„Warten auf Godot“ – Versionsunterschied

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Becketts Weltruhm beruht nicht zuletzt auf diesem Theaterstück, dessen Titel inzwischen international zur Redewendung geworden ist und mit dem, dem Stück nicht ganz folgend, ein Zwang zu langem und vergeblichem Warten gemeint ist.
Becketts Weltruhm beruht nicht zuletzt auf diesem Theaterstück, dessen Titel inzwischen international zur Redewendung geworden ist und mit dem, dem Stück nicht ganz folgend, ein Zwang zu langem und vergeblichem Warten gemeint ist.

Version vom 18. Januar 2021, 15:09 Uhr

Daten
Titel: Warten auf Godot
Originaltitel: En attendant Godot
Gattung: Meistens als Absurdes Theater eingeordnet
Originalsprache: Französisch
Autor: Samuel Beckett
Erscheinungsjahr: 1952
Uraufführung: 5. Januar 1953
Ort der Uraufführung: Théâtre de Babylone, Paris
Personen
  • Estragon
  • Wladimir
  • Lucky
  • Pozzo
  • Ein Junge

Warten auf Godot[1] (franz. Originaltitel: En attendant Godot) ist ein Theaterstück von Samuel Beckett, das im Herbst 1948 begonnen, Anfang 1949 fertiggestellt und 1952 publiziert wurde. Nachdem Beckett lange vergeblich nach einer Aufführungsmöglichkeit gesucht hatte, wurde es schließlich am 5. Januar 1953 vom Théâtre de Babylone in Paris uraufgeführt. Regisseur der Premiere war Roger Blin, der selbst als Pozzo mitspielte. Die Aufführung war überraschend erfolgreich und verhalf Beckett zu seinem Durchbruch als Autor. Die erste Inszenierung im deutschsprachigen Raum (Übersetzung von Elmar Tophoven) fand am 8. September 1953 im Schlosspark Theater in Berlin statt. 1955 kam die englischsprachige Fassung als Waiting for Godot in London auf die Bühne.[2]

Becketts Weltruhm beruht nicht zuletzt auf diesem Theaterstück, dessen Titel inzwischen international zur Redewendung geworden ist und mit dem, dem Stück nicht ganz folgend, ein Zwang zu langem und vergeblichem Warten gemeint ist.

Inhalt

Einer wenig wichtigen Anfrage wegen[3] warten die beiden seit Langem befreundeten Landstreicher Estragon und Wladimir[4] den zweiten und dritten Tag auf eine Antwort des ihnen nur vage bekannten Godot.[5] Vor allem Estragon, der diese Selbstverpflichtung[6] immer wieder vergisst und damit auf das Hauptthema der lückenhaften Erinnerung anspielt, beginnt an dem damit verbundenen ereignislosen Nichtstun so zu leiden, dass er mehr als zehnmal den Wunsch äußert, das Warten abzubrechen.[7] Aber diese sie in „Bittsteller“[8] verwandelnde Anfrage blockiert alle Versuche des Weggehens bzw. der Neuorientierung: „Nichts zu machen!“ An beiden Tagen erscheint ein Junge als Bote Godots, der ihnen jeweils mitteilt, Godot werde nicht heute, bestimmt aber morgen kommen. Ihr anstrengendes Warten wird durch den Auftritt eines Herrn Pozzo, und seines Dieners Lucky, unterbrochen, die zeitweilig für Abwechslung sorgen. Das Stück endet mit dem nicht endenden Warten.

Verantwortungsverweigerung

Vladimir und Estragon (The Doon School, Indien, 2010)

Neben den titelgebenden Verlust an Initiative, der nur die beiden betrifft, treten nun im ersten und vor allem zweiten Akt Themen von gesellschaftlicher Relevanz: die Gewalt auf der Straße,[9] die Ausbeutung anderer[10], der Tod von Millionen Menschen, deren Asche und Gebeine eine Reaktion von den Überlebenden fordern[11] – Estragon und Wladimir fühlen sich von ihnen stellvertretend für die ganze Menschheit angesprochen: „An dieser Stelle und in diesem Augenblick sind wir die Menschheit, ob es uns passt oder nicht.“[12] Es ist der im Hinblick auf Godot so vergessliche Estragon, der mehrfach die Hinweise auf eine globale christliche Verantwortung in die Gespräche einflechtet.[13]

Um der Reflexion über die Ursachen der Katastrophe, dem „Denken“ zu entgehen, erfinden Estragon und Wladimir nun eine Reihe von „Spielen“, die ihre Denk- und Empathieverweigerung entschuldigen, kaschieren und den Erinnerungsfokus der Gräuel zerstreuen sollen: das An- bzw. Ausziehen der Schuhe, das schnelle Tauschen ihrer Hüte, das Nachahmen von Pozzo und Lucky, die wechselseitige Beschimpfung – und dann wieder die Bekräftigung ihrer Freundschaft, Leibesübungen, die Suche nach Namen …[14] Dieses Ausweichen vor Verantwortung wird damit stellvertretend durch die beiden zum Spiegel eines gesellschaftlichen Lebenskonzepts, das an der Oberfläche ein aktives Warten aus tödlicher Langeweile, darunter aber eine planmäßige Verweigerung moralischer Konsequenzen ist.[15] Die beiden Landstreicher warten auf Godot, aber die von ihnen repräsentierte Menschheit auf die Einlösung ihrer zivilisatorischen Versprechen.

Wladimir kann daher irritiert fragen, ob die Zerstreuungsspiele „unseren Verstand vor dem Untergang“ bewahren oder ihn im Gegenteil in eine moralische „Nacht unergründlicher Tiefen“ führen.[16] Die Inkonsequenz auf der Bühne verdeutlichend lässt Beckett seine Figuren mehrfach als allegorische Strukturform eine Handlung ankündigen, die sie dann, performativ widersprüchlich, nicht ausführen: „Wir gehen? – Gehen wir! Sie gehen nicht von der Stelle.“[17]

Verwirrung der Intellektuellen

Warten auf Godot, Festival d’Avignon, 1978

Auch der sich später mit seinem Diener-Sklaven Lucky (!) vorübergehend zu ihnen gesellende Landbesitzer Pozzo unterstreicht die ethische Dimension der Handlung. Pozzo ist ein reicher Tyrann, der sich Lucky als Lastenträger und als Intellektuellen für „die allerletzten Wahrheiten“, als modernen „Hofnarren“ hält.[18] Er treibt seinen mehrfach als „Schwein“ angesprochenen[19] und mit Koffern schwer beladenen Diener im ersten Akt wie einen entkräfteten Packesel an einem Strick um den Hals vor sich her, lässt ihn auf Kommando apportieren und tanzen. Mit knallender Peitsche fordert er, gleichsam als Höhepunkt seiner Darbietungen, Lucky auf, „laut zu denken“. Was dabei herauskommt, ist die Parodie einer Theodizee, ein wirrer, hastig abgespulter Monolog, in dem Theologie, Kunst und Philosophie zu Kulturmüll zerfallen und das „Abmagern“, das „Kleiner-Werden“ und das „Unvollendete“ der Menschheit dennoch mehrmals herauszuhören ist.[20] Pozzo und Lucky, aufeinander angewiesen wie Herr und Knecht, demonstrieren in einem grotesken Spiel-im-Spiel, wie auch das systematische Denken intellektueller Hofnarren ad absurdum führen kann. Bei ihrem späteren Erscheinen im zweiten Akt, nach einem Zeitsprung, ist Pozzo inzwischen blind und Lucky stumm geworden – mit ihrer Hinfälligkeit personifizieren sie die Hinfälligkeit der gesellschaftlichen Moral.[21]

Deutung und Rezeption

Moralische Interpretation

Warten auf Godot, Festival d’Avignon, 1978

In Warten auf Godot gibt es eine Doppelstruktur der Selbstfesselung: Im Ausharren einer Nebensächlichkeit wegen geht es darum, sich die Zeit zu vertreiben; in der Auseinandersetzung mit den drängendsten Fragen der Nachkriegszeit geht es darum, damit gleichzeitig auch das Denken zu vertreiben und den Fragen nach der Ursache millionenfachen Sterbens durch immer neue Spiele auszuweichen. Was im ersten Fall noch als Clownerie oder „absurdes Theater“ zweier Landstreicher erscheint, wird im zweiten Fall zur Kritik an der moralischen Verweigerung einer Welt, sich rückblickend mit ihren Traumata zu beschäftigen und an der Verhinderung der nächsten zu arbeiten. Die das Stück eröffnende und mehrfach wiederholte Formel „Nichts zu machen“[22] ist daher semantisch einerseits deskriptiv gemeint in Bezug auf die Beschleunigung von Godots Antwort, andererseits präskriptiv als Ablehnung aller Ursachenfragen und Verantwortung. Ohne Unterscheidung dieser beiden Handlungskonzepte wird die moralische Kritik Becketts unsichtbar im rein Absurden.

Die Entstehung des französischen Originals und der Originaltext stützen eine moralische Interpretation. In einer frühen Manuskriptfassung trug die Figur des Estragon den Namen „Levy“ und im französischen Original gibt es weiterhin mehrere Ortsbezeichnungen, die sich auf jüdische Einrichtungen in Paris beziehen.[23] Diese sind in der mit Beckett abgestimmten deutschen Übertragung nicht mehr zu erkennen. Dennoch nähert sich der in Warten auf Godot dramatisch gestaltete moralische Vorwurf auch in der deutschen Fassung der später so genannten „zweiten Schuld“, die Ralph Giordano im Verdrängen und Leugnen der „ersten Schuld“ sah, der im Kontext des Nationalsozialismus begangenen Verbrechen.

Historische Interpretation

2008 wurde in Deutschland die bereits 2004 in Frankreich veröffentlichte These von Pierre Temkine[24] bekannt, wonach auch eine historische Lesart des Zweiakters möglich sei. Aufgrund zahlreicher Hinweise im französischen Original kommt Temkine zu dem Schluss, dass Warten auf Godot auch auf die Situation der Ausländer und französischen Juden anspielt, die um 1942/1943 ins nichtbesetzte Restfrankreich geflohen waren, dann aber wegen der deutschen Besetzung mit Hilfe von Schleusern nach Savoyen flüchten mussten. Wladimir und Estragon könnten flüchtige Juden aus Paris sein, Godot ein Schleuser der Résistance, der aber nicht wie verabredet erscheint.[25] Die mit Beckett abgestimmte, um die historischen Bezüge bereinigte deutsche Version und Grundlage einer moralischen Interpretation, ist damit kein Gegenkonzept, sondern die Erweiterung in eine "universelle Dimension" des moralischen Versagens.[26]

Absurdes Theater

Dagegen sieht die traditionelle Deutung der Literaturwissenschaft Warten auf Godot als Paradebeispiel des absurden Theaters.[27] In seiner Monografie meint z. B. Esslin (siehe Literatur), die „metaphysische Angst“ sei das Thema aller Stücke Becketts und das „Warten als wesenhaftes Merkmal menschlichen Seins“ von Warten auf Godot im Besonderen. Die quälenden Stimmen der Millionen Toten fragen für Esslin „nach den Geheimnissen des Seins und des Ich“ und die Kritiker befänden sich in einem „Trugschluss“, wenn sie nach einem anderen „verborgenen Sinn“, einem „versteckten Schlüssel“ suchten – Estragon und Wladimir seien „Partner in einem Komiker-Duett“.[28] Die beiden Figuren seien nur „metaphysische Clowns“, assistiert Kindlers Neues Literatur Lexikon, die „die existenzielle Unbehaustheit des Menschen verkörpern. (…) Im Zyklus solcher apokalyptischen Szenarien zeigt Warten auf Godot das menschliche Ableben auf der vergeblichen Suche nach Formen des Überlebens, nach Variationen des Endzeitvertreibs.“[29] „Die menschliche Existenz als Grenzsituation zwischen Leben und Tod, Gestalten, die auf der ewig enttäuschten Illusion des Wartens beharren oder in tragikomischer Hilflosigkeit die Gewissheit ihres Verfalls überspielen – darum geht es in allen Stücken Becketts.“[30] Sie würden die Weltanschauung des Existenzialismus spiegeln, dass es keinen eigentlichen „Sinn des Lebens“ und demzufolge auch keine grundlegenden ethischen Normen für den Menschen gebe.[31] Damit ignoriert diese verbreitete Interpretation zentrale Elemente des Textes.[32]

In dieser Sichtweise wird die für Beckett in Warten auf Godot gegenüber seinem späteren Endspiel noch relativ deutliche Kritik am moralischen Versagen der Nachkriegsgesellschaft unsichtbar und sein Ansatz auf ein triviales L’art pour l’art reduziert.[33] Aber schon Wolfgang Hildesheimer mahnte, man dürfe die Darstellung von Absurdem nicht mit einer absurden Darstellung verwechseln.[34] Zum Etikett „Absurdes Theater“ stellen Aleksandra Kwasnik und Florian Dreyßig fest: „Absurd, das lohnt die Richtigstellung, war nie sein Theater. […] Absurdität, das war Becketts Thema, der Mensch als Witz im Kosmos, das er mit den Mitteln des Theaters konventionell spielen ließ.“[35] Daher muss bei Beckett unterschieden werden zwischen einem absurden Theater als Begriff einer Kritik der Darstellung und einem Theater des Absurden als Begriff einer Darstellung von Kritik, das ein als absurd/abwegig/töricht angesehenes Verhalten dramatisch gestaltet.

Weitere Impulse

Eine indirekte moralphilosophische Interpretation liefert die pessimistische Politsatire, die der serbische Schriftsteller Miodrag Bulatović aus Warten auf Godot geformt hat. In seiner Parodie Godot ist gekommen (1966), die gleichsam als Akt 3 und 4 des Beckettschen Originals fungieren sollen, zeigt er, was geschehen würde, wenn tatsächlich ein Erlöser erschiene. Schonungslos attackiert er Egoismus und Machtstreben als typisch menschlich. Bei ihm ist Godot ein Mann aus dem Volke, ein gutmütiger Bäcker, der den Menschen „ihr täglich Brot gibt“, trotzdem aber zum Tode verurteilt wird.[36]

Der norwegische Schriftsteller Johan Harstad greift in seinem 2019 auf Deutsch erschienenen Roman Max, Mischa und die Tet-Offensive Becketts Warten auf Godot als Leitmotiv wieder auf und lässt den Roman, wie auch Beckett sein Theaterstück, mit der Formel „Nichts zu machen“ beginnen. Schon im Romantitel klingt der Vietnamkrieg an, es geht wieder um den millionenfachen Tod von Menschen und die Kraft, sich dieser historischen Verantwortung zu stellen.

Beckett über Warten auf Godot

Die Idealbesetzung von Estragon und Wladimir sah Samuel Beckett im Dick-und-Doof-Duo Stan Laurel und Oliver Hardy.[37] Estragons und Wladimirs Äußeres, schwarzer Anzug und Melone, ist der Erscheinung von Charlie Chaplin nachgebildet, sie wirken „wie ein auf den Hund gekommenes Komikerpaar“ (Gina Thomas, FAZ). In einer Inszenierung von Luc Bondy (1999) erinnerte das Paar an den berühmten Film „The Odd Couple“ mit Jack Lemmon und Walter Matthau (Richard Reich, BZ). Jean Anouilh nannte Warten auf GodotPascals ‚Gedanken‘ bei den Fratellini“, bei den Weißclowns.[38]

Der Titel Warten auf Godot soll, so eine Anekdote, auf eine Tour-de-France-Etappe zurückgehen, die sich Beckett irgendwo in Frankreich angesehen habe. Als alle Rennfahrer vorbei waren, habe er gehen wollen, aber gesehen, dass einige Zuschauer noch blieben. Auf seine Frage, worauf sie warteten, hätten sie geantwortet: „Auf Godeau!“ Dieser war angeblich der langsamste Fahrer des Rennens. Die Geschichte ist vermutlich nur Legende, da es nie einen Fahrer dieses Namens bei der Tour de France gab (siehe aber Roger Godeau).

Beckett weigerte sich stets, Interpretationen zu seinen Stücken abzugeben. So hat er es auch abgelehnt, die Spekulationen darüber, wer Godot sei oder wofür er stehe, zu beantworten: „Hätte ich gewusst, [wer Godot ist,] hätte ich das Stück nicht geschrieben.“[39]Godot wird dabei mit Verweis auf das englische Wort God und die französische Diminutiv-Endung -ot als kleiner Gott gedeutet, auf dessen Ankunft der Mensch vergeblich hofft.[40]

Beckett selbst soll gesagt haben, der Name Godot gehe auf godillot zurück, ein umgangssprachliches französisches Wort für „Schuh“. Dies könne man, so ein Deutungsvorschlag, darauf beziehen, dass Estragon Probleme mit den Füßen hat, ständig an seinen Schuhen herumwerkelt und im Verlauf des zweiten Akts seine Fähigkeit zu gehen ganz verliert.

Eine weitere – angeblich auf Beckett zurückgehende – Deutung findet sich im Buch „An den Ufern der Seine“ von Agnès Poirier. Danach hat Beckett seinem Freund Con Leventhal im Vertrauen mitgeteilt, der Name Godot gehe auf einen Besuch in der Rue Godot de Mauroy im 9. Arrondissement zurück. Als er dort das Angebot einer Prostituierten abgelehnt habe, hätte das Mädchen gefragt: „Ach ja? Und auf wen warten Sie? Auf Godot?“. Poirier gibt als ihre Quelle an: Anthony Cronin, „Samuel Beckett, The last Mordernist“, S. 386–394.[41]

Berühmte Inszenierungen

Siehe auch

Literatur

Anmerkungen

  1. Samuel Beckett: Theaterstücke. Übertragen von Elmar Tophoven, Erika Tophoven und Erich Franzen. In: Elmar Tophoven und Klaus Birkenhauer (Hrsg.): Dramatische Werke 1. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1995, S. 9–99.
  2. Vgl. Hans Ulrich Seeber, {{Hubert Zapf]] und Annegret Maack: Samuel Beckett und das absurde Theater.. In: Hans Ulrich Seeber (Hrsg.): Englische Literaturgeschichte. 4. erw. Aufl. J. B. Metzler, Stuttgart 2004, ISBN 3-476-02035-5, S. 383–385, hier S. 383 f.
  3. Samuel Beckett: Warten auf Godot. S. 19 f.
  4. Beckett: Warten auf Godot. S. 58, 69.
  5. Beckett: Warten auf Godot. S. 19, 25.
  6. Samuel Beckett: Warten auf Godot. S. 22.
  7. Beckett: Warten auf Godot. S. 14, 19, 21 f., 53, 63, 66, 71, 74, 88, 95, 98.
  8. Beckett: Warten auf Godot. S. 20.
  9. Beckett: Warten auf Godot. S. 9, 77.
  10. Beckett: Warten auf Godot. S. 30.
  11. Diese Schlüsselstelle des Stücks wird von Esslin (siehe Literatur, S. 45) so interpretiert, dass hier die Stimmen „nach den Geheimnissen des Seins und des Ich fragen“ und die beiden Landstreicher vor dem Leiden und der Angst fliehen, „die aus der Konfrontation mit der Wirklichkeit menschlicher Existenz entspringen“ – ein Zusammenhang mit dem Holocaust und den Opfern des Zweiten Weltkriegs (die Millionen Tote, das Rauschen ihrer Asche…) wird nicht hergestellt.
  12. Beckett: Warten auf Godot. S. 83 f.
  13. Beckett: Warten auf Godot. S. 13 f., 57, 65, 88.
  14. Beckett, Warten auf Godot, S. 67 ff.; vorher schon Wladimir allein S. 59 f. Esslin (siehe Literatur, S. 33) subsumiert diese Denk-Verhinderungs-Spiele als „Ulk“, Wladimir und Estragon sind „Partner in einem Komiker-Duett.“
  15. Beckett: Warten auf Godot. S. 84 ff.
  16. Beckett, Warten auf Godot, S. 84. Esslin, siehe Literatur, S. 33, zitiert eine Dissertation über Beckett, in der „nicht weniger als fünfundvierzig Szenenanweisungen“ im Stück aufgezählt werden, in denen „eine Figur die aufrechte Haltung, das Symbol der menschlichen Würde, verliert“, durch die Wiederholungen eine Hervorhebung des moralischen Versagens.
  17. Beckett: Warten auf Godot, S. 99; ebenfalls 13, 46, 51, 59, 71. Eine plausible Interpretation muss diese Textur der Wiederholungen – vor allem das Warten auf die Erfüllung eines Versprechens, Estragons Vergesslichkeit, die Spiele-Sequenz und die folgenlose Bewegungsankündigung – kohärent verbinden können, sonst wäre sie gescheitert.
  18. Beckett,: Warten auf Godot, S. 37: „Früher hatte man Hofnarren. Heutzutage hat man Knucks. Wenn man es sich leisten kann.“
  19. Beckett: Warten auf Godot. S. 30, 33, 41, 44, 46, 49.
  20. Beckett: Warten auf Godot. S. 46 ff.
  21. Beckett: Warten auf Godot. S. 80, 94.
  22. Beckett: Warten auf Godot. S. 9, 23, 28 f., 71, 74, 78.
  23. Vergleiche Temkine (siehe Literatur).
  24. Pierre Temkine (Hg.): Warten auf Godot. Das Absurde und die Geschichte. Berlin 2008.
  25. Jörg Drews: Das Ach so!-Erlebnis. Worum es in Becketts „Warten auf Godot“ wirklich geht. In: Süddeutsche Zeitung vom 17. November 2008, S. 14.
  26. Matthias Heine, siehe Weblinks.
  27. Ein epigrammatisches Beispiel der Rezeption als „Absurdes Theater“ vgl. „Warten in Absurdistan“, in: Wissenswerkstatt (siehe Weblinks).
  28. Esslin, siehe Literatur, S. 14, 31, 33, 45.
  29. Kindlers Neues Literatur Lexikon, Ba-Boc, Seite 380. Beispielhaft für die Flucht der Kritiker in die ahistorische Abstraktion auch Esslin (siehe Literatur, S. 35): „Thema des Stückes ist nicht Godot, sondern das Warten, das Warten als ein wesenhaftes Merkmal menschlichen Seins.“
  30. Kindlers Neues Literatur Lexikon, Ba-Boc, Seite 380.
  31. Walther (siehe Weblinks) widerspricht: „In der Tat porträtiert Beckett sie nicht als Nihilisten, sondern wollte den Selbstwiderspruch und die Sackgasse des radikalen Nihilismus philosophisch demonstrieren: Zumindest der Nihilismus gilt diesem selbst nicht als nichts. Für diese Lesart spricht, dass Luckys letztes Wort in seinem „heulend“ vorgetragenen Monolog „Unvollendete!“ lautet.“ Denn „unvollendet“ ist der zivilisatorische Anspruch einer Moral des Erinnerns.
  32. Walther (siehe Weblinks) resümiert: „Literaturgeschichtlich wird Becketts Werk unter dem Begriff absurdes Theater eingeordnet, aber diese Kategorie umfasst so viel Gegensätzliches und so unterschiedliche Autoren wie Alfred Jarry (1873–1907) und Václav Havel (1936–2011), dass man davon abgekommen ist.“
  33. Vergleiche etwa die Monografie von Esslin (siehe Literatur).
  34. Wolfgang Hildesheimer: Über das absurde Theater. Eine Rede. In: ders.: Theaterstücke. Über das absurde Theater. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1976, S. 169–183. Die Rede wurde im August 1960 in Erlangen gehalten.
  35. Aleksandra Kwasnik, Florian Dreyßig: Das Warten geht weiter. Immer nur weiter. In: Süddeutsche Zeitung, 11. Mai 2010.
  36. Miodrag Bulatovic, Godot ist gekommen, München: Hanser (1966).
  37. Manuela Reichart: Späte Ehrenrettung eines Komikerduos. Über Sven Hanuscheck: Laurel und Hardy. Eine Revision. Zsolnay Verlag, Wien 2010, ISBN 978-3-552-05506-3.
  38. „Le sketch des Pensées de Pascal par les Fratellini“, Arts, 27. Januar 1953; zit. nach Deirdre Bair, Samuel Beckett. Traduit de l‘anglais par Léo Dilé, Paris 1978.
  39. Ackerley, C. J. and Gontarski, S.E.: The Faber Companion to Samuel Beckett. New York: Grove Press, New York 2004, S. 232. (Im Original: „SB’s standard answer to the question ‚Who is Godot?‘ was, ‚If I knew I wouldn’t have written the play.‘“)
  40. Matthias Heine: Die Nazis und die Wahrheit über Becketts Godot. In: Die Welt vom 20. Juni 2008, S. 21.
  41. Agnès Poirier, An den Ufern der Seine, Klett-Cotta, Stuttgart 2019, ISBN 978-3-608-96401-1.
  42. Heine, Rakow (siehe Weblinks).
  43. Nur noch als PDF-Datei vertrieben.
  44. Inhaltlich hochwertig, in vielen Bibliotheken noch vorhanden.