Schalenstein

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Als Schalensteine, Näpfchensteine oder Schälchensteine, im Volksmund oft Opferstein und ähnlich genannt, werden in der Regel unverlagerte und ansonsten unbearbeitete Steine genannt, die artifizielle napfförmige Vertiefungen aufweisen. Schalensteine sind weit verbreitet. Es handelt sich um von Menschen eingearbeitete, runde oder ovale, meist mehrere Zentimeter durchmessende Vertiefungen; einzelne Steine weisen zusätzlich Wetzspuren auf.[1] Versuche zeigen, dass mit spitzen Felsstücken in den Fels geschlagene Ausbuchtungen in kurzer Zeit zu glatten Schalen ausgerieben werden können.[2]

Ein Deckstein der Megalithanlage Sømarkedyssen auf Møn trägt über 450 Schälchen.

Entstehung

Schalenstein von Wiershausen
Neolithisch-frühbronzezeitlicher Schalenstein auf der Berglitzl in Oberösterreich
Schalenstein auf Geierhütt am Vinschgauer Sonnenberg, Südtirol
Schalenstein im Staatsforst Schieder bei Brakelsiek (Schieder-Schwalenberg)
Schalenstein im Konappe Skov

Schalen können auch auf natürlichem Weg entstehen, erosiv durch Vergrusung oder löslich als Napfkarren (Kamenitza) oder Tafoni: Die teilweise im Erdreich eingebetteten Großsteine haben eine andere Temperatur als die Luft, sodass sich in natürlichen Vertiefungen Feuchte und Wasser ansammeln kann, und durch Verwitterung oder Ausscheidung von Algen und Moosen eine Mulde ausgearbeitet wird. Stellenweise finden sich sogar Schalen, in denen selbst in Trockenperioden Restwasser steht, was zur Mythenbildung um die Schalensteine beigetragen hat.[3] Auch Steine mit mechanisch entstanden Vertiefungen, etwa Kolke oder Gletschermühlen, wie sie im Gebirgsraum öfter vorkommen, können in diese Gruppe gehören (Schalenstein bei Eisgarn in Niederösterreich, Schonacher Schalensteinweg im Schwarzwald), diese Form ist aber auf ganz spezielle Vorkommen beschränkt, und die Herkunft meist gut erkennbar.

Möglich erscheint auch eine Kombination aus beiden Genesen, insofern natürliche, und darum für Hierogramme interessante Vertiefungen absichtlich nachgearbeitet wurden, oder sich durch Nutzung ausgeweitet haben.

Namen

Vom deutschen Volksmund werden sie Blut-, Druiden-, Feen-, Opfer-, Teufels- oder Hexensteine genannt.

Auf Französisch werden die Eintiefungen als Pierres aux écuelles[4] oder pierre à cupules bezeichnet. In Schweden heißen sie skål als Gruppe skålgrop, im Volksmund älvkvarnar (‚Elfenmühlen‘), in Dänemark werden sie Skåltegn (‚Schalenzeichen‘) und im Volksmund Æbleskivestenen (auch ‚Elfenmühlen‘) genannt, in Holland napjes (‚Näpfchen‘) und auf engl. Cup-Markings, slowenischen kamenica, slowakisch/tschechischen kamenice (von dem der karstwissenschaftliche Ausdruck Kamenitza kommt).

Zeitstellung

Die Schälchen selbst sind nur schwer datierbar. Der etwa 50.000 Jahre alte Stein unter dem Abri von La Ferrassie, Département Dordogne, der den Kinderschädel eines Neandertalers bedeckte, trägt an der Unterseite vier Schalen. Laut Peter Vilhelm Glob kommen Schälchen am Ende der Steinzeit in Gebrauch, wo sie in den großen Grabkisten auftreten und zusammen mit anderen Elementen die Schwelle zur Bronzezeit kennzeichnen. Anscheinend weisen die ältesten Steine eine verstreute Verteilung der Schälchen auf, die sich in der jüngeren Bronzezeit zu einem dichten Muster zusammenschließen, wo die einzelnen Gruben, auch nach Art der Cup-and-Ring-Markierungen, mittels Rinnen verbunden werden. Weniger als 5 % aller dänischen Dolmen (ca. 4.700) und Ganggräber (ca. 700) aus der Steinzeit haben Schälchen, aber mehr als 30 % der mecklenburgischen Anlagen, wo bis zu 167 Schälchen, im Durchschnitt aber etwa 26 vorkommen. Die ältesten Schweizer Schalensteine werden ungesichert der Mittelsteinzeit (8000 bis 4500 v. Chr.) und nur bedingt der Jungsteinzeit (4500 bis 1500 v. Chr.) zugeschrieben. Skandinavische Forscher sind der Meinung, dass sie während der gesamten Bronzezeit entstanden.

Einen Anhaltspunkt für eine zeitliche Einordnung bietet das Steinhügelfeld in der Ramm bei Marnitz, Kreis Parchim. Dort befinden sich noch annähernd 200 flache Steinhügel, in denen Keramik der vorrömischen Eisenzeit angetroffen wurde. Innerhalb der Steinhügel gibt es acht große Schalensteine. Ihre Schälchenanzahl schwankte zwischen vier und 30. Ein kleinerer Stein mit sechs Schälchen war als Deckplatte einer jungbronzezeitlichen Urnenbestattung aus Groß Raden, Kr. Sternberg eingesetzt und J. Ritter berichtet über einen Stein mit sieben Schälchen im bronzezeitlichen Hügelgrab von Vietlübbe, Kr. Lübz.

Einordnung

Ende des 19. Jahrhunderts ordnete Salomon Reinach Schälchensteine unter die megalithischen Monumente ein.[5] Da sie jedoch bereits seit dem Paläolithikum[6] über das Neolithikum bis in die Eisenzeit auftreten[7] und bis in die Neuzeit angelegt wurden, können sie nicht einer einzigen kulturellen Tradition zugeordnet werden.

Deutung

Häufige Deutungen

  • Fruchtbarkeitssymbole
  • Kalender
  • Mörser
  • Feuerbohrstellen
  • Sternbilddarstellungen
  • Karten
  • Wegweiser, Wegzeichen

Am häufigsten findet sich in der Fachliteratur eine Deutung als Opfergefäße. Die deutsch-norwegische Archäologin D. Stramm weist darauf hin, dass sich in Norwegen (Kvikne in Hedmark) Schälchensteine finden, die durch den Abbau von Steinmaterial für Gefäße und Gebrauchsgegenstände entstanden. Gefäße und Gebrauchsgegenstände sind aus der Bronzezeit bekannt, wie das Kleber- oder Specksteingefäß von Årstad bei Egersund im Rogaland. Nach D. Stramms Deutung ist die primäre Nutzung der Schälchen als Materialentnahme anzusprechen, wobei sie einer Nachnutzung als Opferschälchen durch spätere Kulturen ebenfalls nicht widerspricht. Der schweizerische Geologe W. A. Mohler war Zeuge, wie in einem verfallenen Hindutempel Opferwasser in derartige Schalen gegossen wurde, in die Blüten und Blätter gestreut waren. Nach anderen Berichten waren Schalensteine Naturaltäre, auf denen verschiedenen Gottheiten, die mit Fruchtbarkeitskulten in Verbindung standen, Nahrungsmittel, Blumen oder Räucherpflanzen dargeboten wurden. Gelegentlich sind Schalensteine mit Rutschsteinen vergesellschaftet (Beispiele in Südtirol), für die ein Zusammenhang mit Fruchtbarkeitsritualen tradiert wird. Felsen an exponierten Lagen könnten als Kalender zur exakten Einteilung der Jahreszeiten verwendet werden. Nach erfolgter Positionsmessung der Sonne mit Hilfe eines schattenwerfenden Stabes könnten Sonnwenden über die am Felsen angebrachten Schalen errechnet und vorhergesagt werden.[8] Eine Studie des Schweizer Archäologen Urs Schwegler [9] verneint die astronomische Deutung der Schalen- und Zeichensteine, insbesondere im Alpenraum, und widerspricht der verbreiteten Meinung eines Sonnenkultes oder angeblicher Kraftorte.

Berechnung der Sonnenwende
Bearbeitete Schalensteine im Stiftsmuseum Millstatt
Umgebung des Schalensteins am Lower Usuma-Stausee, Abuja, Nigeria, 2009

Standorte und regionale Unterschiede

Mecklenburg

Schalensteine kommen auf relativ häufig auf Deck-, Einfassungs- oder Tragsteinen von Megalithanlagen vor. Ein Drittel aller mecklenburgischen Megalithanlagen haben (mindestens) einen mit Schalen versehenen Stein. Auf den Tragsteinen befinden sie sich in der Regel auf den oberen Flächen neben den Decksteinen. Die Anlagen von Mankmoos (167 Schälchen), Qualitz (122) und Serrahn (107) haben mit Abstand die meisten Schälchen in Mecklenburg-Vorpommern. Außerdem werden Wächtersteine bevorzugt (Großsteingrab Stuer 3, Kreis Röbel (49) Großdolmen von Dwasieden (40 Schälchen)). Die meisten Schälchen müssen bei Bohrvorgängen entstanden sein. An einigen war die Spur des Bohrstockes ähnlich gut zu erkennen wie bei Felsgesteinäxten mit unvollendeter Vollbohrung. In keinem Falle gab es sichere Hinweise auf eingepickte Schälchen. In weichem Gestein finden sich die größten und tiefsten Schälchen (Deckplatte aus Kalkstein beim Urdolmen von Basedow, Kreis Malchin). Die Schälchen auf den Blöcken der mecklenburgischen Megalithgräber können nicht mit den Erbauern der Anlagen, den Leuten der Trichterbecherkultur (TBK) in Verbindung gebracht werden. Schälchen im Inneren von Megalithanlagen sind selten (Naschendorf) und stammen ebenfalls von bronzezeitlichen Nachnutzungen.

Das Trilithentor am Südtempel der Mnajdra auf Malta ist völlig mit einer Grübchenverzierung bedeckt. Am Kalenderstein von Leodagger befinden sich 16 Näpfchen in einer leicht schlangenförmigen Reihe. Die Näpfchen dienten mit hoher Wahrscheinlichkeit als Markierungen eines Kultplatzes. Die Gesteinsformation besteht zudem aus einem Felsblock mit angestelltem Menhir.

Mühlviertel

Der Schalenstein bei Mitterretzbach (Niederösterreich)

Im Mühlviertel (Österreich) finden sich in Granitblöcken im Wald zahlreiche schüsselförmige Einbuchtungen mit 40 bis 100 Zentimeter Durchmesser und bis zu 70 Zentimeter Tiefe. Der bekannteste liegt auf der Berglitzl, wo mehrere Grabungen durchgeführt wurden und Feueropferungen im Neolithikum und der Frühbronzezeit als erwiesen gelten.

Südtirol

Gut dokumentiert sind die Südtiroler Schalensteine in der Gegend von Meran und um Latsch im Vinschgau.

Schweiz

In der Schweiz wurden seit der Beschreibung des „Pierre-aux-écuelles von Mont-la-Ville“ 1854 mehr als tausend neue Schalensteine entdeckt, u.a. am Südfuss des Jura, in Graubünden, im Tessin und im Wallis. Besonders eindrücklich sind die Schalensteine mit geometrischen Formen von Evolène, Mesocco, Tarasp und Zermatt. Einer der größten ist der Pierre à empreintes von Saint-Luc im Val d'Annivers, im Wallis mit über 300 Schalen.

Schweden

Skålgropar sind Schälchengruppen, die in Schweden als Felsritzungen gelten. Sie sind im Südwesten von Uppland sehr häufig; etwa 27.000 sind registriert. In der Region Veckholm werden sie von einer großen Anzahl von Schiffsdarstellungen begleitet. Ihre Funktion ist unklar. Die Steine, auf denen sie sich finden, gelten als aus der Bronzezeit stammende Opfersteine. Manche Forscher erklären sie als Teil eines Fruchtbarkeitskultes, andere verbinden sie mit dem Totenkult. Die runden Vertiefungen haben in der Regel 4-8 cm Durchmesser und sind 1-2 cm tief. Im Volksmund der Gegend werden sie „älvkvarnar“ (‚Elfenmühlen‘) genannt, weil man glaubte, dass die Feen ihr Getreide darin mahlten. Deutlich größere Vertiefungen sind Gletschermühlen. Sie stehen in Verbindung mit der Eiszeit; laut der Sage haben Riesen in ihnen ihr Essen gekocht. Noch in den 1940er Jahren kannten alte Leute in Veckholm den mit den Schälchen verbundenen Aberglauben. Weise Frauen und Männer zogen angeblich heimlich aus, um sie zu bestimmten Zeiten mit Fett zu füllen. Ein Autor berichtet, er habe das in 1920er Jahren selbst beobachtet.[10] Etwa zwei Drittel aller entsprechenden Felsen in Uppland weisen ausschließlich Schälchen auf; diese finden sich aber auf Aufschlüssen mit Bildern.

Dänemark

Im Marstal Maritime Museum auf der dänischen Insel Ærø befindet sich kleine Sammlung von Schüsselsteinen aus der Bronzezeit. Der größte ist faustgroß. Es gibt auch mehrere dieser einzigartigen Objekte in Privatsammlungen auf Ærø.

Der Westen Dänemarks ist kaum felsig. Hier scheint sich eine besonders kleine Art von Schalensteinen entwickelt zu haben. Ob diese eine Parallele zu denen auf Monolithen oder Felsaufschlüssen bilden, ist unbekannt, aber naheliegend. Die Art ist im Südwesten Dänemarks und auf Ærø, Alsen, Langeland und Lolland besonders häufig. Die Megalithanlage Sømarkedyssen auf Møn weist über 450 Schälchen (dän. skålgruber, skåltegn) auf.

Liste von Schalensteinen

f1 Karte mit allen Koordinaten: OSM | WikiMap

Zeichnung des Schalenstein von Bunsoh (1911)

Siehe auch

Literatur

  • Edvard Hammarstedt: Schwedische Opfersteine (Älvkvarnar) 1915
  • Torsten Capelle: Bilderwelten der Bronzezeit. Felsbilder in Norddeutschland und Skandinavien, Philipp von Zabern, Mainz 2008, ISBN 978-3-8053-3833-2, S. 30-37
  • Schalensteine / Näpfchensteine. In: E. Hoffmann-Krayer, H. Bächtold-Stäubli: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Berlin/Leipzig 1932 (auf Sagen.at)

Spezielles:

Commons: Schalensteine – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. z. B. Vester Tørslev
  2. Franz Neururer: Jahreszeitenberechnung mit Schalensteinen. 2008, S. 5 ff. Link
  3. Otto Milfait: Vergessene Zeugen der Vorzeit. Seltsame Steine aus dem Mühlviertel. 3. erweiterte Auflage, Freistadt, 2001
  4. Salomon Reinach: Terminologie des monuments mégalithiques. In: Revue Archéologique. Troisième Série 22, 1893, S. 41, Stable URL: http://www.jstor.org/stable/41729742
  5. Salomon Reinach: Terminologie des monuments mégalithiques. In: Revue Archéologique. Dritte Folge, Nr. 22, 1893, S. 40 (JSTOR)
  6. Robert G. Bednarkik: Estimating the age of cupules. In: Roy Querejazu Lewis, Robert G. Bednarik (Hrsg.): Mysterious cup marks, Proceedings of the First International Cupule Conference, Cochabamba, Bolivia 2007, S. 5
  7. Robert G. Bednarkik: Estimating the age of cupules. In: Roy Querejazu Lewis, Robert G. Bednarik (Hrsg.): Mysterious cup marks, Proceedings of the First International Cupule Conference, Cochabamba, Bolivia 2007, S. 9
  8. Franz Neururer: Jahreszeitenberechnung mit Schalensteinen. 2008, S. 7 ff. Link
  9. Urs Schwegler: Schalen- und Zeichensteine der Schweiz. Verlag Schweizerische Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte. Basel 1992, S.34
  10. Mats Åmark, „När de sista älvkvarnarna smordes“ („Als die letzten Elfensteine gesalbt wurden“), Rig 1956, Link
  11. http://www.bornholmsmuseer.dk/helleristninger/Datering/datering5.html