Blaubart

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Blaubart überreicht den Schlüssel
(Holzstich von Gustave Doré aus dem Buch Les Contes de Perrault, dessins par Gustave Doré, 1862)
Bestaunen der Kostbarkeiten
(Les Contes de Perrault, dessins par Gustave Doré)
Die Brüder eilen zur Rettung
(Les Contes de Perrault, dessins par Gustave Doré)
Blaubarts Tod
(Les Contes de Perrault, dessins par Gustave Doré)

Blaubart, auch Der Blaubart (französisches Original: La barbe bleue), ist ein Märchen (ATU 312). Es stammt von Charles Perrault und steht in seinen Histoires ou contes du temps passé, avec des moralités: contes de ma Mère l’Oye (dt.: ‚Geschichten oder Märchen aus vergangener Zeit einschließlich Moral: Märchen meiner Mutter Gans‘) von 1697. Der Stoff um den frauenmordenden Blaubart wurde seitdem für zahlreiche Werke (z. B. andere Märchen, Erzählungen, Dramen, Filme, Opern, Illustrationen) adaptiert und weiterverarbeitet. Unter anderem gelangte er über mündliche Weitergabe durch Familie Hassenpflug als Blaubart auch in die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm (nur 1. Auflage von 1812, Stelle 62 (KHM 62a)). Perrault selbst griff in seiner Geschichte wiederum diverse Motive aus volkstümlichen Erzählungen, Legenden und Balladen auf.[1]

Inhalt

Ein reicher Mann mit allerlei Besitztümern in Stadt und Land würde gerne eine der beiden bezaubernden Töchter einer Nachbarin aus gutem Stande zur Frau nehmen. Er überlässt es der Frau und deren Töchtern, welche ihn ehelichen soll, doch keine der beiden möchte ihn heiraten, da sie seinen blauen Bart so hässlich finden. Außerdem ist es ihnen unheimlich, dass niemand weiß, was mit seinen vorherigen Ehefrauen geschehen ist. Nachdem er die Mutter, deren Töchter und Freunde jedoch aufs Land zu rauschenden Festen und allerlei Unterhaltung eingeladen hat, entschließt sich die jüngere Tochter, Blaubart zu heiraten, da sein Bart doch im Grunde nicht ganz so blau und er ein sehr anständiger Mann sei.

Bald nach der Hochzeit teilt Blaubart seiner jungen Frau mit, dass er für sechs Wochen in wichtigen Angelegenheiten aufs Land fahren müsse. Er überreicht ihr einen Schlüsselbund und sagt ihr, sie könne sich im Haus frei bewegen und solle sich während seiner Abwesenheit ruhig amüsieren. Auf gar keinen Fall dürfe sie jedoch einen bestimmten kleinen Schlüssel verwenden und damit die zugehörige Kammer im Erdgeschoss aufschließen, sofern sie sich nicht seinem allerschrecklichsten Zorn aussetzen wolle.

Kaum ist Blaubart abgereist, eilen die Freunde der Ehefrau zu Blaubarts Haus, bestaunen die diversen Kostbarkeiten in den verschiedenen Räumen und beneiden die junge Frau. Diese ist jedoch zu unruhig, um sich über die Komplimente zu freuen, und hastet heimlich und von Neugier getrieben so schnell die Treppe zu der kleinen Kammer hinab, dass sie sich fast den Hals bricht. Sie zögert zwar noch kurz, ob sie das Verbot nicht lieber achten und Blaubarts Zorn nicht provozieren soll, schließt dann aber zitternd die Tür auf. In der Kammer findet sie Blaubarts frühere Frauen ermordet vor. Entsetzt lässt sie den Schlüssel in eine Blutlache fallen, hebt ihn auf und verschließt die Kammer wieder. Ihre Versuche, den Schlüssel von den Blutflecken zu reinigen, scheitern, weil es ein verzauberter Schlüssel ist.

Blaubart kehrt unerwartet schnell zurück, da man ihm in einem Brief mitgeteilt habe, dass die Reise nicht mehr nötig sei, und bemerkt aufgrund der Blutspuren am Schlüssel sofort die Missachtung seines Verbots. Er wird sehr zornig und verurteilt seine Frau zum sofortigen Tod, auf dass sie den Leichen in der Kammer Gesellschaft leisten könne. Es gelingt der Frau, Zeit zu gewinnen und ihre Schwester Anne auf den Turm zu schicken, damit sie dort ihren beiden Brüdern Zeichen gebe sich zu beeilen, sobald sie zu ihrem angekündigten Besuch angeritten kämen.

Im allerletzten Moment, bevor Blaubart seine Frau mit einem Messer köpfen kann, erscheinen die bewaffneten Brüder und töten Blaubart. Die junge Witwe erbt alle Reichtümer Blaubarts, verschafft ihren Brüdern damit Offizierspatente, verhilft ihrer Schwester zur Ehe mit einem lange geliebten Mann und heiratet selbst glücklich einen ehrenwerten Mann, so dass sie Blaubart bald vergessen hat.

Perrault beendet sein Märchen mit zwei Moral-Versen und brandmarkt darin die Neugier der Frauen sowie die Schwäche männlicher Pantoffelhelden zu seiner Zeit:

Moral
Die Neugier, trotz all ihrer Reize,
kostet oft reichlich Reue;
Jeden Tag sieht man tausend Beispiele dafür geschehen.
Das ist, wenn es den Frauen auch gefällt, ein ziemlich flüchtiges Vergnügen,
sobald man ihm nachgibt, schwindet es schon,
und immer kostet es zu viel.
Andere Moral
Wenn man auch noch so wenig Scharfsinn hätte,
und verstünde kaum das Zauberbuch der Welt,
man sähe rasch, dass diese Geschichte,
ein Märchen aus vergangener Zeit ist.
Es gibt keine so schrecklichen Gatten mehr,
und keinen, der das Unmögliche verlangt,
wenn er unzufrieden oder eifersüchtig ist.
Bei seiner Frau sieht man ihn Schmeichelreden führen,
und welche Farbe sein Bart auch haben mag,
man kann kaum erkennen, wer von beiden der Herr ist.[2]

Andere Versionen

Die Geschichte gelangte in einer von Perrault abweichenden Version auch in die Erstauflage von Grimms Kinder- und Hausmärchen (Blaubart, 1812). In den späteren Auflagen ist sie nicht mehr enthalten. Vergleichbare Märchen aus Grimms Sammlung sind vor allem Fitchers Vogel und Das Mordschloß, ferner auch Der Räuberbräutigam. Das Motiv der verbotenen Tür gibt es auch in Marienkind.

Vgl. in Giambattista Basiles Pentameron II,8 Die kleine Sklavin, IV,6 Die drei Kronen.

Ludwig Bechstein nahm eine Variante als Das Märchen vom Ritter Blaubart in sein Deutsches Märchenbuch (1845) auf, Ernst Heinrich Meier in die Sammlung Deutsche Volksmärchen aus Schwaben (1852). Vgl. auch Die drei Bräute und Das goldene Ei in Bechsteins Deutschem Märchenbuch. Daneben existieren viele weitere Versionen.

Die verschiedenen Fassungen des Märchens variieren den Stand des Mannes (reicher Bürger, Ritter, Sultan, König), die Zahl der früheren Frauen (sechs, sieben, großer Harem) und die Art der Strafe (Blaubart hat alle Frauen getötet oder hält sie nur gefangen). Während Blaubart meist getötet wird, kommt er in Peter Rühmkorfs Blaubarts letzte Reise (1983) mit einem grauen Bart davon.

In Janoschs Parodie wird Blaubart von allen Frauen nur ausgelacht, bis sein Bart weiß geworden ist, da nimmt ihn eine Bettlerin und erbt sein Land.[3] Auch in Kaori Yukis Manga Ludwig Revolution ist er ein armer Kerl. Judith Kuckart überträgt die Handlung in die Gegenwart, mit Cabrio und einsamer Villensiedlung.[4]

Lesarten und Deutungsansätze

Das Märchen ist eine jüngere Fassung von Drachen-Mythen: Der Drache fordert eine Jungfrau und tötet sie, wenn er nicht von einem Ritter getötet wird (s. Drachentöter).

Als historisches Vorbild für Blaubart gilt Gilles de Rais, Marschall von Frankreich und Mitkämpfer der Jeanne d’Arc. Er war ein berüchtigter Sadist und Knabenmörder des 15. Jahrhunderts.

Der blaue Bart deutet an, dass der Protagonist kein gewöhnlicher Mann ist. Dies kann als Hinweis auf eine sexuelle Problematik gedeutet werden, da der Bart ein spezifisch männliches Attribut ist.

Laut Bruno Bettelheim beruht die Faszination Blaubarts für ein Kind auf der Bestätigung seiner Ahnung, dass die Erwachsenen schreckliche sexuelle Geheimnisse haben. Das unabwaschbare Blut am Schlüssel bedeute, dass die Frau untreu war, und ein Eifersüchtiger kann meinen, das verdiene den Tod. Bettelheim vergleicht das Märchen Mr. Fox.[5]

Adaptionen und Zitate

Literatur

Oper

Musik

Film und Fernsehen

Theater

  • Blaubart – Hoffnung der Frauen von Dea Loher; Uraufführung: Bayrisches Staatsschauspiel, München 1997
  • Blaubart – Ein Puppenspiel (Nur als Fragment erhalten) von Georg Trakl;

Tanztheater

Einzelnachweise

  1. Terri Windling: Bluebeard and the Bloody Chamber, 2007
  2. Charles Perrault: Der Blaubart. IN: Hartwig Suhrbier (Hrsg.): Blaubarts Geheimnis: Märchen u. Erzählungen, Gedichte u. Stücke. Diederichs, Köln 1984, S. 83–89
  3. Janosch: Blaubart. In: Janosch erzählt Grimm's Märchen. Fünfzig ausgewählte Märchen, neu erzählt für Kinder von heute. Mit Zeichnungen von Janosch. 8. Auflage. Beltz und Gelberg, Weinheim und Basel 1983, ISBN 3-407-80213-7, S. 161–164.
  4. Judith Kuckart: Blaubart und Nadine Kowalke. In: Die Horen. Bd. 1/52, Nr. 225, 2007, ISSN 0018-4942, S. 49–50.
  5. Bruno Bettelheim: Kinder brauchen Märchen. 31. Auflage 2012. dtv, München 1980, ISBN 978-3-423-35028-0, S. 351–356.

Literatur

Primärliteratur:

Weiterführende Literatur:

  • Winfried Menninghaus: Lob des Unsinns. Über Kant, Tieck und Blaubart. Suhrkamp, Frankfurt a.M. 1995. ISBN 3-518-58200-3
  • Jürgen Wertheimer: Don Juan und Blaubart. C.H. Beck, München 1999. ISBN 3-406-42116-4
  • Helmut Barz: Blaubart – Wenn einer vernichtet, was er liebt. Kreuz-Verlag, Zürich 1987. ISBN 3-268-00042-8
  • Ruth Neubauer-Petzoldt: Blaubart – Vom Motivkomplex zur Daseinsmetapher. In: Akten des X. Internationalen Germanistenkongresses Wien 2000. Band 9: Teilsektion 17c, Konzeptualisierung und Mythographie, Frankfurt a.M. u. a. 2003, S. 309–316.
  • Erik Durschmied: Hexen, Tod und Teufelswerk. Lübbe, Bergisch Gladbach 2004. ISBN 3-404-60536-5
  • Monika Szczepaniak: Männer in Blau – Blaubart-Bilder in der deutschsprachigen Literatur. Böhlau, Köln 2005. ISBN 3-412-15605-1
  • Hartwig Suhrbier: Blaubart – Leitbild und Leidfigur. Einleitende Aufklärungen. IN: Hartwig Suhrbier (Hrsg.): Blaubarts Geheimnis: Märchen u. Erzählungen, Gedichte u. Stücke / hrsg. u. eingeleitet von Hartwig Suhrbier. Diederichs, Köln 1984. ISBN 3-424-00780-3.
  • Ruth Neubauer-Petzoldt: Ritter, Sultan, Biedermann – Eine Ikonologie Blaubarts vom 17. bis 21. Jahrhundert. In: FABULA. Zeitschrift für Erzählforschung 2012 Bd. 53, Heft 3/4, S. 258–290.

Weblinks

Commons: Blaubart – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien