Strafe

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Bestrafung)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Strafe ist eine Sanktion gegenüber einem bestimmten Verhalten, das im Regelfall vom Erzieher, Staat oder Vorgesetzten als Unrecht bzw. als (in der konkreten Situation) unangemessen qualifiziert wird. Der Begriff der Strafe wird insbesondere in der Rechtswissenschaft, jedoch auch in Theologie, Philosophie, Psychologie und vor allem in den Erziehungswissenschaften behandelt.

In der Lerntheorie wird Strafe oder Bestrafung in zweierlei Form benutzt, als positive und als negative Strafe, und bezeichnet einfach das Gegenteil von Verstärkung. Hier bedeutet positive Bestrafung, dass auf ein bestimmtes Verhalten als Kontingenz ein unangenehmer Reiz (z. B. sozialer Druck) folgt. Negative Bestrafung bedeutet, dass auf ein bestimmtes Verhalten als Kontingenz ein angenehmer Reiz (z. B. Nahrung, Belohnung) verhindert oder versagt bzw. weggenommen wird.

Die Rechtsordnung sieht für den Verstoß gegen die wichtigsten Regeln des Zusammenlebens Strafen vor. In der Regel wird Strafe heute nach der Vereinigungstheorie mit unterschiedlichen Ansätzen begründet:[1]

  • mit der Veränderung des zu Bestrafenden zum Besseren (Spezialprävention),
  • mit dem Ziel der Abschreckung potentieller anderer Straftäter Generalprävention,
  • mit dem Ziel des Schutzes anderer (z. B. der sonstigen Bevölkerung),
  • mit der Wiederherstellung der Gerechtigkeit (Sühne) und von Vergeltung (Talionsprinzip).

In der Erziehung bzw. in den entsprechenden Wissenschaften galt die Strafe seit Jahrhunderten als probates Mittel der Erziehung. Erst in den letzten Jahrzehnten werden in Erziehungskonzepten bzw. in Erziehungswissenschaften und Erziehungsinstitutionen Alternativen diskutiert, nicht zuletzt beeinflusst durch die Auswertung konkreter Befunde aus Psychologie und anderen Wissenschaften.

Rechtswissenschaft

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Strafe ist der zentrale Begriff des Strafrechts. Strafe im Sinne des Strafrechts ist nach einer vorherrschenden Definition ein Übel, das einer Person, dem „Täter“, für ihr eigenes, vergangenes, tatbestandsmäßiges, rechtswidriges und schuldhaftes Handeln (Tun oder Unterlassen) von der Gesellschaft auferlegt wird und mit dem ein sozialethischer Tadel als Unwerturteil gegenüber dieser Person verbunden ist. Die Strafe setzt sich damit von den Maßregeln der Besserung und Sicherung und von der Einziehung von Taterträgen ab, für die eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Tat ausreicht. Ebenfalls keine Strafen im juristischen Sinne sind – anders als die eigentlichen „Geldstrafen“ (s. u.) – Geldbußen bzw. Bußgelder sowie „Ordnungsstrafen“, die daher heute in der Regel als Ordnungsmittel bezeichnet werden.

Der Begriff der Strafe als eine Sanktion, durch welche die Gesellschaft dem Täter gegenüber einen sittlichen Tadel aussendet, wurde in den Häresieprozessen des Hochmittelalters entwickelt. Sie gelangte erst im 16. Jahrhundert, zur Zeit der spanischen Inquisition, über die moraltheologische Diskussion über das Kirchenrecht (Kanonistik) in das weltliche Strafrecht (Legistik) (siehe unten Geschichte).

Nach dem Grundsatz nulla poena sine lege (§1 deutsches StGB) muss jede Strafe ihre Grundlage in einem Gesetz der Legislative haben, was im Hinblick auf die Bestimmtheit gesetzlicher Normen zahlreiche Probleme aufwirft. Daher sind die Straftatbestände heute zumeist in einem eigenen Strafgesetzbuch geregelt, z. B. im deutschen Strafgesetzbuch von 1871. In Ländern des Common Law ist das Strafrecht z. T. sehr viel verstreuter geregelt. Aber auch in Deutschland findet sich sog. Nebenstrafrecht in zahlreichen, nicht ausschließlich dem Strafrecht gewidmeten Gesetzen (z. B. im Betäubungsmittelgesetz oder in der Straßenverkehrsordnung). Das Verfahren und der Vollzug der Strafe werden in weiteren Gesetzen geregelt, etwa in Deutschland durch die Strafprozessordnung (StPO), das Strafvollzugsgesetz (StVollzG) und das Jugendgerichtsgesetz (JGG).

Welches das Ziel der Strafe ist oder sein soll, ist heftig umstritten und noch nicht abschließend geklärt (siehe Straftheorien).

Das Strafrecht unterscheidet die Strafen nach Haupt- und Nebenstrafen sowie Nebenfolgen.

Als Hauptstrafen bezeichnet man die Freiheits- und Geldstrafen. Dabei handelt es sich um zwei verschiedene Strafarten. Das Jugendstrafrecht (JGG) sieht noch die Jugendstrafe vor. Die Vermögensstrafe (§ 43a StGB) ist vom Bundesverfassungsgericht (entgegen der Auffassung des Bundesgerichtshofs) für verfassungswidrig erklärt worden. Die Todesstrafe ist gemäß Art. 102 des Grundgesetzes abgeschafft. Körperstrafen sind in Deutschland verboten, explizit folgt dieses Verbot aus der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Als Nebenstrafe gilt das Fahrverbot nach § 44 StGB. Vom Inhalt her ist auch die Aberkennung von Rechten und Fähigkeiten (also Amtsfähigkeit und aktives/passives Wahlrecht nach § 45 Abs. 2 und Abs. 5 StGB) eine Nebenstrafe.

Die Amtsunfähigkeit und der Wahlrechtsausschluss sind Nebenfolgen einer Hauptstrafe. Nebenfolge bei Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr ist das Fahrverbot nach § 25 des Straßenverkehrsgesetzes. Dabei handelt es sich nicht um „Strafen“.

Auch die Bekanntgabe der Verurteilung bei Beleidigung (§ 200 StGB) oder falscher Verdächtigung (§ 165 StGB) ist vom Inhalt her eine Nebenstrafe.

Straffestsetzung und Strafmaß

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Strafe darf nur durch ein zuständiges Gericht, verfassungsrechtlich gesprochen: durch den gesetzlichen Richter, verhängt werden. Die Strafgerichtsbarkeit ist Teil der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Die Entscheidung folgt dem Instanzenzug, im Allgemeinen mehrstufig von der ersten Instanz bis zu einem zuständigen Höchstgericht. Manche dieser Gerichte, bis hin zu internationalen Gerichtshöfen, können nicht die Strafe selbst revidieren, sondern nur die Schuldentscheidung.

Das Strafmaß (Deutschland: Strafzumessung, Österreich: Strafbemessung) erfolgt durch das Gericht vor allem nach der Schwere der Schuld im Bezug auf das Tatergebnis (Qualifikation der Tat) und den dafür rechtlich vorgesehenen Strafrahmen, sowie unter Berücksichtigung von Begleitumständen des Tathergangs (Erschwerungsgründe und Milderungsgründe) und mit Blick auf die Täterpersönlichkeit. Die im Einzelfall schuldangemessene Strafe stellt die absolute Höchstgrenze dar. Eine Nichtbeachtung der gesetzlichen Vorschriften bei der Strafzumessung kann Revisionsgrund sein. Außer durch ein Urteil kann auch durch manche vereinfachte Strafverfahren (wie Strafbefehle, Strafmandate) eine Strafe verhängt werden. Hierbei werden die Strafen durch Staatsanwaltschaft oder Behörden ohne Gerichtsverhandlung festgelegt. Meist kommt es erst bei einem Einspruch zu einer Hauptverhandlung.

Als Alternative zu Strafe sowie zu gängigen gerichtlichen Strafverfahren kann das Konzept Restorative Justice (Wiedergutmachungsverfahren) genannt werden, welches eine alternative Form der Konflikttransformation darstellt (etwa der außergerichtliche Tatausgleich in Österreich). Eine weitere zunehmend praktizierte Maßnahme ist das Schlichtungsverfahren im Vorfeld, eine gütliche Einigung der Streitparteien, die bei minderschweren Vergehen auch eine Strafanzeige ersetzen kann, zumindest aber eine Strafmilderung darstellen kann.

„Strafen“ in anderen Rechtsgebieten

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sanktionen des Zivilrechtes werden oft als schwerwiegender empfunden als strafrechtliche Sanktionen. Trotzdem sind diese Sanktionen nicht notwendigerweise als Strafe zu begreifen.

Grundsätzlich kennen das österreichische und das deutsche Zivilrecht keinen gesetzlichen zivilrechtlichen Strafanspruch im Sinne des angloamerikanischen Rechtsinstituts der punitive damages. So legt etwa § 1323 ABGB für Österreich fest, dass beim Schadensersatz „alles in den vorigen Stand zurückversetzt“ werden müsse. Eine ähnliche Regelung findet sich in der deutschen Regelung des § 249 BGB. Dieser Grundsatz ist als Naturalrestitution bekannt. Soweit Schmerzensgeldansprüche vorgesehen sind (§ 253 BGB, § 1325 ABGB) sind diese nicht als Strafe, sondern dazu, dem Verletzten Genugtuung für erlittenes Unrecht und einen Ausgleich für erlittene Schmerzen zu verschaffen und nicht der Bestrafung des Täters.[2][3][4] Der Unterschied zwischen dem Recht des deutschen Rechtskreises und dem angloamerikanischen begründet sich in der deutlicheren Unterscheidung im deutschsprachigen Rechtskreis zwischen zivilem und öffentlichem Recht.[5]

Allerdings können Strafen vertraglich vereinbart werden, entsprechende Strafen stellen dann vertragliche Ansprüche dar. Im bürgerlichen Recht ist die Vertragsstrafe (auch Konventionalstrafe genannt) bekannt. Sie muss jedoch individualvertraglich (nicht nur in allgemeinen Geschäftsbedingungen) ausbedungen werden, andernfalls ist ihre Vereinbarung unwirksam. Ist die vereinbarte Vertragsstrafe unverhältnismäßig hoch, kann die richterliche Herabsetzung beantragt werden; dies gilt jedoch nicht für das Handelsrecht (§ 348 HGB).

Innerhalb von Vereinen sind auch sogenannte Vereinsstrafen, also Sanktionen gegenüber Vereinsmitgliedern möglich. Zivilrechtlich sind solche Strafen auf die Ordnungsgewalt aufgrund der Vereinssatzung zurückzuführen. Diese kann auch eine Schiedsgerichtsbarkeit innerhalb des Vereins vorsehen.

Auch das in § 888 ZPO oder § 35 FamFG vorgesehene Zwangsgeld ist nicht als Strafe gedacht, sondern als Beugemittel, um jemanden zur Vornahme einer Handlung zu zwingen.

Auch die Strafgelder der Europäischen Kommission sind als Ordnungsgelder keine Strafen im eigentlichen Sinne.

Reparationen sind völkerrechtliche Schadensersatzzahlungen. Die Repression von Staaten durch Reparationen, die den Schaden übersteigen, ist völkerrechtswidrig. Ausnahmsweise rechtmäßige Reaktionen auf völkerrechtliches Unrecht werden Repressalie genannt.

Der Versuch, ein Völkerstrafrecht zu etablieren, begann nach 1945 mit den Nürnberger Prozessen und wird gegenwärtig (2004) in Den Haag zur Ahndung von (u. a.) „Völkermord“ während der postjugoslawischen Bürgerkriege fortgesetzt.

Die Frage nach der Legitimität von Strafe beantworten Straftheorien. Sie orientieren sich in der Regel am Strafzweck bzw. an moralischen Vorstellungen.

Zur philosophischen Diskussion siehe auch: Cesare Beccaria, Anselm von Feuerbach, Franz von Liszt, Immanuel Kant.

Der Behaviorismus versteht seit Thorndike und Skinner unter Strafe die Präsentation eines unangenehmen Reizes (sog. positive Bestrafung) oder die Entfernung/Vorenthaltung eines angenehmen Reizes (sog. negative Bestrafung).[6] In Experimenten mit Ratten habe sich gezeigt, dass mit der Strafe Verhalten unterdrückt und neues Verhalten aufgebaut werden könne. Die Unterdrückung sei dann besonders erfolgreich, wenn ein alternatives Verhalten zur Wahl gestellt werde.[7] Damit Strafe das unerwünschte Verhalten effektiv abbaut, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Dazu gehören:

  • Sie muss erkennbar mit dem Verhalten zusammenhängen, also u. a. zeitnah erfolgen.
  • Die Strafe muss jedes Mal erfolgen, wenn das unerwünschte Verhalten gezeigt wird (nicht nur sporadisch).
  • Die Strafe muss von Anfang an massiv sein, stufenweises Steigern funktioniert nicht.
  • Es muss eine alternative, erwünschte Verhaltensweise möglich sein und verstärkt werden.[8]

Kurt Lewin[9] legt dar, dass die Strafandrohung Erzieher und Kind in eine Situation hineinmanövriere, in der sich beide als Feinde betrachteten. Das Kind versuche auch außerhalb von Strafsituationen, einen Kampf gegen den Erwachsenen zu führen, um dessen Macht zu mindern.

Die Kognitive Psychologie hat gezeigt, dass harte Strafen oft nicht wirken. Zum einen, weil sie Widerstand provozieren, zum anderen, weil sie als externe Rechtfertigung nur solange funktionieren, wie der Strafende anwesend ist. Dauerhafte Verhaltensänderungen erfordern interne Rechtfertigungen, siehe Kognitive Dissonanz in der Pädagogik. Ein Problem der Anwendung von Strafen ergibt sich auch aus dem Umstand, dass das Strafen allein nicht zwangsläufig die Alternative zum bestraften Verhalten deutlich oder wahrscheinlich macht. Der Bestrafte erhält also keine Gewissheit über Möglichkeiten alternativer Verhaltensweisen, deren Bestrafung unterbleibt oder weniger wahrscheinlich wird.

Nach einer Untersuchung des Kinderschutzbundes von 1979 im Raum Bielefeld[10] neigen Eltern häufiger zu strengeren Bestrafungen, als sie es selbst glauben. Mehr als die Hälfte der befragten Eltern reagierten bei einer Kontrolle mit machtorientierten Maßnahmen wie Prügel, Entzug von Privilegien, Objekten und Taschengeld, Verboten, Arrest und Anschreien. Sie reagierten stärker, sobald sie sich durch das Verhalten der Kinder selbst gestört fühlen. Ein Kind z. B., das die Situation unerwartet eskaliert, indem es zurück schreit, wird stärker bestraft als ein Kind, das ein schwächeres verprügelt hatte.

Lotte Schenk-Danzinger sagt, dass jüngere Kinder andere Strafen bevorzugten als ältere. Jüngere bevorzugten Sühnestrafen, deren Zusammenhang mit der Tat nicht ersichtlich ist, während Ältere lieber den Zusammenhang mit der Tat sähen.[11] Ferner glaubten jüngere Kinder, strenge Strafen besserten ein Kind, während ältere die Belehrung bevorzugten. Bis zum 10. Lebensjahr werde die kollektive Strafe kameradschaftlich mitgetragen. Kinder ab 10–12 Jahren lehnten diese Form der Sanktionierung allerdings ab. Kenne der Erziehende den Schuldigen nicht, dürfe auch niemand bestraft werden. Die Bestrafung eines Nicht-Schuldigen sei demzufolge ungerechter als die Nichtbestrafung eines Schuldigen.

Von Bedeutung ist auch die zeitliche Distanz zwischen Verhalten (Reaktion) und aversivem Ereignis: Je kürzer diese ist, umso wirkungsvoller ist der aversive Reiz (Kontiguität). Strafen also, die irgendwann nach einem Verhalten gegeben werden, haben wenig oder kaum Wirkung. Die Strafe muss zeitnah erfolgen, wenn sie eine beabsichtigte Wirkung haben soll.[12]

Die Autoren des Meyers Kleines Lexikon Psychologie[13] halten die Strafe aus ethischen Gründen und wegen unsicherer Konsequenzen für den Bestraften für zweifelhaft. Zudem werde Strafe (und Lohn) in der Erziehungspraxis häufig unreflektiert eingesetzt. Statt Bestrafungen sollten Lohn und Anerkennung im Erziehungsprozess eine größere Rolle spielen.

Die „soziale Strafe“ zielt vereinfacht entweder auf den „Ausschluss aus der Gesellschaft“ oder zumindest auf eine „Marginalisierung“ als Meidung des Täters. Das Scherbengericht (Ostrazismus) auf dem Forum des antiken Athen, steht Modell für diese Art der politisch-demokratischen Verbannung eines wichtigen und mächtigen Mitgliedes der Gemeinschaft. Sklaven und Fremde fielen deshalb nicht unter diese Art von Recht. Zudem beinhalten Ausschluss und Meiden eine Schwächung des sozialen Nahfeldes des Betroffenen.[14][15]

„Aus der Sicht der Verbannung ersetzt die heutige Strafgefangenschaft in den Vollzugsanstalten den Ausschluss aus der Gesellschaft durch den Einschluss in der Gesellschaft.“[16]

Erziehungswissenschaft

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Wörterbuch der Erziehung von 1997 hält Strafe grundsätzlich für ein ungeeignetes Erziehungsmittel. Strafe könne eine Zeit lang ein bestimmtes Verhalten unterdrücken, es aber auf lange Sicht nicht beseitigen. Als Revanche eigne sich Strafe nicht. Strafe bewirke aggressives Verhalten, Groll, Misstrauen, Hass und Rebellionsneigung; sie verfehle damit ihre Intention. Strafen hätten folgende grundsätzliche Makel:

  • Strafen sagen nichts über die notwendige Verhaltensänderung.
  • Strafen würden häufig im Affekt gegeben, was für schlechte intellektuelle Durchdringung des Problems bedeute.
  • Der thematische Zusammenhang fehle.
  • Strafen drängten den Bestraften zu oft in den Zusammenhang von Frustration und Aggression.
  • Strafen haben unabsehbare emotionale Nebenwirkungen.[17]

Formen der Strafe

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben der körperlichen Züchtigung werden von einigen Autoren zu den Strafen gezählt: ein schlechtes Gewissen machen, verletzen, auslachen, anklagen, ironisieren, herabsetzen, drohen, gehässig kritisieren, triumphierend provozieren, Vorwürfe machen, ausschimpfen, ein leidendes Gesicht machen, sich zurückziehen.[18]

In Japan werden Kinder für Verstöße gegen soziale Regeln traditionell häufig damit bestraft, dass man sie für eine bestimmte Zeit aus dem Haus aussperrt. Da das Zusammengehörigkeitsgefühl ostasiatischer Familien sehr ausgeprägt ist, empfindet das Kind diese Strafe als besonders beschämend.[19]

Bestimmte Strafen sind heute in einigen Ländern gesetzlich verboten (z. B. Prügelstrafe).

Moderne westliche Konzepte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der westlichen Pädagogik ist bei der Sanktionierung unerwünschten Verhaltens das Bestrafen heute weitgehend vom Konzept der „Konsequenz“ ersetzt worden. Während bei der Strafe zwischen dem unerwünschten Verhalten und der Sanktion oft kein sachlicher Zusammenhang steht (Beispiel: unanständiges Wort gesagt ‒ Schläge auf die Finger), ist bei einer Konsequenz der Zusammenhang für das Kind ersichtlich (Beispiel: Skateboard nach dem Spielen nicht weggeräumt ‒ Skateboard wird für einige Tage entzogen). Bei Konsequenzen geht es nicht um Schuld und Sühne, sondern um die Einbeziehung des Kindes bei der Beseitigung von Störungen und in die Wiedergutmachung.[20][21]

Die amerikanische Erziehungsbuchautorin Barbara Coloroso hat darauf hingewiesen, dass die Wirksamkeit von Konsequenzen maßgeblich davon abhänge, wie zuverlässig die Eltern diese durchsetzen: „Es ist nicht die Härte der Konsequenz, die Wirkung zeigt, es ist die Gewissheit, mit der sie erfolgt […].“[22] Die Psychologin und Familientherapeutin Wendy Mogel fordert, das Kind, wenn man ihm einen Verweis erteilt, nicht zu demütigen oder zu beschämen; anstelle von Strafen schlägt Mogel den Entzug von Privilegien vor.[23]

Auch die aus der Verhaltenstherapie stammende und in Familien heute weit verbreitete Time-out-Technik zielt nicht auf Sühne, sondern auf das Entziehen von Reizen, die das unerwünschte Verhalten verstärken könnten.

Bewertung der Strafe

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Pädagogik (bzw. in den Erziehungswissenschaften) galt Strafe jahrhundertelang als angemessenes Mittel in der Erziehung des Kindes. Zweifel daran wurden selten geäußert. Erst in jüngerer Zeit, vor allem durch den Einfluss der exakten Psychologie – insbesondere der Lernpsychologie (siehe auch oben: Psychologie), hat sich die Bewertung der Strafe als Erziehungsmittel verändert. Auch einzelne pädagogische Konzepte lehnen Strafe als Erziehungsmittel ab.[24]

In autokratischen (autoritären) Systemen hat Strafe immer noch einen zentralen Stellenwert. Wo Gehorsam und Unterordnung in Erziehungsprozessen verlangt werden, ist Strafe legitim und gerechtfertigt. Die Forderung nach Unterordnung des Zöglings geht grundsätzlich mit der Legitimation der Strafe einher.

Auch die Durchsetzung der Vorstellungen des Erziehenden in größeren Gruppen (Schulklassen) ist heute faktisch ohne Strafen kaum denkbar, selbst wenn der Erziehende demokratische Erziehungsnormen haben sollte. So wird die Forderung nach kleineren Lerngruppen im heutigen Bildungssystem auch verbunden sein mit der Implikation freierer Erziehung, was unter anderem auch heißt: Erziehung, in der Unterordnung und Strafe eine unbedeutende bzw. überhaupt keine Rolle spielen.

Es gibt Kritiker der Bestrafung, die argumentieren, dass die Bestrafung, die auf absichtliche Handlungen abzielt, die Menschen dazu zwingt, ihre Fähigkeit zu unterdrücken, absichtlich zu handeln. Befürworter dieses Standpunkts argumentieren, dass eine solche Unterdrückung der Absicht dazu führt, dass das schädliche Verhalten erhalten bleibt, was die Bestrafung kontraproduktiv macht.[25] Die Erwartung, dass Strafe das bestrafte Verhalten abbaut, ist somit nicht immer zutreffend. Strafe kann sehr unterschiedliche Auswirkungen haben. Es ist deshalb sinnvoll, die Auswirkungen des Strafens zu unterscheiden:[26]

Strafe führt in der Regel nicht die erwünschten Verhaltensweisen herbei.[27]
  • Die Auswirkungen des Strafens können nicht im Detail kontrolliert werden.
  • Da faktisch nur unregelmäßig gestraft werden kann, wird nur ein Teil des unerwünschten Verhaltens abgebaut.
  • Der Erfolg ist nur kurzfristig, da der Erziehende nicht durchgängig anwesend sein kann.
  • Strafen führen beim Kind nicht zur Einsicht.[28][29]
  • Strafen verändert sich im Bewusstsein des Kindes.
  • Häufiges Strafen wird beim stark vernachlässigten Kind eine Form des Verstärkens.
  • Strafende Eltern haben Probleme, beim Kind noch positive Erlebnisse zu erzielen, selbst wenn sie es wünschen.
Strafe führt häufig zu unerwünschten Verhaltensweisen.[30]
  • Nicht nur das gestrafte Verhalten wird verändert, sondern auch das, das ähnlich ist. Zum Beispiel kann bestrafte Aggression zur Reduzierung von Aktivität des Kindes führen.
  • Gestraftwerden vermindert die Flexibilität des Kindes in sozialen Situationen.
  • Strafen produziert Ausweichverhalten.
  • Das Kind wird durch Strafen unfähig gemacht, auf positive Zuwendung einzugehen.
Bestrafung führt zu unerwünschtem Verhalten beim Erziehenden und schadet der Beziehung.[31]
  • Der Erziehende steigert sich ins Strafen, sodass er schwer noch anders kann.
  • Je häufiger bestraft wird, umso weniger ist eine Belohnungsfähigkeit möglich.
  • Strafe verschlechtert die Beziehung zwischen Erziehendem und Kind.[29]
  • Durch die verringerte Beziehungsqualität werden Lerneffekte erschwert oder unerwünscht verändert.

Der Pädagoge E. E. Geißler geht sogar so weit, dass er sagt, Strafen könne das Kind erziehungsunwillig oder erziehungsunfähig machen.[32] Das intrinsische Verhalten, das in der Erziehung außerordentlich wichtig sei, werde durch das Strafen sehr erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht.

Die Alternative zur Bestrafung ist laut Vorstellungen der Lernpsychologie die Verstärkung alternativer Verhaltensweisen. Werden diese Verhaltensweisen systematisch bekräftigt, entsteht mit der Zeit ein Verhaltenskomplex, der tatsächlich die bessere Alternative zu dem Verhalten sein könnte, das bestraft wird – das heißt: ein Verhalten, das der Erziehende akzeptieren kann. Diese Alternative zur strafenden Erziehung ist zudem eine humane Möglichkeit des Erziehens, die die Identität des Kindes bzw. Jugendlichen fördert; letztendlich ist sie erfolgversprechender als jegliche Art von Repression und Unterdrückung, die das Strafen verkörpert.

Kritik der Strafe[33]
  • Für das vernachlässigte Kind ist Strafe gar eine Zuwendung, die das monierte Verhalten verstärkt. So verkehrt sich die Intention der Strafe ins Gegenteil.
  • Strafe wirkt vor allem, wenn der Strafende in der Nähe ist. Ist er nicht anwesend, wird die Strafe vom Kind oder Jugendlichen nicht ernst genommen.
  • Strafe ist tendenziell menschenfeindlich – verbunden mit einem grundsätzlich inhumanen Menschenbild. Exzessives Strafen behindert zudem eine angemessene Entwicklung des Kindes und ist entwicklungspsychologisch/pädagogisch kontraproduktiv.

Letzterer Sachverhalt führt zu der Überlegung, ob Strafen in der Erziehung nicht grundsätzlich abzulehnen seien. Peter Köck und Hans Ott fordern, dass Strafe das allerletzte Mittel sein soll, die Notbremse, wenn alle anderen Erziehungsmaßnahmen nicht erfolgreich waren.[34] Wann immer es möglich sei, soll Strafe vermieden werden bzw. begründet werden können. Ansonsten sei es naheliegend, Strafe als Willkürakt zu interpretieren. Bei materiellen Schäden sei die Wiedergutmachung durch das Kind oder den Jugendlichen eher angebracht als die Strafe. Köck und Ott äußern die Vermutung, dass die Pädagogik bei der Verhängung schwerer Ordnungsmaßnahmen auch an ihren Grenzen angelangt sei.

A. S. Neill[35] beurteilt Strafe: „Prügelstrafe ist vom Übel, weil sie dem Haß entspringt und grausam ist. Sie ist eine unbewusste und sexuelle Perversion.(…) Da die Religion das lasterhafte Fleisch haßt, ist die Prügelstrafe in religiösen Gegenden besonders beliebt.() Derjenige, der die Schläge austeilt, haßt sich selbst und projiziert seinen Haß auf das Kind.“

Anton Semjonowitsch Makarenko ist nicht davon überzeugt, dass die Strafe eine heilbringende Wirkung habe. Aber wo eine Strafe unerlässlich sei, müsse sie gegeben werden. In diesem Fall sei sie geradezu eine Pflicht, schreibt Makarenko.[36]

Griechische Antike

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im antiken Griechenland bestand keine Systematik an Freiheitsstrafen. Teilweise waren auf bestimmte Vergehen eine bestimmte Strafe festgelegt (sogenannte dikai atimetoi), für die übrigen hatte das Geschworenengericht in einem zweiten Verfahren die Strafe festzulegen. Unbekannt war die Freiheitsstrafe, und auch Zwangsarbeit war zumindest in der Geschichte Athens unbekannt. Soweit Quellen von der Verbannung sprechen, ist umstritten, ob diese eine eigene Strafform darstellte. Es war nämlich durchaus möglich, sich während des Verfahrens der Strafe durch Flucht zu entziehen. Wahrscheinlich die häufigste Form der Körperstrafen waren Formen der Todesstrafe. Zunächst wurde die Todesstrafe durch das Werfen in einen Abgrund vollzogen (barathron), wobei es nicht geklärt ist, ob es sich hierbei um die eigentliche Vollstreckung der Todesstrafe oder um die anschließende Entsorgung der Leiche des Hingerichteten gehandelt hatte.[37] Im 4. vorchristlichen Jahrhundert gab es dann zwei Formen der Todesstrafe: der bekannte Schierlingsbecher als die angenehmere Form und der apotympanismos, bei dem der Delinquent auf einem Holzpfahl angekettet und dem Verhungern und Verdursten preisgegeben wurde. Neben der Todesstrafe bestanden Geldstrafen oder Strafen, die auf die Ehre des Opfers ausgerichtet waren. So kannten die Athener das fünftägige Stehen am podekakke, einem Pranger wegen Diebstahls oder die Verurteilung zur Ehrlosigkeit (Atimie), vor allem wegen Verletzungen der Bürgerpflichten.[38]

Römische Antike

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für die Zeit der römischen Republik liegen für die Bestrafung der gewöhnlichen Kriminalität keine Quellen vor. Die Quellen, etwa die Reden Ciceros beziehen sich nicht auf gewöhnliche Kriminalität. Zwar wird von Autoren der ausgehenden Republik von einem Verzicht auf die Todesstrafe gesprochen, gleichwohl wird angenommen, dass dies nur die Ober- nicht aber die Unterschicht, Sklaven und Ausländer betraf.[39] Bei Angehörigen der Oberschicht war es, wenn sie wegen eines Kapitaldeliktes angeklagt waren, üblich, ihnen die Möglichkeit des Exils einzuräumen. Aus den Satiren des Horaz (Hor. Sat. 1, 8, 14 ff.), laut denen auf dem Esquilin in der frühen Regierungszeit des Augustus eine große Anzahl von Hinrichtungen vorgenommen wurde, kann geschlossen werden, dass dies auch zur Zeit der Republik üblich war.[40]

Zeitgenössische Darstellung der Vollstreckung der Verurteilung ad bestias in einem Mosaik

In der römischen Kaiserzeit war den Prokonsulen und Proprätoren als Provinzstatthaltern relativ frei in der Bestimmung des Strafmaßes, soweit nicht kaiserliche Anweisungen vorlagen. Gesichert ist, dass auch die Römer, wie die Griechen, keine Freiheitsstrafe in unserem Sinne kannten. Häufig kam es allerdings zur Verurteilung zur Zwangsarbeit. Hierbei war zwischen einer Verurteilung zur Zwangsarbeit in Bergwerken (metallum) und einer Verurteilung zur Zwangsarbeit am opus publicum (z. B. Arbeit am Straßen- oder sonstigem Bau) zu unterscheiden. Die zur Arbeit in den Bergwerken Verurteilten waren rechtlich Sklaven gleichgestellt, durften etwa nicht erben, durften wie Sklaven gezüchtigt werden und mussten Ketten tragen. Für die übrigen zur Zwangsarbeit Verurteilten ergab sich aus der Verurteilung keine personenrechtliche Änderung ihres Status. Auffällig ist, dass zwischen Bestrafungen der privilegierten Schichten (honestiores) und der weniger privilegierten Schichten (humiliores, Personen, die nicht das römische Bürgerrecht hatten, und Sklaven) unterschieden wurde. Die privilegierten Schichten wurden durch Enthauptung hingerichtet, was allerdings nur selten und bei ungewöhnlich schweren Delikten (Hochverrat, Vatermord) praktiziert wurde. Für die unteren Schichten waren verschiedene Formen der verschärften Todesstrafe vorgesehen. So gab es die crematio, nach dem Zwölftafelgesetz die Hinrichtung durch Verbrennen für Brandstiftung. Eine andere Strafe, die ursprünglich für Sklaven vorgesehen war, aber im Laufe der Kaiserzeit auch auf andere Bevölkerungsschichten, wie Freie ohne römisches Bürgerrecht, ausgedehnt wurde, war die Kreuzigung. Große Bedeutung hatte auch die Verurteilung zur Teilnahme an Gladiatorenspielen (damnatio ad ferrum) und zu Tierhatzen in den Arenen (damnatio ad bestias). Privilegierte Personen hatten allenfalls die Deportatio oder Relegatio zu befürchten. Erstere war in der Regel mit dem wirtschaftlichen Ruin und dem Verlust des Bürgerrechtes verbunden, letztere war zeitlich begrenzt und die Betroffenen hatten keine personenrechtlichen Folgen zu befürchten.[41]

Strafen des ausgehenden Mittelalters (Hamburger Stadtrecht, 1497). Vermutlich von Absolon Stumme

Das Mittelalter kannte Körper-, Ehr- und Geldstrafen. Freiheitsstrafen im heutigen Sinne kamen erst im 16. Jahrhundert und damit erst der Frühen Neuzeit auf. Den Freiheitsstrafen des Mittelalters zuzurechnen sind lediglich das Exil oder in milderer Form die Verweisung aus einem Territorium für beschränkte Zeit.[42]

Die mittelalterlichen Richter konnten bei der Rechtsfindung freier bei der Wahl der zuzubilligenden Strafe handeln, als neuzeitliche und moderne Richter. Entsprechend mittelalterlicher Vorstellungen wurden daher oft Strafen gewählt, die auch symbolhaften Charakter hatten. Typisch war die Wahl „spiegelnder“ Strafen. Bei diesen sollte das bestrafte Unrecht sich in der Strafe widerspiegeln. Theoretisch begründet wurde dies durch das biblische Talionsprinzip („Auge um Auge“), diente aber auch der Volkserziehung und der Volksbelustigung.[43]

Das „Wippen“, eine Ehrenstrafe für Garten- und Felddiebe (Soester Nequambuch, 14. Jahrhundert)

Bei den Ehrenstrafen sind zunächst die von der Halsgerichtsbarkeit ausgesprochenen Strafen von denen der Niedergerichtsbarkeit zu unterscheiden. Die von der Niedergerichtsbarkeit ausgesprochenen Strafen (z. B. das Tragen der Schandmaske oder des Lästersteins) setzten den Delinquenten dem Hohn und Spott aus, aber neben den von dem Bestraften zu bezahlenden Kosten waren darüber hinaus keine weiteren Folgen mit der Strafe verbunden. Anders verhielt es sich mit dem der höheren Halsgerichtsbarkeit vorbehaltenen Ehrenstrafen, wie etwa dem Pranger. Mit dem Pranger war nicht nur die Erniedrigung, sondern oft auch darüber hinausgehende Folgen verbunden. Der Pranger selbst diente dabei nicht nur der Bestrafung, sondern auch dazu, den Straftäter allgemein bekannt zu machen und die Öffentlichkeit so zu schützen. Hierzu diente etwa auch das vorherige Herumführen des Bestraften an der Halsgeige. Die Folge der Prangerstrafe war oft der Verlust der bürgerlichen Ehre und damit die Rechtlosigkeit. Der Entehrte konnte keinem „ehrlichen“ Beruf mehr nachgehen. Verbunden wurden diese Strafen häufig auch mit der Verweisung aus einer Stadt, teilweise auch der Brandmarkung und damit weiteren Kennzeichnung des Straftäters. Die zu Ehrenstrafen Verurteilten mussten häufig auch Symbole der Straftat tragen, wegen derer sie verurteilt worden waren. Insgesamt kam der Wahl der Mittel der Ehrenstrafe auch starke symbolische Bedeutung über die Strafe hinaus zu. So gab es das Schupfen, das öffentliche Untertauchen des Verurteilten an der Schuppe oder Wippe: Mit der Bestrafung sollten sogleich die Sünden abgewaschen werden.[44]

Spiegelnde Strafen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im christlichen Mittelalter und im Islam noch länger, teilweise bis heute wurden Spiegelstrafen praktiziert, die das vorausgegangene Vergehen auf gleiche Weise erwidern sollten. Meist handelte es sich um Körperstrafen wie das Handabhacken für Diebstahl.

Bei der Todesstrafe galt bei den häufigeren Arten der Todesstrafe das Hängen, zumeist am Galgen als ehrlose Strafe, das Enthaupten, in der Regel mit dem Richtschwert, als ehrenvollere Variante. Symbolhaft mit einer Reinigung von mit der Straftat verbundenen Sünden verbunden waren Hinrichtungen durch Ertränken oder Verbrennung auf dem Scheiterhaufen. Bei der Verbrennung spielte auch die vollständige körperliche Vernichtung des Straftäters, zum Beispiel bei Hexerei, eine Rolle. Als spiegelnde Strafe war das Sieden für Falschmünzerei bekannt, da die Geldfälschung durch Siedevorgänge betrieben wurde.[45]

Mittelpunkt der Bestrafung im Mittelalter war die Sühne des durch die Tat geschaffenen Bruchs der göttlichen Ordnung. Dies führte dazu, dass auch Tiere, wenn sie gegen Strafbestimmungen verstießen, vor Strafgerichte gestellt wurden. Hierbei wurden tendenziell einzelne Haus- und Nutztiere von weltlichen Strafgerichten abgeurteilt, größere Gruppen von Schädlingen wurden eher vor der kirchlichen Gerichtsbarkeit abgehandelt und mit Kirchenstrafen (z. B. Exkommunikation, Bann) belegt. Geläufig waren Prozesse gegen Hausschweine, die sich frei in Haus und Hof bewegen durften und am ehesten dabei Schaden anrichteten. Die Praxis der Tierprozesse hielt sich noch bis weit in die Frühe Neuzeit und teilweise bis in das 19. Jahrhundert.[46]

Die Subjektivierung des Strafbegriffs in der Frühen Neuzeit ging von der Theologie aus. Während die Beichtjurisprudenz des 13. Jahrhunderts noch schuldunabhängige strafrechtliche Sanktionen kannte und auch bei Sanktionen gegen Tiere und Sachen von „Strafen“ sprach, entwickelte Thomas von Aquin einen dreiteiligen Strafbegriff: Er unterschied zwischen der Strafe im eigentlichen Sinne (poena in se, poena ratione poenae), der Besserungsstrafe (poena medicinalis) und der Wiedergutmachungsstrafe (poena satisfactoria). Eine Tendenz zur Verengung des Strafbegriffs auf den Begriff der Schuldstrafe ist damit bei Aquin zwar vorhanden, aber die Konsequenzen daraus wurden erst im 16. Jahrhundert von der Spanischen Spätscholastik gezogen. Der spanische Franziskaner Alfonso de Castro (1495–1558) entwickelte den Begriff der „echten Strafe“ (poena vere), den er anderen Übeln (afflictiones) gegenüberstellte. Zugleich stattete Castro die Strafe mit einem sittlichen Vorwurf aus, mit dem Anspruch, der Täter habe sich für seine Tat schuldig zu fühlen. Diese Lehre wurde von den Kanonisten Martin de Azpilcueta und Diego de Covarrubias y Leyva an das weltliche Strafrecht vermittelt. Indem für die sonstigen „Übel“ andere Bezeichnungen gefunden werden mussten, wurde das „Strafrecht“ zunehmend von Elementen des „Zivilrechts“ oder „Polizeirechts“ befreit.

Literatur zur Geschichte des Strafens

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Viktor Achter: Geburt der Strafe. Klostermann, Frankfurt am Main 1951, DNB 450018687.
  • Josette Baer, Wolfgang Rother (Hrsg.): Verbrechen und Strafe. Colmena, Basel 2017, ISBN 978-3-906896-02-1.
  • Richard van Dülmen: Theater des Schreckens. Gerichtspraxis und Strafrituale in der frühen Neuzeit. 4. Auflage. Beck, München 1995, ISBN 3-406-40024-8.
  • Michel Foucault: Überwachen und Strafen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1977, ISBN 3-518-07784-8.
  • Ch. Hinkeldey (Hrsg.): Justiz in alter Zeit. (Schriftenreihe des mittelalterlichen Kriminalmuseums Rothenburg ob der Tauber, Band VI). Rothenburg o. d. T. 1984, DNB 891127313.
  • Heike Jung: Was ist Strafe? Nomos, Baden-Baden 2002, ISBN 3-7890-7568-X.
  • Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der Deutschen Sprache. Walter de Gruyter Verlag, Berlin 1963.
  • Friedrich Koch: Das Wilde Kind. Die Geschichte einer gescheiterten Dressur. Hamburg 1997, ISBN 3-434-50410-9, S. 133 ff.
  • Harald Maihold: Strafe für fremde Schuld? Die Systematisierung des Strafbegriffs in der Spanischen Spätscholastik und Naturrechtslehre. Böhlau, Köln 2005, ISBN 3-412-14905-5.
  • Hinrich Rüping: Grundriss der Strafrechtsgeschichte. 6. Auflage. C. H. BECK, 2011, ISBN 978-3-406-62689-0.
  • Leo Schidrowitz (Hrsg.): Sittengeschichte der Strafe (= Sittengeschichte der Kulturwelt und ihrer Entwicklung in Einzeldarstellungen. Band 7, Teil 2). In: Leo Schidrowitz (Hrsg.): Sittengeschichte der Liebkosung und Strafe. Die Zärtlichkeitsworte, Gesten und Handlungen der Kulturmenschheit und ihr Gegenpol, die Strenge. Verlag für Kulturforschung, Wien/Leipzig, S. 177–318, darin:
    • Rudolf Brettschneider: Hauszucht. ebenda S. 179–226.
    • Rudolf Quanter: Die Erotik als Strafe. ebenda S. 227–280.
    • Rudolf Quanter: Sexualdelikte und ihre Ahndung. ebenda S. 281–318.
  • Eberhard Schmidt: Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege. 3. Auflage. Göttingen 1965.
  • Nelly Tsouyopoulos: Strafe im frühgriechischen Denken (Diss. München 1962). Freiburg/München 1966.

Literatur zu psychologischen und pädagogischen Fragen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur zu philosophischen Aspekten des Strafens

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Commons: Strafe – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Strafe – Quellen und Volltexte
Wiktionary: Strafe – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikiquote: Strafe – Zitate

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Heribert Ostendorf, Vom Sinn und Zweck des Strafens. (Memento vom 23. Juli 2009 im Internet Archive) Bundeszentrale für politische Bildung.
  2. Für Deutschland vgl. Palandt/Heinrichs § 253 RdNr. 11 mit weiteren Nachweisen.
  3. Für Österreich vgl. Heinz Barta (Hrsg.): Online-Lehrbuch Zivilrecht. II.8.
  4. Zu den Unterschieden zwischen deutschem und amerikanischem Recht vgl. etwa Klaus Weber: Schmerzensgeldansprüche in Deutschland und in den Vereinigten Staaten von Amerika. In: German American Law Journal. 13. April 2006.
  5. Paul D. Carrington: Punitive Damages – The American Tradition Of Private Law. (Memento vom 30. September 2007 im Internet Archive) In: Humboldt-Forum Recht. HFR 2004, Beitrag 7, S. 1.
  6. Arnold, Eysenck, Meili: Lexikon der Psychologie, Band 3, Freiburg, Basel, Wien 1973, S. 476 f., ISBN 3-451-16113-3.
  7. D. M. Church, in: Arnold, Eysenck, Meili, Freiburg 1972; S. 456, Bd. 3, siehe oben.
  8. N.H. Azrin, W.C. Holz: Punishment. In: Operant Behavior. W.K. Honig (Hrsg.), Prentice-Hall, 1966.
  9. Die psychologische Situation bei Lohn und Strafe. Leipzig 1931, S. 26–38.
  10. Kinderschutz aktuell 1/1979, S. 16–17.
  11. Entwicklungspsychologie. Österreichischer Bundesverlag für Unterricht, Wissenschaft und Kunst, Wien 1972, S. 202 f.; ISBN 3-215-31815-6.
  12. D. M. Church, in: Arnold, Eysenck, Meili, Freiburg 1972; S. 458, Bd. 3, siehe oben.
  13. Bibliographisches Institut Mannheim/Wien/Zürich, Meyers Lexikonverlag, 1986.
  14. Manfred Rehbinder: Die Verweigerung sozialer Kooperation als Rechtsproblem. Zu den Rechtsinstituten Ostrachismus und Boykott. In: Magaret Gruter / Manfred Rehbinder (Hrsg.): Ablehnung – Meidung – Ausschluß. Multidisziplinäre Untersuchung über die Kehrseite der Vergemeinschaftung, 1986, 237 ff.; Reinhold Zippelius: Ausschluß und Meidung als rechtliche und gesellschaftliche Sanktionen. In: Magaret Gruter / Manfred Rehbinder (Hrsg.): Ablehnung – Meidung – Ausschluß. Multidisziplinäre Untersuchung über die Kehrseite der Vergemeinschaftung, 1986, S. 12 ff.; Axel Montenbruck Zivilreligion. Eine Rechtsphilosophie II. Grundelemente: Versöhnung und Mediation, Strafe und Geständnis, Gerechtigkeit und Humanität aus juristischen Perspektiven, 3. erheblich erweiterte Auflage, Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin, 2011, S. 166 ff., (open access).
  15. Jonathan Haidt: The New Synthesis in Moral Psychology. In: Science. Band 316, Nr. 5827, 18. Mai 2007, S. 998–1002, doi:10.1126/science.1137651. (online lesen); Anm.: Meiden (engl. shunning) ist eine kostengünstige Bestrafung. Zitat: „Evolutionary models show that indirect reciprocity can solve the problem of free-riders (which doomed simpler models of altruism) in moderately large groups, as long as people have access to information about reputations (e.g., gossip) and can then engage in low-cost punishment such as shunning.“
    Übersetzungsvorschlag: Evolutionäre Modelle zeigen, dass indirekte Reziprozität in mäßig großen Gruppen das Problem der Trittbrettfahrer (die einfachere Modelle des Altruismus verdammten) gelöst werden kann, solange die Leute Zugang zu Informationen über den Ruf haben (z. B. Tratsch) und sich dann für eine kostengünstige Bestrafung wie Meiden einsetzen können.
  16. Axel Montenbruck Zivilreligion. Eine Rechtsphilosophie II. Grundelemente: Versöhnung und Mediation, Strafe und Geständnis, Gerechtigkeit und Humanität aus juristischen Perspektiven, 3. erheblich erweiterte Auflage, Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin, 2011, S. 167, (open access).
  17. Peter Köck, Hanns Ott: Wörterbuch der Erziehung, Auer Verlag, Donauwörth 1997, S. 692; ISBN 3-403-02455-5.
  18. Lutz Schwäbisch, M. Siems: Anleitung zum sozialen Lernen, rororo, Reinbek 1977.
  19. Irene Chung,Tazuko Shibusawa: Contemporary Clinical Practice with Asian Immigrants: A relational framework with culturally responsive approaches. Routledge, New York 2013, ISBN 978-0-415-78342-2, S. 97 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  20. Jan-Uwe Rogge: Streiten kann man lernen: Partnerschaftliche Konfliktlösungen im Familienalltag. In: Christian Büttner, Bernhard Meyer (Hrsg.): Lernprogramm Demokratie: Möglichkeiten und Grenzen politischer Erziehung von Kindern und Jugendlichen. Juventa, Weinheim/ München 2000, ISBN 3-7799-1416-6, S. 52 f., S. 47–62.
  21. Norbert Kühne, Regina Mahlmann, Pater Wenzel: Pädagogische Praxis - Konflikte lösen, Bildungsverlag EINS, Troisdorf 2002
  22. Barbara Coloroso: Kids are worth it! Giving your child the gift of inner discipline. Harper Collins, New York 2002, ISBN 0-06-001431-8, S. 215.
  23. Als Jüdin verweist Mogel dabei auf das Demütigungs-Verbot im 3. Buch Mose: „Du sollst deinen Bruder nicht hassen in deinem Herzen, sondern du sollst deinen Nächsten zurechtweisen, auf daß du nicht seineshalben Schuld tragen müssest.“ 3. Buch Mose, 19.17; Wendy Mogel: The Blessings of a Skinned Knee: Using Jewish Teachings to Raise Self-Reliant Children. Scribner, New York / London / Toronto / Sydney / Singapur 2001, ISBN 0-684-86297-2, S. 200 f. und S. 205 f. (eingeschränkte Online-Version in der Google-Buchsuche-USA)
  24. Zum Beispiel: A. S. Neill: Theorie und Praxis der antiautoritären Erziehung – das Beispiel Summerhill, rororo 6707–6708, Reinbek 1969, ISBN 3-499-16707-7.
  25. Die unterschiedlichen Auswirkungen der Bestrafung auf das Verhalten. bei /content.apa.org, abgerufen am 24. November 2020.
  26. Norbert Kühne: Psychologie für Fachschulen und Fachoberschulen. 8. Auflage. Bildungsverlag EINS, Troisdorf 2006, S. 52–53.
  27. Norbert Kühne u. a.: Psychologie für Fachschulen und Fachoberschulen. Bildungsverlag EINS, Troisdorf 2006, 8. Auflage, ISBN 3-427-04150-6; Seite 51–53.
  28. Annete Dönisch: Eine weit verbreitete Erziehungsmethode von Eltern schadet Kindern mehr als alles andere. In: busnessinsider.de. 8. September 2020, abgerufen am 8. September 2020.
  29. a b Melanie Gräßer, Eike Hovermann: Familien-Chaos im Griff: Profitipps von Kindergarten-Erzieherinnen für einen stressfreien Alltag. Der Ratgeber für Eltern von 2-6-jährigen Kinder. Hrsg.: Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Company KG. 2013, ISBN 978-3-86910-728-8. S. 26.
  30. H. J. Kornadt, M. Wirsing: Erziehungsmethoden und frühkindliches Verhalten, in: Otto M. Ewert: Entwicklungspsychologie I. Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 1972, S. 87 f., ISBN 3-462-00865-X.
  31. Norbert Kühne u. a.: Psychologie für Fachschulen und Fachoberschulen. Bildungsverlag EINS, Troisdorf 2006, 8. Auflage, ISBN 3-427-04150-6; Seite 51–53.
  32. Erziehungsmittel. Bad Heilbrunn 1982, S. 162 f.
  33. Meyers Kleines Lexikon Psychologie. Meyers Lexikon Verlag Mannheim/Wien/Zürich 1986; Seite 210 f., ISBN 3-411-02652-9.
  34. Wörterbuch für Erziehung und Unterricht. Auer Verlag, Donauwörth 1997, 6. Auflage, S. 693, ISBN 3-403-02455-5.
  35. Theorie und Praxis der antiautoritären Erziehung – das Beispiel Summerhill, rororo 6707/6708, Reinbek 1970, S. 323
  36. A.-S. Makarenko: Ausgewählte pädagogische Schriften, Paderborn 1961, S. 115–117.
  37. Jens-Uwe Krause: Kriminalgeschichte der Antike. C.H. Beck Verlag, München 2004, ISBN 3-406-52240-8, S. 22 ff.
  38. Jens-Uwe Krause: Kriminalgeschichte der Antike. C.H. Beck Verlag, München 2004, ISBN 3-406-52240-8, S. 20 ff.
  39. Max Kaser: Römische Rechtsgeschichte. § 29 Die Strafgerichtsbarkeit und das Strafrecht 2., neubearbeitete Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1976, ISBN 3-525-18102-7, S. 124.
  40. Jens-Uwe Krause: Kriminalgeschichte der Antike. C.H. Beck Verlag, München 2004, ISBN 3-406-52240-8, S. 73.
  41. Jens-Uwe Krause: Kriminalgeschichte der Antike. C.H. Beck Verlag, München 2004, ISBN 3-406-52240-8, S. 73 ff.
  42. Wolfgang Schild: Die Geschichte der Gerichtsbarkeit – Vom Gottesurteil bis zum Beginn der modernen Rechtsprechung. Nikol-Verlagsgesellschaft, Hamburg 2002, ISBN 3-930656-74-4, S. 208, 210.
  43. Wolfgang Schild: Die Geschichte der Gerichtsbarkeit – Vom Gottesurteil bis zum Beginn der modernen Rechtsprechung. Nikol-Verlagsgesellschaft, Hamburg 2002, ISBN 3-930656-74-4, S. 208, 210, 197.
  44. Konrad Motz: Die Strafen des Prangers und des Korbes sowie entsprechende Rechtsverordnungen. In: Dieter Pötsche: Stadtrecht, Roland, und Pranger. Lukas Verlag, Wernigerode/ Berlin 2002, ISBN 3-931836-77-0, S. 309 ff.
  45. Wolfgang Schild: Die Geschichte der Gerichtsbarkeit – Vom Gottesurteil bis zum Beginn der modernen Rechtsprechung. Nikol-Verlagsgesellschaft, Hamburg 2002, ISBN 3-930656-74-4, S. 197–206.
  46. Marie Sagenschneider: Prozesse – 50 Klassiker. 2. Auflage. Gerstenberg-Verlag, Hildesheim 2005, ISBN 3-8067-2531-4, S. 36–39, Kap. „Hängt das Schwein“ – Prozesse gegen Tiere (9. bis 19. Jahrhundert).