Christian Fürchtegott Gellert

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Christian Fürchtegott Gellert (* 4. Juli 1715 in Hainichen; † 13. Dezember 1769 in Leipzig) war ein deutscher Dichter und Moralphilosoph der Aufklärung und galt zu Lebzeiten neben Christian Felix Weiße als meistgelesener deutscher Schriftsteller.

Gedenktafel am Geburtshaus Gellertplatz 5 in Hainichen
In dieser Stätte wurde der Dichter Christian Fürchtegott Gellert am 4. Juli 1715 geboren als Sohn des damaligen Pfarrers Christian Gellert.
Hinweisschild: Wohnung Gellerts in Leipzig (Ritterstraße)

Gellert wuchs als fünfter Sohn einer Pastorenfamilie in ärmlichen Verhältnissen in Hainichen in Sachsen auf, besuchte aber ab 1729 die Fürstenschule St. Afra in Meißen. Sein älterer Bruder Christlieb Ehregott Gellert wurde als Metallurge und Mineraloge bekannt.

1734 nahm Gellert an der Universität Leipzig sein Studium der Theologie und Philosophie auf, das er 1739 aber aus Geldmangel für ein Jahr unterbrechen musste. Bereits im Vorjahr war ein erster Versuch, als Prediger aufzutreten, an seiner Schüchternheit gescheitert. In der Folge hielt er sich mit Privatstunden und der Erziehung junger Adliger über Wasser und machte sich mit französischer und englischer Literatur vertraut. Auch arbeitete der Aufklärer an der Übersetzung der Enzyklopädie Bayles mit, die Johann Christoph Gottsched in Angriff genommen hatte. Er schloss sein Studium 1744 mit einer Dissertation über Theorie und Geschichte der Fabel ab. Während der Schul- und Studienzeit lernte er unter anderem Karl Christian Gärtner, Johann Andreas Cramer, Johann Adolf Schlegel, Johann Arnold Ebert, Nikolaus Dietrich Giseke und Friedrich Gottlieb Klopstock kennen und wirkte als Herausgeber an den Bremer Beiträgen mit.

Seit 1745 hielt Gellert als akademischer Lehrer in Leipzig Vorlesungen über Poesie, Beredsamkeit und Moral.[1] 1751 wurde er zum außerordentlichen Professor für Philosophie ernannt und war seitdem als Hochschullehrer tätig. Seine Vorlesungen über Moral erregten bei den Zeitgenossen großes Aufsehen. So bezeichnete Goethe, der bei ihm als Student Poetikvorlesungen besuchte, seine Morallehre als „Fundament der deutschen sittlichen Kultur“.

In der Sammlung Geistliche Oden und Lieder fasste Gellert 1757 seine Beiträge zu einer zeitgemäßen geistlichen Poesie zusammen.[2] Die Lieder fanden weite Verbreitung; mehrere wurden von bedeutenden Komponisten vertont, andere sind mit einfacheren Melodien bis heute in kirchlichen Gesangbüchern enthalten.

Seit Ende 1759 erhielt Gellert anonym von Hans Moritz von Brühl, einem seiner Lieblingsschüler, eine jährliche Pension von 150 Talern und aus dem Nachlass von Gottfried Mascov ein Gnadengehalt von 450 Talern.[1] Doch Gellerts Gesundheit war bereits seit längerer Zeit angeschlagen, hinzu kam eine ausgeprägte Hypochondrie. Weder Kuren noch Ausflüge nach Berlin, Karlsbad und Dresden konnten Gellerts Stimmung bessern. 1761 schlug er aus Sorge um seine Gesundheit einen ordentlichen Lehrstuhl für Philosophie aus.

Mit Leopold Mozart stand Gellert seit 1754 in einem Briefwechsel.[3] Leopold, seine Ehefrau Anna Maria Mozart und die Kinder Wolfgang und Nannerl besuchten ihn am 3. Oktober 1766 in Zürich, auf dem Rückweg von ihrer großen Konzertreise durch Europa.

Noch während der Korrekturarbeiten am Manuskript Moral verschlechterte sich der Gesundheitszustand so entscheidend, dass Christian Fürchtegott Gellert im Alter von 54 Jahren starb. Sein Bruder Friedrich Leberecht Gellert, der Fechtmeister an der Leipziger Universität bzw. Oberpostkomissarius war, verstarb kaum einen Monat nach ihm am 8. Januar 1770 in Leipzig.

C. F. Gellerts sämmtliche Schriften. Teil 1 (1775)
Gellert-Denkmal von Ernst Rietschel (1865) vor dem Rathaus in Hainichen

Gellert begann mit der Publikation seiner literarischen Werke bereits während seiner Studienzeit. Einen Höhepunkt erreichte sein Schaffen in den Jahren 1740–1750. Zwei Bände mit Fabeln, die in zwei Bänden 1746 und 1748 erschienen, greifen Alltagsepisoden auf und fassen die Moral in „Merksätzen“ zusammen, die teils spitzbübisch-bieder, teils weinerlich-sentimental vorgetragen werden. Seine Sprache war nüchtern, verständlich und kam ohne Metaphern aus. Neben Fabeln, Erzählungen, Abhandlungen, Reden und Vorlesungen veröffentlichte er empfindsame Romane, die den Einfluss von Samuel Richardson zeigen, sowie Komödien. Tugend und Vernunft siegen dabei über Schwäche und Laster.[4]

  • C. F. Gellerts sämmtliche Schriften 1774 (Digitalisat)
  • Die Betschwester (Lustspiel, 1745)
  • Das Los in der Lotterie (Lustspiel, 1746)
  • Die zärtlichen Schwestern (Lustspiel, 1747)
  • Das Leben der Schwedischen Gräfin von G*** (Roman, 2 Teile, 1747/48)[5][6]
  • Briefe, nebst einer praktischen Abhandlung von dem guten Geschmacke in Briefen (1751)
  • Geistliche Oden und Lieder (1757)[2]
  • Die Biene und die Henne (Fabel, 1769)
  • C. F. Gellerts Sämmtliche Fabeln und Erzählungen in drey Büchern : mit 13 Kupfern nach Heinrich Ramberg. Leipzig, Hahn Verlag, 1836.

Zu den bekanntesten Liedern Gellerts im Sinne der Aufklärungstheologie zählen:

Gellert war zu seinen Lebzeiten als Professor und als Dichter außerordentlich beliebt (beispielhaft ist der Briefwechsel mit Christiane Karoline Schlegel, geb. Lucius) und kaum irgendwelcher Kritik ausgesetzt. Seine Werke – besonders seine Fabeln – zählten in der Übergangszeit zwischen Aufklärung, Empfindsamkeit und Sturm und Drang zu den meistgelesenen in Deutschland. Christoph Martin Wieland erhob ihn zu seinem „Liebling“, Gotthold Ephraim Lessing lobte besonders den Stil seines Briefwechsels.

Durch seine breite Wirkung trug er zur Bildung eines allgemeinen Lesepublikums in Deutschland bei und ebnete so den Weg für die Dichter der folgenden Generationen. Seine Lustspiele brachten erstmals bürgerliche Figuren und deren Milieu auf die Bühnen; der Roman Leben der schwedischen Gräfin von G*** hatte die Ethik bürgerlicher Moral zum Gegenstand und war Wegbereiter des Romans in Deutschland.[7]

Nach Gellerts Tod setzten ihn die Autoren des Sturm und Drang zu einem „mittelmäßigen“, moralinsauren Dichter „für Landpastorentöchter“ herab, wie sich 1771/1772 Jakob Mauvillon und Ludwig A. Unzer im fiktiven Briefwechsel Über den Werth einiger deutscher Dichter äußerten.[8]

Die Geistlichen Lieder und Oden wurden von Carl Philipp Emanuel Bach, Joseph Haydn und Ludwig van Beethoven (Sechs Gellert-Lieder op. 48) vertont.

Gellert wurde gemeinsam mit seinem Bruder, dem Fechtmeister und Oberpostkommissar Friedrich Leb(e)recht[9] (* 10. November 1711; † 8. Januar 1770), der nur einen Monat nach ihm starb, auf dem Alten Johannisfriedhof in Leipzig beigesetzt. Im Jahr 1900 wurden die Gebeine der beiden Brüder in die damals extra geschaffene Bach-Gellert-Gruft der Johanniskirche Leipzig[10] umgebettet. Nach deren politisch gewollten Sprengung am 19. Februar 1949 wurden Gellerts Gebeine am 28. Juli 1949 in die Universitätskirche überführt. Nach deren Sprengung 1968 fanden sie ihre letzte Ruhestätte auf dem Leipziger Südfriedhof (I. Abteilung).[11]

Seit dem Jahr 2012 hat Olaf Graszt aus Wölkau die Patenschaft für das Grab übernommen. Zusammen mit einem neu gegründeten Freundeskreis Gellert ergänzte er die Grabplatte mit einem aufrechten Grabstein, der am 4. Juli 2015, Gellerts 300. Geburtstag, der Stadt Leipzig übergeben und feierlich eingeweiht wurde.[12]

Gellert-Denkmal in Neubrandenburg; Inschrift: „Ein Lehrer und Beispiel der Tugend und Religion“

Der vierzehnjährige Wolfgang Amadeus Mozart schrieb am 26. Januar 1770 an seine Schwester: „Neues weis ich nichts als das H: gelehrt, der poet zu leipzig gestorben ist, und dan nach seinen doth keine poesie mehr gemacht hat.“

Chronologische Reihenfolge

Band 1: Zeittafel, Drehbuch, Erzählungen, Fabeln, Abhandlungen über Briefe; für die Jugend. ISBN 978-3-95488-224-3.
Band 2: Das Leben des Christian Fürchtegott Gellert in Zitaten und Selbstzeugnissen. ISBN 978-3-95488-180-2.
Band 3: Betrachtungen zu einigen Liedern und Oden von Christian Fürchtegott Gellert. ISBN 978-3-95488-248-9.
Band 4: Ein Briefwechsel über die Freundschaft zwischen einer jungen Frau und einem älteren Mann – Christiane Caroline Lucius und Christian Fürchtegott Gellert. ISBN 978-3-95488-402-5.
Band 5: Christian Fürchtegott Gellerts Sprache und Theologie an Hand des Lehrgedichtes „Der Christ“ und anderer Texte. ISBN 978-3-95488-452-0.
Band 6: Sprüche, Aphorismen, Lehrsätze und Zuchtsprüche von Christian Fürchtegott Gellert. ISBN 978-3-95488-525-1.
Band 7: Vermischte Texte über Ehe, Hochzeiten und Liebe. ISBN 978-3-95488-249-6.
Band 8: Die Strohkranzrede – Besondere literarische Kleinode. ISBN 978-3-95488-528-2.
Band 9: Warum Friedemann Steiger diese Reihe über Christian Fürchtegott Gellert für die junge Generation herausgab. ISBN 978-3-95488-683-8.
Band 10: Geistliche Oden und Lieder von C. F. Gellert – Replikat der Ausgabe von 1812 (Weidmannsche Buchhandlung Leipzig). ISBN 978-3-95488-690-6.
  • Werner Marx (Hrsg.): Christian Fürchtegott Gellert. Der alte Dichter & der junge Criticus, Fabeln Gedichte Briefe. Evangelische Verlagsanstalt Leipzig, Leipzig 2013, ISBN 978-3-374-03732-2.
  • Volkhard Wels: Christliche Providenz in Gellerts Schwedischer Gräfin. In: Lessing Yearbook 40 (2012/13). (online auf academia)
  • Sikander Singh: Christian Fürchtegott Gellert. Wehrhahn, Hannover 2010, ISBN 978-3-86525-171-8.
  • Bernd Witte: Christian Fürchtegott Gellert. Schriftsteller und Universitätslehrer in Sachsens goldenem Zeitalter. In: Denkströme. Journal der Sächsischen Akademie der Wissenschaften. Heft 4, 2010, S. 30–49.
  • Bernd Witte: Der Dichter und der Kriegsherr. Christian Fürchtegott Gellert im Siebenjährigen Krieg. In: Sibylle Schönborn, Vera Viehöver (Hrsg.): Gellert und die empfindsame Aufklärung: Vermittlungs-, Austausch- und Rezeptionsprozesse in Wissenschaft, Kunst und Kultur. (= Philologische Studien und Quellen. Band 215). Berlin 2009, ISBN 978-3-503-09868-2.
  • Christian Fürchtegott Gellert. In: Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Kindlers Literatur Lexikon. 3., völlig neu bearbeitete Auflage. Band 6, Metzler, Stuttgart / Weimar 2009, ISBN 978-3-476-04000-8, S. 162–165. (Biogramm, Werkartikel zu Das lyrische Werk von Peter J. Benner/Werner Jung)
  • Friedemann Steiger: Christian Fürchtegott Gellert. Reflexionen zu den Geistlichen Oden und Lieder von 1757 sowie der Entwurf eines Drehbuchs zu seinem Leben. Leicht übertragen, ergänzt, kommentiert, angefragt, durchgeknetet, erlitten, erklärt, gesungen und gebetet. Leipzig 2006, ISBN 3-86703-062-6.
  • Rafael Arto-Haumacher: Gellerts Briefpraxis und Brieflehre: der Anfang einer neuen Briefkultur. Wiesbaden 1995, ISBN 3-8244-4179-9.
  • Friedrich Koch: Christian Fürchtegott Gellert. Poet und Pädagoge der Aufklärung. Weinheim 1992.
  • Bernd Witte (Hrsg.): Ein Lehrer der ganzen Nation. Leben und Werk Christian Fürchtegott Gellerts. München 1990, ISBN 3-7705-2662-7.
  • Carsten Schlingmann: Gellert. Eine literaturhistorische Revision. Bad Homburg v. d. H. / Berlin / Zürich 1967, OCLC 604519596.
  • Alessandro Pellegrini: Die Krise der Aufklärung. Das dichterische Werk Christian Fürchtegott Gellerts und die Gesellschaft seiner Zeit. In: Literaturwissenschaftliches Jahrbuch. Neue Folge 7/1966, S. 37 ff.
  • Kurt WölfelGellert, Christian Fürchtegott. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 6, Duncker & Humblot, Berlin 1964, ISBN 3-428-00187-7, S. 174 f. (Digitalisat).
  • Kurt May: Das Weltbild in Gellerts Dichtung. Frankfurt 1928.
  • Erich SchmidtGellert, Christian Fürchtegott. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 8, Duncker & Humblot, Leipzig 1878, S. 544–549.
  • Brockhaus: Konversationslexikon. Vierzehnte vollständig neubearbeitete Auflage. Brockhaus, Leipzig 1895, Bd. 7, Lemma Gellert, S. 735.
  • Johann Andreas Cramer: Christian Fürchtegott Gellerts Leben. Weidmanns Erben und Reich, Leipzig 1774.

Einzelnachweise

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  1. a b Brockhaus: Konversationslexikon. Vierzehnte vollständig neubearbeitete Auflage. Brockhaus, Leipzig 1895, Bd. 7, Lemma Gellert, S. 735.
  2. a b Gellert: Vorrede zu: Geistliche Oden und Lieder. Erster Teil, 1757, im Projekt „Lyriktheorie“ der Bergischen Universität Wuppertal
  3. C. F. Gellerts Briefwechsel, Band 1: 1740–1755
  4. Hermann Glaser, Jakob Lehmann, Arno Lubos: Wege der deutschen Literatur. Ullstein, 1997, S. 127 f.
  5. Das Leben der Schwedischen Gräfin von G***: Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv Band 1, Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv Band 2)
  6. Figurenlexikon zu Leben der schwedischen Gräfin von G* von Eva D. Becker im Portal Literaturlexikon online
  7. Sophie von La Roche: Geschichte des Fräuleins von Sternheim.
  8. Susanne Paesel: Zur Fabel „Das Pferd und die Bremse“ von Christian Fürchtegott Gellert. Grin-Verlag, 2002, ISBN 3-638-74759-X, S. 4.
  9. Zum zweiten Vornamen: Leberecht laut Lexikon deutscher Dichter und Prosaisten, Band 2, Leipzig 1807, S. 87; Lebrecht laut Gellert-Museum Hainichen.
  10. a b Holger Zürch: Verlorene Kirche in Leipzig: die Johanniskirche. In: Leipziger Internet Zeitung. 19. Juni 2022;.
  11. Die Geschichte der Leipziger Gellert-Gräber als Extra-Druck für Gellert-Freunde Leipziger Internet Zeitung, 22. August 2015.
  12. Neu gestaltetes Gellertgrab am 300. Geburtstag feierlich übergeben Leipziger Internet Zeitung, 5. Juli 2015.
  13. Frieder Schulz: Das Gedächtnis der Zeugen – Vorgeschichte, Gestaltung und Bedeutung des Evangelischen Namenkalenders, Göttingen 1975, S. 104.