Normalteiler

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Normalteiler sind im mathematischen Teilgebiet der Gruppentheorie betrachtete spezielle Untergruppen, sie heißen auch normale Untergruppen.

Ihre Bedeutung liegt vor allem darin, dass sie genau die Kerne von Gruppenhomomorphismen sind. Diese Abbildungen zwischen Gruppen ermöglichen es, einzelne Aspekte der Struktur einer Gruppe zu isolieren, um sie an der Bildgruppe in Reinform leichter studieren zu können.

Die Bezeichnung „…teiler“ bezieht sich darauf, dass sich aus einer Gruppe und jedem ihrer Normalteiler eine Faktorgruppe bilden lässt. Diese Faktorgruppen sind homomorphe Bilder von , und jedes homomorphe Bild von ist zu einer solchen Faktorgruppe isomorph.

Der französische Mathematiker Évariste Galois erkannte im 19. Jahrhundert als erster die Wichtigkeit des Konzeptes „Normalteiler“ für die Untersuchung nicht-kommutativer Gruppen. In seiner Theorie zur Lösung algebraischer Gleichungen, der so genannten Galoistheorie, ist die Existenz von Normalteilern einer Gruppe von Permutationen (Galoisgruppe) entscheidend für die Lösbarkeit der Gleichung durch Radikale.

Satz und Definition

Es sei eine Untergruppe der Gruppe . Ist ein beliebiges Element von , dann wird die Teilmenge

als linke Nebenklasse von nach dem Element von bezeichnet. Genauso erklärt man die rechte Nebenklasse von nach dem Element als

.

Für eine Untergruppe sind folgende acht Aussagen paarweise äquivalent:

  1. Für jedes gilt . (Man sagt auch: ist invariant unter der Konjugation mit .)
  2. Für jedes und jedes gilt , das heißt .
  3. Für jedes stimmt die linke mit der rechten Nebenklasse von überein: .
  4. Jede Linksnebenklasse ist auch Rechtsnebenklasse.[1]
  5. Jede Rechtsnebenklasse ist auch Linksnebenklasse.[1]
  6. Es gilt .[2]
  7. Die Menge ist eine Vereinigung von Konjugationsklassen der Gruppe .
  8. Es existiert ein Gruppenhomomorphismus aus , dessen Kern ist.

Erfüllt eine Untergruppe eine und damit jede der oben genannten Eigenschaften, so nennt man die Untergruppe normal oder einen Normalteiler, die Begriffe Normalteiler und normale Untergruppe sind gleichbedeutend. Die Notation bedeutet „ ist Normalteiler von “. Manche Autoren verwenden dafür auch und reservieren die Bezeichnung für den Fall, dass .

Beispiele

  • Jede Untergruppe einer abelschen Gruppe ist Normalteiler der Gruppe und viele Aussagen über Normalteiler sind für abelsche Gruppen trivial.
  • Jede Gruppe besitzt die sogenannten trivialen Normalteiler, nämlich die volle Gruppe selbst und die nur aus dem neutralen Element bestehende Eins-Untergruppe. Alle anderen Normalteiler heißen nicht-trivial. Es gibt Gruppen, die keine nicht-trivialen Normalteiler besitzen, diese heißen einfach. Beispiele sind die zyklischen Gruppen mit einer Primzahl oder als kleinstes nicht-kommutatives Beispiel die alternierende Gruppe A5. Siehe „Endliche einfache Gruppe“ für weitere Beispiele.
  • In der symmetrischen Gruppe S3 ist die dreielementige Untergruppe ein Normalteiler. Die drei zweielementigen Untergruppen sind keine Normalteiler.

Bemerkungen

Die Normalteilerrelation ist nicht transitiv, das heißt, aus und folgt im Allgemeinen nicht . Ein Beispiel für diese Tatsache ist die alternierende Gruppe A4, die einen zur kleinschen Vierergruppe isomorphen Normalteiler hat. Jede darin enthaltene zweielementige Untergruppe ist Normalteiler in , nicht aber in .

Eine Untergruppe ist genau dann Normalteiler in , wenn ihr Normalisator ganz ist. Eine Untergruppe ist immer Normalteiler in ihrem Normalisator.

Alle charakteristischen Untergruppen einer Gruppe sind Normalteiler der Gruppe, weil die Konjugation von Gruppenelementen ein Automorphismus ist. Die Umkehrung trifft im Allgemeinen nicht zu, so sind zum Beispiel die zweielementigen Untergruppen der kleinschen Vierergruppe normal, aber nicht charakteristisch.

Urbilder eines Normalteilers unter einem Gruppenhomomorphismus sind wieder Normalteiler. Bilder von Normalteilern sind im Allgemeinen nicht normal, wie etwa die Inklusionsabbildung einer Untergruppe, die nicht Normalteiler ist, zeigt. Die Bilder eines Normalteilers unter surjektiven Gruppenhomomorphismen sind aber wieder Normalteiler.

Eine Untergruppe von Index 2 ist immer ein Normalteiler.

Ist die Gruppe endlich, gilt: Ist eine Untergruppe und ist der Index von gleich der kleinsten Primzahl, welche die Ordnung von teilt, so ist ein Normalteiler.

Normalteiler, Gruppenhomomorphismen und Faktorgruppe

Faktorgruppe

Die Nebenklassen eines Normalteilers bilden mit dem Komplexprodukt eine Gruppe, die die Faktorgruppe von nach heißt.

Die Faktorgruppe besteht also aus den Nebenklassen von , das heißt , und das Produkt zweier Nebenklassen ist als Komplexprodukt definiert. Für einen Normalteiler von und beliebige Elemente von ist nämlich das Komplexprodukt zweier Nebenklassen wieder eine Nebenklasse, und zwar . Dies folgt aus der Gleichheit von Rechts- und Linksnebenklassen (s. o.): .

Für eine Untergruppe, die kein Normalteiler ist, ist das Komplexprodukt zweier Links- (oder Rechts-) Nebenklassen im Allgemeinen keine Links- bzw. Rechtsnebenklasse.

Kanonischer Homomorphismus

Ist ein Normalteiler, so ist die Abbildung

,

die jedes Gruppenelement auf die Nebenklasse abbildet, ein Gruppenhomomorphismus von in die Faktorgruppe . Der Homomorphismus ist surjektiv und der Kern ist gerade . Man nennt diesen Gruppenhomomorphismus den kanonischen Homomorphismus .

Kerne als Normalteiler

Der Kern eines beliebigen Gruppenhomomorphismus ist stets ein Normalteiler der abgebildeten Gruppe. Zur Verdeutlichung der Definitionen wird der Beweis hier ausgeführt. Sei

ein Gruppenhomomorphismus und
dessen Kern (mit als dem neutralen Element von ).

Dann ist für alle und

also und damit ein Normalteiler in nach Definition 2.

Zusammen mit den Überlegungen zum kanonischen Homomorphismus zeigen diese Überlegungen, dass die Normalteiler genau die Kerne von Gruppenhomomorphismen sind. Bei einer Gruppe entsprechen also Kongruenzrelationen genau den Normalteilern. Zu diesem Themenkreis siehe auch Homomorphiesatz“.

Normalteiler- und Untergruppenverband

Die Normalteiler einer Gruppe bilden ein Mengensystem, das sogar ein Hüllensystem ist. Dieses Hüllensystem ist ein vollständiger Verband, der Normalteilerverband. Hier bedeutet dies konkret:

  1. Die Schnittmenge von Normalteilern von ist ein Normalteiler,
  2. Zu jeder Teilmenge von existiert ein eindeutig bestimmter kleinster Normalteiler , der diese Menge enthält. (Diese Operation ist hier die Hüllenoperation). Spezialfälle: Der triviale Normalteiler , der nur das neutrale Element der Gruppe enthält, ist , selbst ist Normalteiler. Hieraus folgt die Vollständigkeit des Verbandes.

Wie das modulare Gesetz von Dedekind zeigt, ist der Normalteilerverband ein modularer Unterverband des Untergruppenverbandes. Letzterer ist im Allgemeinen nicht modular, siehe dazu „Modulare Gruppe (M-Gruppe)“.

Komplementäre Normalteiler und inneres direktes Produkt

Im Allgemeinen gibt es im Normalteilerverband keine Komplementärobjekte. Hat ein Normalteiler jedoch ein Komplementärobjekt , das heißt, gilt für die Normalteiler und , dann ist die Gruppe als (inneres) direktes Produkt dieser Normalteiler darstellbar: , das heißt, jedes Gruppenelement hat eine eindeutige Darstellung als Produkt von Elementen und . Umgekehrt ist jeder Faktor eines (äußeren) direkten Produktes (isomorph zu einem) Normalteiler der Produktgruppe und das Produkt aus den übrigen Faktoren ist isomorph zu einem dazu komplementären Normalteiler.

Eine Verallgemeinerung dieser Aussage: Für zwei Normalteiler, die eine triviale Schnittmenge haben, d. h. , gilt:

  • Ihre Elemente kommutieren untereinander, ohne dass natürlich einer der beiden Normalteiler kommutativ sein müsste:
  • Ihr Supremum im Verband der Normalteiler stimmt mit ihrem Komplexprodukt überein, das wiederum zu ihrem (äußeren) direkten Produkt isomorph ist:

Beide Aussagen treffen im Allgemeinen für Untergruppen, die keine Normalteiler sind, nicht zu. Zum Beispiel schneiden sich in der freien Gruppe über zwei Elementen die beiden unendlichen zyklischen Untergruppen und in der Einsgruppe. Die Gruppe (äußeres direktes Produkt) ist aber zu keiner Untergruppe von isomorph. Das Komplexprodukt ist keine Untergruppe von , da z. B. ist, aber .

Inneres semidirektes Produkt

Ist nur ein Normalteiler und eine nicht notwendig normale Untergruppe der Gruppe und schneiden sich die beiden in der Einsgruppe, gilt also , dann gilt:

  • Das Komplexprodukt ist eine (nicht notwendig normale) Untergruppe von .
  • Jedes Element ist als Produkt von Elementen und eindeutig darstellbar.
  • Natürlich ist der Normalteiler von stets normal in . Die Untergruppe ist genau dann normal in , wenn die Elemente von und untereinander kommutieren (s. o.).

In der beschriebenen Situation () bezeichnet man das Komplexprodukt als (inneres) semidirektes Produkt der Untergruppen und . Das äußere semidirekte Produkt besteht, wie in dem genannten Artikel ausgeführt, aus dem kartesischen Produkt zweier Gruppen (hier und ) zusammen mit einem Homomorphismus von in die Gruppe der Automorphismen von . Das äußere semidirekte Produkt wird dann häufig als geschrieben. Von den technischen Details interessiert in unserem Zusammenhang nur, dass durch die Rechenregel (Relation)

auf dem kartesischen Produkt eingeführt wird. Die Schreibweise bedeutet hier, der Automorphismus wird auf angewandt, es gilt hier wie im Folgenden immer . Diese Rechenregel ermöglicht es, alle Produkte (durch Durchschieben der Elemente von nach rechts) auf die Standardform zu bringen. In unserem Fall eines inneren Produkts entspricht dem die Rechenregel

,

das heißt, operiert auf durch Konjugation, ist der durch diese Konjugation definierte Automorphismus des Normalteilers . Im Sinne dieser Überlegungen ist das Komplexprodukt (hier ein inneres semidirektes Produkt) isomorph zu dem äußeren semidirekten Produkt .

Jedes direkte Produkt ist auch ein spezielles semidirektes, wie hier beschrieben ist genau dann das (innere) direkte Produkt von und , wenn eine der folgenden, paarweise äquivalenten, Bedingungen zutrifft:

  • (auch ist ein Normalteiler des Produkts).
  • (Elemente der beiden Faktorgruppen können in Produkten untereinander vertauscht werden, ohne dass sich der Wert des Produkts ändert).
  • (Konjugation mit Elementen aus lässt punktweise fest).

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. a b Gibt es nämlich zu jedem ein mit , dann ist . Also gibt es ein mit , und es ist .
  2. Zur Notation siehe Gruppentheorie#Nebenklassen.
    Das Zeichen "" in "" bedeutet Mengengleichheit (und niemals Isomorphie). Dann ist die Aussage gleichwertig zu (4.!) geschnitten mit (5.!). Tatsächlich sind 4. und 5. aber schon einzeln äquivalent zur Normalteilereigenschaft.
Wiktionary: Normalteiler – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen