Benutzer:Roland Rattfink/Ernie Bailey

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Von Ernie Bailey entworfen und in seinem Karosseriebau­betrieb Buckland Body Works in rund 60 bis 70 Exemplaren gebaut: AC 2-Litre Buckland Sports-Tourer (1949–1953)

Ernest James[1] „Ernie“ Bailey war ein britischer Unternehmer des 20. Jahrhunderts. Überregionale Bekanntheit erlangte er in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, als der nahe Royston in Hertfordshire ansässige Großgrundbesitzer sich in der Automobilwirtschaft zu engagieren begann, namentlich dem Karosseriebau. Er gründete das Karosseriebauunternehmen Buckland Body Works; er stand in engem Kontakt zu dem traditionsreichen britischen Automobilhersteller AC Cars sowie den Mitgliedern der Inhaberfamilie Hurlock einerseits und dem später als Sportwagen-Konstrukteur bekannt gewordenen John Tojeiro andererseits. Indem er beide Seiten 1953 zusammenbrachte, legte er den Grundstein für die Entwicklung des erfolgreichen Sportwagens AC Ace, der 1962 von dem US-amerikanischen Rennfahrer und Unternehmer Carroll Shelby zur AC Cobra weiterentwickelt wurde.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die erhalten gebliebenen Markthallen des früheren Londoner Großmarkts Covent Garden, Haupt­absatz­markt für die land­wirtschaft­lichen Erzeugnisse der Familie Bailey
Das Royal College of Music im Londoner Stadtteil Kensington: Hier nahm Ernie Bailey Anfang der 1940er-Jahre Gesangs­unterricht und lernte seine spätere Ehefrau Joan kennen

Ernie Bailey wurde als Sohn von William Henry[1] „Bill“ Bailey (sen.) und dessen Ehefrau geboren; er hatte zumindest einen Bruder, William Henry Ernest[1] „Bill“ Bailey (jun.).[2] Einen Großteil seiner Jugend und auch seines späteren Lebens verbrachte Ernie Bailey auf dem großen elterlichen Gutshof Buckland House. Das landwirtschaftliche Anwesen gehört zum Dorf und dem Civil Parish (der Gemeinde) Buckland in Hertfordshire.[2] Das Gut liegt unmittelbar an der Fernverkehrsstraße A10; in südliche Richtung führt sie über Buntingford direkt nach London, in nördliche Richtung über Royston und Cambridge bis nach King’s Lynn. Das Anwesen stammt aus dem frühen 18. Jahrhundert; im Februar 1967 wurde es in die amtliche britische Denkmalliste Statutory List of Buildings of Special Architectural or Historic Interest mit der zweithöchsten Einstufung Grade II* als „besonders bedeutendes Bauwerk von allgemeinem Interesse“ aufgenommen.[3]

In den 1940er-Jahren, als sich sein Vater aus Altersgründen zunehmend aus dem Tagesgeschäft zurückzog, führte Ernie Bailey den Gutsbetrieb fort, auch während des Zweiten Weltkriegs; von einem Büro in London aus kümmerte sich sein Bruder Bill um den Vertrieb der erzeugten Güter auf dem Obst- und Gemüsemarkt Covent Garden. Als weiteres wirtschaftliches Standbein unterhielt Ernie Bailey von Mitte der 1940er- bis Mitte der 1950er-Jahre den Karosseriebaubetrieb Buckland Body Works Limited.[2]

Ernie Bailey wird als hart arbeitender und großzügiger „Entrepreneur“ beschrieben, ein innovativer Unternehmer mit Gründergeist und Weitsicht, bereit dazu, persönlich resultierende Risiken zu tragen; er war eine selbstbewusste Persönlichkeit, die stolz auf das von ihm Erreichte war.[2] Neben den landwirtschaftlichen Erzeugnissen und der Agrartechnik interessierten ihn der Karosseriebau, Design und der (seriennahe) Automobilsport.[2] Er hatte auch eine ausgezeichnete Singstimme; in den frühen 1940er-Jahren ließ er sich überzeugen, Gesangsunterricht am Royal College of Music zu nehmen, einer der renommiertesten britischen Musikhochschulen im Londoner Stadtteil Kensington. Dort lernte er Joan Lane kennen, die als junge Klavierlehrerin am College tätig war; beide heirateten 1943[2] und hatten gemeinsam vier Töchter[4]. Als nach dem Zweiten Weltkrieg die Fahrzeugfertigung bei Buckland anlief, posierte die attraktive Joan Bailey mehrfach für Verkaufsbroschüren und Pressefotos von Buckland und später auch AC Cars.[2]

In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg reisten Ernie Bailey und seine Ehefrau gerne per Automobil durch Kontinentaleuropa, häufig nach Südfrankreich, vereinzelt nach Italien, teils zusammen mit Ernies Vater, teils mit den eigenen Kindern. Diese Fahrten dienten mitunter als Test für Fahrzeuge aus eigener Fertigung, aber auch solchen von AC Cars. Außergewöhnlich war der Langstreckentest des neuen dreirädrigen AC Petite um 1953; obwohl der Kleinstwagen nur einen Einzylindermotor mit rund 350 Kubikzentimeter Hubraum und 8 PS (6 kW) Leistung hat, unternahm das Ehepaar eine erfolgreiche Nonstop-Fahrt vom nordfranzösischen Calais nach Cannes an der Côte d’Azur. Mehrfach nahm Ernie Bailey, teils zusammen mit seiner Ehefrau, mit eigenen Fahrzeugen am Concours d’Elegance von Brighton teil, ferner – abgestimmt mit der Familie Hurlock – auf dem Messestand von AC Cars bei der British International Motor Show im Earls Court Exhibition Centre in London. Dort lernte er beispielsweise den Schauspieler und Komiker Norman Wisdom kennen, woraus ein freundschaftlicher Kontakt entstand.[2][4] Seinen privaten AC 2-Litre Buckland Sports-Tourer verlieh Bailey vereinzelt auch an interessierte Rennfahrer, so zu einem Tourenwagen-Rennen auf dem Silverstone Circuit 1953.[5]

Unternehmerische Tätigkeit als Großgrundbesitzer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Henrietta Street nahe Covent Garden: Hier unterhielt die Familie Bailey ein Büro, um die Erzeugnisse der Farm auf dem Londoner Großmarkt zu vertreiben

Auf seiner großen Farm baute Bailey große Mengen unterschiedlichster Gemüsesorten an. Von ihm ist die wiederholte Aussage überliefert: „Ich beschäftige die Hälfte der Leute in Buckland – und ich ernähre die andere Hälfte.“ In der Region genoss er Ansehen, auch weil er in der von großer Armut geprägten Nachkriegszeit häufig wegschaute, wenn Ortsansässige versuchten, kleine Mengen Gemüse von seinen Feldern abzuernten, um ihre Familien zu ernähren.[2]

Der Hauptabsatzmarkt der Farm war der Londoner Großmarkt Covent Garden. Ernies Bruder Bill organisierte den Verkauf und die Verteilung von einem Büro aus, das sich in der Henrietta Street nahe des Marktes befand.[2]

Unternehmerische Tätigkeit im Karosseriebau und allgemein in der Fahrzeugkonstruktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Alvis TA14 mit Shooting-Brake-Aufbau im „Woodie“-Stil (Holz-Stahl-Gemischt­bauweise) wie er ähnlich ab 1945 bei Buckland Body Works entstand

→ Hauptartikel: Buckland Body Works

Direkt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs richtete Ernie Bailey den Karosseriebaubetrieb Buckland Body Works Limited ein; als organisatorisch eigenständige Einheit befand er sich unmittelbar auf dem Farmgelände in mehreren Hallen direkt hinter dem Hauptgebäude. Die ersten Jahre nach dem Krieg waren auch im Vereinigten Königreich wirtschaftlich schwierig und von staatlicher Zwangsbewirtschaftung der Rohstoffe sowie der Rationierung von Kraftstoffen geprägt. Mit der eigenen Fahrzeugfertigung beabsichtigte Bailey einerseits, die Mobilität für sich, seine Mitarbeiter und die auf der Farm erzeugten Güter zu verbessern; andererseits wollte er seinen langjährigen persönlichen Traum von einem offenen Personenwagen verwirklichen, der Sportlichkeit, elegantes Design und Familientauglichkeit miteinander verband. Dabei strebte Bailey nur einen eigenständigen Karosseriebau an, während er zunächst auf die Fahrgestelle und die Antriebstechnik anderer Automobilhersteller zurückgriff.[2] Bei Buckland Body Works entstanden insbesondere:

  • ab 1945 als Einzelstücke, teils für den Eigenbedarf, teils für Kunden, zumindest bis 1947 mehrere Kombi- und Kastenwagen-Aufbauten im „Woodie“-Stil; die Fahrgestelle stammten zunächst von einem Ford Ten aus der Vorkriegszeit und einem Standard Fourteen aus Armeebeständen, dann mehrfach von Alvis TA14;[2]
  • ab 1949 in Kleinserie der offene fünfsitzige Tourenwagen AC 2-Litre Buckland Sports in ungefähr 60[2] bis 70 Exemplaren bis etwa 1953;
  • möglicherweise ab 1953 als Einzelstücke Lieferwagen-Aufbauten auf Basis des AC Petite;[2]
  • 1954/55 in Kleinstserie eine Art geschlossene Autorikscha auf Basis des AC Petite in etwa zwanzig Exemplaren.[2]

Der offene Buckland Sports unterschied sich in nahezu allen Karosserieteilen von der werksseitigen Limousine AC 2-Litre Saloon, ferner hinsichtlich des Armaturenbretts, der Instrumentierung und den Sitzen; zudem war er mit geraden oder ausgeschnittenen Türoberkanten erhältlich.[2]

Einflussnahme auf die Entwicklung des AC Ace[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Cliff Davis in seinem von John Tojeiro entworfenen Tojeiro Bristol-Renn­sport­wagen von 1953, dem Ausgangspunkt für den AC Ace

In den frühen Nachkriegsjahren hatte Ernie Bailey enge, freundschaftliche Kontakte zur Familie Hurlock, den Inhabern des Unternehmens AC Cars Limited in Thames Ditton in Surrey südwestlich von London.[2] Sie ergaben sich 1946 zunächst aus einem Auftrag zur Lieferung zweier Kombis, den AC Cars von einem langjährigen Kunden aus Kriegszeiten erhalten hatte, dem Flugzeughersteller Fairey Aviation Company; AC und Buckland kooperierten bei der Herstellung der Aufbauten, wobei nach den positiven Erfahrungen wiederum auf Alvis TA14-Chassis zurückgegriffen wurde.[6] Die Beziehungen zwischen Bailey und den Hurlocks vertieften sich ab 1949 mit den regelmäßigen Lieferungen von unkarossierten AC 2-Litre-Chassis an Baileys Betrieb zum Aufbau der Buckland Sports-Tourer; damit nahm er rund fünf Prozent der damaligen AC-Produktion an Personenwagen ab und bereicherte deren Angebot, das fast ausschließlich aus geschlossenen Saloons bestand, um eine attraktive sportlichere, offene Version.[2]

Zu den Personen, die Ernie Bailey beschäftigte, gehörte auch John Tojeiro,[7] der die Buckland-Karosserien lackierte. Daneben baute Tojeiro in seiner eigenen kleinen Werkstatt in der Nähe von Baileys Farm selbst entworfene Rennsportwagen.[8] Besonders vielversprechend war ein Fahrzeug, das Tojeiro für den Rennfahrer Cliff Davis mit einem Sechszylinder-Reihenmotor von Bristol mit 2,0 Liter Hubraum gebaut hatte; markantes Kennzeichen war ein Leiterrahmen mit vorderer und hinterer Einzelradaufhängung und offener barchetta-artiger Zweisitzerkarosserie.[2]

Im Jahr 1953 stellte Ernie Bailey der Familie Hurlock den Konstrukteur Tojeiro und einen von ihm gebauten Rennsportwagen vor. AC Cars einigte sich mit Tojeiro auf eine Übernahme des Konzepts und entwickelte daraus den erfolgreichen Straßensportwagen AC Ace; mit ihm konnte die Marke AC in der Folge ihr Vorkriegsimage als Sportwagenhersteller zurückerlangen.[2][8]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Leo Archibald: AC Two-litre Saloons & Buckland Sports cars. Veloce Publishing, Poundbury, Dorchester, Dorset, Vereinigtes Königreich 2018, ISBN 978-1-787113-50-3 (E-Book-Version der gedruckten Hardcover-Ausgabe von 2002, ISBN 978-1-903706-24-6), insbesondere Kapitel 6: The Buckland (englisch).
  • Brian Laban: Shelby and AC Cobra. The Crowood Press, Ramsbury, Wiltshire, Vereinigtes Königreich 2015, ISBN 978-1-78500-004-1 (E-Book-Version der gedruckten Hardcover-Ausgabe von 2015, ISBN 978-1-78500-003-4), insbesondere Kapitel 2: A Sporting Heritage und Kapitel 3: The Ace (englisch).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c The London Gazette, H.M. Stationery Office, London 1951, Band 1, S. 1124 (englisch).
  2. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t Leo Archibald: AC Two-litre Saloons & Buckland Sports cars. Veloce Publishing, Poundbury, Dorchester, Dorset, Vereinigtes Königreich 2018, ISBN 978-1-787113-50-3 (E-Book-Version der gedruckten Hardcover-Ausgabe von 2002, ISBN 978-1-903706-24-6), Chapter 6: The Buckland (englisch).
  3. Beschreibung des Baudenkmals Buckland House in Buckland, Buntingford, Hertfordshire auf dem Webportal britishlistedbuildings.co.uk, abgerufen am 2. September 2020 (englisch).
  4. a b Persönliches Schreiben von Joan Bailey, Ehefrau von Ernie Bailey, vom Mai 2001, abgedruckt in: Leo Archibald: AC Two-litre Saloons & Buckland Sports cars. Veloce Publishing, Poundbury, Dorchester, Dorset, Vereinigtes Königreich 2018, ISBN 978-1-787113-50-3 (E-Book-Version der gedruckten Hardcover-Ausgabe von 2002, ISBN 978-1-903706-24-6), als Teil des Vorworts (Preface, Acknowledgements & about the author) (englisch).
  5. Leo Archibald: AC Two-litre Saloons & Buckland Sports cars. Veloce Publishing, Poundbury, Dorchester, Dorset, Vereinigtes Königreich 2018, ISBN 978-1-787113-50-3 (E-Book-Version der gedruckten Hardcover-Ausgabe von 2002, ISBN 978-1-903706-24-6), Chapter 8: Racing and rallying the Two-litre (englisch).
  6. Leo Archibald: AC Two-litre Saloons & Buckland Sports cars. Veloce Publishing, Poundbury, Dorchester, Dorset, Vereinigtes Königreich 2018, ISBN 978-1-787113-50-3 (E-Book-Version der gedruckten Hardcover-Ausgabe von 2002, ISBN 978-1-903706-24-6), Chapter 4: The early design, production and development of the Two-litre saloon (englisch).
  7. Leo Archibald: AC Two-litre Saloons & Buckland Sports cars. Veloce Publishing, Poundbury, Dorchester, Dorset, Vereinigtes Königreich 2018, ISBN 978-1-787113-50-3 (E-Book-Version der gedruckten Hardcover-Ausgabe von 2002, ISBN 978-1-903706-24-6), Vorwort (Preface, Acknowledgements & about the author) (englisch).
  8. a b Brian Laban: Shelby and AC Cobra. The Crowood Press, Ramsbury, Wiltshire, Vereinigtes Königreich 2015, ISBN 978-1-78500-004-1 (E-Book-Version der gedruckten Hardcover-Ausgabe von 2015, ISBN 978-1-78500-003-4), Kapitel 2: A Sporting Heritage (englisch).