Blindheit
Klassifikation nach ICD-10 | |
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H54 | Blindheit und Sehschwäche |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Unter Blindheit versteht man die ausgeprägteste Form einer Sehbehinderung mit gänzlich fehlendem oder nur äußerst gering vorhandenem visuellen Wahrnehmungsvermögen eines oder beider Augen. Sie kann angeboren oder erworben sein und ist in der Regel irreversibel. Wenn eine Blindheit beide Augen betrifft, ist sie eine schwere Behinderung, bei der nach deutscher Gesetzgebung grundsätzlich ein Anspruch auf Beihilfe in Form von Blindengeld besteht. Er wird im jeweiligen Landesblindengeldgesetz oder als Blindenhilfe im Sozialgesetzbuch (SGB XII § 72) geregelt[1].
Definitionen
Behinderungsgrad | Sehrest auf dem jeweils besseren Auge |
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blind | |
Visus bis höchstens 2% oder
Röhrengesichtsfeld bis höchstens 5° | |
hochgradig sehbehindert | Visus zwischen 2-5% |
sehbehindert | Visus zwischen 5-30% |
In Deutschland gilt nach den gesetzlichen Bestimmungen und Versorgungsrichtlinien eine Person als blind, wenn ihre Sehschärfe auf dem besseren Auge auch mit optimaler Brillen- oder Kontaktlinsenkorrektur höchstens 0,02 beträgt (Sehrest von 2 % oder weniger), oder wenn andere dauerhafte Störungen des Sehvermögens vorliegen, die dieser Beeinträchtigung gleichzusetzen sind. Nach Aussage der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) gilt dies beispielsweise für die konzentrische Einschränkung der äußeren Gesichtsfeldgrenzen auf höchstens 5 Grad (Röhrengesichtsfeld)[2]. Nicht zur Blindheit in diesem Sinne gehören die Farbenblindheit (Achromatopsie) und die Nachtblindheit (Hemeralopie).
Eine Reduktion der Sehschärfe auf weniger als 0,3 auf dem besseren Auge (Sehrest von 30 % oder weniger) wird als Sehbehinderung bezeichnet. Als hochgradig sehbehindert gilt, wer auf dem besser sehenden Auge mit optimaler Korrektur lediglich eine Sehschärfe von nicht mehr als 0,05 besitzt (Sehrest von 5 % oder weniger).
Die Definition von Blindheit oder Sehbehinderung erfolgt im juristischen Sinne immer unter Bezugnahme auf die betroffene "Person" und nicht auf das Auge als "Organ". Sehbehinderungen, hochgradige Sehbehinderungen und Blindheit können demgegenüber mit den jeweils genannten Grenzwerten auch einseitig - bei normalem visuellem Leistungsvermögen des gesunden Auges - auftreten. Dies führt zwar unter medizinischen Gesichtspunkten zu einer monokularen Sehbehinderung oder Blindheit, die betreffende Person gilt im juristischen Sinne jedoch nicht als blind oder sehbehindert, sodass hier in der Annahme eines ausreichenden Orientierungsvermögens trotz praktischer Einäugigkeit auch kein Anspruch auf Versorgungsleistungen besteht.
Amaurose
Gegenüber dem Begriff "Blindheit" bezeichnet der medizinische Fachausdruck Amaurose ausschließlich die vollständig fehlende Lichtscheinwahrnehmung eines oder beider Augen bei Verlust jeglicher optischer Reizverarbeitung (Vollblindheit)[3].
Ursachen und Verbreitung
Grundsätzlich kann jede Störung einer Struktur des visuellen Systems zu einer Erblindung führen.
- angeborene Blindheit
- fehlende Elemente des Sehapparates
- fehlende Verbindung zwischen Auge und Gehirn
- frühkindlich entwicklungsbedingte Blindheit
- ungenügende Ausdifferenzierung der kortikalen Sehstrukturen (Amblyopie), z. B. durch Schielerkrankung (Strabismus)
- genetische Veranlagungen, die im Laufe des Lebens zur Erblindung führen können (z. B. Retinopathia pigmentosa, juvenile Makuladegeneration, hereditäre Optikusatrophie)
- erworbene Blindheit
- altersbedingte Makuladegeneration (AMD) als häufigste Ursachen in Industrieländern, in D etwa 50 %
- Trübung der Augenlinse (grauer Star), als weltweit häufigste Ursache
- Diabetes, in D etwa 17 %
- akuter oder chronischer grüner Star (Glaukom), in D etwa 20 %
- Netzhautablösung
- Folge eines Schlaganfalls
- Embolien oder Thrombosen der versorgenden Blutgefäße
- Verletzungen
- Infektionen (z. B. Trachom)
Nach dem WHO-Report von 2004 leben in Deutschland 164.000 (0,2 %) blinde und 1.066.000 (1,3 %) sehbehinderte Menschen. In Deutschland erblinden jährlich ca. 10.000 Menschen neu (Inzidenz 12,3/100.000) und ca. 160 Kinder werden blind geboren (2 von 10.000). Während es zwischen 1990 und 2002 nur zu einem moderaten Anstieg der Blindheit um 9 % gekommen ist, konnte ein Anstieg von Sehbehinderungen um 80 % registriert werden. Dies ist vor allem auf die erhöhte Lebenserwartung zurückzuführen. Während bei Menschen bis zum 39. Lebensjahr die Optikusatrophie als häufigste Erblindungsursache gilt, ist dies in der Altersgruppe vom 40. bis 79. Lebensjahr die Diabetische Retinopathie und ab dem 80. Lebensjahr die altersbedingte Makuladegeneration, gefolgt vom Glaukom. Da 48 % aller Erblindungen ab dem 80. Lebensjahr auftreten, ist die altersbedingte Makuladegeneration insgesamt die häufigste Ursache für Erblindung in Deutschland. 68 % aller Neuerblindungen betreffen Frauen. Hauptgrund dafür dürfte sein, dass Frauen aufgrund ihrer wesentlich höheren Lebenserwartung in dieser Altersgruppe überproportional vertreten sind.
Erschwerte Orientierung, Abhängigkeit von Hilfe, verringerte soziale und berufliche Chancen
Blindheit geht immer auch mit einem Mangel eines räumlichen Orientierungsvermögens einher, bzw. dieses muss auf andere Weise erworben werden. Eine Reihe von blindenspezifischen Hilfsmitteln erleichtert das tägliche Leben, jedoch können diese zu entsprechender Abhängigkeit in mehrerlei Hinsicht führen. Eine unabhängige, selbständige Lebensführung ist Ziel der meisten Betroffenen, eine relative Hilfsbedürftigkeit bleibt jedoch kaum ausgeschlossen. Oft führen mangelnde Berufschancen([4]) ([5]) und reduzierte Sozialkontakte zu Problemen, die sich in sozialem Rückzug ausdrücken können. Verstärkt werden diese Umstände oft durch das Bild in der Öffentlichkeit, das häufig durch Vorurteile und Unkenntnis geprägt erscheint.
Eine umfassende infrastrukturelle, gesellschaftliche und kulturelle Ausrichtung an die Bedürfnisse von Menschen, die visuell beeinträchtigt sind, sollte in der Lage sein, das Spannungsfeld zwischen "Normalen" und "Behinderten" erheblich zu reduzieren. Ein Beispiel dafür ist die Stadt Marburg mit der dort ansässigen Blindenstudienanstalt, die seit Jahrzehnten bei der Förderung und Ausbildung von Menschen, die blind oder sehbehindert sind, voranschreitet[6]. Wesentlich dabei sind nicht nur die Entwicklung entsprechender Hilfsmittel wie akustische Ampelanlagen oder Speisekarten in Brailleschrift, sondern auch die Vision einer konsequenten Integration blinder Menschen in das gesamte infrastrukturelle, gesellschaftliche, kulturelle und städtebauliche Gefüge einer Stadt[7].
Schulung, Medien und Hilfsmittel
Förderung
Da therapeutische Optionen in Fällen von Blindheit häufig nicht bestehen, kommt spezifischen Schulungsmaßnahmen (Rehabilitation) eine große Bedeutung zu. Ziel ist hierbei vor allem, blinden Menschen eine selbständige und eigenverantwortliche Lebensführung zu ermöglichen, die allgemein als höhere Lebensqualität empfunden wird.
Insbesondere bei blinden und sehbehinderten Kindern ist eine Frühförderung, die gleich nach der Geburt einsetzt, von entscheidender Bedeutung. Später sollte diese entweder im Rahmen von spezialisierten Kindergärten und Förderschulen, oder integriert in „normalen“ Institutionen, weitergeführt werden. Frühförderung ist eine sichere Voraussetzung, um die intellektuelle Entwicklung, Eigenständigkeit und die beruflichen Chancen eines Menschen, der blind geboren oder früh erblindet ist, erfolgreich gestalten zu können.
Siehe auch: Deutsche Blindenstudienanstalt, Blindenanstalt Nürnberg, Nikolauspflege, Berufsförderungswerk Würzburg, Blindeninstitutsstiftung
Medien
Die 1825 von Louis Braille entwickelte Punktschrift, die sogenannte Brailleschrift, ermöglicht blinden Menschen das Lesen und Schreiben von Texten. Andere Blindenschriftsysteme wurden fast vollständig von der Brailleschrift verdrängt. Das Schreiben von Texten ist z. B. mit einer Punktschriftmaschine wie dem Perkins-Brailler möglich. Die erste Schreibmaschine für Punktschrift wurde bereits 1899 von Oskar Picht erfunden. Es gibt heute auch Braillezeilen und Braille-Drucker für den PC.
Blindenbüchereien und gemeinnützige Vereine produzieren und verleihen Bücher, Zeitschriften und Texte im Audio- und Punktschriftformat. Im deutschsprachigen Raum haben diese Bibliotheken und Vereine sich zur Mediengemeinschaft für blinde und sehbehinderte Menschen, kurz Medibus, zusammengeschlossen.[8] Das verbreitetste Ausleihmedium sind Tonträger. Der Versand erfolgt portofrei als Blindensendung. Früher wurden Hörbücher und Hörzeitschriften auf heute veralteten Kompaktkassetten verliehen, zwischen 2004 und 2010 wurde auf CDs im DAISY-Format umgestellt. DAISY ist der Name eines weltweiten Standards für navigierbare und barrierefrei zugängliche Multimedia-Dokumente. Die Abkürzung DAISY steht für „Digital Accessible Information System“. Auch kommerzielle Hörbücher ermöglichen blinden Menschen einen Zugang zur Literatur.
Einige Fernsehsender senden Filme im Zweikanalton, bei denen auf dem zweiten Kanal per Audiodeskription die Handlung erzählt wird. Diese Methode wird auch in Kinofilmen eingesetzt, häufig über Kopfhörer, man spricht dann von einem Hörfilm.
Tastgrafiken auf Schwellpapier und Taktile Karten helfen blinden Menschen, Bilder und räumliche Verhältnisse zu „begreifen“. In bekannten Bauwerken werden manchmal ertastbare Modelle der Anlage bzw. Gebäude aufgestellt.
Daneben senden einige lokale Hörfunksender im deutschsprachigen Raum lokale Nachrichten für Sehbehinderte, bei denen örtliche Zeitungen vorgelesen werden. Vor allem im englischsprachigen Ausland gibt es darüber hinaus den sogenannten Radio Reading Service (deutsch: Radio-Vorlese-Dienst), in dem in der Regel ganztägig Nachrichten und Literatur für Sehbehinderte oft live vorgelesen werden. Einige dieser Dienste sind per Live-Stream auch bei uns über das Internet zu empfangen. Der Podcast hat sich zum beliebten Medium für Unterhaltung und Informationsaustausch über das Internet etabliert.
Computernutzung
Blinde Menschen können Computer mit Hilfe einer sogenannten Screenreader-Software wie COBRA oder JAWS oder dem kostenlosen NVDA bedienen. Der Bildschirminhalt und die Bedienelemente werden von einer Sprachausgabe vorgelesen oder in Punktschrift auf einer Braillezeile ausgegeben. Auf der PC-Tastatur wird im Zehnfingersystem geschrieben und die Navigation erfolgt mittels Tastenkombinationen und den Cursortasten anstatt mit einer Maus. Auf Papier gedruckte Texte wie Bücher und Briefe können mit einem Scanner und einer Texterkennungssoftware gelesen werden. Blinde Internet-Nutzer sind auf eine barrierearme Gestaltung von Webseiten angewiesen.
Da viele Menschen erst im hohen Alter erblinden und Schwierigkeiten beim Erlernen der Bedienung eines PCs haben, gibt es spezielle Vorlesesysteme, mit denen gedruckte Texte einfach erfasst, gespeichert und vorgelesen werden können.
Mobilität
Blinde Menschen können sich nach einem Orientierungs- und Mobilitätstraining (O&M) einigermaßen selbständig in ihrer Umwelt zurechtfinden. Ein weißer Langstock hilft bei der Orientierung im Nahbereich, Gehör und Geruchssinn liefern weitere Informationen. Von Geburt an blinde Menschen verfügen dabei über einen gewissen Vorteil gegenüber später Erblindeten, höchstwahrscheinlich, weil sie dafür neuronale Kapazitäten des visuellen Kortex (Sehrinde) im Gehirn mitnutzen.[9] Diese sog. aktive menschliche Echoortung[10] kann das Sehen mit den Augen teilweise imitieren[11].
Frühförderung
Die Fähigkeit zur passiven und aktiven Echoortung kann durch frühes und regelmäßiges Training verbessert verwirklicht werden, ist aber nur ein Teilaspekt der gezielten Förderung von Kindern, die blind oder sehbehindert sind [12]: Die Wahrnehmungsförderung spielt im Allgemein die zentrale Rolle in der Frühförderung von Kindern mit Sinnesbehinderungen, speziell die Förderung des Raumverständnisses. Eine Pionierin auf diesem Gebiet ist die dänische Psychologin Lilli Nielsen, die seit Jahrzehnten wissenschaftlich auf diesem Fachgebiet forscht. In letzter Zeit fand Daniel Kish mediale Beachtung, der zudem Schulungspläne für Kleinkinder entwickelt hat, die einen neuen Standard in der Frühförderung und im Mobilitätstraining darstellen sollen. [13]
Tiere
Auf vertrauten Wegen oder in bekanntem Terrain können blinde Menschen sich wesentlich besser orientieren als in gänzlich unbekannter Umgebung. Blindenführhunde führen ihre Halter auf dem optimalen Weg und weichen Hindernissen aus. Sie suchen und finden auf Kommando einzelne Wegziele wie Ampelpfosten, Briefkästen, Hauseingänge oder freie Sitzplätze in öffentlichen Verkehrsmitteln.
Es gibt Versuche, Pferde der Rasse Falabella zu Blindenführtieren auszubilden. Vereinzelt sind die Tiere bereits im Einsatz[14].
Satellitengestützte Navigation
Satellitengestützte Navigation und raumbezogene Informationssysteme, die mit blind bedienbaren Mobilgeräten genutzt werden können, stellen eine große Chance für die Verbesserung der Mobilität und Lebensqualität blinder Menschen dar. Als erste satellitengestützte Navigationshilfen wurden im deutschsprachigen Raum die freie Software Loadstone-GPS und das kommerzielle Produkt Wayfinder Access genutzt. Das freie Programm läuft auf höherwertigen Nokia-Mobiltelefonen, die mittels einer Screenreader-Software für blinde Menschen bedienbar sind. Die Informationen des Bildschirms werden von einer Sprachausgabe über den Lautsprecher ausgegeben. Neben Navigationssystemen wie Kapten Plus oder Trekker Breeze gibt es einige Apps für Smartphones wie das Apple iPhone, die mittels Screenreadern wie VoiceOver von Blinden genutzt werden können[15][16].
Taktile Bodenleitsysteme
Bodenindikatoren wie Rillen- und Noppenpflaster sollen blinde Langstock-Nutzer bei der Orientierung und Navigation auf Plätzen, Straßen, Gehwegen und in öffentlichen Gebäuden oder in Bahnhöfen unterstützen. Werden neben diesen taktilen Markierungsstreifen auch noch andere Hilfen wie Beschriftungen in Brailleschrift und Sprachansagen in Fahrstühlen bereitgestellt, spricht man von einem Blindenleitsystem. Verkehrsampeln mit akustischen oder vibrierenden Signalen und vorschriftsmäßig abgesicherte Baustellen und Bodenöffnungen machen die Teilnahme am Straßenverkehr für blinde Fußgänger weniger gefährlich.
Kenntlichmachung
→ Hauptartikel: Kennzeichnung für sehbehinderte und blinde Menschen
Eine Kennzeichnung von blinden Menschen, die am Straßenverkehr teilnehmen, ist gesetzlich durch §2 (Eingeschränkte Zulassung) der Fahrerlaubnisverordnung geregelt. Blinde Fußgänger müssen ihre Behinderung durch einen weißen Blindenlangstock, die Begleitung durch einen Blindenhund im weißen Führgeschirr oder gelbe Armbinden mit drei schwarzen Punkten für andere Personen kenntlich machen, um vom Vertrauensgrundsatz der StVO ausgenommen zu werden; eine gesetzliche Verpflichtung zur Kennzeichnung gibt es jedoch nicht. Andere Verkehrsteilnehmer dürfen diese Kennzeichen im Straßenverkehr nicht verwenden.
Allgemeine Hilfsmittel
Für das alltägliche Leben gibt es viele verschiedene Hilfsmittel. Das fängt an bei einfachen Dingen wie taktilen oder sprechenden Uhren, Diktiergeräten, Geldscheinprüfern oder Münzsortierboxen für den eigenständigen Umgang mit Bargeld und geht über angepasste Haushaltsgeräte wie einem Mikrowellengerät mit Sprachausgabe bis hin zu sprechenden Messbechern, Waagen, Fieberthermometern, Blutdruck- oder Blutzuckermessgeräten für Diabetiker sowie kleinen elektronischen Geräten zum Kennzeichnen von Gegenständen wie CDs mit Barcode- oder RFID-Etiketten mit jeweils einer eigenen Sprachaufnahme. Schon seit geraumer Zeit gibt es Skatkarten, die mit einer Plastikfolie überzogen sind, sodass Sehende wie gewohnt spielen und Blinde die Karten gleichzeitig ertasten können. Eine Wahlschablone ermöglicht die unabhängige Teilnahme an politischen Wahlen.
Sonstiges
Blinde Menschen verfügen in der Regel über einen überdurchschnittlich trainierten Tastsinn. Diese besondere Fähigkeit wird für die Früherkennung von Brustkrebs genutzt. Im Rahmen des in Nordrhein-Westfalen angesiedelten Modellprojektes „Discovering hands“ (Entdeckende Hände) wurde der Ausbildungskurs der Medizinischen Tastuntersucherin geschaffen.
Schlafstörungen bei Blinden
Bei Blinden, die den Hell-Dunkel-Wechsel nicht wahrnehmen können, kommt es häufig zu Zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen vom Typ freilaufender Rhythmus und anderen Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen, da die zum Synchronisieren der im Volksmund „innere Uhr“ genannten Circadianen Rhythmik durch den Zeitgeber Hell-Dunkel-Wechsel nicht richtig funktioniert.[17]
Museen und Erlebnisräume
Erlebnisräume wie die Ausstellung Dialog im Dunkeln, das Dialogmuseum oder Dunkelrestaurants bieten sehenden Menschen in geschützter Umgebung eine Selbsterfahrungsmöglichkeit zum Thema Blindheit.
Blindheit in Sprache, Kunst und Literatur
Blindheit taucht vielfach als Motiv in Mythen, Erzählungen und bildlichen Darstellungen aller Art auf. Genannt seien etwa der sagenhafte griechische Seher Teiresias und der alte Ödipus. Joh 9,25 berichtet von der wundersamen Heilung eines Blinden durch Jesus Christus. Die Geschichte wurde von dem Maler El Greco aufgegriffen, aber auch von John Newtons berühmtem Lied Amazing Grace. Das Gleichnis „Wenn aber ein Blinder den anderen führt, so fallen sie beide in die Grube“ (Mt 15,14) liegt dagegen Pieter Brueghels Bild Der Blindensturz von 1568 zugrunde. Desgleichen stehen Blinde im Zentrum literarischer Werke (z. B. in Vladimir Nabokovs Roman „König Dame Bube“ oder José Saramagos Roman "Die Stadt der Blinden").
Im übertragenen Sinne steht die Fähigkeit zu Sehen oft für die Fähigkeit, die Wirklichkeit überhaupt wahrzunehmen. Dieselbe Metapher gilt für das Fehlen der beiden Fähigkeiten:
- „Ich will die Sache im Auge behalten“ oder „Ich will ein Auge darauf haben.“ bedeutet: Ich will dafür sorgen, dass die Sache zufriedenstellend weiterkommt.
- „Jemand ist politikblind oder wirklichkeitsblind“ bedeutet, dass er die Zusammenhänge in der Politik oder der Wirklichkeit nicht versteht.
- „Liebe macht blind“ bedeutet: Wer liebt, erkennt die oder den Geliebten nicht so, wie sie oder er wirklich ist.
- „Die waren auf dem rechten (bzw. linken) Auge blind“ weist auf eine parteiliche Haltung hin, welche gegenüber der politischen „Rechten“ (bzw. „Linken“) zu Duldsamkeit und Nachsicht neigt.
- „Dem muss ich mal die Augen öffnen.“ bedeutet: Dem will ich erklären, was wirklich geschieht und womit das zusammenhängt.
- Wenn ein Sachverhalt ganz und gar eindeutig ist, sagt man volkstümlich derb: „Das sieht doch ein Blinder mit dem Krückstock.“
- „Unter den Blinden ist der Einäugige der König“ - selbst etwas oder jemand mit tatsächlich nur unterdurchschnittlichen Eigenschaften auf einem Gebiet übertrifft andere, die solche Eigenschaften überhaupt nicht vorzuweisen haben.
Siehe auch
- Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband
- Taubblindheit
- Tastschärfe
- Menschliche Echoortung
- Blendung (Strafe)
- Prémio de Visão António Champalimaud
- Eine unbegründete Angst vor dem Verlust der Sehfähigkeit nennt man Scotomaphobie, die Angst vor der Dunkelheit wird als Achluophobie (auch: Nyktophobie oder Scotophobie) bezeichnet.
Literatur
- Glofke-Schulz, Eva-Maria: Löwin im Dschungel, Blinde und sehbehinderte Menschen zwischen Stigma und Selbstwerdung. Psychosozial Verlag, Gießen 2007, ISBN 978-3-89806-735-5.
- Scholler, Heinrich: Enzyklopädie des Blinden- und Sehbehindertenwesens. Heidelberg 1990, ISBN 3-8114-2188-3, S. 516.
- 200 Jahre Blindenbildung in Deutschland (1806 - 2006), 288 S., edition bentheim Würzburg
- Den Menschen sehen. 150 Jahre Nikolauspflege, 142 S. in Großdruck mit zahlreichen Abbildungen, hrsg. v. d. Nikolauspflege, Stiftung für blinde und sehbehinderte Menschen
- Jacques Lusseyran: Das wiedergefundene Licht: Die Lebensgeschichte eines Blinden im französischen Widerstand. Deutscher Taschenbuch Verlag 1992 ISBN 978-3-423-30009-4
- Josephine Siebe: Moderne Blindenfürsorge. Mit sechs Illustrationen nach photographischen Original-Aufnahmen. In: Reclams Universum : Moderne illustrierte Wochenschrift 27.1 (1911), S. 571-574.
Weblinks
- Linkkatalog zum Thema Blindheit und Sehbehinderung bei curlie.org (ehemals DMOZ)
- Deutsche Blindenstudienanstalt Marburg
- Anderes Sehen - Zur Förderung blinder Kinder, Informationen zur „aktiven menschlichen Echoortung“ („Klicksonar“)
- Berufsverband der Augenärzte Deutschlands - BVA: Leitlinie Nr. 7 - Versorgung von Sehbehinderten und Blinden (PDF; 76 kB)
- Blindeninstitutsstiftung Bildung, Arbeit und Wohnen für Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderung und weiteren Einschränkungen
Einzelnachweise
- ↑ Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) - Sozialhilfe - § 72 Blindenhilfe
- ↑ Anhaltspunkte für die gutachterliche Tätigkeit Nr. 23 Blindheit und hochgradige Sehbehinderung mit weiteren Beispielsfällen
- ↑ Pschyrembel - Klinisches Wörterbuch. 256. Auflage bearbeitet unter der Leitung von Christoph Zink. De Gruyter, Berlin - New York 1990, ISBN 3-11-010881-X
- ↑ konkrete Situation von blinden und sehbehinderten Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt, in spezial 5: DVBS-Wegweiser Sozialpolitik
- ↑ Behindert im Beruf: Blind, nicht blöd, FAZ vom 23. Oktober 2008
- ↑ Horst Köhler für gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht-behinderten Kindern
- ↑ Internationaler Audiodienst (iad) Blindenstadt Marburg
- ↑ Geschichte und Aufgaben der Mediengemeinschaft für blinde und sehbehinderte Menschen e.V. (Medibus)
- ↑ Laurent A. Renier, Irina Anurova, Anne G. De Volder et.al.: Preserved Functional Specialization for Spatial Processing in the Middle Occipital Gyrus of the Early Blind (PDF),DOI 10.1016/j.neuron.2010.09.021
- ↑ "Aktive menschliche Echoortung (Klicksonar)"
- ↑ "Wie sich Blinde per Echoortung (Klicksonar) orientieren"
- ↑ "Akustische Sensibilisierung"
- ↑ "Fortschrittliche Förderung blinder Kinder"
- ↑ Spiegel-Online: Mit dem Zwergpferd in den Hörsaal
- ↑ Produktinformationen bei INCOBS
- ↑ Beschreibung der App MyWay für Blinde auf Voice Over Portal
- ↑ S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). In: AWMF online (Stand 2009)