Kontorhausviertel

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Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus
UNESCO-Welterbe UNESCO-Welterbe-Emblem

Kontorhausviertel Hamburg
Vertragsstaat(en): Deutschland Deutschland
Typ: Kultur
Kriterien: (iv)
Referenz-Nr.: 1467
UNESCO-Region: [[Liste des UNESCO-Welterbes#Europa|Europa]]
Geschichte der Einschreibung
Einschreibung: 2015  (Sitzung 39)

Das Kontorhausviertel ist die Bezeichnung für den südöstlichen Bereich der Hamburger Altstadt zwischen der Steinstraße, dem Meßberg, dem Klosterwall und der Brandstwiete. Es ist gekennzeichnet durch die großen Kontorhäuser im Stil des Backsteinexpressionismus des frühen 20. Jahrhunderts. Zentraler Platz ist der Burchardplatz.

Am 5. Juli 2015 wurden die Hamburger Speicherstadt und das Kontorhausviertel mit dem Chilehaus zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt.[1]

Entstehung

Aufnahme des Kontorhausviertels aus dem HighFlyer, einem Fesselballon bei den Deichtorhallen
Luftbild mit Zollkanal
Kontorhausviertel mit Chilehaus (rot), Sprinkenhof (grün), Meßberghof (blau)
Das Miramarhaus wurde 1921 als erstes Bauwerk des neuen Kontorhausviertels erbaut.

Seit dem 17. Jahrhundert war hier eine enge Wohnbebauung als Gängeviertel mit vielen schmalen Gassen, Twieten und Fleeten entstanden. Die durch den Hamburger Brand von 1842 verursachte Wohnungsnot führte zu einer weiteren Verdichtung der Bebauung.

Die Choleraepidemie von 1892 zwang zu einer nachhaltigen Sanierung des Gebietes. Zwar war die unzureichende Klärung des zur Trinkwassergewinnung verwendeten Elbwassers Ursache der Katastrophe; durch die unzulänglichen hygienischen Bedingungen in diesen Wohnquartieren kam es jedoch erst zu den verheerenden Auswirkungen.

Zuvor waren jedoch die weiter südlich in Elbnähe gelegenen Gebiete zu sanieren, um das von der Reichsregierung geforderte Freihafengebiet zu schaffen. Als man um 1900 mit der Neuordnung des Hamburger Eisenbahnwesens begann, hatte man daher – durch den Bau der Speicherstadt – schon Erfahrung mit der Umsiedlung großer Bevölkerungsteile. Der Durchbruch der für den U-Bahnbau benötigten Mönckebergstraße war 1912 vollzogen. Nach dem Bebauungsplan von 1912 und aufgrund des städtebaulichen Wettbewerbs von 1914 war für das Gebiet zwischen Mönckebergstraße und dem Zollkanal eine hafennahe Wohnbebauung vorgesehen.

Fritz Schumacher, seit 1909 Baudirektor und Leiter des Hochbauwesens, setzte sich mit seiner Idee der Zentrumsbildung durch und plante das Gebiet als ein Areal von Kontorhäusern, allerdings war beispielsweise beim Bau des Sprinkenhofes ursprünglich von einer teilweisen Wohnnutzung ausgegangen worden.

Fritz Schumachers Überarbeitung des Bebauungsplanes sah bereits große Baumassen vor, die dem Raumbedarf der aufstrebenden Kaufmannsschaft nach dem Zollanschluss Hamburgs Rechnung trugen. Dabei sollte jedes Bauwerk einen individuellen Charakter erhalten.

Die Bewohner des Viertels hatten 1925 noch den Bauverein Alt-Hamburg gegründet, mussten aber letztlich in die neuen Wohnbezirke in der Jarrestadt und der Veddel ausweichen.

Einzelne Bauten

Charakteristisch für die Bausubstanz sind Stahlbetonbauten mit Klinkerfassaden.

Zur Auflockerung der großen Baumassen wurden verschiedene Stilelemente von den Architekten eingesetzt. Typischerweise haben die meisten Häuser kupfergedeckte Dächer. Das oberste Stockwerk, meist sogar die oberen Stockwerke sind jeweils etwas von der Hauptfront zurückgesetzt. Diese Staffelgeschosse öffnen die Straßenschluchten nach oben. Vertikale Gliederungselemente sind meist in Klinker ausgeführt, beispielsweise am Chilehaus und Meßberghof. Die Fassade des Sprinkenhofs hat im Zentralblock eine netzartige Struktur, im Übrigen wird eine optische Auflockerung durch keramische Schmuckelemente erzielt, die Handel und Handwerk symbolisieren.

Die meisten Bauten wurden 1999 unter Denkmalschutz gestellt.

Miramarhaus

Als erster Bau entstand 1921–22 nach dem Entwurf von Max Bach im Bereich Kattrepel, Curienstraße, Schopenstehl für die Handelsgesellschaft Miramar das erste große Kontorhaus. Es hat eine abgerundete Ecke, wie sie erst später für das „neue Bauen“ typisch wurde. Einzelne Schmuckelemente weisen Merkmale des Klinkerexpressionismus auf. Den Eingangsbereich schmücken Keramiken von Richard Kuöhl.

Chilehaus

Das Chilehaus in Hamburg

Das Chilehaus wurde von Fritz Höger 1922–24 errichtet und gilt als Högers Hauptwerk. Bauherr war der Reeder Henry B. Sloman, der sein Vermögen durch den Handel mit Chile-Salpeter erworben hatte. Der denkmalgeschützte Bau ist wegweisend für den Klinkerexpressionismus, er wurde Ende der 1990er Jahre saniert.

Meßberghof

Skulpturen am Meßberghof

Der Meßberghof wurde zeitgleich mit dem Chilehaus von Hans und Oskar Gerson errichtet. Das zunächst nach Albert Ballin benannte Gebäude wurde 1938 nach der anliegenden Straße in „Meßberghof“ umbenannt, da Ballin wegen seiner jüdischen Abstammung nicht länger als Namensgeber geduldet wurde. Der Meßberghof steht erst seit 1983 unter Denkmalschutz.

Sprinkenhof

Fassadendetails am Sprinkenhof

Der Sprinkenhof entstand 1927 bis 1943 in drei Bauabschnitten. Erbaut wurde er von Hans und Oskar Gerson zusammen mit Fritz Höger. Der Sprinkenhof war damals Hamburgs größter Bürokomplex. Er umschließt drei Innenhöfe. Von 1999 bis 2002 fand ein Umbau mit umfassender Sanierung statt.

Montanhof

Dachkonstruktion Montanhof

An der Niedernstraße/Kattrepel liegt ein weiterer großer Klinkerbau mit dekorativen Elementen des Art déco. Diese keramischen Formstücke bereichern die Klinkerverkleidung der Fassade. Das Gebäude entstand in den Jahren 1924–1926 nach Plänen der Architekten Hermann Distel und August Grubitz (Büro Distel und Grubitz) für das Unternehmen Dobbertin & Co. bzw. die Reederei Komrowski, die dort heute noch ihren Sitz hat, mit einem typischen Staffelgeschoss.

Weblinks

Commons: Montanhof – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Hubertushaus

An der Steinstraße/Burchardstraße entstand 1931 nach Entwürfen von Max Bach und Fritz Wischer ein Geschäftshaus mit Elementen eines Hochhauses in der Weiterentwicklung der Formensprache des Kontorhausviertels unter Betonung der Horizontalen mit dem typischen Staffelgeschoss und einem Flachdach.[2]

Bartholomayhaus

Bartholomayhaus

Zwischen Altstädter Straße, Steinstraße, Springeltwiete und Johanniswall wurde es 1938/39 durch den Architekten Rudolf Klophaus für Rudolf Bartholomay als letztes Kontorhaus im klassischen Stil mit großen Blendgiebeln in Anlehnung an alt-hanseatische Bürgerhäuser errichtet. Diese Scheingiebel wurden schon zur Zeit der Errichtung als merkwürdig und veraltet empfunden.

Heute ist das Haus Verwaltungssitz der Mobil Oil.

Mohlenhof

Mohlenhof, Hermes-Skulptur von Richard Kuöhl

Das Kontorhaus Mohlenhof wurde in den Jahren 1927-28 von den Architekten Klophaus, Schoch, zu Putlitz entworfen und realisiert. Mit seinem schlichten Baustil spiegelt es die Architektur der späten 1920er Jahre wider. Der Mohlenhof ist eines der Kontorhäuser, die den Zweiten Weltkrieg fast unbeschadet überdauert haben. Über dem Haupteingang des Gebäudes befindet sich eine überlebensgroße Hermes-Skulptur des Bildhauers Richard Kuöhl.

Altstädter Hof

Die Plastik von Richard Kuöhl am Altstädter Hof verweist auf das Baujahr 1936.

Das Gebäude wurde von 1936 bis 1937 erbaut und enthält im Erdgeschoss Läden und Geschäfte, in den Stockwerken darüber 220 Wohnungen. Der Architekt war Rudolf Klophaus. Zahlreiche Sandsteinskulpturen von Richard Kuöhl, über den Hauseingängen angeordnet, stellen typische Hamburger Berufe dar. Die Statuen sind verwittert, einigen fehlt der Kopf (2006).

Weblinks

Commons: Altstädter Hof – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Helmut-Schmidt-Haus

Helmut-Schmidt-Haus

Neben dem ehemaligen Domplatz, wo Domstraße und Speersort aufeinandertreffen, erstreckt sich das Helmut-Schmidt-Haus (bis zum 7. Januar 2016 Pressehaus[3]), in dem früher mehrere Verlage arbeiteten. Heute hat dort noch Die Zeit ihre Redaktion. Gebaut wurde es 1938 nach einem Entwurf von Rudolf Klophaus für das nationalsozialistische Hamburger Tageblatt. Das Firmenemblem, eine Hansekogge von Richard Kuöhl, findet sich – jetzt ohne Hakenkreuz – an der Curienstraße.

Im Gegensatz zu den übrigen Klinkerbauten hat es einzelne Elemente aus Muschelkalk, vor allem in den Arkaden Speersort/Steinstraße. Das ursprüngliche Walmdach wurde nach Bombenschäden durch ein Staffelgeschoss ersetzt. Nach Gründung der Bundesrepublik hatten hier unter anderem Der Spiegel von 1952 bis 1969 und der Stern ihre Redaktionen.

Nach Westen war der klassizistische Bau des alten Johanneums benachbart, der 1838/40 nach Entwürfen von Carl Ludwig Wimmel errichtet worden war. Diese Nachbarschaft wirkte sich beim Entwurf auf die Formensprache notgedrungen aus und zitiert die rundbogigen Arkaden des ursprünglichen Johanneums, das nach dem Auszug der Schule als Gebäude für die Commerzbibliothek und die spätere Staatsbibliothek dienten.

Ältere Bauten

Einige Kontorhäuser im Plangebiet Schumachers entstanden bereits vor den 1920ern.

Schopenstehl 32

Dieses Haus wurde 1885–88 von Arthur Viol erbaut. Die Fassade eines um 1780 erbauten Doppelhauses mit ihrem Rokoko-Portal und ihrem geschweiften Giebel wurden in den Neubau einbezogen. Dieses Haus ist eines der letzten Zeugnisse für die Hamburger Bürgerhausarchitektur des 17. und 18. Jahrhunderts am ursprünglichen Ort.

Polizeiwache am Klingberg

Polizeikommissariat 14 (Außenstelle Klingberg)
mit Chilehaus

Die 1906-08 von Albert Erbe erbaute Polizeiwache am Klingberg/Ecke Depenau wurde später vollständig in den Komplex des Chilehauses einbezogen.

Das Gebäude war als Polizeiwache und Dienstgebäude der Landherrenschaften errichtet worden. Der Skulpturenschmuck, Portalfiguren mit Früchten, Getreide und Fischen, weist auf diese Bestimmung hin. Die Architektur folgt dem Vorbild Alt-Hamburgischer Bürgerhäuser des Barock.

Neuzeit

In den 1990er Jahren entstanden neue Häuser in der Tradition der Klinkerbauten, wie das Danske Hus und der Neue Dovenhof.

Weltkulturerbe

Karte des Weltkulturerbegebietes (rot) und der Pufferzone (orange)

Am 5. Juli 2015 wurden die Speicherstadt und das Kontorhausviertel auf der 39. Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees in Bonn in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen.[4]

Literatur

  • Alfred Kamphausen: Der Baumeister Fritz Höger. Verlag K. Wachholtz, Neumünster 1972
  • Heike Werner, Mathias Wallner: Architektur und Geschichte in Deutschland. Werner, München 2006, ISBN 3-9809471-1-4
  • Hermann Hipp, Hans Meyer-Veden: Hamburger Kontorhäuser. Ernst, Berlin 1988, ISBN 3-433-02043-4 (Bildband)

Siehe auch

Weblinks

Commons: Kontorhausviertel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Hamburger Speicherstadt ist Weltkulturerbe, shz.de, 5. Juli 2015
  2. Porträt (kontorhausviertel.com)
  3. Hamburger Pressehaus in Helmut-Schmidt-Haus umbenannt, www.zeit.de, abgerufen am 14. Januar 2016
  4. Bonn 2015: 39. Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees. Abgerufen am 5. Juli 2015.

Koordinaten: 53° 33′ N, 10° 0′ O