alle Verbrecher gingen vor der Tat davon aus, nicht überführt zu werden. Alle die Todesstrafe rechtfertigenden Argumente verblassten bei der Hinrichtung eines einzigen Unschuldigen. Der Staat, die Summe aller Bürger, dürfe wie jeder einzelne Bürger nur in Situationen der Notwehr oder der Nothilfe gerechtfertigt über das Leben eines Menschen verfügen. Der bayerische Landtag nahm seinen Antrag mit der unerwarteten Mehrheit von 87:44 Stimmen an. Stauffenberg besaß die Gabe, selbst politische Gegner mit klarer Argumentation und seiner als glänzend geschilderten Rednergabe zu überzeugen. Die erste bayrische Kammer lehnte unter dem Präsidium seines konservativen Onkels Freiherr (ab 1874 Graf) Franz Ludwig Schenk von Stauffenberg (* 1801; † 1881) seinen Antrag am 16. November 1867 ab. Als Staatsanwalt in Augsburg hatte Stauffenberg die letzte Stunde mit den zum Tode Verurteilten zu verbringen. Das hat ihn geprägt. Am 19. Mai 1870 stellte er seinen Antrag zum zweiten Mal. Diesmal ohne Erfolg.

Sozialismus

Zum Sozialismus nahm er anlässlich einer Wahlrede über das Sozialistengesetz am 12. Februar 1878 Stellung:

„Die politischen Streitigkeiten und Feindschaften kommen und vergehen. Die sozialen Gegensätze dagegen verletzen tief und fressen ewig. Die soziale Frage ist die Frage der Zukunft, vor der alle anderen politischen Fragen verblassen. Man kann dieser Frage und ihren Konsequenzen nicht dadurch entgehen, daß man sie verbietet.“

Franz Schenk von Stauffenberg [2]

Liberale Vereinigung

Ab Februar 1868 saß Schenk zu Stauffenberg im Zollparlament. Bei der Reichstagswahl 1871 wurde er zum ersten von acht Malen in den Reichstag (Deutsches Kaiserreich) gewählt. Von 1876 bis 1879 war dessen Vizepräsident. Als Mitglied der Nationalliberalen Partei vertrat er zunächst München im ersten deutschen Reichstag. 1880 beteiligte er sich an der sog. Sezession von Nationalliberalen, die sich zur Liberalen Vereinigung zusammenschlossen. Die Nationalliberalen hatten nach Ansicht der Sezessionisten mit der Zustimmung zu Bismarcks Schutzzollpolitik und zum Septennat liberale Grundprinzipien verraten und die Position des jungen Reichstags gegenüber der Exekutive so entscheidend geschwächt, dass ihre Partei nicht mehr als liberal sondern als konservativ angesehen werden müsse. Stauffenbergs Liberale Vereinigung errang bei der Wahl 1881 aus dem Stand mit 46 Mandaten die gleiche Fraktionsstärke wie die nun eher konservativen Bismarck unterstützenden Nationalliberalen von denen er sich abgespalten hatte.

Siehe auch: Liste der Corpsstudenten im Zollparlament

Freiheitlich-liberale Ansichten

Von 1884 bis 1892 war Stauffenberg Abgeordneter der Deutschen Freisinnigen Partei. Er gehörte insgesamt 32 Jahre dem bayerischen Landtag und 22 Jahre dem deutschen Reichstag an. Stauffenberg hatte fortschrittliche, freiheitlich-liberale Ansichten, von denen die meisten heute zu selbstverständlichen, unumstrittenen deutschen Verfassungsgrundsätzen geworden sind, damals aber als extrem, linksliberal oder sogar als „rot“ bezeichnet wurden. Er wollte mehr persönliche Freiheitsrechte für die Bürger und größere Befugnisse für den Reichstag, Abschaffung der Zölle (Freihandel) und keine staatliche, sondern eine privatrechtlich organisierte Arbeitslosenunterstützung. Die konstitutionelle Monarchie des deutschen Reiches sollte nach englischem Vorbild parlamentarisiert werden. Seine politische Grundüberzeugung fasste er am 15. März 1870 im Reichstag lakonisch so zusammen:

„Die volle Freiheit scheint mir in der Regel und im Zweifel immer die bessere Wahl zu sein.“

Franz Schenk von Stauffenberg

Er war daher auch für Selbstverwaltung und Freihandel, gegen die Sozialistengesetze und staatliche Eingriffe jeder Art. Damit stand er nicht nur im Gegensatz zu den Interessen des Reichskanzlers Bismarck, zu den konservativen Überzeugungen des Kaisers Wilhelm I. und damit zu denen der meisten seiner Standesgenossen, sondern auch gegen die keineswegs freiheitlichen Grundüberzeugungen der damaligen Sozialisten. Er unterstützte schon vor der Gründung des deutschen Reiches im Jahre 1871 den Gedanken eines deutschen Reiches unter einer starken preußischen Führung (kleindeutsche Lösung). Damit befand er sich als süddeutscher Liberaler im Gegensatz zu der Auffassung der weiten Mehrheit süddeutscher Liberaler, die ein deutsches Reich unter Einschluss Preußens, aber unter der Führung Österreichs anstrebten (großdeutsche Lösung).

Kronprinz und Kronprinzessin Friedrich Wilhelm von Preußen

Mit seiner liberalen Einstellung und seiner Gegnerschaft zu Bismarck stand er dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm, dem späteren Kaiser Friedrich III. und der Kronprinzessin Victoria politisch und persönlich nahe. Sie pflegten regelmäßigen Umgang. Der Kronprinz besuchte Stauffenberg z.B. am 4. September 1873 in seinem Heimatort in Rißtissen. Jahre später soll Kronprinzessin Victoria Stauffenberg angeregt haben, eine freiheitlich-liberale Partei nach englischem Muster zu gründen. Es gab viele liberale Parteien im Reichstag, aber eine monarchisch-preußenfreundliche und dabei fortschrittliche liberale Partei gab es nicht. Eine weitere liberale Partei passte aber nicht mit Aussicht auf Wahlerfolg in die von Bismarcks Manövern korrumpierte und zersplitterte liberale Parteienlandschaft im Reichstag. 1884 fusionierte Stauffenberg seine Partei, die Liberale Vereinigung mit der Deutschen Fortschrittspartei Eugen Richters zur neuen Deutschen Freisinnigen Partei. Stauffenberg wurde Vorsitzender des Zentralkomitees dieser neuen Partei (DFP). Eugen Richter, ein zu einem eher radikalen Liberalismus neigender rheinischer Jurist und Publizist wurde der Vorsitzende des siebenköpfigen geschäftsführenden Ausschusses der DFP. Er favorisierte wie Stauffenberg eine starke Zentralgewalt des Reiches unter der Führung Preußens mit einem nach dem Vorbild Englands mit umfassenden Gesetzgebungsrechten ausgestatteten und die Regierung kontrollierenden Reichstag. Von einer parlamentarischen Monarchie war das deutsche Kaiserreich weit entfernt. Beide liberale Politiker nahmen irrtümlich an, nicht nur die Kronprinzessin, sondern auch der künftige Kaiser verfolge ähnliche politische Ziele. Ihre Absicht war, Kronprinz Friedrich Wilhelm für den Fall eines vermeintlich 1884 unmittelbar bevorstehenden Thronwechsels eine starke, liberale Fraktion unter Ausschluss der inzwischen konservativen Nationalliberalen Partei als Plattform für die Bildung einer liberalen Regierung zur Verfügung zu stellen. Diese starke liberale Plattform sollte es dem Kronprinzen erleichtern, die konservative Regierung Bismarck abzulösen und durch eine liberale Regierung zu ersetzen..

Es ist zweifelhaft, ob Friedrich III. von diesem Angebot, das von der Kronprinzessin ausdrücklich unterstützt wurde, Gebrauch gemacht hätte, wenn er schon 1884 den Thron bestiegen hätte. Kronprinz Friedrich Wilhelm hatte eng begrenzte liberale Ansichten. Sie umfassten lediglich die Gewährung von persönlichen Freiheitsrechten an die Bürger (z.B. Redefreiheit, Erziehungsfreiheit, Religionsfreiheit) und staatsrechtlich das Prinzip einer echten konstitutionellen Monarchie. Formal waren Preußen und das deutsche Reich bereits konstitutionelle Monarchien. De facto wurden die bestehenden Verfassungsnormen jedoch häufig und hemmungslos gegen die innere Überzeugung des Kronprinzen von der Regierung Bismarck missachtet. Mit diesen gemäßigten liberalen Vorstellungen hatte sich der Kronprinz in Gegensatz zu Bismarck begeben. Kaiser Wilhelm I. und die Mehrzahl der deutschen Prinzen und Fürsten hatten politische Ansichten, die weit mehr nach rückwärts gerichtet waren als die von Bismarck. Ihre Vorstellungen wurzelten im aufgeklärten Absolutismus. Der Kronprinz galt deshalb unter seinen Standesgenossen als gefährlich linksliberal. Auf Anregung Bismarcks appellierte Kaiser Wilhelm I. in aller Form und erfolgreich an seinen Sohn, seine Loyalität ihm und der von ihm eingesetzten Regierung gegenüber unbedingt und uneingeschränkt zu wahren. Auf staatsrechtlichem Gebiet hingegen war der Kronprinz konservativ: Dem Kronprinzen widerstrebten, im Gegensatz zur auch in diesem Punkt konsequent liberalen Kronprinzessin, instinktiv, jedoch selten deutlich artikuliert linksliberale Parteien, die wie die DFP Stauffenbergs die Befugnisse des Reichstags auf Kosten derer des Kaisers ausweiten wollten.

Deutsche Freisinnige Partei

Die neue, aus der Fusion zwischen der Liberalen Vereinigung und der Deutschen Fortschrittspartei entstandene Deutsche Freisinnige Partei stellte bei ihrer Gründung im März 1884 mit 100 Mandaten nach der Zentrumspartei die zweitgrößte Fraktion im Reichstag, büßte aber schon bei den Reichstagswahlen im Oktober des gleichen Jahres ein Drittel ihrer Stimmen ein und konnte insgesamt nur 65 Reichstagsmandate halten. Die deutschen Wähler wollten nur 13 Jahre nach der Reichsgründung und in Jahren eines großen wirtschaftlichen Aufschwungs keine innenpolitische Unruhe und noch keine starke bismarckfeindliche Partei. Stauffenberg und Richter standen in erbitterter Opposition zur Politik Bismarcks. Sie bekämpften seine Schutzzollpolitik ebenso wie die seiner Sozialgesetzgebung oder den Kulturkampf. Der große liberale Durchbruch wurde für die Zeit nach dem Tod des greisen Kaisers Wilhelms I. erwartet, der die konservative Regierung Bismarck ernannt hatte. Stauffenberg glaubte fest daran, dass ein Mitglied seiner Partei von Friedrich III. mit der Bildung der Reichsregierung betraut werde. Am 11. Januar 1887 beantragte Stauffenberg im Reichstag die von der Regierung Bismarck gewünschte Heeresstärke für drei, aber nicht für die gewünschten sieben Jahre (Septennat) zu bewilligen. Der Antrag Stauffenbergs wurde am 14. Januar 1887 mit 186:154 Stimmen angenommen. Bismarck löste darauf den Reichstag auf und ließ Neuwahlen ausschreiben. Bei den Reichstagswahlen von 1887 kurze Zeit nach einem Attentat auf den beim Volk beliebten Kaiser Wilhelm I. verringerten sich die Mandate der oppositionellen DFP nochmals um die Hälfte auf 32. Die Bismarck unterstützende konservative Koalition wurde entscheidend gestärkt. Bismarcks Spiel war aufgegangen.

Die 99 Tage

Als Wilhelm I. am 9. März 1888 mit 91 Jahren starb, war sein Thronfolger bereits schwer an Krebs erkrankt. Bismarck warnte Kaiser Friedrich III.: Er könne zwar einen liberalen Kanzler mit der Regierungsbildung betrauen, wenn er das wünsche. Dafür komme aber nur ein Kandidat aus der (konservativen und nur dem Namen nach liberalen) Nationalliberalen Partei infrage. Eine beispielsweise von einem Mitglied der liberalen Deutschen Freisinnigen Partei geführte Regierung werde unweigerlich in einem republikanischen Abenteuer enden. Der sterbenskranke Kaiser Friedrich III. betraute darauf Bismarck mit der Regierungsbildung. Lediglich der preußische Innenminister Robert Viktor von Puttkamer, der Schwager Bismarcks, wurde ausgetauscht. Nicht zuletzt wegen der Schwäche der Fraktion seiner liberalen Freunde im Reichstag hielt sich der zum Sprechen nicht mehr fähige Kaiser dem Kanzler Bismarck gegenüber politisch aufs Äußerste zurück. Selbst das harmlose Anliegen des Kaisers seinen liberalen Freunden von der Freisinnigen Partei, dem späteren Nobelpreisträger Theodor Mommsen, dem Politiker Franz August von Stauffenberg und dem Arzt Rudolf Virchow einen Orden zu verleihen, beantwortete Bismarck mit einer Rücktrittsdrohung. Nach nur 99 Tagen Regentschaft verstarb Kaiser Friedrich III. am 15. Juni 1888, ohne wesentlichen politischen Einfluss auf die Regierung genommen zu haben. Sein Sohn, Kaiser Wilhelm II. war zwar wie sein Vater kein Freund Bismarcks, den er 1890 entließ, aber anders als dieser nicht im Geringsten liberal oder fortschrittlich gesinnt. Mit dem Tod Friedrich III. waren alle Hoffnungen Stauffenbergs und der Freisinnigen auf eine Regierungsbildung geschwunden.

Kaiser-Friedrich-Legende

Mit der politisch isolierten Kaiserin Friedrich hielt Stauffenberg nach dem Tode Friedrichs III. weiterhin Kontakt. Er gilt als einer der Architekten in der von den Liberalen und Kaiserin Friedrich geförderten und von Historikern so genannten „Kaiser-Friedrich-Legende“. Danach hätte Kaiser Friedrich III., wäre ihm eine längere Regentschaft vergönnt gewesen, eine bessere, nicht von der Obrigkeit, sondern vom Volk ausgehende Zukunft für Deutschland geschaffen. Diese Hypothese wird heute aus Gründen der politisch ambivalenten Persönlichkeit des Monarchen, von vielen Historikern angezweifelt. Wenn es auch müßig ist, über einen hypothetischen Geschichtsverlauf zu spekulieren, so kann man sich dennoch ohne große Mühe vorstellen, dass eine freiheitliche, die damals existierenden und vielleicht moderat weiterentwickelten Verfassungsgrundsätze respektierende, um 1888 von Kaiser Friedrich III. für eine ausreichende Anzahl von Jahren eingesetzte Regierung möglicherweise Deutschland und der Welt den Ersten und damit den Zweiten Weltkrieg erspart hätte.

Rückzug ins Privatleben und Ende der DFP

Bei der Reichstagswahl 1890, im Jahr von Bismarcks Entlassung, konnte Stauffenbergs DFP ihre Mandate wieder auf über 60 verdoppeln; Stauffenberg schied wegen seines Diabetes mellitus 1892 dennoch aus dem Reichstag aus und zog sich nach Rißtissen und München zurück. 1893 zerfiel die DFP an ihren programmatischen inneren Widersprüchen in die rechtsliberale Freisinnige Vereinigung und die linksliberale Freisinnige Volkspartei. Stauffenberg trat der Freisinnigen Vereinigung bei, lehnte aber eine Kandidatur für die Reichstagswahlen von 1893 ab. Stauffenberg gehörte bis 1898 dem bayerischen Landtag an. 1910, neun Jahre nach Stauffenbergs Tod, fanden beide Flügel der untergegangenen Deutschen Freisinnigen Partei unter dem Druck des Wählerschwundes bei den liberalen Parteien wieder zusammen. 1910 fusionierten die Freisinnige Vereinigung und die Freisinnige Volkspartei mit der Deutschen Volkspartei zur Fortschrittlichen Volkspartei.

1903, zwei Jahre nach Stauffenbergs Tod, trat der junge Theodor Heuss Stauffenbergs Partei, der Freisinnigen Vereinigung, bei. Heuss war es vergönnt, nach dem Scheitern der Weimarer Republik und nach dem Zusammenbruch des so genannten Dritten Reiches 1948 als Mitglied des Parlamentarischen Rates die meisten der liberalen Ideale, für die Franz August Stauffenberg und viele seiner liberalen Zeitgenossen gekämpft hatten, in das Grundgesetz einzubringen. Das Grundgesetz hat sich seither als Verfassung der Bundesrepublik Deutschland zur historisch langlebigsten und politisch erfolgreichsten deutschen Konstitution entwickelt. Vier Jahre vor den Beratungen zum Grundgesetz auf Herrenchiemsee, am 20. Juli 1944 waren die Urenkel des Grafen Franz Ludwig Schenk von Stauffenberg, die Brüder Claus und Berthold, als Widerstandskämpfer gegen das verbrecherische Hitler-Regime in die Geschichte eingegangen. Graf Franz Ludwig war derjenige Onkel Franz Augusts, der 1867 seinen im Landtag erfolgreichen Antrag auf Abschaffung der Todesstrafe als Präsident der ersten bayerischen Kammer zu Fall gebracht hatte. Wenn sich die Umstände, Motive, Risiken und die Folgen des Attentates der Brüder Stauffenberg in nichts mit dem zwei Generationen vorher stattfindenden Kampf Franz Augusts für seine liberalen politischen Ideale gegen den konservativen Bismarck vergleichen lassen, so ähneln sich doch alle drei Stauffenbergs in der auch unter hohem äußerem Druck gezeigten unpathetischen aber konsequenten Unerschütterlichkeit beim Durchsetzen ihrer moralisch-politischen Grundsätze. Vielleicht benutzte Claus nicht nur zufällig das von ihm naturrechtlich verstandene, den Tyrannenmord rechtfertigende Argument der Notwehr oder Nothilfe für sein Vorhaben, das schon Franz August in einem vollkommen anderen Zusammenhang (der Todesstrafe) als einzige Rechtfertigungsgrund für eine vorsätzliche vom Staat befohlene oder geduldete Tötungshandlung gelten lassen wollte.

Werke

  • Friedrich Schenk von Stauffenberg, Franz August von Schenk von Stauffenberg: Die Schenken von Stauffenberg geschichtliche Nachrichten von diesem Geschlechte. Mühlthaler, München 1876

Ehrungen

UnvollständigeListe

Einzelnachweise

  1. Kösener Korps-Listen 1910, 112, 653
  2. Gerd Wunder: Die Schenken von Stauffenberg, S. 331

Literatur

  • Otto von Bismarck: Gedanken und Erinnerungen.
  • Siegmund Günther: Stauffenberg, Franz, Freiherr von Schenk. Parlamentarier. 1834 - 1901. In: Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte Lebensläufe aus Franken 7. Schöningh in Komm., Würzburg 1922, S. 437-440 ISSN 0930-9314 Online pdf
  • Heinrich Hirschfelder: Von Heinrich Marquardsen zu Franz Frhr. Schenk von Stauffenberg. Die Entwicklung des Linksliberalismus und die Anfänge der „Fränkischen Nachrichten“ in Erlangen (1884) ; ein Beitrag zur lokalen Parteien- und Pressegeschichte. In: Erlanger Bausteine zur fränkischen Heimatforschung 1991 ISSN 0421-3769
  • Hartwin Spenkuch: Schenk von Stauffenberg, Franz Ludwig Cajetan Friedrich Carl August Freiherr. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, ISBN 3-428-11203-2, S. 677 f. (Digitalisat).
  • Helmut Steinsdorfer: Franz Freiherr Schenk von Stauffenberg (1834 - 1901) als ein bayrischer und deutscher Politiker. München 1959
  • H. Wieramann: Der Deutsche Reichstag. Teil 1. Die Deutsch-Freisinnigen. Eugen Richter, Heinrich Rickert, Professor Hänel, Professor Virchow, Max von Forckenbeck, Freiherr Schenk von Stauffenberg, Ludwig Bamberger, Ludwig Löwe, Professor Mommsen. Renger, Leipzig 1884
  • Gerd Wunder: Die Schenken von Stauffenberg. Eine Familiengeschichte. Müller und Gräff, Stuttgart 1972, (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 11, ZDB-ID 500514-0).

Weblinks