Potsdamer Stadtschloss

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Blick über die Havel zum Schloss, 2013
Das Potsdamer Stadtschloss um 1773

Potsdamer Stadtschloss beschreibt mehrere ähnliche Bauwerke seit dem 17. Jahrhundert am heutigen Alten Markt im Stadtkern von Potsdam. Das heutige Schloss ist eine äußerliche Rekonstruktion des Mitte des 20. Jahrhunderts zerstörten und abgetragenen knobelsdorff'schen Originals, das wegen seiner prachtvollen Innenausstattung als eines der Hauptwerke des friderizianischen Rokoko galt. Im Gegensatz dazu trägt der schlicht-weiße Stil des heutigen Innenausbaus konsequent den funktionalen Erfordernissen eines Parlamentsgebäudes Rechnung, womit das Gebäude als Sitz des Brandenburgischen Landtags dient.

Geschichte

Von der ersten Burg zum Schloss für Kurfürstin Katharina von Brandenburg

Grundriss des Schlosses von Kurfürstin Katharina

Im Jahre 993, der ersten urkundlichen Erwähnung Potsdams, befand sich am Havelufer eine Slawenfestung. Sie war zeitgleich mit der kleinen Siedlung Poztupimi am Havelufer entstanden und sollte es gegen Feinde schützen. Als 1157 die Askanier ihren Einflussbereich von Magdeburg ausdehnten und die Mark Brandenburg eroberten, vertrieben sie die Slawen und begannen von hier aus die Wanderströme zu kontrollieren. Die Havel verlief nahe der Festung sehr flach, was viele Wanderer vom Havelland nach Teltow zum Übertritt an dieser Stelle bewog, zudem befand sich hier ein Holzsteg, die spätere erste Brücke Potsdams. Zunächst wurde die Festung den anderen Burgen der Askanier angeglichen, um in den darauffolgenden Jahrhunderten zu einer massiven Anlage ausgebaut zu werden. Durch die ständigen Verpfändungen des Gutes Potsdam verfiel das Gebäude jedoch immer mehr, trotz seiner regelmäßigen Nutzung zu Jagdzwecken. Erst 1598, Kurfürst Joachim Friedrich schenkte seiner Frau Katharina das Gut, entschloss man sich zu einem Abbruch und Neubau als Dauerwohnsitz. Dieser konnte durch den frühen Tod der Kurfürstin jedoch nicht vollständig fertiggestellt werden. Da Katharinas Nachfolgerin Eleonore ebenfalls früh starb, verlor man schließlich ganz das Interesse am Schloss. 1606 zog der Kurfürst wieder aus und weilte fortan in Joachimsthal, nördlich von Berlin. Das noch junge Gebäude geriet wieder in Verpfändung, diesmal unter dem Junker Wolf Dietrich von Hacke. Er führte ihm eine völlig fremde Nutzung als Schafstall und Scheune zu, wodurch es erheblich abgenutzt wurde.[1]

Die Zeit des Großen Kurfürsten

Das Schloss Honselaarsdijk in den Niederlanden war ein Vorbild des Potsdamer Stadtschlosses
Neubau des Stadtschlosses 1662–1669

Der Dreißigjährige Krieg hatte dem Gebäude weiter schwer zugesetzt. Dennoch versuchte Kurfürst Friedrich Wilhelm (der Große Kurfürst) mehrfach das Gut Potsdam mit dem Schloss aus der Verpfändung zurückzukaufen. Seine Jagdleidenschaft, vor allem aber die Bekanntschaft mit dem Statthalter von Kleve, Johann Moritz von Nassau-Siegen, trieben ihn voran. Dieser hatte durch die Anlage verschiedener Parks rund um die Schwanenburg[2] maßgeblich an der Entwicklung der Stadt Kleve zu einer Kulturlandschaft beigetragen. Friedrich Wilhelm, der die Bauarbeiten in Kleve verfolgt hatte, war fasziniert und ließ sich regelmäßig Gartenbücher zuschicken. Durch den Kontakt mit dem Statthalter vergrößerte sich sein Interesse für Gartengestaltung und Architektur. Ab 1660 ließ er sich dann nach seinen Vorgaben einen Lustgarten anlegen.

Der frühbarocke Neubau des Schlosses erfolgte in den Jahren 1662 bis 1674 nach Vorbildern der niederländischen Schlossarchitektur, wie dem Schloss Honselaarsdijk, mit Dachreitern ähnlich den heute noch auf Schloss Bensberg vorhandenen durch Johann Gregor Memhardt. Als der Kurfürst seinen gesamten Hofstaat nach Potsdam holen wollte, musste das Gebäude erweitert werden, wobei auch eine Vielzahl von Bürgerhäusern abgerissen wurde, deren Besitzer erst Jahre später eine Entschädigung erhielten.[2] Die Vierflügelanlage wurde durch das dreigeschossige Corps de Logis beherrscht, das durch einen Mittelrisaliten, in dem sich ein durch zwei Stockwerke gehender Saal befand, und zwei flankierende Pavillons gegliedert wurde. Zwischen Corps de Logis und Hauptportal war ein Ehrenhof angelegt, der von niedrigeren zweigeschossigen Flügeln umgeben war, die wiederum durch Eckpavillons akzentuiert wurden. Das Schloss wurde durch einen Graben und der Lustgarten durch eine niedrige Umfassungsmauer von der Umgebung abgeschlossen.

Als königliches Schloss der Hohenzollern

Das um 1700 entstandene Fortunaportal

Im Jahre 1688 folgte Kurfürst Friedrich III. seinem Vater. Seine Selbstkrönung zum König Friedrich I. in Preußen, 1701 in Königsberg, hatte zu Veränderungen am Schloss zur Folge. Es entstand, geschaffen von Jean de Bodt, ein neues Eingangstor, dessen Figur auf der Spitze, die Fortuna, ihm den Namen „Fortunaportal“ gab. Bereits vor der Königskrönung hatte Andreas Schlüter den großen Saal als Ruhmeshalle für den Großen Kurfürsten neu gestaltet. Das Stadtschloss wurde zum Ort rauschender Feste, pompöser Bälle und im Juli 1709 Schauplatz des „Dreikönigstreffen“ der Könige von Sachsen, Dänemark und Preußen.[2]

Im Jahr 1713 bestieg Friedrich Wilhelm I. den preußischen Thron. Er verfolgte ein Sparprogramm, verkaufte oder verpachtete 18 seiner 24 geerbten Schlösser. Unter anderen behielt er die in Berlin und Potsdam. Das Potsdamer Stadtschloss machte er nach der Verschenkung eines Teils des kostbaren Inventars zu seinem Hauptwohnsitz.[3] Fortan galt sein Interesse jedoch nicht dem Schloss sondern der noch wenig entwickelten Stadt Potsdam, die er zur Garnison- und Residenzstadt ausbaute. Während er neben neuen Wohnquartieren die Garnisonkirche und die Heiliggeistkirche errichtete, begnügte er sich am Schloss mit kleinen Reparaturen. Schließlich hatte der König es nur als Wohnstätte seiner Familie angesehen und sich gegen jegliche Repräsentationsform ausgesprochen.

Umbau zur Residenz Friedrichs II.

Im Jahr 1740 wurde Friedrich II. König in Preußen. In seinen ersten Regierungsjahren bewohnte er im Schloss Charlottenburg den von seinem Lieblingsarchitekten Knobelsdorff errichteten Flügel. Ab 1743 bezog er im Potsdamer Stadtschloss eine Wohnung. Etwa 1744 entschied sich Friedrich mit der Anlage des Sommerschlösschens Sanssouci für Potsdam als Dauerwohnsitz. Nach Ausbesserungsarbeiten an der Fassade war er unzufrieden mit dem Gesamtbild des Stadtschlosses, das nun Winterresidenz werden sollte, und engagierte Knobelsdorff für eine durchgreifende Umgestaltung. Sie begann 1744 mit dem Bau eines vorgezogenen Treppenhauses im Innenhof, Aufstockungen der Flügel, dem Einbau eines zweistöckigen Theaters im östlichen und von Gästewohnungen anstelle der beseitigten Schlosskapelle im westlichen Kopfbau, setzte sich mit der Neuanlage des Lustgartens und der Ringerkolonnade fort und sollte in Fassadenarbeiten münden. In dieser Zeit wurde der Zweite Schlesische Krieg gewonnen. Friedrich II. drängte nun stärker darauf, eigene Vorstellungen umzusetzen. Unter seiner „intensiven Mitsprache“ beendete Knobelsdorff die Arbeiten bis 1751.[4] Das Schloss konnte, wie auch das Berliner Schloss und später das Neue Palais während der Abwesenheit Friedrichs von Besuchern unter Aufsicht eines Kastellans besichtigt werden.[4]

Fotografie des Stadtschlosses von 1928, im Hintergrund die Kuppel der Nikolaikirche

Friedrichs seit 1786 regierender Nachfolger Friedrich Wilhelm II. konnte sich mit dem Gebäude nicht anfreunden. Schnell gab er seine Wohnung in der Nordwestecke des Schlosses an seine Söhne Friedrich Wilhelm und Ludwig weiter. Als König bewohnte er das nach eigener Vorstellung gebaute Marmorpalais im Neuen Garten. Auch nach der Heirat mit der Prinzessin Luise von Mecklenburg-Strelitz verblieb die Wohnung bei dem Kronprinzen, der als König Friedrich Wilhelm III. ab 1799 verschlichtende Umbauten durchführen ließ. Zwischen farbigen Wandbespannungen und in kleinen Nischen eingebauten Öfen hielt sich das Paar bis zum Tode Luises 1810 dort gerne auf.

Sein Sohn und Nachfolger Friedrich Wilhelm IV. bewohnte während seiner Regierungszeit von 1840 bis 1861 ebenfalls das Stadtschloss. Seine Ideen zur Umgestaltung, insbesondere der Fassade zum Lustgarten, kamen aber infolge seiner Erkrankung nicht zur Ausführung. Unter seinen Nachfolgern diente das Stadtschloss dem Hof nur noch zu repräsentativen Zwecken. Der Sommerwohnsitz Wilhelms I. war das Schloss Babelsberg und Wilhelm II. residierte im Neuen Palais. Das Stadtschloss stand um 1900 gegen ein Eintrittsgeld von 10 Pfennig zur Besichtigung offen.[5] Aus Respekt vor Friedrich II. und der Königin Luise wurden deren Wohnräume und die Prunkräume weitgehend unverändert gezeigt.

Vom Ende der Monarchie bis zur Zerstörung

Frühjahrsparade vor Kaiser Wilhelm II. am 31. Mai 1910 vor dem Stadtschloss in Potsdam
Das unzerstörte Schloss mit der Ringerkolonnade, hinten die Nikolaikirche
Die Ruine des Schlosses nach 1945, hinten die Nikolaikirche

Nach der Abdankung Wilhelms II. hatte das Stadtschloss mit der Auflösung des Hofes seinen Zweck verloren. Es ging in Staatsbesitz über. Als neue Nutzer waren das Arbeitsamt, die Stadtverwaltung und der Magistrat für seine Sitzungen eingezogen. Des Weiteren wurden Räume an Künstler, Biographen oder an den Potsdamer Kunstverein vergeben. Trotz einer Aufwertung durch die Wiederherstellung der Räume der Königin Luise 1932 und dem in unmittelbarer Nachbarschaft 1922 im Marstall eingerichteten Potsdamer Garnisonmuseum stand das Stadtschloss in seiner Bedeutung für den Potsdam-Tourismus weit hinter Sanssouci zurück.

Der Gelbe Salon, Wohnraum Königin Luises, wurde 1932 rekonstruiert und 1945 zerstört.

Kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs zerstörte am 14. April 1945 der Luftangriff auf Potsdam die Potsdamer Innenstadt. Dabei brannten das Stadtschloss sowie weite Teile seiner näheren Umgebung bis auf die Außenmauern nieder. Bedeutende Teile der überaus kostbaren beweglichen Innenausstattung des Schlosses waren zuvor ausgelagert worden. Durch den Brand gingen die wandfesten Raumausstattungen bis auf geringe Reste im Marmorsaal und im Treppenhaus unwiederbringlich verloren.[6] Dagegen war die Bausubstanz des Schlosses einschließlich der Bauplastik bis auf eine Schneise durch den Westflügel zum überwiegenden Teil erhalten geblieben. Nach dem Baugutachten des Potsdamer Amts für Denkmalpflege waren 83 Prozent der verbliebenen Mauern tragfähig.[7]

Marstall des Stadtschlosses

Nach jahrelangen Auseinandersetzungen zwischen Kulturpolitikern, Architekten, Stadtplanern und Denkmalpflegern einerseits und der Bezirksleitung der herrschenden Staatspartei SED andererseits, beschloss das Politbüro der SED im Mai 1959 den Abriss der Ruine, um an ihrer Stelle Platz für ein Karl-Liebknecht-Forum zu schaffen.[8] Von Januar bis April 1960 erfolgte ungeachtet einer Protestwelle aus der Bevölkerung, von Architekten, Kulturschaffenden und Künstlern aus Ost und West die systematische Sprengung und Abräumung des Stadtschlosses. Die Trümmer wurden zu großen Teilen zur Aufschüttung des nahegelegenen Lustgartens benutzt. Um die Erinnerung an das Stadtschloss auszulöschen, wurde nach dem Abriss die Umgebung des Stadtschlosses mit mehrspurigen Straßen überbaut und an Stelle des Stadtschlosses eine große Straßengabelung errichtet. Hierdurch verlor auch der im Nordosten des ehemaligen Schlosses gelegene Alte Markt stark an Bedeutung. Das einzige Gebäude in der näheren Umgebung, welches Bombenangriffe und Sprengungen mehr oder minder unbeschädigt überstanden hatte, ist der ehemalige Marstall. Auch dieser sollte ursprünglich gesprengt werden, blieb jedoch aufgrund geänderter Stadtplanung erhalten.

Ein Teil der Ringerkolonnade, die ursprünglich den Marstall mit dem Westflügel des Schlosses verband, wurde zusammen mit den vor der Sprengung geborgenen Giebel der Kopfbauten zum Alten Markt an das nahe Havelufer versetzt. Die erhaltenen Attikafiguren wurden auf den Dachgesimsen des Hauptgebäudes der Humboldt-Universität zu Berlin und des wiedererrichteten Alten Rathauses aufgestellt, Möbel und andere Einrichtungsstücke des Stadtschlosses werden im Schloss Charlottenburg und im Neuen Palais gezeigt.

Als eines der letzten Renommierprojekte der DDR wurde auf dem Areal des ehemaligen Stadtschlosses noch Ende der achtziger Jahre mit einem großen Theaterneubau begonnen. Nach der Wende 1989/1990 regte sich jedoch gegen diesen Bau zunehmend Widerstand. Zunächst wurden Bedenken laut, dass durch den Theaterneubau der Blick auf die Nikolaikirche versperrt werden könnte. Eigentlicher Grund des 1991 erfolgten Abrisses des noch im Rohbau befindlichen Theaters war jedoch, dass der Theaterneubau am Alten Markt als eines der letzten Großprojekte des SED-Regimes bei Bevölkerung und Politik zunehmend unbeliebt geworden war und man sich die Möglichkeit eines Wiederaufbaus des Areals nach historischem Vorbild nicht versperren wollte.

Wiederaufbau

Archäologische Grabungen im Vorfeld des Wiederaufbaus

Anstöße zum Wiederaufbau

3D-Visualisierung Alter Markt mit Stadtschloss, Palast Barberini und Altem Rathaus (Andreas Hummel, 2013)

Als mit dem Abriss des Theaterneubaus[9] im Jahr 1991 das Areal des Stadtschlosses wieder zu einer freien Rasenfläche wurde, begannen jahrelange Diskussionen um eine Wiederbelebung der Potsdamer Mitte. Nach den Erfahrungen der DDR-Zeit mehrten sich die Stimmen, die einen Wiederaufbau des Stadtschlosses befürworteten. Für sie kam als einzige Lösung in Betracht, die große Lücke im Stadtbild zwischen dem Alten Markt, der Langen Brücke und der Breiten Straße wieder angemessen zu schließen. Seit 1997 wurden die noch erhaltenen, 1960 geborgenen Architekturteile aus Sandstein (Säulen- und Pilasterstücke, Gesimse), von deren Zusammenhang sich die Kenntnis über die Jahre verloren hatte, nach archäologischen Methoden untersucht, vermessen und zeichnerisch wieder in ihren Zusammenhang gebracht. Es wurde gezeigt, dass insbesondere die Architektur der Kopfbauten zum Alten Markt noch weitgehend vorhanden ist, dass zudem die erhaltenen Stücke exemplarisch für die Fassaden nahezu des gesamten Schlosses stehen und damit eine gute Basis für die Rekonstruktion der ganzen Fassadengliederung bieten würden.[10] Es mangelte jedoch zunächst an einem tragfähigen Konzept sowohl für die Nutzung, als auch für die Finanzierung des Gebäudes. Auch der Umgang mit der großen Straßenkreuzung vor dem Hotel Mercure bereitete Probleme. Da sie auf einem Teil des Schlosskomplexes errichtet worden war, musste man zunächst daran denken, sie zu verlegen, ehe mit einer vollständigen Rekonstruktion begonnen werden konnte. Bis zum Ende der neunziger Jahre kam es somit zwar zu einem Bekenntnis zum Stadtschloss und ersten ernsthaften Planungen; konkrete Maßnahmen zu dessen Wiederaufbau erfolgten jedoch noch nicht.

Den Stein ins Rollen brachte die Bundesgartenschau 2001 in Potsdam. Maßgeblichen Anteil daran hatten der Potsdamer Günther Jauch sowie weitere Sponsoren, die durch ihre Spenden das Fortunaportal originalgetreu wiederherstellen ließen. Das 2002 fertiggestellte Portal stellte eine wichtige Marke auf dem Weg zur kompletten Rekonstruktion des Stadtschlosses dar – das erste sichtbare Zeichen, dass die Wiederaufbaupläne nicht unrealistisch waren.

Nun reiften weitere Ideen zur Nutzung des Stadtschlosses heran. Der mit ins Spiel gebrachte Vorschlag, den brandenburgischen Landtag hier anzusiedeln, wurde fortan immer wieder diskutiert und dabei deutlich befürwortet. Vorrangig stellte sich die Frage, ob der Landtag sein derzeit genutztes Gebäude auf dem Brauhausberg sanieren, oder aber in einen Neubau investieren und dorthin umziehen sollte. Der Fokus lag zunächst auf einem Neubau am Havelufer der Potsdamer Speicherstadt; nur wenig deutete auf den Alten Markt als neuen Landtagssitz hin. Unabhängig davon ließ die Stadt Potsdam, in der Hoffnung, auf Relikte aus der Gründungszeit der Stadt zu stoßen, den Grundriss des Schlosses erstmals seit dessen Abriss 1960 in archäologischen Grabungen systematisch untersuchen. Dies leistete einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis der Stadtgeschichte.

Entscheidung zum Wiederaufbau, Kontroversen in der Stadtpolitik

In den kommenden Jahren wuchs der Druck im Landtag, zu einer Entscheidung bezüglich der Sanierung des maroden Gebäudes auf dem Brauhausberg zu kommen, oder den Landtag in die Potsdamer Stadtmitte zu verlegen. Am 20. Mai 2005 fiel schließlich die Entscheidung: Bis 2011 soll ein neuer Landtag in den Um- und Aufrissen des historischen Potsdamer Stadtschlosses errichtet werden. Die Stadt Potsdam erhält die Aufgabe, die nötigen Vorarbeiten durchzuführen und das Grundstück anschließend an das Land zu verkaufen. Über die Gestaltung des Gebäudes herrschte zunächst Unklarheit, lediglich ein Kostenrahmen von 80 Millionen Euro sollte eingehalten werden.

Augenblick vor dem ersten Spatenstich
Baustelle im März 2010

Als sich bei den Vorplanungen abzeichnete, dass das Land nur geringes Interesse an einer Wiederherstellung der historischen Form des Stadtschlosses (u.a. der Einhaltung des alten Grundrisses und der Fassaden) zeigte, drohte das Wiederaufbauprojekt zu scheitern. Auch das Potsdamer Stadtparlament hatte Probleme, zu klaren Entscheidungen bezüglich des Stadtschlosses zu kommen, da keine Koalitionsbindung zwischen den Parteien vorlag und mit wechselnde Mehrheiten gearbeitet werden musste. Die Abstimmung über die Auslegung des ersten Bebauungsplanes geriet zur Farce und scheiterte in zwei Anläufen. Sogar der bereits beschlossene Standort des neuen Landtages, der Alte Markt, wurde wieder in Frage gestellt. Als Ausweg zog man eine Bürgerbefragung in Betracht, die im November 2006 durchgeführt wurde.[11] Ein Stimmungsbild sollte eingeholt werden, welcher der vorgeschlagenen drei Standorte der Richtige für den neuen Landtag sei. Weitere Meinungen (Nennung anderer Standorte) wurden zugelassen, spielten aber keine bedeutende Rolle. Eine relative Mehrheit (42,8 % gegenüber 28,5 % für den zweitplazierten Vorschlag, 46,1 % der berechtigten Bürger beteiligten sich[12]) der Befragten sprach sich für den Standort Alter Markt aus. Die Stadtpolitiker fühlten sich in ihrer Position bestärkt und beschlossen im dritten Anlauf den Bebauungsplan. Die Position der Stadt stand nun fest: Das Stadtschloss, in der Stadtmitte am Alten Markt, als zukünftiger Brandenburger Landtag, soll kommen. Damit konnten die Planungen zum Wiederaufbau in eine neue Phase eintreten. Mit dem Land Brandenburg musste nun weiter über die Finanzierung und die Gestaltung des Baus verhandelt werden.

Neubau mit historischer Fassade

Teile der originalen Fassade des Stadtschlosses 2008
Neu errichtete Teilfassade Januar 2011
Neuer Plenarsaal des Brandenburger Landtags im Stadtschloss Potsdam

Für den beschlossenen Neubau des Landtages nach Plänen von Peter Kulka hatte das Land Brandenburg zwar die Zuschüsse auf 110 Millionen Euro erhöht, die Gestaltung der Fassade und deren Finanzierung blieb jedoch weiterhin offen. Eine neu gegründete Bürgerinitiative kämpfte für die Wiederherstellung einer historischen Außenfassade am neuen Landtag, trotz der höheren Baukosten.[13] Dies beeindruckte Hasso Plattner, den Gründer der Hasso-Plattner-Stiftung derart, dass er sich entschied, für diesen Zweck 20 Millionen Euro zu spenden. Damit wurde dem Wunsch vieler Potsdamer Bürger entsprochen und eine moderne Fassade verhindert. Bei der Rekonstruktion der Fassade sollen auch ca. 600 Fragmente der Originalsubstanz – zum Teil große Originalskulpturen – die von der Sprengung verschont geblieben waren - wieder integriert worden sein. Bemerkenswert ist hierbei auch der Wiederaufbau der fast vollständig erhaltenen Marktfassaden des westlichen und östlichen Seitenflügels sowie des historischen Treppenhauses im Südflügel. Von den ehemals 76 Attikaskulpturen blieben 17 als Figuren erhalten, von weiteren 18 Skulpturen gibt es Fragmente. Einige der Skulpturen standen in der Zwischenzeit auf dem Hauptgebäude der Humboldt-Universität zu Berlin.[14] Im Inneren ist das Bauwerk jedoch weitestgehend funktional den Bedürfnissen als Parlamentsgebäude des Brandenburgischen Landtags mit Arbeitsplätzen für 150 Abgeordnete umgesetzt worden.[15]

Der erste Spatenstich zum Neubau erfolgte am 25. März 2010 unter anderen durch Ministerpräsident Matthias Platzeck und Oberbürgermeister Jann Jakobs, die Grundsteinlegung für des „Neue Stadtschloss“ folgte am 16. Februar 2011 – neben Ministerpräsident und Oberbürgermeister, diesmal auch im Beisein von Großspender Hasso Plattner, der im November 2011 mit einer Spende das originalgetreue Kupferdach, statt eines bis dahin geplanten Zinkdaches ermöglichte.[16] Am 24. November 2011 wurde Richtfest gefeiert, die Eröffnung erfolgte am 21. Januar 2014 mit einer parlamentarischen Feierstunde, nachdem am vorangegangenen Wochenende der Landtagsneubau von rd. 22.000 Besuchern besichtigt worden war.[17]

An der Westfassade des Neubaus ist der Schriftzug „Ceci n’est pas un château.“ angebracht, offenbar eine Referenz auf das Gemälde La trahison des images des belgischen Malers René Magritte und ein Hinweis auf die vom Originalbau verschiedene Funktion des neuen Bauwerks als Parlamentsgebäude.

Architektur

Das Potsdamer Stadtschloss, gesehen in seiner ganzen Ausdehnung, um 1750

Das Stadtschloss erstreckte sich auf einer Fläche zwischen dem Alten Markt und dem Lustgarten und war das flächenmäßig größte Gebäude der Stadt Potsdam. Die Lage zwischen dem Stadtkern im Norden und der Havel im Süden machte es aus allen Richtungen zu einem markanten Gebäude, das zudem einen wichtigen Orientierungspunkt innerhalb der Stadt darstellte. Als Anfang des 18. Jahrhunderts unter Friedrich Wilhelm I. mehrere Stadterweiterungen vorgenommen wurden, die sich durch ihre markante Schachbrettform auszeichneten, stellte das Schloss ein Novum dar. Es ragte schräg in die Stadt hinein, womit seine Bedeutung als Schnittpunkt der Straßenachsen noch einmal eindrucksvoll unterstrichen wurde. Durch das Zusammenspiel mit den Gebäuden am Alten Markt war zudem einer der schönsten Plätze Europas entstanden.

Durch die erhebliche Ausstrahlung, die das Stadtschloss auf die Stadt ausübte, nicht zuletzt durch die Umbauten Friedrichs II. zu seiner Residenz, galt dessen Verlust für die Stadt als sehr schmerzhaft.

Marstall

Vogelperspektive auf den Marstall, der bis nach dem Krieg durch die Ringerkolonnade mit dem Schloss (unten rechts) verbunden war
Reste der Ringerkolonnade, die ursprünglich den Marstall mit dem Schloss verband

Zum Schloss-Ensemble gehört auch der Marstall, in dem seit 1981 das Filmmuseum Potsdam untergebracht ist. Er wurde 1685 nach Plänen von Johann Arnold Nering im historischen Zentrum von Potsdam als Orangerie des damaligen Stadtschlosses, westlich davon errichtet und ist das älteste erhaltene Bauwerk der Stadt. Aus der Orangerie wurde 1714 der königliche Reitpferdestall, als König Friedrich Wilhelm I. den westlichen Teil des Lustgartens zu einem Exerzierplatz umwandelte. Der Bau bekam seine heutige Gestalt 1746 durch den Baumeister Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, der ihn erweiterte und mit Reiterfiguren des Bildhauers Friedrich Christian Glume schmückte. 1922 wurde der vom Hof nicht mehr genutzte Marstall in das Garnisonmuseum umgewandelt.[18]

Ringerkolonnade

Der Marstall war ursprünglich durch die "Ringerkolonnade" mit dem Stadtschloss verbunden. Diese 1746 nach einem Entwurf von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff errichtete Kolonnade bestand aus ursprünglich 14 Säulenpaaren, die als transparenter und für Fußgänger durchlässiger Raumteiler eine Abgrenzung des Lustgartenareals darstellten. Ihren Namen erhielt die Kolonnade durch die von berühmten Potsdamer Bildhauern geschaffenen Skulpturen von insgesamt 8 Ringer- und Fechtergruppen zwischen den Säulenpaaren. Die Ringerkolonnade ist auf ungefähr der Hälfte Ihrer Länge am 14. April 1945 beim britischen Bombenangriff auf Potsdam zerstört worden. Der erhaltene Teil wurde nach dem Abriss der Stadtschlossruine einige hundert Meter vom ursprünglichen Standort entfernt in die Nähe des heutigen Mercure-Hotels versetzt und steht heute am Rande des Neuen Lustgartens neben dem Neptunbecken in der Nähe der Anlegestelle der Weißen Flotte. Dieser aufgestellte und inzwischen stark restaurierungsbedürftige restliche Teil besteht aus 6 Säulenpaaren und 4 Ringer- bzw. Fechtergruppen. Über seine notwendige Restaurierung und anschließende Rückführung an den originalen Standort nach dem nun fertig gestellten Landtagsneubau in Gestalt des ehemaligen Stadtschlosses wird noch diskutiert. Eine Wiedererstehung der Ringerkolonnade in Ihrer vollen Länge am Originalstandort ist jedoch durch die heutige Straßenbahntrasse, die zwischen Marstall und Landtagsgebäude verläuft, nicht möglich.

Versenken der Zeitkapsel bei der Grundsteinlegung vom Potsdamer Stadtschloss

Literatur

  • Hans-Joachim Giersberg: Das Potsdamer Stadtschloss. Potsdamer Verlagsbuchhandlung, Potsdam 1998, ISBN 3-910196-01-2
  • Hans Huth: Das Stadtschloss in Potsdam. Berlin 1933
  • Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Landeshauptstadt Potsdam (Hrsg.): Minervas Mythos – Fragmente und Dokumente des Potsdamer Stadtschlosses. Berlin 2001
  • Verein Potsdamer Stadtschloss e.V. (Hrsg.): Die Sandsteinfiguren des Potsdamer Stadtschlosses. Potsdam 2009

DVD

  • Aviv Pictures: Das Potsdamer Stadtschloss. Dokumentarfilm, Regie: Dr. Joachim Castan, Margarete Kreuzer. Produzent: Michel Morales, Co-Produktion RBB und Aviv Pictures, Berlin-München 2010

Weblinks

Commons: Stadtschloss Potsdam – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Hans-Joachim Giersberg, Hartmut Knitter: Aus der Geschichte Potsdams. In: Potsdam Atlas, VEB Tourist Verlag (1978). S. 9
  2. a b c Elke Kimmel, Ronald Oestereich: Potsdam im Dreißigjährigen Krieg und als Residenz der Hohenzollern. In: Potsdam Eine kurze Stadtgeschichte. S. 19, 20, 24
  3. Hans-Joachim Giersberg: Die Zeit des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. In: Das Potsdamer Stadtschloss. S. 51
  4. a b Hans-Joachim Giersberg: Die Residenz Friedrich des Großen In: Das Potsdamer Stadtschloss. S. 62. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „by Hans-Joachim Giersberg“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  5. E. Albrecht: Wanderbuch für die Mark Brandenburg und angrenzende Gebiete. Erster Teil. Nähere Umgegend Berlins (= Kiesslings Reisebücher). Kiessling Verlag, Berlin 1901, S. 115f.
  6. Hierzu und unten zum Verbleib der Reste siehe Götz Eckardt (Hrsg): Schicksale deutscher Baudenkmale im zweiten Weltkrieg. Eine Dokumentation der Schäden und Totalverluste auf dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik. Band 1. Berlin – Hauptstadt der DDR, Bezirke Rostock, Schwerin, Neubrandenburg, Potsdam, Frankfurt/ Oder, Cottbus, Magdeburg, Henschel, Berlin 1980, S. 150–154
  7. Hans Berg: Die verlorene Potsdamer Mitte. Eigenverlag Hans Berg, Berlin 1999, S. 7
  8. Eine Übersicht mit Nachweisen dazu bei Hans Berg: Die verlorene Potsdamer Mitte. Eigenverlag Hans Berg, Berlin 1999, S. 6–13. Ein verkleinertes Liebknecht-Forum ist erst in den 1980er Jahren im Lustgarten realisiert worden.
  9. Internetseite des Hans-Otto-Theater Potsdam, unter dem Punkt Theater/Historie wird über dieses Ereignis berichtet [1]
  10. Daniel Rahn: Die erhaltenen Werkstücke des Potsdamer Stadtschlosses, in: Museumsjournal Berlin, Oktober 1999, S. 4-7. Ders.: Aus 400 Teilen kann das Schloss wachsen, in: Die Welt vom 1. April 2000.
  11. Bürgerbefragung verfassungswidrig?
  12. Ergebnisse der Bürgerbefragung vom 16. bis 31. Dezember 2006
  13. Internetseite der Initiative „Mitteschön!“, die sich für einen Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschloss mit historischen Fassaden einsetzt [2]
  14. Katalog zur Restaurierung und Wiederverwendung des Skulpturenschmuckes des ehemaligen Potsdamer Stadtschlosses, August 2007 (pdf; 3,5 MB)
  15. Potsdamer Stadtschloss an Landtag übergeben, 10. Oktober 2013
  16. Guido Berg, Thorsten Metzner und Peer Straube: Die Krönung für das Schloss
  17. http://www.landtag.brandenburg.de/de/aktuelles/landtagsneubau/510287 Landtag Brandenburg: Landtagsneubau mit Festakt feierlich eingeweiht; abgerufen am 22. Januar 2014
  18. Helmut Caspar: Fürsten, Helden, große Geister, Denkmalgeschichten aus der Mark Brandenburg, Berlin Edition 2004, S.79-80

Koordinaten: 52° 23′ 41″ N, 13° 3′ 38″ O