Alfried Krupp von Bohlen und Halbach

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 4. Juli 2016 um 08:18 Uhr durch Wiki05 (Diskussion | Beiträge) (→‎Ehrungen: wikilink). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Alfried Krupp (rechts) und der Präsident von Togo, Sylvanus Olympio, in der Villa Hügel

Alfried Felix Alwyn Krupp von Bohlen und Halbach (* 13. August 1907 in Essen; † 30. Juli 1967 ebenda) war ein deutscher Ingenieur und letzter Alleininhaber der Friedrich Krupp AG.

Vorkriegs- und Kriegsjahre

Die Villa Hügel, das Geburtshaus

Unternehmer

Krupp von Bohlen und Halbach besuchte das Realgymnasium in Essen-Bredeney, die heutige Goetheschule, studierte von 1928 bis 1934 Ingenieurwissenschaften in München, Berlin und Aachen und schloss sein Studium an der TH Aachen mit dem akademischen Grad des Diplomingenieurs ab. Danach absolvierte er eine Volontärszeit bei der Dresdner Bank, Berlin. 1935 trat er in das Familienunternehmen, die Friedrich Krupp AG, ein. Er war zunächst in der Hauptverwaltung des Konzerns in Essen tätig. 1936 wurde er Prokurist. Im Oktober desselben Jahres wechselte er als Assistent in die Abteilung für Rüstungsproduktion und Artilleriekonstruktion. 1938 wurde er Leiter der Rohstoff- und der Rüstungsabteilung. Am 22. März 1941 wurde Krupp von Bohlen und Halbach Mitglied des Direktoriums (Vorstand) mit einem Jahresgehalt in Höhe von 60.000 Reichsmark.

Drei Radreifen – Das Firmenemblem von Krupp
Gedenktafel, Essen, KZ-Außenlager Humboldtstraße

Am 16. Mai 1940 kam Krupp von Bohlen und Halbach auf Einladung des Betriebsführers von Henkel in Düsseldorf mit Ruhrindustriellen aus Essen zusammen um mit Beginn des Frankreichfeldzuges über die Zukunft beschlagnahmter Fabrikanlagen zu verhandeln.[1]

Im März 1943 wurde Krupp von Bohlen und Halbach in Nachfolge seines Vaters Gustav Krupp von Bohlen und Halbach Vorsitzender des Direktoriums der Friedrich Krupp AG. Zu diesem Zeitpunkt verfügte seine Mutter Bertha Krupp von Bohlen und Halbach über nahezu alle Aktien der Krupp AG. Seine Eltern bewegten Hitler zur sogenannten Lex Krupp vom 12. November 1943. Demnach sollte die Krupp AG in ein Einzelunternehmen umgewandelt werden, dessen Alleininhaber ein Familienmitglied werden sollte, welches zugleich analog dem kaiserlichen Dekret den Namen Krupp seinem jeweiligen Familiennamen vorgestellt bekam. Zweck der Lex Krupp war außerdem, dem Unternehmen die Zahlung der Erbschaftssteuer zu ersparen. Von Bohlen und Halbach durfte also erst aufgrund Ermächtigung von Hitler den Namen „Krupp“ seinem Geburtsnamen voranstellen. Die Korrektur im Standesamtsregisters Essen-Bredeney erfolgte am 17. Juni 1944.

Am 15. Dezember 1943 wurde Krupp von Bohlen und Halbach alleiniger Inhaber der Firma Krupp. Zu diesem Zeitpunkt war die Firma ein bedeutendes Industrieunternehmen und einer der wichtigen Rüstungslieferanten des nationalsozialistischen Deutschen Reichs. Während des Zweiten Weltkrieges beschäftigte Krupp, wie auch alle anderen großen deutschen Unternehmen, Zwangsarbeiter. Aufgrund der stetigen Fluktuation ist eine Gesamtzahl nicht zu ermitteln, der höchste Personalstand an Kriegsgefangenen und ausländischen Zivil- bzw. Zwangsarbeitern zu einem Stichtag lag am 1. Januar 1943 bei ungefähr 25.000. Im Frühsommer 1944, forderte die Friedrich Krupp AG, nachdem keine Kriegsgefangenen und ausländischen Zivilarbeiter mehr zur Verfügung standen, die Zuteilung von 2.000 männlichen KZ-Häftlingen zur Arbeit an. Dem wurde im Juni entsprochen, aber stattdessen wurden der Firma jüdische Frauen zugesagt, die man zuvor, meist aus Ungarn, in das KZ Auschwitz-Birkenau deportiert hatte. Von einer Krupp-Delegation aus Personalverwaltung und Betriebsführung wurden daraufhin 500 rund Zwanzigjährige ausgewählt. Zusätzlich wählte man noch 20 sogenannte Funktionshäftlinge aus. Diese Frauen wurden im August in das KZ-Außenlager Humboldtstraße des KZ Buchenwald in Essen-Fulerum verbracht (offiziell: SS-Arbeitskommando Fried. Krupp, Essen).[2] Die Arbeitskräfte wurden in verschiedenen Krupp-Betrieben eingesetzt. Die gelegentlich angeführte Zünderfabrik bei Auschwitz war zwar von der Firma Krupp geplant und auch schon zwei Millionen Reichsmark für den Bau bewilligt, aber ab 1943 produzierte die Firma Weichsel-Metall-Union Sils und Co. dort. Die Zünderpoduktion wurde stattdessen in Wüstegiersdorf im damaligen Schlesien mit 250 Häftlingsfrauen des KZ-Auschwitz, nach Auslagerung aus Essen, verwirklicht.[3] Im Dezember 1944 beschäftigte die Firma Krupp hier 224 Kriegsgefangene, 1.029 ausländische Zwangsarbeiter, zudem 200 ungarische und kroatische weibliche KZ-Häftlinge.[4]

Beziehungen zum Nationalsozialismus

Zerstörtes Fabrikgebäude für Rüstungsproduktion der Firma Krupp in Essen

Krupp von Bohlen und Halbach war bereits seit 1931 förderndes Mitglied der SS. Er war Mitglied des Nationalsozialistischen Fliegerkorps, in dem er zuletzt den Rang eines Standartenführers innehatte. Ab 1938 war er Mitglied in der NSDAP. 1937 wurde der Sohn – ebenso wie sein Vater – zum Wehrwirtschaftsführer ernannt. Zudem war er Stellvertreter seines Vaters in dessen Funktion als Kuratoriumsvorsitzender der Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft. Er war Mitglied des Rüstungsrats beim Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion. Nach Kriegsbeginn war er für die Demontage von Betrieben in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten und deren Aufbau im Deutschen Reich verantwortlich. Bohlen und Halbach wurde mit dem Kriegsverdienstkreuz II. und I. Klasse ausgezeichnet.

Beziehungen in Wirtschaftsvereinigungen

Krupp von Bohlen und Halbach war 1941 Mitbegründer und anschließend Präsidiumsmitglied der Reichsvereinigung Kohle und ab 1942 stellvertretender Vorsitzender der Reichsvereinigung Eisen. Außerdem war er Beiratsmitglied der Ausfuhrgemeinschaft für Kriegsgerät sowie Mitglied des Verwaltungsrats der Berg- und Hüttenwerksgesellschaft Ost mbH (BHO).

Yachtsport

Krupp von Bohlen und Halbach war ein begeisterter Segler. Bei den Segelwettbewerben der Olympischen Sommerspiele 1936 vor Kiel gewann er mit der Crew seiner 8-Meter-Rennyacht Germania III für Deutschland die Bronzemedaille.[5] Später ließ er die Yachten Germania V (1956) und Germania VI (1963) bauen, mit denen er auch aktiv segelte.[6]

Familie

1937 heiratete Krupp von Bohlen und Halbach Anneliese Lampert geb. Bahr (1909–1998). Mit Anneliese hatte er einen Sohn, Arndt von Bohlen und Halbach. Die Ehe wurde 1941 auf Drängen des Vaters Gustav und vor allem der Mutter Bertha wieder geschieden: Gustav Krupp wollte die Erbfolge ändern lassen, die auf dem Generalregulativ des Großvaters Alfred beruhte. Dann wäre nicht Alfried, sondern einer der jüngeren Brüder Erbe der Krupps geworden. Diesem Druck beugte sich Alfried und willigte in die Scheidung ein.

In der weiteren Folge sollte sich dies noch als nachteilig für die Beziehung zu seinem Sohn Arndt erweisen, der von seiner aus der Essener Villa Hügel vertriebenen und enttäuschten Mutter gegen die Familie Krupp von Bohlen und Halbach auf Distanz gebracht wurde. Sein Sohn Arndt wurde von Alfried und von anderen später als zur Leitung der Firma Krupp wenig geeignet befunden, was teils auch auf den Einfluss der von den Krupps enttäuschten Mutter Arndts zurückgeführt wurde.[7]

Die Nachkriegszeit

Inhaftierung und Nürnberger Kriegsverbrecherprozess

Alfried Krupp während des Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses

Am 11. April 1945 wurde Krupp von Bohlen und Halbach von amerikanischen Truppen in der Villa Hügel unter Arrest gestellt und sein gesamtes Vermögen beschlagnahmt. Nachdem die Alliierten zunächst beabsichtigt hatten, seinen Vater im Rahmen des ersten Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher anzuklagen, der jedoch wegen Krankheit und Schwäche entlassen werden musste, klagten die Amerikaner Krupp von Bohlen und Halbach zusammen mit elf leitenden Mitarbeitern der Firma Krupp 1947 in einem gesonderten Verfahren (Fall X: Krupp-Prozess) an.

1948 wurde er wegen Sklavenarbeit (Einsatz von Zwangsarbeitern) und Plünderung von Wirtschaftsgütern im besetzten Ausland zu zwölf Jahren Haft und Einziehung seines gesamten Vermögens verurteilt. In der Anklageschrift wurde ihm auch die Planung eines Angriffskrieges und die damit verbundene Verschwörung vorgeworfen. Von dieser Schuld wurde er jedoch freigesprochen, da in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg sein Vater, und nicht er, die Geschicke der Firma leitete. In einem Interview mit der Londoner Zeitung Daily Mail 1959 antwortete er auf die Frage, ob er „irgendein Gefühl der Schuld“ habe: „Was für eine Schuld? Für das, was sich unter Hitler ereignet hat? Nein. Es ist jedoch bedauerlich, dass das deutsche Volk selbst zuließ, von Hitler so betrogen zu werden.“[8]

Amnestie und Mehlemer Vertrag

Auf der Grundlage eines Gutachtens unabhängiger amerikanischer Sachverständiger wurde Krupp von Bohlen und Halbach durch Entscheidung des amerikanischen Hohen Kommissars für Deutschland John Jay McCloy am 31. Januar 1951 begnadigt und vorzeitig aus dem Kriegsverbrechergefängnis Landsberg entlassen.

1952 heiratete Krupp von Bohlen und Halbach in zweiter Ehe Vera von Langen (1910–1967). Die Ehe wurde 1957 geschieden.

1953 kam es zum Abschluss des sogenannten Mehlemer Vertrages zwischen Krupp von Bohlen und Halbach und den Regierungen der USA, Großbritanniens und Frankreichs. Durch diesen Vertrag wurde ihm sein gesamtes Vermögen unter bestimmten Bedingungen zurückerstattet. Eine der wesentlichen Bedingungen war die Bestimmung, dass die Berg- und Hüttenbetriebe vom Krupp-Konzern abgetrennt und bis zum Jahr 1959 verkauft würden.

Erneute unternehmerische Tätigkeit

Im März 1953 übernahm Krupp von Bohlen und Halbach wieder die Leitung des Unternehmens. Ende des gleichen Jahres holte er Berthold Beitz als Generalbevollmächtigten in den Konzern. Er stellte das Unternehmen vollständig auf zivile Produktion, hauptsächlich auf Anlagenbau, um. Die Krupp AG erreichte schnell wieder ihre Stellung als führender Stahlproduzent. Tatsächlich wurden nämlich die Berg- und Hüttenbetriebe in der Folgezeit zwar – wie im Mehlemer Vertrag vorgesehen – abgetrennt, jedoch letztlich nicht verkauft. Vielmehr wurden sie 1960 zusammengefasst und mit dem Bochumer Verein für Gussstahlfabrikation AG fusioniert.

Grabplatte auf dem Friedhof Bredeney

Gründung der Stiftung und Tod

Krupp von Bohlen und Halbach litt an Lungenkrebs. Kurz vor seinem Tod verfügte er die Gründung einer Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, die Ausdruck der dem Gemeinwohl verpflichteten Tradition des Hauses Krupp sein sollte. Mit seinem Tod ging sein gesamtes Vermögen auf die Stiftung über. Dies wurde durch den Erbverzicht seines Sohns Arndt von Bohlen und Halbach möglich.

Alfried Krupp von Bohlen und Halbach war die letzte Person mit diesem Nachnamen. Der Namenszusatz „Krupp“ vor dem Nachnamen war laut Verfügung Wilhelms II. wie auch der Lex Krupp Adolf Hitlers nur von solchen Personen zu führen, die auch Inhaber der Firma Krupp waren. Mit dem Übergang des Unternehmens in eine Stiftung wurde diese gesetzliche Anordnung gegenstandslos.[9]

An seinem Sarg zogen 18.000 Menschen vorbei; bei der Trauerfeier sprach der damalige Bundespräsident Heinrich Lübke.[10]

Vermächtnis

Alfried Krupp Krankenhaus in Essen-Rüttenscheid, der Neubau entstand auf Initiative der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung

Die Stiftung nahm ihre Tätigkeit am 1. Januar 1968 auf, verwendet die ihr aus ihrer Unternehmensbeteiligung zufließenden Erträge ausschließlich und unmittelbar für gemeinnützige Zwecke und ist heute größte Einzelaktionärin der ThyssenKrupp AG.

Krupp von Bohlen und Halbachs Schallplattensammlung ging nach seinem Tod an die Folkwang-Hochschule für Musik.

Schon vor seinem Tod (1966) hatte er der Ruhr-Universität Bochum einen Teil der Bibliothek der Villa Hügel geschenkt.

Ehrungen

Die Alfried Krupp

1961 erhielt Krupp von Bohlen und Halbach den Ehrenring der Stadt Essen, nachdem sich die Stadt Essen 15 Jahre zuvor von seinen Eltern Gustav und Bertha Krupp distanziert hatte und diesen die Ehrenbürgerrechte aberkannt hatte. Nun, zum 150-jährigen Bestehen der Firma Krupp wurde Alfried ausgezeichnet. Die Jubiläumsrede hielt der ehemalige Bundespräsident Theodor Heuss. Zur Wahrnehmung Krupps in der Nachkriegszeit sagte er: „Ich will das ganz drastisch ausdrücken: die Vorstellung, als ob die Prokura und das Konstruktionsbüro bei (den Rüstungsfirmen) Schneider-Creusot, bei Škoda […] und so fort himmlischen Engeln anvertraut sei, während die entsprechenden Baulichkeiten bei Krupp eine Dependance der teuflischen Hölle seien. Herstellung von Waffen ist durch die Jahrtausende der Menschheitsgeschichte […] ein ganz einfacher historischer Tatbestand, den man gewiss bedauern mag. Aber man schafft ihn damit nicht aus der Welt.“[11]

1969 diente Krupp von Bohlen und Halbach als Vorlage für den Charakter des Friedrich Bruckmann in Luchino Viscontis Kinofilm Die Verdammten (The Damned). Gespielt wird der Charakter von Dirk Bogarde. Das Drehbuch wurde 1970 für den Oscar nominiert.

Das Alfried-Krupp-Wissenschaftskolleg Greifswald, das Alfried Krupp Krankenhaus in Essen, der Seenotrettungskreuzer Alfried Krupp und ein Lehrstuhl für Unternehmens- und Kapitalmarktrecht der Bucerius Law School sind nach ihm benannt.

Literatur

Weblinks

Commons: Alfried Krupp von Bohlen und Halbach – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. William Manchester: Krupp Zwölf Generationen. Kindler, S. 399/400
  2. Ulrich Herbert: Dachauer Hefte 2: Sklavenarbeit im KZ – Von Auschwitz nach Essen: Die Geschichte des KZ-Außenlagers Humboldtstraße. dtv, 1993, ISBN 3-423-04607-4, S. 13–34.
  3. Harold James: Krupp: Deutsche Legende und globales Unternehmen. S. 225
  4. Werner Abelshauser: Rüstungsschmiede der Nation? Der Kruppkonzern im Dritten Reich und in der Nachkriegszeit 1933 bis 1951. In: Lothar Gall (Hrsg.): Krupp im 20. Jahrhundert. Die Geschichte des Unternehmens vom Ersten Weltkrieg bis zur Gründung der Stiftung. Siedler, Berlin 2002, ISBN 3-88680-742-8, S. 424, 439
  5. Unter dem roten Greif. In: Die Zeit, Nr. 32/1967
  6. Svante Domizlaff, Alexander Rost: Germania – Die Yachten des Hauses Krupp. S. 207 ff.
  7. Joachim Knäpper: Berthold Beitz – Die Biografie. Berlin Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-8270-0892-3.
  8. Was für eine Schuld? Rother, S.179 f.
  9. Katja Schmidt: Krupp – eine deutsche Familie. telepolis, 22. März 2009
  10. Der König war tot, ehe er gestorben war. In: Der Spiegel. Nr. 33, 1967 (online).
  11. planet-wissen.de