Kanaltal

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Val Canale / Kanaltal (Alpen)
Val Canale / Kanaltal (Alpen)
Val Canale / Kanaltal

Das Kanaltal, italienisch Val Canale, furlanisch Val Cjanâl, slowenisch Kanalska dolina, ist eine zu Italien und teilweise zu Österreich gehörende, 23 km lange Talung im Dreiländereck Italien-Österreich-Slowenien mit dem Zentrum Tarvis. Das Kanaltal trennt die Karnischen von den Julischen Alpen und den Karawanken. Es grenzt im Norden an Österreich, im Osten an Slowenien und geht im Süden in das Canal del Ferro (Fella- oder Eisental, Dolina Bele) über. Der westliche Teil entwässert über die Fella in die Adria. Bei Saifnitz (it. Camporosso) liegt auf einer Höhe von 816 m s.l.m. die unscheinbare Saifnitzer Wasserscheide (Sella di Camporosso). Östlich dieser Talwasserscheide entwässert das Kanaltal über die Gailitz ins Schwarze Meer. Dort erstreckt sich das Kanaltal bis etwa Thörl-Maglern oder Arnoldstein.

Markus Pernhart, Gebirgspanorama mit Maria Luschari im Kanaltal, Öl auf Leinwand
Markus Pernhart, Gebirgspanorama vom Luschariberg mit dem Kanaltal, Öl auf Leinwand

Lage und Landschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Markus Pernhart, Raiblersee, Öl auf Leinwand
Markus Pernhart, Weißenfelsersee mit Mangart, Öl auf Leinwand

Orte im Kanaltal und Seebachtal[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Ortschaften des Kanaltales sind von Osten nach Westen:

Geschichte und Kultur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ländlicher Baustil im Dorf Oltreacqua (Überwasser) in Rutte Grande (Groß Greuth) bei Tarvis

Das Kanaltal im nördlichen Friaul ist eine für den Alpenraum einzigartige Region. Alle drei großen europäischen Sprachfamilien – Germanische, Romanische und Slawische Sprache – treffen hier direkt aufeinander. Österreicher, Slowenen und Friulaner leben hier seit Jahrhunderten zusammen.

Wortherkunft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Name Kanaltal hat seine Wurzeln im friulanischen Wort Chianâl oder Cjanâl, welches für schlauchartige Täler (Berggräben) steht.

Territoriale Zugehörigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Myriameterstein aus dem frühen 19. Jh. auf der Brücke über den Pontebbana-Bach, der 1866–1918 die Grenze zwischen Pontebba (Italien) und Pontafel (Österreich-Ungarn, jetzt Ortsteil von Pontebba) darstellte, 9,3 Mm = 93 km von Klagenfurt entfernt.

Nach der Auflösung des Herzogtums Kärnten im frühen Spätmittelalter gehörte das Kanaltal dem Hochstift Bamberg, später den Habsburgern. Noch im Jahr 1910 hat es praktisch keine italienischen Einwohner im Kanaltal gegeben. Das Gebiet war bis 1918 mancherorts mehrheitlich slowenisch, mancherorts mehrheitlich deutsch besiedelt und gehörte innerhalb des Kaisertums Österreich bzw. von Österreich-Ungarn zu Kärnten. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde es durch den Vertrag von Saint-Germain zusammen mit dem Tal von Weissenfels (Fusine, slowenisch: Fužine) sowie dem Bergbauort Raibl (slowenisch: Rabelj) Italien zugesprochen.[1] Es gehört heute zur Region Friaul-Julisch Venetien.

Auswanderung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Monument im Tarviser Ortsteil Boscoverde (Grünwald) zur Erinnerung an Napoleons Feldzüge 1797, 1809 und 1813

Die Richtlinien für die Rückwanderung der Reichsdeutschen und Abwanderung der Volksdeutschen aus Südtirol in das Deutsche Reich (siehe Option in Südtirol) vom 21. Oktober 1939 fand auch auf die Volksdeutschen des gemischtsprachigen Territoriums von Tarvis (Provinz Udine) Anwendung. Dabei entschieden sich 98 % der deutsch- sowie 91 % der slowenischsprachigen Kanaltaler für eine Abwanderung in das Deutsche Reich.[2]

Während in Südtirol infolge circa 30 % tatsächlich das Land verließen, betrug der Prozentsatz der Abgewanderten im Kanaltal etwa 71 %.

Von 5.700 Auswanderern sprachen in etwa 5.600 deutsch und 100 slowenisch. So kam es dazu, dass über 80 % der deutschsprachigen Kanaltaler umgesiedelt wurden, während die slowenischsprachigen Kanaltaler nur unerhebliche Abwanderungsverluste erlitten (etwa 2 %).

Die meisten Umgesiedelten kamen nach Kärnten: 2.700 nach Villach, 1.500 nach Klagenfurt, 500 nach Sankt Veit an der Glan, Feldkirchen und Friesach. Ins steirische Knittelfeld kamen auch 500 und weitere 500 wurden in sonstige Orte umgesiedelt. In Klagenfurt-Waidmannsdorf und Villach-Lind erinnern heute noch die damals eigens errichteten Kanaltalersiedlungen an die Umsiedlung. Zurück blieben ca. 2.500 Kanaltaler. Davon waren etwa ein Drittel Deutschsprachige und zwei Drittel Slowenischsprachige. Nur ca. 20 von 5.700 ausgewanderten Kanaltalern kamen nach dem Zweiten Weltkrieg ins Kanaltal zurück, obwohl das Optantendekret von 1948 den umgesiedelten Kanaltalern die Möglichkeit bot, in die Heimat zurückzukehren und die italienische Staatsbürgerschaft wiederzuerwerben.

Die heutige deutsch- und slowenischsprachige Minderheit geht im Wesentlichen auf die nichtausgesiedelten Kanaltaler zurück: Bei einer Gesamtbevölkerung von rund 8.000 wird ihr Anteil mit 20 Prozent angegeben.

Heutige Sprachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Markttag in Pontebba zu Mariä Geburt am 8. September

Die deutsch- oder slowenischsprachigen Kanaltaler sprechen ihre Muttersprache im jeweiligen Soziolekt/Dialekt.[3] Das Deutsche wird als Oberkärntnerisch der Villacher Gegend, das Slowenische als Gailtaler Dialekt (Zilja, ziljščina) gesprochen. Italienisch ist die offizielle Landessprache und Tarvis das Zentrum der Italienischsprachigen.

Die rein deutschsprachigen Schulen (Goggau, Tarvis, Malborgeth, Pontafel) und slowenisch-/deutschsprachigen (Saifnitz, Uggowitz, Leopoldskirchen) des 19. Jahrhunderts sind Vergangenheit. Während des Faschismus gab es nur Italienisch als Unterrichtssprache. Nach 1945 genehmigte man einigen Volksschulen den Deutschunterricht als Freigegenstand am Nachmittag. 1973 wurde der zunächst auf einheimische Kinder beschränkte Deutschunterricht auf alle schulpflichtigen Kinder erweitert. Mittlerweile wird Deutsch allen Kindern im Vormittagsunterricht angeboten (1 bis 2 Wochenstunden). In Uggowitz (Ugovizza) findet seit 1982 slowenischer Nachmittagsunterricht statt.

Eisenbahnstrecke Pontebbana bei Bagni Santa Caterina

Verkehrsverbindungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Durch das Kanaltal verläuft eine wichtige Bahn- und Straßenverbindung (Eisenbahn: Pontebbana; Autobahn A23/E55 von Villach nach Udine) von Österreich nach Italien; seit der EU-Osterweiterung verläuft hier eine der Haupttransportachsen Mitteleuropas von Rom, Bologna und Venedig nach Wien, Prag und Budapest, und eine der großen Alpentransitachsen.

Ab dem 19. Jahrhundert war die moderne Verkehrserschließung von entscheidender wirtschaftlicher Bedeutung: Der Bau der Eisenbahn Laibach–Tarvis wurde 1872 vollendet (1966 wurde die grenzüberschreitende Teilstrecke Jesenice (Aßling)–Tarvis stillgelegt); die Eisenbahnlinie Villach–Tarvis wurde 1873 fertiggestellt und Tarvis–Udine 1879. Der Autobahnbau der A23 von 1973 bis 1986 mit der Errichtung von 49 Brücken und 18 Tunnels belastete das Tal zusätzlich. Der Bau der Hochleistungseisenbahn Pontebbana von Udine bis zur österreichischen Grenze (94 km) mit 13 Tunnels (Gesamtlänge 46 km, das sind 48 % der Strecke) wurde im Jahr 2000 abgeschlossen.

An der Grenze Italien–Österreich bestehen aufgrund des Schengen-Vertrags bereits seit dem 1. April 1998 keine Grenzkontrollen mehr, am 21. Dezember 2007 wurden sie auch an der Grenze Italien–Slowenien aufgelassen.

Sehenswürdigkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Museo della Foresta[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1988 wurde das Waldmuseum eröffnet, das an der A23 Udine-Tarvis liegt. Es hat den Wald um Tarvis, der 24.000 Hektar Fläche einnimmt, zum Thema. Umgeben ist das Museum von einem botanischen Garten, der die typischen Pflanzen dieser Region beherbergt.

Slowenisches Kulturzentrum Planika / Slovensko kulturno središče Planika / Centro Culturale Sloveno Stella Alpina[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Februar 1997 vereinigten sich einheimische Kulturträger (Mitglieder des slowenischen Vereins „Slovensko društvo Planika“, der Außenstelle der Musikgesellschaft „Glasbena matica“, der Musikschule „Tomaž Holmarj“ im Kanaltal, der Fonds für slowenische Kultur „Sklad za slovensko kulturo Ponce“ sowie einige engagierte Persönlichkeiten) und gründeten das slowenische Kulturzentrum Planika Slovensko kulturno središče Planika v Kanalski dolini. Dies ermöglichte es, das Kulturangebot im Kanaltal / Kanalska dolina zu strukturieren, zu erweitern, qualitativ zu verbessern und attraktiv für ein weiteres Publikum zu gestalten. Das Kulturzentrum Slovensko kulturno središče Planika wird seit dem 21. Juni 2002 von der autonomen Region Friaul-Julisch Venetien (italienisch Friuli-Venezia Giulia, furlanisch Friûl-Vignesie Julie, slowenisch Furlanija-Julijska krajina) als Einrichtung von erstrangiger Bedeutung für die slowenische Volksgruppe in Italien anerkannt.[4]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Matjaž Klemenčič: Kanaltal, in: Katja Sturm-Schnabl, Bojan-Ilija Schnabl (a cura di): Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška. Von den Anfängen bis 1942. Band 2: J – Pl. Vienna: Böhlau, 2016, pp. 582–587
  • Karin Heller, Luis Thomas Prader und Christian Prezzi (Hrsg.): Lebendige Sprachinseln. 2. Auflage, Bozen 2006. Online zum Kanaltal.
  • Marko Simić: Auf den Spuren der Isonzofront. Mohorjeva Hermagoras, Klagenfurt/Laibach/Wien 2004, ISBN 3-85013-884-4.
  • Karl Migglautsch, Ingomar Pust: Das Kanaltal und seine Geschichte. Hrsg. vom Kanaltaler Kulturverein. edition k3, Annenheim 1995, ISBN 3-901088-04-0.
  • Mario Gariup: Le opzioni per il 3° Reich. Val Canale 1939.
  • Hans Messner: Friaul Julisch Venetien. Universitätsverlag Carinthia Klagenfurt, 1990, ISBN 3-85378-350-3.
  • Gerhard Pilgram, Wilhelm Berger, Gerhard Maurer: Kärnten. Unten durch. Drava Verlag, Klagenfurt/Celovec 1998, ISBN 3-85435-301-4.
  • Stefanie Vavti: "Wir sind Kanaltaler!" Regionale und lokale Identitäten im viersprachigen Valcanale in Italien. In: Forum Qualitative Sozialforschung. Volume 7, No. 1, Art. 34 – Januar 2006, abgerufen am 5. März 2007.
  • Francesco Attisani u. a.: Una strada - tre confini. La storia, l'ambiente, gli itinerari turistici del Tarvisiano e dei suoi dintorni. Giovanni Aviani Editore, Udine 1986.
  • Kurt F. Strasser, Harald Waitzbauer: Über die Grenzen nach Triest. Wanderungen zwischen Karnischen Alpen und Adriatischem Meer. Wien/Köln/Weimar 1999.
  • G. Pilgram, W. Berger, W. Koroschitz, A. Pilgram-Ribitsch: Die letzten Täler. Wandern und Einkehren in Friaul. Drava Verlag, Klagenfurt/Celovec 2008, ISBN 978-3-85435-532-8.
  • Martin Wutte: Das Kanaltal – La Valcanale. Verlag des Geschichtsvereines für Kärnten, 2009, ISBN 978-3-85454-114-1.
  • Jakob Medved: Zemljevid z italijanskimi in slovenskimi krajevnimi imeni v Furlaniji, Julijski Krajini in Benečiji - Carta dei nomi geografici con forma italiana e slovena nel Friuli – Venezia Giulia. Mladinska knjiga, Ljubljana 1974.
  • Roberto Dapit u. a.: Ovčja vas in njena slovenska govorica, Valbruna e la sua parlata slovena. Raziskovalni tabor Kanalska dolina 2003, Stage di ricerca Val Canale 2003, Ukve-Ljubljana 2005.

Medien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Val Canale – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Carlo Moos: Südtirol im St. Germain-Kontext. In: Georg Grote, Hannes Obermair (Hrsg.): A Land on the Treshold. South Tyrolean Transformations, 1915–2015. Peter Lang, Oxford-Bern-New York 2017, ISBN 978-3-0343-2240-9, S. 27–39.
  2. Kurt F. Strasser, Harald Waitzbauer: Über die Grenzen nach Triest. Wien 1999, S. 37.
  3. Roberto Dapit u. a.: Ovčja vas in njena slovenska govorica, Valbruna e la sua parlata slovena. Raziskovalni tabor Kanalska dolina 2003, Stage di ricerca Val Canale 2003, Ukve – Ljubljana 2005.
  4. Scuole trilingui in Val Canale incontro con il consigliere reg. del Pdl Franco Baritussio. (Memento vom 16. Juli 2011 im Internet Archive)

Koordinaten: 46° 30′ N, 13° 23′ O