Arbeitslosigkeit

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 17. August 2004 um 19:17 Uhr durch 69.55.226.145 (Diskussion) (→‎Sozial-psychologische Dimension). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Als arbeitslos, korrekter erwerbslos bezeichnet man eine Person, die eine bezahlte Tätigkeit, die auf einem Arbeitsverhältnis beruht, anstrebt, aber keine Arbeit findet.

Dabei muss man zwischen der registrierten Arbeitslosigkeit und der verdeckten Arbeitslosigkeit (Stille Reserve) unterscheiden. Die registrierte Arbeitslosigkeit umfasst jene Personen, die sich (in Deutschland) bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet haben und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Zur Stillen Reserve zählen Personen, die unter bestimmten Bedingungen zwar eine Arbeit aufnehmen würden, sich aber nicht bei der Arbeitsagentur gemeldet haben.

Formen der Arbeitslosigkeit

Nach ihrer (mutmaßlichen) Dauer kann man Arbeitslosigkeit unterscheiden in:

  • friktionelle Arbeitslosigkeit (Sucharbeitslosigkeit): Sie entsteht beim Übergang von einer Arbeitsstelle zu einer anderen. Sie ist in der Regel nur von kurzer Dauer und auch in Phasen einer Vollbeschäftigung unvermeidlich.
  • Saisonale Arbeitslosigkeit: Sie ergibt sich aus natürlichen Schwankungen der Klimabedingungen im Jahresverlauf oder aus Nachfrageschwankungen. (z.B. Arbeitslosigkeit in der Landwirtschaft im Winter oder in der Gastronomie in der Nebensaison). Sie verschwindet üblicherweise wieder im Jahresverlauf.
  • Konjunkturelle Arbeitslosigkeit: Sie entsteht durch Konjunkturschwankungen. In der Rezession entlassen die Unternehmen Arbeitskräfte, die sie im Aufschwung wieder einstellen. Konjunkturelle Arbeitslosigkeit verschwindet in der Regel innerhalb von zwei bis drei Jahren wieder.
  • Strukturelle Arbeitslosigkeit: Sie ist ein dauerhaftes Phänomen. Es tritt häufig ein im Zusammenhang mit Wandlungen in der Wirtschaftsstruktur oder durch technologische Entwicklungen, wenn gleichzeitig der Arbeitsmarkt oder das Ausbildungssystem zu unflexibel sind, um Arbeitslose in anderen Branchen, Regionen oder Berufen unterzubringen. Hinzu kommt, dass mit der Dauer der Arbeitslosigkeit eine De-Qualifikation eintritt. Auch ein zu hohes Lohnniveau kann Ursache struktureller Arbeitslosigkeit sein, wenn wenig qualifizierte Arbeitskräfte zum herrschenden Lohn keine Arbeit finden.

Ursachen der Arbeitslosigkeit

Arbeitslosigkeit entsteht durch einen Auftragsmangel der Unternehmen. Die Ursache dafür ist ein Rückgang der Kaufkraft der Allgemeinheit.

Beispiel: Halbiert sich die Kaufkraft, halbiert sich der Absatz der Unternehmen und damit die Notwenigkeit der Unternehmen 50% Nachfrage mit Beschäftigung zu bedienen. Die Arbeitslosigkeit verdoppelt sich in diesem Fall.

Viele Unternehmen betonen zwar das Gegenteil, weniger Lohn gleich mehr Beschäftigung, dies ist jedoch nicht richtig und hält einer kritischen Analyse nicht stand.

Durch weniger Lohn wird lediglich der Wettbewerbsdruck auf andere Unternehmen verstärkt, es kommt zu einer Verlagerung von Arbeitsplätzen zu günstigeren Standorten.

Eine Zunahme an Arbeitsplätzen zur Bedienung einer wachsenden Nachfrage (in etwas Anderes investieren Unternehmen nicht) ist dies jedoch nicht. Denn die Basis erfolgreicher Unternehmen bleiben auch weiterhin andere Unternehmen, die ihren Angestellten ein Maximum an Löhnen zahlen auf Kosten ihrer Gläubiger, die dann ihre Kunden darstellen.

Das Maß an Arbeitslosigkeit in der Gesellschaft ist somit auch immer ein Maß an Unvermögen der Politik zu notwendiger Umverteilung von oben nach unten. Das reflexartige Reagieren zu mehr Wettbewerbsdruck (niedrigere Löhne, sinkende Lohnnebenkosten für den Unternehmer, Kapitalsteuern etc.) fördert hingegen eine immer größere Einkommensschere zwischen Arm und Reich.

So will auch Deutschland den globalen Wettbewerb gewinnen, dies geht jedoch nur auf Kosten des Binnenmarktes. Da in diesem globalen Wettbewerb aber alle Länder konkurrieren, dürften am Ende überall nur zerstörte Binnenmärkte übrigbleiben, mit Millionenheeren an Billigstarbeitern in der Exportindustrie, die Märkte bedienen wollen, die es dann gar nicht mehr gibt.

Problematisch hierbei ist auch die Reaktion der Staaten, denn auf sinkendes Wirtschaftswachstum und sinkendes Steueraufkommen wird in der Regel auch nur mit noch höheren Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen und potenzielle Investoren reagiert. Denn diese, so die These, sind es doch, die Arbeitsplätze schaffen.

Das jeder Arbeitsplatz aber nur eine Stelle sein kann, die die Kaufkraft von bereits vorhandenen Kunden bedient, wird hierbei oftmals vergessen. Unternehmen produzieren nicht Waren in leere Regale hinein. Die Prinzipien der Umverteilung "gegen" die legitimen Gewinninteressen der Unternehmen müssen diesen, für deren Erfolg, vorausgehen.

Ansatzpunkte zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit

Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit müssen an deren Ursachen ansetzen. Soweit Löhne rigide sind, fand seit den fünfziger Jahren die Idee große Verbreitung, dass eine höhere Inflation helfen könne, die Arbeitslosigkeit zu senken. Steigen die Löhne langsamer als die Inflationsrate, kommt es zwar weiter zu Nominallohnzuwächsen, aber zu einem Reallohnrückgang, womit die Lohnrigidität aufgelöst würde (sog. Phillips-Kurve). Allerdings bewährte sich eine solche Politik nicht, u.a. weil Löhne zum Teil auch real rigide sind, da die Gewerkschaften die Inflationsrate bei ihren Lohnforderungen berücksichtigen.

Andere:

  • kein Verzicht auf Arbeitsersatzzahlungen, da diese im Gegensatz zu normalem Lohn und vor allem Kapitaleinkommen vermögenslimitiert sind, sie sind sehr umlaufbeständig und fließen zu 100% als Gewinne in die Unternehmen, wo sie der Staat wieder steuerlich erfassen kann. Die Beschränkung der 200 Euro pro Lebenjahr Regelung ließe sich eventuell auch ausweiten, etwa auf 200.000 Euro für Lohnabhängige und 2 Millionen für lohnunabhängige Privatpersonen. Dies würde nebenbei auch alle Steuern überflüssig machen, da die Freibetragsgrenzen zwangsläufig überschritten werden.

&nbsp&nbsp&nbsp&nbsp Ein massives Vorbeugen gegen Kapitalflucht wäre allerdings Voraussetzung.

weitere gängige wissentschaftlich theoretische Thesen

Konjunkturelle Arbeitslosigkeit

Konjunkturelle Arbeitslosigkeit wird durch einen temporären Nachfragemangel während Rezessionen hervorgerufen. Um solche Situationen zu vermeiden, versuchte die Politik durch staatliche Ausgabenprogramme im Rahmen einer keynesianischen antizyklischen Fiskalpolitik den Nachfrageausfall auszugleichen. Dieser Ansatz scheiterte in den siebziger Jahren aber u.a. daran, dass die Politiker nicht in der Lage waren, die Ausgabenprogramme zu beenden, wenn sich die konjunkturelle Lage wieder besserte. Lagen das Grundproblem in der zu geringen Flexibilität des Arbeitsmarktes, so waren Ausgabenprogramme auch nicht ursachenadäquat. In den europäischen Ländern stieg letztlich durch die staatliche Ausgabenpolitik letztlich nur die Staatsverschuldung, ohne dass dies die Lage auf dem Arbeitsmarkt besserte. Etwas positiver sind die Erfahrungen in den USA, wo der Arbeitsmarkt insgesamt flexibler ist und deshalb Ausgabenprogramme stärkere Wirkung bei der Beschäftigung zeigen.

Strukturelle Arbeitslosigkeit

Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit müssen an deren Ursachen ansetzen. Soweit Löhne rigide sind, fand seit den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Idee große Verbreitung, dass eine höhere Inflation helfen könne, die Arbeitslosigkeit zu senken. Steigen die Löhne langsamer als die Inflationsrate, kommt es zwar weiter zu Nominallohnzuwächsen, aber zu einem Reallohnrückgang, womit die Lohnrigidität aufgelöst würde (sog. Phillips-Kurve). (Zitat von Helmut Schmidt Mitte der siebziger Jahre: "Lieber fünf Prozent Inflation als fünf Prozent Arbeitslosigkeit"). Allerdings bewährte sich eine solche Politik nicht, u.a. weil Löhne zum Teil auch real rigide sind, da die Gewerkschaften die Inflationsrate bei ihren Lohnforderungen berücksichtigen.

Höhere Beschäftigung durch mehr Wachstum

Zu einem Abbau der Arbeitslosigkeit kommt es auch, wenn es gelingt, die Wirtschaft auf einen höheren Wachstumspfad zu bringen. Dies kann man mit Politiken zu erreichen suchen, die auf eine Förderung des Wachstums insgesamt zielen, wie z.B. die Förderung von Forschung & Entwicklung, höhere Investitionen in Bildung oder öffentliche Infrastruktur sowie eine Deregulierung in vielen Politikbereichen, um Wachstusmhemmnisse zu beseitigen.

Mit dem Hartz-Konzept wurde in Deutschland auch ein neuer Ansatz zur Förderung von Unternehmensgründungen etabliert, der unmittelbar Arbeitslose anspricht. Erwerbslose, die sich in Form einer Ich-AG selbstständig machen, erhalten bis zu drei Jahren einen monatlichen Zuschuss von der Arbeitsagentur. Zwischen Januar 2003 und Juni 2004 wurden so über 160.000 solche Ich-AGs gegründet. Ob sie eine Keimzelle für neue Unternehmen bilden können, die später einmal Arbeitnehmer beschäftigen, bleibt abzuwarten. Nachteil der Ich-AGs ist, dass sie ohne Geschäftsplan gegründet werden können.


Verringerung des Erwerbspersonenpotenzials

Lange Zeit versuchte man, Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, indem man das Potenzial an Arbeitskräften (das sog. Erwerbspersonenpotenzial) verringerte, z.B. durch eine Verlängerung der Schulzeit (so geschehen in Deutschland in den siebziger Jahren), Frühverrentung und Vorruhestand, sowie – z.B. in den Niederlanden – einer großzügigen Regelung bei der Invalidität. Auf Dauer erwiesen sich diese Maßnahmen aber als zu teuer, da Frührentner und Invaliden aus den Sozialkassen bezahlt werden, die sich aus Beiträgen der Arbeitnehmer finanzieren. Weiterer Ansatzpunkt war die Förderung der Teilzeitbeschäftigung.

Aktive Arbeitsmarktpolitik

In dem Maße, wie sich die Arbeitslosigkeit in Europa zunehmend verfestigte, versuchten die Regierungen, Arbeitslose in staatlich subventionierten Beschäftigungsprogrammen (sog. Zweiter Arbeitsmarkt) unterzubringen, in Deutschland vor allem in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM). Ziel dieser Programme war es in erster Linie, insbesondere Langzeitarbeitslose wieder ins Erwerbsleben zurückzuführen (z.B. an einen Achtstundentag gewöhnen), ihnen zu vermitteln, dass sie eine sinnvolle Arbeit ausführen und ihnen auch Qualifikationen zu vermitteln. Letzteres haben auch Qualifizierungsmaßnahmen zum Ziel. Allerdings wurden diese Maßnahmen, vor allem in Ostdeutschland, häufig zu einer reinen Beschäftigungstherapie, während die Chancen der Arbeitslosen nicht verbessert wurden. Insbesondere war die Politik in Deutschland, aber auch anderen Ländern nicht sehr effizient.

Da diese Politiken letztlich nicht sehr erfolgreich waren, versucht die Politik heute Arbeitslosigkeit dadurch zu bekämpfen, dass sie zum einen Rigiditäten auf dem Arbeitsmarkt abbaut, zum anderen durch eine Wachstumspolitik das Entstehen neuer Arbeitsplätze fördert, und drittens Arbeitslose stärker in die Pflicht nimmt, sich einen Job zu suchen.

Abbau von Lohn-Rigiditäten

Derzeit diskutierte Rezepte zum Abbau von Rigiditäten sind:

  • Öffnungsklauseln in Tarifverträgen, die bei Schwierigkeiten des Unternehmens oder bei Wettbewerbsproblemen niedrigere Löhne als im Tarifvertrag vorgesehen erlauben. Verschiedene Tarifverträge der jüngsten Zeit enthalten solche Klauseln, die ein teilweises Abweichen vom Flächentarifvertrag erlauben.
  • ’’’Geringere Lohnersatzleistungen’’’ (d.h. Arbeitslosen- und Sozialhilfe) für Arbeitslose, damit sich die Aufnahme einer gering bezahlten Tätigkeiten lohnen (Abstandsgebot). Dabei wird der niedrige Lohn oft mit einer steuerlichen Begünstigung und geringeren Sozialbeiträgen subventioniert, wie z.B. bei den Minijobs und den Midijobs.
  • Größere Flexibilität der Arbeitszeit, mit Verkürzungen bei schlechter und Verlängerungen bei guter Auftragslage. Dies würde im Abschwung Entlassungen verhindern.
  • Abbau von Arbeitsmarkregulierungen, z.B. ein schwächerer Kündigungsschutz und verbesserte Möglichkeiten, befristeten Arbeitsverträgen abzuschließen.
  • Geringere Löhne in der Einarbeitungsphase oder Probezeit.

Solche Rezepte können allerdings nur dann wirken, wenn tatsächlich freie Arbeitsplätze vorhanden sind, die aber aufgrund der verschiedenen Rigiditäten nicht besetzt werden können.

Politik des Forderns und Förderns

Seit einigen Jahren werden in Deutschland gesetzliche Vorschriften dahingehend geändert, dass Arbeitslose stärker in die Pflicht genommen werden, sich eine Arbeit zu suchen. Dies geschah aus zwei Gründen. Zum einen melden sich auch Personen arbeitslos, die aus unterschiedlichen Gründen keine Arbeit suchen, sondern lediglich daran interessiert sind, Arbeitslosenunterstützung zu kassieren, so lange sie ihnen zusteht. Wie groß die Anzahl solcher Arbeitsloser ist, vermag keiner zu sagen, dass es aber solche Fälle gibt ist unstrittig.

Langfristiger bedeutsamer ist aber ein anderer Grund: Arbeitslose verlieren mit der Dauer der Erwerbslosigkeit berufliche und soziale Qualifikationen, die ihre Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigen, selbst wenn zu einem späteren Zeitpunkt Arbeitskräfte gesucht werden. Daher kommt es sehr darauf an, Arbeitslose möglichst rasch wieder zu einer neuen Arbeit zu verhelfen. Mit der Politik des Forderns und Förderns hat man in Europa zum Teil gute Erfahrungen gemacht. In Dänemark z.B. müssen Arbeitslose bereits nach 13 Wochen ohne Beschäftigung für soziale Arbeiten zur Verfügung stehen, gleichzeitig wurde aber die Betreuung verbessert und effizienter gestaltet. So gelang es, die Arbeitslosigkeit drastisch zu senken und insbesondere die Langzeitarbeitslosigkeit zu senken. In Deutschland gibt es ähnliche Ansätze. So müssen sich inzwischen Personen bereits bei der Arbeitsagentur melden, wenn bekannt wird, dass sie ihre Arbeitsstelle verlieren, und nicht erst, wenn sie arbeitslos sind.

Da bei Arbeitslosen oft mehrere Probleme zusammentreffen, z.B. finanzielle Probleme, Verlust der Wohnung, Sucht- und Drogenprobleme bietet es sich an, diese aus einer Hand anzugehen. Ein Schritt in diese Richtung sind die sog. Job-Center, die ab 2005 in Deutschland eingerichtet werden sollen.

Probleme der Arbeitsmarktpolitik

Durch die angesprochenen Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik oder der Politik des Forderns und Förderns kann theoretisch jeder einzelne Arbeitslose in Arbeit gebracht werden, der Druck muss nur groß genug oder die Subventionen nur hoch genug sein. Damit lässt sich aber nicht zwangsläufig auch das gesamtwirtschaftliche Problem der Arbeitslosigkeit verringern, das beispileweise subventionierte oder neidriger entlohnte Arbeitsnehmer andere verdrängen. Die Arbeitslosen werden "ausgetauscht", ihre Gesamtzahl sinkt aber nicht, solange nicht andere Politiken - z.B. die Wachstumspolitik - für eine steigende Nachfrage nach Arbeitskräften sorgt.

Auch besteht die Gefahr, dass durch einen zu hohen Druck auf Arbeitslose, zu jedem Lohn eine Arbeit anzunehmen, eine Abwärtsspirale bei den Löhnen einsetzt, die zu Deflation und zu einem Einbruch der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage führen kann.

Insofern kommt es sehr darauf an, dass die Arbeitslosigkeit mit einer Mischung aus verschiedenen Politiken bekämpft wird, die "intelligent" ineinander greifen.

Dimensionen der Arbeitslosigkeit

Politisch-gesellschaftliche Dimension

Die Arbeitslosigkeit hat für den Betroffenen zum einen eine politisch-gesellschaftliche Dimension (Politik). Er weist der Regierung die Schuld für seine Situation zu, was oft (durch empirische Untersuchungen bestätigt) dazu führt, dass der Betroffene sich der Wahl enthält oder gar mit rechtsradikalen Parteien sympathisiert. Des weiteren hat ein Arbeitsloser nur eine geringe politische Interessenvertretung (siehe auch: Disparitätenthese).

Sozial-psychologische Dimension

Weiterhin gibt es die sozial-psychologische Dimension der Arbeitslosigkeit. Man kann bei den Betroffenen vier Phasen beobachten. Als erstes setzt der Schock ein. Er kann nicht fassen, dass ihn das Problem Arbeitslosigkeit unmittelbar betrifft. Nach ca. einer Woche folgt dann der Optimismus. Der Betroffene macht sich Mut. Er glaubt schnell wieder Arbeit zu finden, weil er schließlich auch vorher angesehen im Berufsleben stand. Nach einigen Absagen und schlechten Vorstellungsgesprächen folgt dann die Phase des Pessimismus. Der Arbeitslose stellt fest, dass er keine Stelle findet; er zweifelt an sich selbst. Die letzte Phase, die bei Langzeitarbeitslosen zu beobachten ist, ist die Resignation. Der Betroffene gibt auf, weil er keine Aussicht mehr auf Arbeit hat. Denn umso länger er arbeitslos ist, desto seltener wird er überhaupt zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.

Finanzielle Dimension

Die dritte ist die finanzielle Dimension. Der Betroffene muss extreme Einschränkungen in Kauf nehmen, was ihm oft auch peinlich ist, da in einer Leistungsgesellschaft immer noch Leistung an Einkommen und Reichtum gemessen wird. Erhält man nur ein steuerfreies Existenzminimun, so kann man auch soziale Kontakte nur bedingt pflegen. Als Beispiel sei ein Geburtstag genannt, auf dem der Arbeitslose nicht mehr so viele Freunde einladen kann. Oft vereinsamen Arbeitslose auch durch ihre Situation, da sie keine Arbeitskollegen mehr haben.

Gesamtkosten für den Staat

Eine andere Dimension der Arbeitslosigkeit ist diejenige der Gesamtkosten für den Staat. Dazu zählen die Verwaltungskosten der Bundesagentur für Arbeit sowie die über sie gezahlten Arbeitslosengeld/Beiträge, das Wohngeld, Sachleistungen und die psychosoziale Betreuung.

Marxistische Betrachtung der Arbeitslosigkeit

Nach marxistischer Auffassung ist gesellschaftliche Arbeitslosigkeit für den Kapitalismus notwendig. Die Arbeitslosen stellen demnach ein Druckmittel für die Kapitalisten dar, indem sie zur Konkurrenz für die arbeitende Bevölkerung werden. Sie bilden die "industrielle Reservearmee" (Karl Marx, MEW 23, 664) auf die die Klasse der Kapitalisten jederzeit zugreifen kann.

Die Konkurrenz der Kapitalisten untereinander zwingt den individuellen Arbeitgeber seine Produktivität zu steigern. Maschinen, technologischer Fortschritt und Rationalisierung im Arbeitssektor ermöglichen ihn das. Die Folge ist Erhöhung der Arbeitslosigkeit.

Im Kapitalismus ist auch eine "Arbeiter-Überbevölkerung" (K. Marx), eine Überschussbevölkerung (die Arbeitslosen), systeminnewohnend, denn der Widerspruch im Kapitalismus, dass der Kapitalist möglichst viel Arbeiter braucht um möglichst viel zu produzieren (also einen ständigen Zugriff auf Arbeitskräfte haben muss) und zugleich möglichst wenig Arbeiter einstellen muss, um möglichst billig zu produzieren, macht dies notwendig: "Es liegt in der Natur des Kapitals, einen Teil der Arbeiterbevölkerung zu überarbeiten und einen anderen zu verarmen." (K. Marx, Theorien über den Mehrwert, MEW 26.3, 300)

Statistische Erfassung der Arbeitslosigkeit

Da Arbeitslosigkeit sehr facettenreich ist, bereitet die statistische Erfassung relativ große Probleme, insbesondere sind Angaben aus verschiedenen Ländern nicht ohne weiteres vergleichbar. Beispielsweise ist strittig, ob Schüler, die nach Schulabschluss auf einen Ausbildungs- oder Studienplatz warten, als arbeitslos zählen oder nicht. In Deutschland werden sie, soweit sie sich nur arbeitslos melden, um den Eltern Kindergeldansprüche zu sichern, seit 2003 nicht mehr in der Arbeitslosenquote berücksichtigt. Um eine Standardisierung der Definitionen bemüht sich die Internationale Arbeitsorganisation. In Deutschland wird Arbeitslosigkeit im internationalen Vergleich recht weit abgegrenzt. Die nach deutscher Definition berechnete Arbeitslosenquote ist stets größer als die nach der internationalen Abgrenzung.

Diskrepanzen gibt es auch, was die Berechnung der Arbeitslosenquote angeht. In Deutschland ist eine Quote noch verbreitet, bei der die Zahl der Arbeitslosen zur Zahl der abhängigen zivilen Erwerbstätigen in Relation gesetzt wird, was eine unechte Quote darstellt. International gebräuchlich ist die Relation aus Arbeitslosen zu Erwerbstätige (=Arbeitnehmer + Selbständige). Letzteres stellt eine echte Quote dar und liefert stets etwas niedrigere Werte.

Was die Erfassungsmethode angeht, so gibt es grundsätzlich zwei Konzepte. Nach dem einen wird die Meldung bei der Arbeitsverwaltung zur Grundlage der Zählung gemacht. Dieses Verfahren ist in Deutschland gebräuchlich. Nach der zweiten wird die Zahl der Arbeitslosen in einer Umfrage erhoben, ein Verfahren, das z.B. die USA anwenden.

Auf einer Umfrage basieren in Deutschland die Erwerbslosenzahlen des Statistischen Bundesamtes. Dieses ermittelt einmal im Jahr die Zahl der Erwerbslosen im Rahmen des Mikrozensus. Diese Zahl, meist der Wert für April oder Mai, wird dann monatlich aufgrund der Daten der Bundesagentur für Arbeit neu geschätzt und so fortgeschrieben. Im Gegensatz zu den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit sind hier auch nicht gemeldete Arbeitssuchende erfasst. Deshalb liegt die Erwerbslosenzahl für Jüngere, die oft keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben, meist höher als die entsprechende Arbeitslosenzahl. Andererseits gilt nicht als erwerbslos, wer mehr als eine Stunde in der Woche arbeitet (Arbeitslose: über 15 Stunden). Zudem fallen hier die Erwerbslosen heraus, die Leistungen beziehen, aber kein Interesse an einer Arbeitsaufnahme haben. Vor allem aufgrund der restriktiven Definition (weniger als eine Stunde Arbeit pro Woche) liegt die Erwerbslosenzahl insgesamt meist niedriger als die Arbeitslosenzahl. Für die Erwerbslosenquote wird ebenfalls die Zahl der zivilen Erwerbstätigen als Basis verwendet. Diese wird monatlich aktualisiert.

Beide Zahlen unterscheiden zwischen der saisonbereinigten und der nicht saisonbereinigten Arbeitslosenzahl. Bei der saisonbereinigten Zahl wird versucht, jahreszeitliche Einflüsse wie die Winterarbeitslosigkeit herauszurechnen. Daher liegt die saisonbereinigte Arbeitslosenzahl im Winter niedriger, im Sommer höher als die aktuelle Zahl. Die Berichterstattung in den Medien konzentriert sich vor allem auf die saisonbereinigte Arbeitslosenzahl beziehungsweise -quote.

Aktuelle Zahlen zur Arbeitslosigkeit

Arbeitslosenquote in Deutschland im Mai 2004

Bundesland Arbeitslose
Mai 2004
Arbeitslosenquote
Mai 2004
Sachsen-Anhalt 259.627 20,1 %
Mecklenburg-Vorpommern 177.765 19,9 %
Brandenburg 248.631 18,6 %
Sachsen 393.391 17,8 %
Berlin 299.727 17,7 %
Thüringen 204.351 16,6 %
Bremen 42.156 13,2 %
Nordrhein-Westfalen 892.020 10,2 %
Hamburg 83.970 9,7 %
Schleswig-Holstein 131.684 9,4 %
Niedersachsen 362.076 9,2 %
Saarland 44.992 9,0 %
Hessen 246.697 8,0 %
Rheinland-Pfalz 150.021 7,4 %
Bayern 423.665 6,5 %
Baden-Württemberg 332.373 6,1 %
Ostdeutschland 1.583.492 18,3 %
Westdeutschland 2.709.654 8,2 %
Deutschland 4.293.146 10,3 %

Quelle: Bundesagentur für Arbeit,Statistisches Bundesamt Deutschland

Die Einfärbung der Tabelle erfolgt in 4-Prozent-Schritten.

Arbeitslosenquote nach Kantonen der Schweiz, Jahresdurchschnitt

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003
Total 0,5 1,1 2,5 4,5 4,7 4,2 4,7 5,2 3,9 2,7 1,8 1,7 2,5 3,7
Zürich 0,3 0,7 2,1 4,1 4,5 4,0 4,3 5,2 4,2 2,9 1,8 1,7 3,0 4,5
Bern 0,3 0,6 2,0 3,9 4,1 3,5 3,9 4,4 2,9 1,9 1,3 1,2 1,8 2,8
Luzern 0,3 0,7 1,9 3,6 3,6 3,2 4,0 4,3 2,9 1,9 1,3 1,2 2,0 3,1
Uri 0,0 0,2 0,8 1,6 1,6 1,6 2,3 2,4 1,5 1,0 0,5 0,4 0,7 1,1
Schwyz 0,1 0,4 1,2 2,4 2,3 2,0 2,9 2,8 2,1 1,5 0,7 0,6 1,2 2,1
Obwalden 0,1 0,3 0,8 2,0 2,0 1,7 2,1 2,3 1,4 0,6 0,4 0,5 1,0 1,6
Nidwalden 0,2 0,4 1,8 3,1 2,7 2,1 2,5 2,6 1,5 0,6 0,4 0,6 1,1 1,9
Glarus 0,1 0,4 1,3 2,3 2,0 2,0 3,3 2,9 2,0 1,5 0,9 0,7 1,6 2,3
Zug 0,3 0,7 2,0 3,8 3,5 2,8 3,4 3,9 3,1 2,3 1,1 1,4 2,7 3,6
Freiburg 0,5 1,1 2,6 5,0 5,9 5,2 4,8 4,7 3,7 2,5 1,5 1,3 1,8 2,7
Solothurn 0,2 0,7 2,5 4,6 4,4 3,5 4,6 6,0 3,7 2,5 1,6 1,4 2,3 3,3
Basel-Stadt 1,2 1,9 3,6 5,5 5,7 4,9 4,7 4,9 3,7 2,5 2,1 2,2 3,0 4,3
Basel-Landschaft 0,7 1,0 2 3,4 3,6 3,0 3,4 3,7 2,6 1,8 1,4 1,4 1,9 2,9
Schaffhausen 0,6 1,3 2,5 4,3 4,2 3,8 4,5 5,3 4,1 2,8 1,7 1,6 2,3 3,1
Appenzell Ausserrhoden 0,2 0,5 1,5 2,8 2,6 1,9 2,3 2,5 1,4 0,9 0,8 0,9 1,6 2,1
Appenzell Innerrhoden 0,0 0,3 0,9 1,6 1,2 0,8 1,5 1,9 0,8 0,5 0,3 0,3 0,8 1,4
St. Gallen 0,3 0,8 2,0 3,4 3,3 2,8 3,5 4,0 2,8 2,2 1,4 1,3 2,1 3,0
Graubünden 0,3 0,4 0,9 1,8 1,9 2,0 2,6 3,2 2,5 1,6 1,0 1,0 1,4 2,0
Aargau 0,2 0,5 1,6 3,4 3,3 2,9 3,8 4,7 3,0 2,1 1,4 1,2 2,1 3,3
Thurgau 0,2 0,5 1,5 2,9 3,0 2,6 3,5 4,3 3,2 2,0 1,2 1,2 2,0 2,9
Tessin 1,5 2,4 4,4 6,3 6,5 6,7 7,6 7,8 6,3 4,4 3,1 2,6 3,5 4,2
Waadt 0,7 1,8 4,0 6,9 7,5 7,0 7,3 7,2 5,6 4,1 2,9 2,7 3,3 4,6
Wallis 0,9 1,7 3,6 6,5 7,4 7,0 6,7 6,9 4,7 3,5 2,2 2,1 2,6 3,4
Neuenburg 1,1 2,4 4,6 6,3 6,5 5,8 5,5 6,3 5,3 3,9 2,3 2,1 3,3 4,4
Genf 1,2 2,7 4,7 7,2 7,6 6,9 6,8 7,8 6,1 5,1 4,1 4,0 5,1 6,5
Jura 0,7 1,9 3,6 5,9 6,4 5,4 6,2 6,6 3,9 2,8 1,9 2,0 3,6 4,8

Quelle: Staatssekretariat für Wirtschaft (http://www.seco-admin.ch)

Bedeutung der Arbeitslosigkeit

Nicht nur der Einzelne ist zur Deckung seiner Lebensverhältnisse auf Arbeit angewiesen, auch die Gesellschaft, die duch die feingliedrige Arbeitsteilung ihren kulturellen Stand erhalten und verbessern kann, braucht den Beitrag der Arbeit aller seiner Glieder.

Die Organisation der Arbeit prägt die gesamten Lebensverhältnisse der Gesellschaft. Nur ein sehr geringer Teil der Bevölkerung verfügt über die ausreichenden Mittel, seinen eigenen Lebensunterhalt dauerhaft zu sichern. Aus diesem Grund ist für die meisten Menschen ein Leben ohne Arbeit nicht zu realisieren, denn die Sicherung der eigenen Existenz und ggf. auch die der unterhaltspflichtigen Angehörigen setzt Erwerbsarbeit voraus.

In der deutschen Philosophie (Hegel, Kant, Herder, Johann Gottlieb Fichte) wurde Arbeit zur Existenzbedingung und sittlichen Pflicht erklärt." Arbeite um zu leben" oder "Lebe um zu arbeiten" In neuerer Zeit dann oftmals auch mit etwas mehr Klassenbewusstsein.

Reicher Mann und armer Mann
standen da und sah’n sich an.
Und der Arme sagte bleich:
Wär’ ich nicht arm, wärst du nicht reich.
Bertolt Brecht

Verwandte Themen: Arbeitsmarkt, Sozialrecht, Hartz-Konzept, Agenda 2010, Armut, Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, New Work, Minijob; Midijob