Hannes Hametner

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Hannes Hametner (* 1971 in Leipzig) ist ein deutscher Theaterregisseur, Dramaturg und Oberspielleiter.[1]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hannes Hametner ist der zweite von drei Söhnen von Petra und Michael Hametner und wuchs in Leipzig auf. 1990 zog er nach Berlin-Prenzlauer Berg. Von 1991 bis 1992 studierte er kurzzeitig Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen, kehrte wieder nach Berlin zurück und arbeitete in der freien Theaterszene Berlins im Kunsthaus Tacheles, bevor er von 1994 bis 1999 am Regieinstitut der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" Berlin Schauspielregie studierte. Im Rahmen seines Studiums assistierte er Manfred Karge (Kurt-Weill-Fest und Kunstfest Weimar) und Lore Stefanek am Maxim-Gorki-Theater Berlin und erarbeitete erste Inszenierungen gemeinsam mit Marc Pommerening am Berliner Ensemble und mit den Berliner Festwochen.

Hametner beendete sein Studium mit der Diplominszenierung von Heiner Müllers Anatomie Titus Fall of Rome – Ein Shakespearekommentar in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. 2000 gab er seinen Einstand als freier Regisseur am Schauspiel Leipzig mit der Inszenierung des Gedichtbandes Den Teuren Toten von Durs Grünbein. Weitere Inszenierungen führten ihn an das Theaterhaus Jena, Theater Magdeburg, Theater Erlangen, Theater der Altmark Stendal, Theater Quedlinburg, Theater Bautzen, Tribüne Berlin, Theater Koblenz, Theater Münster, Theater Konstanz, Theater Heidelberg, Theater Vorpommern und weiteren. Vielfach inszenierte Hametner Uraufführungen (wie von Mark Amerika, Christoph Klimke, Thilo Reffert, Daniela Dröscher, Dietrich Wagner), eigene Bearbeitungen, zeitgenössische Dramatik (Fritz Kater, John von Düffel, Marius von Mayenburg, Jewgeni Grischkowez, Mark Ravenhill, Noah Haidle) sowie Klassiker von Shakespeare bis Bertolt Brecht.

2001 inszenierte er auf Einladung der Académie Expérimentale des Théâtres Paris die russische Erstaufführung von Heiner Müllers Die Hamletmaschine anlässlich der 2. Internationalen Theaterolympiade in Moskau. Die Uraufführung von Christoph Klimkes Stück über das Euthanasie-Programm Aktion T4 der Nazis Tiergartenstrasse 4 an dem traditionsreichen Berliner Theater Tribüne war die letzte Premiere vor dessen Schließung. Seiner Inszenierung von Warten auf Godot von Samuel Beckett 2009 in Stendal legte er erstmals den von Pierre Temkine entworfenen Gedanken, dass Wladimir und Estragon zwei französische Juden auf der Flucht sind[2], zu Grunde, was überregional beachtet wurde.[3] In der Berliner Clubszene entwickelte er mit Jürgen Grözinger den Abend „Alchemistic Cabaret“ im Club Le Chalet und anlässlich der Filmpremiere von Sobo Swobodniks Film Der Papst ist kein Jeansboy[4] eine Performance mit und für Hermes Phettberg im Berghain.[5] Hametners Inszenierung des Hölderlin-Monologes Zur Blindheit überredete Augen mit Andreas Seifert, eine freie Produktion aus dem Jahr 2004, gastierte seit 20 Jahren viele Male, zuletzt am Theater Heidelberg.

Neben seiner Inszenierungstätigkeit war Hametner von 2009 bis 2015 Dozent für Schauspiel am Fachbereich Theaterpädagogik der Universität der Künste Berlin, unterrichtete Dramaturgie an der Hochschule für Bildende Künste Dresden in der Fachklasse Neue Medien (2007–2015) und führte Regie bei zahlreichen Hörbüchern für Der Audio Verlag und Der Hörverlag.

Von 2015 bis 2017 war er Dramaturg und fester Regisseur am Theater Vorpommern, wo er mit Inszenierungen von Lutz Seiler (Kruso), Judith Schalansky (Hals der Giraffe) und Jörn Klare (Melken) regionale Themen aufgriff. Dort inszenierte er auch den eigenen Monolog Der Biedermann, der sich, angeregt durch Götz Aly, der Biografie des Greifswalder Anatomen Hermann Voss und seiner aktiven Nazivergangenheit an der Reichsuniversität Posen widmete.

Von 2017 bis 2020 war Hametner Oberspielleiter am Theater Pforzheim, wo er neben eigener Regietätigkeit für das künstlerische Profil des Schauspiels verantwortlich war. Neben der Inszenierung klassischer Stoffe und der Öffnung des Theaters in die Stadt, widmete er sich den Texten von Gegenwartsautoren und setzte dort sein Interesse an Uraufführungen fort.

Seit 2021 arbeitet Hametner wieder freiberuflich als Regisseur. Mit der Uraufführung Jemand – eine Hommage an Johann Kresnik von Christoph Klimke, gemeinsam mit Gottfried Helnwein als Ausstatter und Chris Comtesse als Choreografin, betrat er erneut neue Wege. Ebenso mit der Inszenierung Die Lampedusa Trilogie von Dietrich Wagner, die er mit dem dafür gegründeten Kollektiv brot & rosen und in Zusammenarbeit mit dem Lore-Perls-Haus Pforzheim, sowie der Unterstützung vieler politischer und sozialer Gruppierungen produzierte und realisierte. Die Reihe der Uraufführungen setzt er mit dem Stück Zinnwald von Christian Martin zur Erkundung der Gefühlslagen im Ostdeutschland der Nachwendezeit mit einer Premiere im April 2023 am Vogtlandtheater fort.

Wirkung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hametners Regiestil beschrieb Hans-Dieter Schütt anlässlich der Inszenierung von Shakespeares Der Sturm mit folgenden Worten: „Die Inszenierung schaut auf nichts herab. Auf keine Figur herab, auf keinen Text herab. Nie aufs Drama herab. Sie schaut zu etwas auf, von dem sie sich – auch schauspielerisch – geradlinig prüfen lässt. Erhobenen Hauptes, bangen Herzens. Nicht mit schwerer, knetender Hand.“[6] Reinhard Wengierek schrieb in Die Welt über den „intelligenten Diskurs“ in der Inszenierung des RAF-Stückes Claus Peymann kauft Gudrun Ensslin neue Zähne von Christoph Klimke. Matthias Heine beschreibt Hametners Arbeit in Die Welt anlässlich von Warten auf Godot: „Die Aufführung überrascht, wie so oft in den unterschätzten Theatern der deutschen Provinz, durch schauspielerischer Qualität und durch die leise Intelligenz, mit denen sie den Hinweisen Temkines mehr nachspürt als aufdringlich mit den neuen Erkenntnissen zu trumpfen.“[7] Für den russischen Übersetzer und Kritiker Wladimir Koljasin war die Inszenierung der Hamletmaschine in Moskau „eine Parodie auf das Agitproptheater und zugleich zarte poetische Suite“ und für Thomas Irmer zeigte sich in der Inszenierung von Der Held der westlichen Welt von Synge, „eine Theatermetapher für die Leere in der zuschauenden Gesellschaft, vor allem aber eine große Geste, dass sich dieses Stück in die Gegenwart öffnen kann“.[8] während für Gunnar Decker in Theater der Zeit „eine hinreißend bizarre Talkshowcrew auf der Suche nach eine Kamera“[9] vorfand. Und für Juliane Voigt war die Inszenierung Der gute Tod in Stralsund „Droge und reines Glück“.[10]

Hametners Inszenierungen wurden zum Sächsischen Theatertreffen, dem Theatertreffen Baden-Württemberg, dem internationalen Festival der Schauspielschulen in Lodz, den Landestheatertagen eingeladen und wurden zweimal für die beste Regie in der Kritikerumfrage in Theater Heute nominiert.

Inszenierungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Inszenierungen Musiktheater[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Texte für das Theater[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 2019 „Wiener Blut“ – Libretto, mit Thorsten Klein, für Theater Pforzheim
  • 2019 „Fahrenheit 451“ nach Ray Bradbury für Theater Pforzheim
  • 2016 „Der Biedermann“ – der Anatom Prof. Hermann Voss für UA Theater Vorpommern
  • 2016 „Kruso“ nach dem Roman von Lutz Seiler, mit Sascha Löschner, für das Theater Vorpommern
  • 2012 „WERT“ – eine performance, Choreografie Morgan Nardi, Alarmtheater Bielefeld
  • 2010 „Die Vermessung der Leere“ Textcollage nach Yves Klein, Halberstadt
  • 2005 „Hölderlin – zur Blindheit überredete Augen“ – Textcollage aus Empedokles und Texten Friedrich Hölderlins
  • 2004 „Bal macabre“ mit Texten von Gustav Meyrink, Oskar Panizza, Franz Kafka für das Theater im Palais Berlin
  • 2002 „Amerika im Krieg: Eine Serie“ Spielfassung nach dem Hypertext von Mark Amerika für die UA in Magdeburg
  • 2001 „sex sells“ – Die Gespräche der Surrealisten über Sexualität[20] für UA Schauspiel Leipzig

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Hannes Hametner: offizielle Website. In: homepage. Hannes Hametner, 12. Januar 2021, abgerufen am 12. Januar 2021.
  2. Friedhelm Rathjen: Warten auf den Schleuser. In: literaturkritik.de. literaturkritik.de, 23. April 2008, abgerufen am 12. Januar 2021.
  3. Christian Rakow: Schleuser Godot. In: www.hanneshametner.de. Theater heute, 1. Februar 2010, abgerufen am 12. Januar 2021.
  4. Der Papst ist kein Jeansboy, auf filmstarts.de
  5. Jens Balzer: Hermes Phettberg in Berlin: Berghain feiert Talkmaster und Masochist. In: www.berliner-zeitung.de. Berliner Zeitung, 17. Juni 2015, abgerufen am 12. Januar 2021.
  6. Hans Dieter Schütt: Waterboarding. In: www.hanneshametner.de. 29. September 2015, abgerufen am 12. Januar 2021.
  7. Matthias Heine: Warten auf den Schleuser. In: Kritik. Die Welt, 5. Dezember 2009, abgerufen am 12. Januar 2021.
  8. Thomas Irmer: Der Held der Leere. In: Kritik. Neues Deutschland, 23. Februar 2011, abgerufen am 12. Januar 2021.
  9. Gunnar Decker: Unser täglich Sündenbock. In: www.hanneshametner.de. Theater der Zeit, April 2011, abgerufen am 12. Januar 2021.
  10. Juliane Voigt: Kein Stück für Feiglinge. In: Kritik. Ostseezeitung, 22. April 2013, abgerufen am 12. Januar 2021.
  11. Theater Pforzheim: Video. Youtube, 5. November 2019, abgerufen am 12. Januar 2021.
  12. Theater Pforzheim: Video. Youtube, 17. April 2019, abgerufen am 12. Januar 2021.
  13. Tragikomödie „Für immer schön“ von Noah Haidle feiert Premiere im Theater, auf pz-news.de, abgerufen am 15. Januar 2020
  14. Theater Pforzheim: Video. Youtube, 25. September 2018, abgerufen am 12. Januar 2021.
  15. Theater Pforzheim: Der zerbrochene Krug. Youtube, 9. April 2018, abgerufen am 12. Januar 2021.
  16. Theater Pforzheim: Die Frauen von Troja. Youtube, 20. September 2017, abgerufen am 12. Januar 2021.
  17. Eckehard Uhlig: Bilder des Leids. In: Die deutsche Bühne. Die deutsche Bühne, 27. September 2017, abgerufen am 12. Januar 2021.
  18. Hans Dieter Schütt: Weiß nicht. In: hanneshametner.de. Neues Deutschland, 18. April 2017, abgerufen am 12. Januar 2017.
  19. Theater Pforzheim: Wiener Blut. In: Youtube. Youtube, 23. Dezember 2019, abgerufen am 12. Januar 2021.
  20. Erkundungen unter der Gürtellinie