Zwinge (Sonnenstein)

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Zwinge
Landgemeinde Sonnenstein
Wappen von Zwinge
Koordinaten: 51° 33′ N, 10° 23′ OKoordinaten: 51° 33′ 10″ N, 10° 22′ 42″ O
Höhe: 181 m ü. NN
Fläche: 5,17 km²
Einwohner: 415 (31. Dez. 2010)
Bevölkerungsdichte: 80 Einwohner/km²
Eingemeindung: 1. Dezember 2011
Postleitzahl: 37345
Vorwahl: 036072
Karte
Lage von Zwinge in Sonnenstein
Ortszentrum
Ortszentrum

Zwinge ist ein Dorf im thüringischen Landkreis Eichsfeld. Es ist eines der wenigen Dörfer im Landkreis Eichsfeld, die nicht zum historischen Eichsfeld gehören. Seit dem 1. Dezember 2011 ist die vormals selbständige Gemeinde Ortsteil der Landgemeinde Sonnenstein.

Geographie

Geographische Lage

Zwinge liegt an der Grenze der Bundesländer Thüringen und Niedersachsen sowie der Landkreise Eichsfeld, Göttingen und Osterode. Der Ort befindet sich im südlichen Harzvorland, das auch als „Bucklige Welt“ bezeichnet wird.[1]

Berge

Der Ort ist von kleinen Anhöhen und Bergen umgeben: Ziegenberg (225,5 m ü. NN), Brachsgrube (302 m ü. NN), Eichberg, Oesterberg (227,6 m ü. NN) und Komsberg.

Gewässer

Zwinge befindet sich im Ellertal am Zusammenfluss der Weilroder Eller und der Geroder Eller. Die Eller nimmt kurz nach der Vereinigung ihrer Quellbäche die Schmalau westlich von Zwinge auf. Der Fluss gehört zum Flusssystem der Weser, ihr Wasser speist nacheinander die Rhume, die Leine und die Aller.

Nachbarorte

An Zwinge grenzen im Norden Silkerode, im Osten Bockelnhagen, im Südosten Weißenborn-Lüderode, im Südwesten Jützenbach und im Westen die dem Landkreis Göttingen zugehörigen Kommunen Hilkerode, Rhumspringe und Duderstadt, Stadtteil Brochthausen, und die Ortschaft Pöhlde im Landkreis Osterode am Harz.

Geschichte

Ziegelei

Zwinge wurde 1334 erstmals urkundlich erwähnt. Der Ort gehörte zum Burgbezirk der Burg Allerburg, die sich 3 km östlich der Ortslage auf dem Allerberg befindet. Als Gerichtsherren und Burgherren trat das Geschlecht der Familie Minnigerode in Erscheinung. Bedeutsam für die Entwicklung des Ortes waren auch das um 1120 gegründete und nur 5 km entfernte Kloster Gerode an der Quelle der Geroder Eller und die Stadt Duderstadt. Nach 1945 lag der Ort in unmittelbarer Nähe der innerdeutschen Grenze. Ähnlich grenznah gelegene Orte wurden von der DDR grundsätzlich aufgegeben und die Bevölkerung umgesiedelt. Zwinge verdankt sein Überleben wohl ausschließlich der dort ansässigen Ziegelei, auf deren Produkte der sozialistische Mangelstaat nicht verzichten konnte. Der Ort wurde jedoch ab 1966 vollständig abgeriegelt und konnte nur mit spezieller Genehmigung betreten werden. Nach der Wende hat das Dorf seine Bedeutung in zentraler Lage im Südharz wieder erhalten. Die einst so überlebenswichtige Ziegelei wurde allerdings stillgelegt und 2012 abgerissen, dort entstand ein kleiner Solarpark.

Für die wirtschaftlichen Grundlagen des Dorfes spielten die vorhandenen Ressourcen Wald und Wasser eine große Rolle. Untersuchungen zur Wirtschaftsgeschichte wiesen nach, dass sich im 16. Jahrhundert auf Grund des vorhandenen Waldreichtums eine Waldglashütte am Kloster Gerode befand. Für ihren Betrieb waren die angrenzenden Orte angewiesen, Brennmaterial und Pottasche anzuliefern. Ebenfalls auf das Kloster geht das in Zwinge ansässige Ziegeleigewerbe zurück. Steinbrüche und Kalkbrennöfen für die Bauten der nahen Stadt Duderstadt und andernorts lassen sich noch vielerorts in der Flur nachweisen. Mit der Wasserkraft der Eller wurden 5 Mühlen – unmittelbar vor Zwinge lag die Teichmühle – betrieben. Im holzverarbeitenden Handwerk waren Drechsler und Büttner vorherrschend. Im 19. Jahrhundert zogen viele Männer als Bauhandwerker in die entstehenden Großstädte. Als erstes Industrieunternehmen wurde 1911 im nahen Bischofferode das Kaliwerk Bismarckshall aufgebaut. Die Industrie sorgte auch für den Bau der Bahnstrecke Bleicherode Ost–Herzberg, so erhielt Zwinge einen eigenen Bahnanschluss.

Nach alten Überlieferungen gründet sich der Ort Zwinge auf eine Siedlung um 300 n. Chr. Angehörige eines germanischen Stammes, die Cherusker, ließen sich auf einem Hügel am Zusammenfluss der Ellerbäche Weilröder Eller und Geröder Eller nieder. Sie nannten ihre Niederlassung „to dem Twinge“. Aus „Twinge“ wurde später Zwinge. Auch die Bezeichnung „Dwinge“ war üblich. Vielleicht ist der Name auf eine alte Thingstätte zurückzuführen. Als ältester Name wird von Buschenrode „Twinge“ angegeben. August von Minnigerode vermutete die Entstehungszeit noch vor dem Jahr 531. Im 4. Jahrhundert verbanden sich die Cherusker mit anderen Volksstämmen zum Sachsenbund. Zur gleichen Zeit vermischten sich auch die Angeln und Warnen mit den Hermunduren, aus denen der Verband der Thüringer hervorging. Ein alter Grenzwall, der die Stammesgebiete der Alt-Sachsen und der Thüringer trennte, verlief von der Eller-Helme-Wasserscheide über Mönchberg, Weißenborn, Lüderode, Sonnenstein Ohmgebirge bis nach Hessen. Vom 8. Jahrhundert an kamen auch Franken in die Gegend von Zwinge. Reste einer bedeutenden fränkischen und frühdeutschen Burganlage wurden auf der nahen Hasenburg nachgewiesen.

Der Name Twinge weist auf eine alte Gerichtsstätte hin; mit Twing wurde in früherer Zeit ein Gerichtskreis bezeichnet. Nachrichten aus ältester Zeit über die Abhaltung eines Gerichts im Dorf sind nicht vorhanden. Erst Anfang des 17. Jahrhunderts befindet sich nördlich von Zwinge auf dem Galgenberg ein Gerichtsplatz.

Bis ins 19. Jahrhundert war Zwinge Sitz des von Minnigerodschen Gerichts Allerburg „offen als Rügegericht“. Eine alte Gerichtsordnung für das offene Gericht zu Zwinge vom Jahr 1651 ist noch vorhanden (Rassow). Im 17., 18. und bis ins 19. Jahrhundert übten die Freiherrn von Minnigerode in Zwinge die hohe und niedere Gerichtsbarkeit über ihre Untertanen aus. 1628 wurde Bastian Apel, der im Gericht Allerburg Raub verübt hatte, auf der Gerichtsstätte in der Wüstung Möncherode auf dem rechten Ufer der Schmalau hingerichtet und dort beigesetzt. Da aber der Amtmann zu Herzberg die beiden Galgen abbrechen ließ, errichteten die von Minnigerode 1648 einen neuen Galgen auf dem linken Ufer des Baches im Bezirk Zwinge.

Am 1. Dezember 2011 schloss sich die Gemeinde Zwinge mit sieben anderen Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Eichsfeld-Südharz zur Landgemeinde Sonnenstein zusammen.

Einwohnerentwicklung

Im Jahr 1572 hatte Zwinge 43 Haussitze. Multipliziert man diese Zahl mit der angenommenen durchschnittlichen Kopfzahl einer Familie in jener Zeit, also 4,65 hatte Zwinge 1572 etwa 200 Einwohner.

1905 hatte Zwinge 583 Einwohner; 1919 stieg die Einwohnerzahl auf 723. Nach der Volkszählung am 1. Dezember 1916 sank diese wieder auf 548. Dieses Auf und Ab der Bevölkerung in dem Zeitraum von 1905 bis 1916 ist auf dem Bau der Eisenbahnlinie Großbodungen-Zwinge-Herzberg zurückzuführen. Viele am Bahnbau beteiligte Arbeiter verließen den Ort nach Abschluss des Streckenbaus wieder. Im Ersten Weltkrieg wurden aus Zwinge 103 Männer zum Heeresdienst einberufen worden, von denen bis Februar 1917 10 den Tod fanden, einer wurde vermisst und drei gerieten in Gefangenschaft.

Seit 1950 ist die Einwohnerzahl infolge der Grenzbedingungen stetig rückläufig. Für das 20. Jahrhundert liegen genauere Einwohnerzahlen vor:

Entwicklung der Einwohnerzahl (31. Dezember):

  • 1994: 452
  • 1995: 457
  • 1996: 466
  • 1997: 465
  • 1998: 469
  • 1999: 462
  • 2000: 448
  • 2001: 441
  • 2002: 440
  • 2003: 451
  • 2004: 454
  • 2005: 449
  • 2006: 440
  • 2007: 433
  • 2008: 423
  • 2009: 418
  • 2010: 415
Datenquelle: Thüringer Landesamt für Statistik

Kirche

St. Jakobus (Zwinge)

Wappen

Blasonierung: „In Rot ein bis zum Schildhaupt erniedrigter goldener Wellensparren, oben von einer silbernen Waage und unten von einem silbernen Lindenblatt begleitet.“

Das Wappen der Gemeinde Zwinge zeigt in rotem Schild einen halben goldenen Wellensparren, welcher für den Zusammenfluss der Eller in der Ortslage steht. Die silberne Waage oben im Wappen als Symbol der Gerechtigkeit versinnbildlicht den Gerichtsort Zwinge und soll an die Bewahrung des Gerechtigkeitssinns in der Bevölkerung erinnern. Das silberne Lindenblatt schließlich symbolisiert die Gerichtslinde und den typischen Baumbestand der Umgebung.

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Blick von der alten Bahntrasse auf das Dorfzentrum mit der Kirche

Die Ruinen der Allerburg wurden bereits im 19. Jahrhundert zum Anziehungspunkt der Bevölkerung und auswärtiger Gäste. Die Reste der ehemaligen Grenzbauwerke und der Gleisanlagen der ehemaligen Bahnstrecke sind jetzt Teil des Naturschutzgebietes Grünes Band. Am 15. Dezember 1999 pflanzten die Landräte der benachbarten Landkreise Göttingen, Osterode und Eichsfeld am Ortsverbindungsweg Zwinge-Brochthausen eine Friedenseiche. Die beigefügte Informationstafel erinnert an die Grenzöffnung im Dezember 1989.

Wirtschaft und Infrastruktur

Die Flächen der Gemarkung werden überwiegend landwirtschaftlich (Ackerbau und Milchviehzucht) genutzt.

Ansässige Unternehmen

  • Ziegelwerk Zwinge Jacobi & Co. Die meisten Gebäude der Ziegelei wurden im Sommer 2012 abgerissen. Auf dem Gelände der Ziegelei befindet sich jetzt ein Solarpark.
  • Sommer Transporte Eichsfeld GmbH
Datenquelle: http://www.bundesfirmenregister.de/

Straßenverkehr

Durch den Ort Zwinge verläuft die L 1012 nach Worbis; die L 1013 nach Bockelnhagen mit Anschluss an die B 243 (OsterodeNordhausen). Weiterhin führt die niedersächsische L 531 nach Duderstadt.[2]

Schienenverkehr

Zwinge hatte seit 1911 einen Bahnhof an der Bahnstrecke Bleicherode Ost–Herzberg. Infolge der Kriegsereignisse und der Grenzlage wurde der Betrieb der Strecke unterbrochen und ab 1961 schrittweise eingestellt.

Politik

Bürgermeister

Die letzte ehrenamtliche Bürgermeisterin vor der Eingemeindung, Andrea Schwarze, wurde am 6. Juni 2010 wiedergewählt.[3]

Vereine

  • Zwinger Carnevals Club
  • Schützenverein Sankt Hubertus Zwinge
  • Sportgemeinschaft Grün-Weiß Zwinge
  • Freiwillige Feuerwehr Zwinge
  • Angelverein

Literatur

  • Heinrich Thürich: Die Entwicklung der Berufstätigkeit in Weißenborn-Lüderode. In: Kulturbund der DDR, Kreisleitung Worbis (Hrsg.): Eichsfelder Heimathefte. Heft 2. Heiligenstadt 1985, S. 152–160.
  • Carl Duval: „Allerburg“. In: Das Eichsfeld. (Reprint). Harro von Hirschheydt Verlag, Hannover-Dören 1979, ISBN 3-7777-0002-9, S. 378–382.
  • Wagner, Reinhardt: 850 Jahre Kloster Gerode: Festschrift, Gerode 1999

Einzelnachweise

  1. Thüringer Landesvermessungsamt TK25 – Blatt 4428 Weißenborn-Lüderode (Thüringen), Erfurt, 2006
  2. Thüringer Landesamt für Strassenbau Strassenkarte Thüringen. 1:200.000, Erfurt 2005
  3. Kommunalwahlen in Thüringen am 6. Juni 2010. Wahlen der Gemeinde- und Stadtratsmitglieder. Vorläufige Ergebnisse. Der Landeswahlleiter, abgerufen am 6. Juni 2010.

Weblinks

Commons: Zwinge (Eichsfeld) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien