Kunstgewerbeschule

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Kunstgewerbeschulen waren im deutschsprachigen Raum seit Mitte des 19. Jahrhunderts bis etwa 1945 künstlerische Ausbildungsstätten (höhere Fachschulen) mit einem Schwerpunkt im Bereich der angewandten Kunst. Viele von ihnen gingen nach dem Zweiten Weltkrieg in Westdeutschland in Werkkunstschulen und in Ostdeutschland in Fachschulen für angewandte Kunst auf.

Gegen Ende der Frühen Neuzeit verloren die Zünfte als Ausbilder von Kunsthandwerkern an Bedeutung. Mit der Industrialisierung bildete sich im 19. Jahrhundert der neue Tätigkeitsbereich des Kunstgewerbes heraus. Vor allem Frankreich und England wurden in Stil, Ausführung und Technik als federführend wahrgenommen. In Paris bestand seit 1803 die École des arts décoratifs, in London wurden Kunstgewerbler seit 1837 an der Government School of Design ausgebildet. Die Erfolge waren auf den Weltausstellungen zu besichtigen, besonders nach London 1851 und Paris 1855 geht in den deutschsprachigen Ländern der zunehmende Nationalismus mit einer Kritik an der stilistischen Abhängigkeit von England und Frankreich einher.[1]

Kunstgewerbeschulen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Deutschland öffneten daraufhin mit dem Ziel der Förderung der deutschen Kunstindustrie bis zum Ende des 19. Jahrhunderts in rascher Folge zahlreiche Kunstgewerbeschulen.

Zu den ersten gehörten Nürnberg (1835), die Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums in Berlin (1868) und München (1868).

Zu einer Erneuerung der Kunstgewerbebewegung kam es zwischen den Weltausstellungen Paris 1900 und Brüssel 1910 durch den 1907 gegründeten Deutschen Werkbund und die Einrichtung einer Professur für modernes Kunstgewerbe an der Handelshochschule Berlin. 1904 erließ das preußische Ministerium für Handel und Gewerbe den sogenannten „Lehrwerkstättenerlass“ für die 35 Kunstgewerbe- und Handwerkerschulen des Landes, ausgearbeitet von Hermann Muthesius.[2] 1908 eröffnete in Weimar auf Bestreben von Henry van de Velde die Großherzoglich-Sächsischen Kunstgewerbeschule. Eine Kunstgewerbliche Fachschule in Flensburg ist zumindest zwischen 1905 und 1909 aus den Quellen belegt durch die Teilnahme von Emmy Gotzmann an Kursen im Aktzeichnen.

Die Kölner Werkbundausstellung von 1914 hatte großen Einfluss auf das Programm der Kunstgewerbeschulen. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden die Schulen gleichgeschaltet und firmierten nun als Meisterschulen des gestaltenden Handwerks.

Gründung Name Ort Auflösung Ggf. Nachfolgeinstitution
1790 Provinzial-Kunst- und Gewerkschule Königsberg 1933 Meisterschule des Deutschen Handwerks
1791 Königliche Kunst- und Gewerbeschule Breslau 1932
1835 Königliche Kunstgewerbeschule Nürnberg 1940 Akademie der bildenden Künste Nürnberg
1868 Königliche Kunstgewerbeschule München München 1937 Akademie der Bildenden Künste München
1868 Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums Berlin 1924 Universität der Künste Berlin
1869 Kunstgewerbeschule Kassel 1946 Schule für Handwerk und Kunst
1869 Württembergische staatliche Kunstgewerbeschule Stuttgart 1941 Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart
1870 Großherzoglich Badische Kunstgewerbeschule[3] Karlsruhe 1920 Badische Landeskunstschule
1873 Staatliche Kunstgewerbeschule Bremen 1934 Nordische Kunsthochschule
1874 Pfälzische kunstgewerbliche Fachschule Kaiserslautern
1875 Königlich Sächsische Kunstgewerbeschule Dresden 1950 Hochschule für Bildende Künste Dresden
1877 Großherzogliche Kunstgewerbeschule und Fachschule für die Metallindustrie Pforzheim 1971 Fachhochschule für Gestaltung
1878 Kunstgewerbeschule Wiesbaden
1879 Kunstgewerbeschule Frankfurt am Main 1922 Städelschule
1883 Kunstgewerbeschule[4] Mainz 1972 Kunsthochschule Mainz
1883 Kunstgewerbeschule Düsseldorf Düsseldorf 1918 Kunstakademie Düsseldorf
1883 Industrieschule Sonneberg
1887 Kunstgewerbe- und Handwerkerschule Magdeburg 1948 Fachschule für angewandte Kunst Magdeburg
1892 Kunstgewerbe- und Handwerkerschule Hannover[5] Hannover 1945 Werkkunstschule Hannover
1894 Kunstgewerbeschule Barmen Barmen 1930 Meisterschule für das gestaltende Handwerk Wuppertal
1896 Handwerker- und Kunstgewerbeschule Elberfeld Elberfeld 1930 Meisterschule für das gestaltende Handwerk Wuppertal
1896 Staatliche Kunstgewerbeschule Hamburg 1970 Hochschule für bildende Künste Hamburg
1898 Staatlich-Städtische Handwerker- und Kunstgewerbeschule Erfurt 1946 Fachschule für angewandte Kunst
1899 Kunstgewerbe- und Handwerkerschule Charlottenburg 1934 Höhere Graphische Fachschule der Stadt Berlin
1901 Staatlich-städtische Gewerbeschule[6] Essen 1927 Folkwangschule
1902 Lehr- und Versuch-Ateliers für angewandte und freie Kunst, Wilhelm von Debschitz München 1914
1904 Zeichen- und Kunstgewerbeschule Aachen 1927 Werkkunstschule
1904 Handwerker- und Kunstgewerbeschule Crefeld Krefeld 1949 Werkkunstschule Krefeld
1904 Handwerker- und Kunstgewerbeschule Dortmund 1963 Städtische Höhere Fachschule für Gestaltung
1908 Großherzoglich-Sächsische Kunstgewerbeschule Weimar 1915 Staatliches Bauhaus
1908 Handwerker- und Kunstgewerbeschule Trier[7] Trier 1945 Trierer Werkschule
1911 Königlich-Preußische Handwerker- und Kunstgewerbeschule[8] Bromberg 1920 Staatliche Gewerbeschule (1920–1939 in Polen)
1913 Schule Reimann Berlin-Schöneberg 1943
1914 Handwerker- und Kunstgewerbeschule Bielefeld Bielefeld 1933 Handwerkerschule Bielefeld
1915 Handwerker- und Kunstgewerbeschule Halle in der Burg Giebichenstein Halle 1933 Hochschule für industrielle Formgestaltung Halle
1923 Werkschule für gestaltende Arbeit Stettin 1936
1926 Kölner Werkschulen Köln 1971 Kunsthochschule für Medien Köln, Köln International School of Design
1941 Staatliche Kunstgewerbeschule Krakau Krakau 1943

Werkkunstschulen nach 1945

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Zweiten Weltkrieg fand eine Erneuerung statt durch die Gründung der Werkkunstschulen in Aachen, Augsburg, Bielefeld, Braunschweig, Bremen, Darmstadt, Dortmund, Dresden, Düsseldorf, Essen, Hamburg, Hannover, Kiel, Krefeld, Kassel, Lübeck, Magdeburg, Mainz, Münster, Offenbach, Saarbrücken, Trier, Wiesbaden und Wuppertal. In der DDR gab es ab 1950 Fachschulen für angewandte Kunst in Erfurt, Heiligendamm, Leipzig, Magdeburg, Potsdam, Schneeberg und Sonneberg. Fachschulstudiengänge zur künstlerischen Formgestaltung gab es auch an verschiedenen Hochschulen der DDR.

Die meisten der früheren Werkkunstschulen gingen in Nachfolge-Hochschulen auf oder wurden, wenn sie nicht selbst zu eigenständigen Hochschulen für Bildende Künste umgewandelt wurden, in bestehende Kunsthochschulen integriert. Beispielsweise

  • gingen aus den ehemaligen Zeichenschulen der „Hamburgischen Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe“ (heute Patriotische Gesellschaft von 1765) neben der Fachhochschule Hamburg auch die Hamburger Schule für Kunst und Gewerbe, Vorläuferin der heutigen Hochschule für Bildende Künste Hamburg hervor,
  • entwickelte sich aus der ehemaligen „Technischen Anstalt für Gewerbetreibende“ (1873) in Bremen nach mehrmaliger Umbenennung die „Hochschule für Gestaltung“ (1970) und schließlich die heutige Hochschule für Künste Bremen
  • wandelte sich die ehemalige „Kieler Gewerbeschule“ (1907) in die „Technische und kunstgewerbliche Fachschule“ (1910), dann in die „Muthesius-Werkschule für Handwerk und angewandte Kunst“, nahm dann nacheinander den Status einer höheren Fachschule (bis 1972) beziehungsweise „Fachhochschule für Gestaltung“ an, bevor sie schließlich zur Muthesius Kunsthochschule Kiel (2007) erhoben wurde,
  • gingen aus dem 1841 vom Braunschweiger Gewerbeverein gegründeten „Zeichen-Instithut“ die Hochschule für Bildende Künste Braunschweig hervor, aus der „Offenbacher Werkkunstschule“ die Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main, aus der „Staatlichen Schule für Kunst und Kunstgewerbe, Saarbrücken“ (1924) die „Werkkunstschule für Kunst und Handwerk“ (1946–1971) wurde zum Fachbereich Kunst und Design der FH Saarbrücken und zur Hochschule der Bildenden Künste Saar (1989).
  • ging aus der ehemaligen Handwerker- und Kunstgewerbeschule Elberfeld (1896/1897), die 1930 mit der 1894 gegründeten Kunstgewerbeschule Barmen zur Kunstgewerbeschule Wuppertal vereinigt wurde, dann Meisterschule für gestaltendes Handwerk und nach dem Zweiten Weltkrieg Werkkunstschule Wuppertal hieß, 1972 die Gesamthochschule Wuppertal hervor, die seit 2003 als Bergische Universität Wuppertal geführt wird,
  • entwickelte sich aus der „Kunstgewerbeschule Essen“ (1911–1928) die „Folkwangschule“ (höhere Fachschule für Gestaltung) bis 1971, dann Teil der Universität Essen/Duisburg und ab 2008 (zusammen mit der Musikhochschule und der Hochschule für Darstellende Künste) der Fachbereich Design der Folkwang Universität der Künste, die einzige Hochschule in Deutschland mit Promotionsrecht im Fach Design.
  • wurden die Kölner Werkschulen (1926–1971) zum „Fachbereich Kunst und Design“ an der Fachhochschule Köln und 1993 als Köln International School of Design (KISD) und Kunsthochschule für Medien Köln (KHM) neu gegründet.

Ohne Nachfolge blieben:

Gedenktafel für die kaiserlich-königliche Kunstgewerbeschule in Wien

Kaiser Franz Joseph I. gründete die „Kunstgewerbeschule des K. K. österreichischen Museums für Kunst und Industrie“ im September 1867 und eröffnete sie am 1. Oktober 1868. Auf die Ausbildungserfolge verwies eine Jubiläumsschrift 1929.[9] Aus der Kunstgewerbeschule ging 1999 die Universität für angewandte Kunst Wien hervor. Unabhängig besteht weiterhin das Österreichische Museum für angewandte Kunst – MAK.

In Zürich wurde 1878 die Kunstgewerbliche Fachschule gegründet, 1883 in Kunstgewerbeschule umbenannt.

In Basel wurde aus einer bestehenden Zeichnungs- und Modellierschule 1886 die Allgemeine Gewerbeschule, für deren kunstgewerbliche Fachklassen ab 1919 sich der Name Kunstgewerbeschule einbürgerte. Dieser Schulteil wurde zur unabhängigen Schule für Gestaltung, die später teilweise in die Hochschule für Gestaltung und Kunst integriert wurde.

In Luzern entwickelte sich 1877 aus der Zeichenschule die Kunstgewerbeschule Luzern. Aus ihr wurde 1972 die Schule für Gestaltung, heute ist sie ein Teil der Hochschule Luzern.

Sowohl in Bern als auch in Biel entstanden im späten 19. Jahrhundert Kunstgewerbeschulen, die heute als Schule für Gestaltung Bern und Biel zusammengefasst sind.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Henrike Haug: Schön und angewandt. Zur Begriffsklärung des Kunsthandwerks zwischen Gewerbefleiß, Kunst und Industrie. In: Kulturstiftung der Länder (Hrsg.): Arsprototo. Band 2, 2022, S. 20–23 (kulturstiftung.de).
  2. John V. Maciuika: "Sachlicher, wirtschaftlicher, zweckmässiger": 100 Jahre "Lehrwerkstätten-Erlass" vom Preussischen Ministerium für Handel und Gewerbe. In: Scholion Bulletin. e-periodica.ch, 2006, abgerufen am 4. Juni 2023.
  3. Großherzoglich Badische Kunstgewerbeschule – Stadtlexikon. Abgerufen am 3. Juni 2023.
  4. Kunstgewerbeschule Mainz: 1883-1919 ; vom Staate und der Stadt gemeinsam unterhaltene staatlich geleitete Schule. 1919 (google.de [abgerufen am 3. Juni 2023]).
  5. Werkkunstschule Hannover. Abgerufen am 3. Juni 2023.
  6. Geschichte der "Schule für Gestaltung". Abgerufen am 3. Juni 2023 (deutsch).
  7. SP: Es war einmal... die Werkkunstschule - Stadt Trier - Wochenspiegel. 9. Februar 2016, abgerufen am 3. Juni 2023 (deutsch).
  8. Marek Jeleniewski: Jubileusz "Mechanika". Kalendarz Bydgoski. Towarzystwo Miłośników Miasta Bydgoszczy, Bydgoszcz 2002 (polnisch).
  9. Kunstgewerbeschule des Österr. Museums für Kunst und Industrie in Wien (Hg): Ausstellung von Schülerarbeiten aus Anlass der Vollendung des 60. Bestandsjahres der Anstalt. Kunstgewerbeschule, Wien 1929.