Schiffskatalog
Der Schiffskatalog (Vorlage:ELSalt, neōn katalogos) im 2. Gesang der Ilias von Homer beschreibt die zur Eroberung Trojas versammelten Truppen der Griechen (Achaier) mit jeweils der Anzahl der Schiffe, den Namen der Anführer und den Herkunftsorten der Krieger in Form einer Liste.
Quelle
Überliefert ist dieser Katalog nur im Epos Ilias des Dichters Homer im 2. Gesang in den Versen 494 bis 759, die als älteste erhaltene europäische Dichtung im 8. Jahrhundert v. Chr. entstanden ist.
Weitere Schiffskataloge zum Trojanischen Krieg mit teilweise leicht abweichenden Angaben finden sich in der Bibliotheke des Apollodor (Epitome III,11-14), bei Hyginus Mythographus (97. Kap.), bei Dictys Cretensis (I,17) und bei Dares Phrygius (14. Kap.).
Inhalt des Kataloges
Landschaft | Verse | Schiffe | Krieger | Anführer | Orte |
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Böotien | 494–510 | 50 | je 120 | Peneleos, Leïtos, Arkesilaos, Klonios, Prothoënor | Hyrie, Aulis, Schoinos, Skolos, Eteonos, Thespaia, Graia, Mykalessos, Harma, Eilesion, Erythrai, Eleon, Peteon, Hyle, Okalea, Medeon, Kopai, Eutresis, Thisbe, Koroneia, Haliartos, Plataiai, Glisas, Hypothebai, Onchestos, Arne, Mideia, Nisas, Anthedon |
Nordwestliches (minysches) Böotien | 511–516 | 30 | Askalaphos, Ialmenos | Orchomenos, Aspledon | |
Phokis | 517–526 | 40 | Schedios, Epistrophos | Kyparissos, Python, Krissa, Paopeos, Daulis, Anemoreia, Hyampolis, Lilaia | |
Lokris | 527–535 | 40 | Ajax (der Lokrer) | Kynos, Kalliaros, Opus, Bessa, Skarphe, Augeiai, Thronion, Tarphe | |
Abanter | 536–545 | 40 | Elephenor | Euboia, Chalkis, Eretria, Histiaias, Kerinthos, Dion, Karystos, Styra | |
Athen | 546–556 | 50 | Menestheus | ||
Salamis | 557–558 | 12 | Aiax | ||
Argolis | 559–568 | 80 | Diomedes, Sthenelos, Euryalos | Argos, Tiryns, Asine, Hermione, Troizen, Eïónes, Epidauros, Aigina, Mases | |
Westliche Argolis, Korinthia | 569–580 | 100 | Agamemnon | Mykene, Korinth, Kleonai, Orneia, Araithyreas, Sikyon, Hyperesia, Gonoëssa, Pellene, Aigion, Helike | |
Lakedaimon | 581–590 | 60 | Menelaos | Pharis, Sparta, Messene, Briseiai, Augeiai, Amyklai, Helos, Laas, Oitylos | |
Messenien, Triphylien | 591–602 | 90 | Nestor | Pylos, Arene, Thryos, Aipy, Kyparisseeis, Amphigeneia, Pteleos, Helos, Dorion | |
Arkadien | 603–614 | 60 | Agapenor | Pheneos, Orchomenos, Ripe, Stratie, Enispe, Tegea, Mantinea, Stymphalos, Parrhasia | |
Elis | 615–624 | 40[1] | Amphimachos, Thalpios, Diores, Polyxeinos | Buprasion, Elis, Hyrmine, Myrsinos, Olenion, Alision | |
Ionische Inseln | 625–630 | 40 | Meges | Dulichion, Echinen (wahrscheinlich die Echinaden) | |
Ionische Inseln | 631–637 | 12 | Odysseus | Ithaka, Kefalonia, Neritos, Krokyleia, Aigilips, Zakynthos, Same | |
Aitolien | 638–644 | 40 | Thoas | Pleuron, Olenos, Pylene, Chalkis, Kalydon | |
Kreta | 645–652 | 80 | Idomeneus, Meriones | Knossos, Gortyn, Lyktos, Milet, Lykastos, Phaistos, Rhytion | |
Rhodos | 653–670 | 9 | Tlepolemos | Lindos, Ialysos, Kamiros | |
Syme | 671–675 | 3 | Nireus | ||
Kos | 676–680 | 30 | Pheidippos, Antiphos | Nisyros, Karpathos, Kasos, Kos, Kalydnai | |
pelasgisches Argos | 681–694 | 50 | Achilleus | Alos, Alope, Trachis, Phthia, Hellas | |
Phylake | 695–710 | 40 | Protesilaos,[2] Podarkes | Phylake, Pyrasos, Iton, Antron, Pteleos | |
Pherai und Iolkos | 711–715 | 11 | Eumelos | Pherai, Boibe, Glaphyrai, Jolkos | |
Methone (Thessalien) | 716–728 | 7 | je 50 | Philoktetes | Methone, Thaumakia, Meliboia, Olizon |
Trikka | 729–733 | 30 | Podaleirios, Machaon | Trikka, Ithome, Oichalia | |
Tymphaia | 734–737 | 40 | Eurypylos | Ormenion, Hypereia, Asterion, Titanos | |
Perrhaibia | 738–747 | 40 | Polypoites | Argissa, Gyrtone, Orthe, Elone, Oloosson | |
Enienen, Peraebi | 748–755 | 22 | Guneus | Kyphos, Ainiena, Gonos, Dodona (Thessalien), am Fluss Titaresios | |
Magnesia | 756–759 | 40 | Prothoos | am Peneiosfluß, am Pelion |
Homer gibt also eine Streitmacht von 1.186 Schiffen an. Zweimal nennt er mit 120 und 50 Mann die Stärke der Besatzung, so dass man unter Berücksichtigung von größeren und kleineren Schiffen bei im Durchschnitt angenommenen 80 Kriegern je Schiff auf die doch sehr erhebliche Zahl von 94.880 Kriegern käme.
Realität der überlieferten Orte
In seiner geordneten, fast bürokratischen Form macht der Schiffskatalog den Eindruck einer überlieferten Liste. Wenn allerdings ein Ereignis (der Krieg gegen Troja – angenommen ca. 1200 v. Chr) etwa 400 oder mehr Jahre später (ca. 750 v. Chr) beschrieben wird, so muss diese Liste lange Zeit (mündlich oder auch schriftlich (?)) tradiert sein. Der Katalog der Ortsnamen weist auf die mykenische Zeit hin.[3] Er umfasst nur Gebiete vor der Ausbreitung der Griechen ab dem 10. und 9. Jahrhundert v. Chr. Die Inseln im Ägäischen Meer sind nicht vertreten mit Ausnahme des Südostens.
Nicht Mykene, sondern Theben ist an erster Stelle des Kataloges genannt, obwohl Agamemnon von Mykene Anführer der griechischen Streitmacht war. Auch der Abfahrtshafen Aulis liegt auf thebanischem Gebiet. Dies lässt spekulativ eine frühere Hegemonie Thebens (im Mythos und möglicherweise in der Realität) durchscheinen, die auch nach dem Mythos erst in jüngerer Zeit durch Argos bzw. Mykene abgelöst wurde (siehe auch Sieben gegen Theben). Näheres hierzu wird unter Achijawa dargestellt.
Auffällig ist, dass bei Athen keine zusätzlichen Orte genannt werden. Im Schiffskatalog genannt zu sein brachte sicherlich auch in späterer Zeit einer Polis Prestige, so dass auch in schriftloser Zeit gegenseitige gesellschaftliche Kontrolle gegenüber Veränderungen dieses Kataloges durch nicht so mächtige griechische Staaten anzunehmen ist. Ob aber die Athener zu ihren Gunsten korrigiert haben, kann naturgemäß nicht mehr verifiziert werden.
Fehler bei der Zuordnung bekannter Orte sind Homer nicht nachzuweisen. Allerdings waren bereits in klassischer Zeit einige Orte inzwischen nicht mehr besiedelt und schon den damaligen Interpreten Homers unbekannt. Dieses Indiz spricht zusätzlich für eine mykenische Überlieferung der Liste.
Realität des Trojanischen Krieges
Der Krieg gegen Troja nimmt in der griechischen Mythologie einen breiten Raum ein. Für die Griechen des Altertums war der Krieg gegen Troja ohne Zweifel ein historisches Ereignis.[4] Der Gelehrte Eratosthenes von Kyrene berechnete die Eroberung Trojas auf 1184 v. Chr. und ordnete ihn so in den zeitlichen Rahmen der griechischen Frühgeschichte zwischen Mythos und belegter Geschichte ein.
Literatur
- Edzard Visser: Homers Katalog der Schiffe. B. G. Teubner, Stuttgart und Leipzig 1997, ISBN 3-519-07442-7 (Online [abgerufen am 15. November 2011]).
- Birgitta Eder: Noch einmal: Der homerische Schiffskatalog. In: Christoph Ulf (Hrsg.): Der neue Streit um Troia. Eine Bilanz. C.H.Beck, München 2003, ISBN 3-406-50998-3, S. 287–308 (Online [abgerufen am 13. Mai 2015]).
Einzelnachweise
- ↑ Je 10 Schiffe jeder der 4 Anführer, Homer: Ilias, 2. Gesang, Vers 618.
- ↑ Nachdem Protesilaos als Erster am Strand von Troja getötet wurde, folgte ihm Podarkes.
- ↑ Latacz: Troja und Homer.
- ↑ Thukydides: Geschichte des Peloponnesischen Krieges I, 10.
Weblinks
- Homer: Ilias, 2. Gesang. Traum, Versuchung, Schiffskatalog. www.gottwein.de, 14. August 2003, abgerufen am 14. Mai 2015 (Deutsche Übersetzung nach Johann Heinrich Voß, bearbeitet von Egon Gottwein).