Diminutiv

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Das Diminutiv (auch Deminutiv, Diminutivum, Deminutivum von lateinisch deminuere „verringern, vermindern“, vgl. minus) ist die grammatische Verkleinerungsform eines Substantivs. Gegenteil ist das Augmentativ. Diminutive dienen der Verniedlichung, z. B. als Koseform und zur Bildung von Kosenamen (Hypokoristikum), oder auch der Abwertung („Das ist kein Haus, das ist ein Häuschen!“).

Kennzeichen und Herkunft

Das Diminutiv gehört als Verkleinerungsform zu den Mitteln der morphologischen Wortbildung. Diminutivformen werden in der Regel durch Kürzung, Silbenverdoppelung oder Anfügen einer Vor- oder Nachsilbe (Affix, Präfix oder Suffix) gebildet. Die Häufigkeit des Gebrauchs von Diminutiven unterscheidet sich je nach Sprache und Dialekt.

Im Deutschen ist das Diminutiv gekennzeichnet durch die Endsilben -chen sowie -lein. Die Endsilbe -chen ist aus mitteldeutschen Dialekten entnommen, während sich -lein vom mittelhochdeutschen -lîn herleiten lässt und in den oberdeutschen Diminutivsuffixen -la, -le, -li, -l, -erl eine Entsprechung findet. Wahrscheinlich war das -l- bzw. -ll- ursprünglich eine reine Adjektivierung, die dann zur Diminution wurde.

Im Deutschen gibt es zudem bei Vornamen eine Diminutivendung auf „i“ (Hansi, Berti, Karli); siehe auch Abschnitt „Koseformen bei Vornamen“. Die Endung „-i“ wird auch zur Bildung von Spitznamen aus Familiennamen verwendet.

Reduplikationen finden sich auch im Deutschen vor allem für Koseformen („Papa“, „Dodo“ für „Doris“ etwa).

Regeln

Die Bildung des Diminutivs ist im Deutschen oft mit der Änderung des Vokals der Stammsilbe zum entsprechenden Umlaut („Sack“ – „Säcklein“) und Aussparung eines unbetonten letzten Vokals („Hose“ – „Höschen“) verbunden – aber „Paulchen“ statt „Päulchen“; „Blondchen“ statt „Blöndchen“.

Merkspruch: -chen und -lein machen alle Dinge klein.

Im bairischen Dialektraum, speziell in Österreich, wird das Diminutiv bevorzugt mit -erl gebildet: z. B. Sackerl, Hunderl, Hoserl. Von „Euzerl“ (Stückchen) gibt es nur das österreichische Diminutiv.

Im alemannischen Dialektraum wird das Diminutiv mit -li gebildet: z. B. Platz - Plätzli.

Im schwäbischen Dialektraum wird das Diminutiv mit den Endungen -le Singular bzw. -la Plural gebildet, z. B. „Heisle“ und „Heisla“.

Artikel

Im Deutschen ist jedes Diminutiv sächlich (Genus: Neutrum). Somit ist das „Mädchen“ (= Mägdchen, Diminutiv von Magd)[1][2] grammatikalisch sächlich, auch wenn dies in der Umgangssprache bisweilen Verwirrung stiftet.

Verwendung

Straßenschild in Freiberg am Neckar

Verwendung des Diminutivs im Deutschen:

  • für kleine oder junge Menschen
  • zur Kennzeichnung kleiner Gegenstände innerhalb einer Klasse von Gegenständen
  • zur Kennzeichnung kleiner oder junger Tiere oder Pflanzen
  • als Koseform
  • als Verniedlichungsform, besonders von Substantiven oder Eigennamen in an Kinder oder geliebte Personen gerichteter Sprache
  • als Wertung: Minderung des Ansehens einer Person oder des Wertes eines Gegenstandes als Pejorativum bzw. Dysphemismus
  • als Untertreibung („wir haben ein Problemchen“)

Besonders häufig ist die Benutzung von Diminutiven im Ostfränkischen, in den alemannischen Dialekten (Schwäbisch, Niederalemannisch, Hochalemannisch und Höchstalemannisch) sowie im fast ausgestorbenen Niederpreußischen. Das ostfriesische Platt verwendet die Diminutiv-Endung -je bzw. -tje („Kluntje“, „Antje“ = kleine Anna), kennt aber auch das Suffix -ke („Happke“ = Häppchen). Weniger ausgeprägt erfolgt es im Nordniedersächsischen, speziell im Hamburger Platt. Dort wird der Verkleinerungsumstand in der Regel durch ein vorangestelltes Adjektiv ausgedrückt (lütte Deern). Dies korrespondiert mit dem weitestgehenden Fehlen von Diminutiven im angelsächsischen und vor allem skandinavischen Sprachraum. Das norddeutsche Diminutiv auf -ing („Kinnings“ für „Kinder“; „Louising“ für „Louise“) ist kaum noch verbreitet. Ebenfalls selten verbreitet ist ein aktiv neugebildetes Diminutiv „-l“ oder „-el“ im Ostmitteldeutschen. Es findet sich meist nur in feststehenden Ausdrücken wie Rostbrätel, lebt allerdings in einer Reihe von Nach- oder Eigennamen (z. B. Hänsel und Gretel) im gesamten deutschen Sprachraum fort. In der süddeutschen Umgangssprache findet das Suffix „-erl“ eine Verwendung, etwa „Dacherl“ zu „Dach“, wie auch unregelmäßige Formen, etwa „Burli“ und „Büberle“ zu „Bub“. Solche Diminutiva sind laut Nelson Cartagena und Hans-Martin Gauger ein Kennzeichen der gesprochenen Sprache insbesondere bei niederen sozialen Schichten.

Diminutive haben häufig eine verniedlichende Funktion, was auch satirisch genutzt wird.

Beispiele

Deutsch
  • Das Diminutiv von „der Baum“ ist „das Bäumchen“ oder „das Bäumlein“, in der Schweiz „Böimli“.
  • Das Diminutiv von „Hans“ ist „Hänschen“ oder „Hansi“, selten „Hänsel“, in der Schweiz „Hansli“.
  • Das Diminutiv „Kaninchen“ hat im allgemeinen Sprachgebrauch die Hauptform „Kanin“, ähnlich wie beim „Eichhörnchen“ und „Mädchen“, weitestgehend verdrängt.
  • Das Diminutiv von „der Mann“ ist „das Männchen“ oder „das Männlein“, selten „das Männel“, in der Schweiz „Männli“, in Tirol auch „Mandl“.
  • Das Diminutiv von „die Rippe“ ist „das Rippchen“, selten „das Ripple(in)“, im Baierischen oft „das Ripperl“, in der Schweiz „Rippli“.
Neugriechisch

In der griechischen Volkssprache Dimotiki dienen der Deminuirung eine Vielzahl verschiedener Verkleinerungssuffixe. Zu den gebräuchlichsten zählen:

  • Maskulina: -άκης [-ákis], -άκος [-ákos], -ούλης [-oúlis]

Beispiel: der Vater (ο πατέρας [o patéras]) → das Väterchen (το πατερούλης [o pateroúlis])

  • Feminina: -ούλα [-oúla], -ούδα [-oúda], -οπούλα [-opoúla], -ίτσα [-ítsa]

Beispiel: das Bier* (η μπίρα [i bíra]) → das Bierchen (η μπιρίτσα [i birítsa]) [* das Genus im Griechischen ist feminin]

  • Neutra: -άκι [-áki], -ούλι [-oúli], -ούδι [-oúdi], -ουδάκι [-oudáki], -οπούλο [-opoúlo]

Beispiel: das Haus (το σπίτι [to spíti]) → das Häuschen (το σπιτάκι [to spitáki])

„Die Bedeutung der griechischen Diminutiva geht aber über die Verkleinerung hinaus, denn sie werden sehr oft verwendet, um eine zärtliche Bemerkung, eine höfliche Bitte, eine approximative Berechnung, manchmal auch eine negative [verharmlosende] Beurteilung auszudrücken“ (Pavlos Tzermias, Neugriechische Grammatik, A. Francke Verlag, Bern 1967.).

Das Griechische kennt nicht nur Diminutiva, sondern auch Vergrößerungsformen (Augmentativa), die manchmal sehr plastisch sind.

Französisch

Im Quebecer Französisch werden Diminutivformen durch Präfigierung oder Silbenverdopplung gebildet, beispielsweise ti-chat „Kätzchen“, ti-gars „Jüngelchen“, Ti-(L)ouise „Louise“, Ti-Mi „Michelle“, Dédé „André“, Didi „Diane“, Dodo „Dominique“. Ähnliche Formen gibt es auch in den französischen Kreolsprachen (namentlich Haitianisch) und verschiedenen westafrikanischen Sprachen.

Slawische Sprachen

In den slawischen Sprachen werden häufig zwei sich steigernde Formen des Diminutivs verwendet, z. B. im Tschechischen: strom „Baum“ → stromek „Bäumchen“ → stromeček „kleines Bäumchen“.

Im Russischen ist die typische Endung des Diminutivs ein -a oft erweitert -ka -ja -schka wzB. bei Baba (Alte Frau, Großmutter) die zur Babuschka (Großmütterchen, Oma) wird.

Skandinavische Sprachen

In den skandinavischen Sprachen sind Diminutiva in der Regel nicht gebräuchlich, bzw. gar nicht bekannt (so zum Beispiel im Dänischen). Unterscheidungen zwischen den Verniedlichungsformen und den entsprechenden Augmentativ werden durch das Voranstellen der Wörter „klein“, bzw. „groß“ verdeutlicht.

Verselbstständigte Diminutive

Bestimmte Worte sind formal Diminutive, werden jedoch als eigenständiger Begriff und nicht (mehr) als Verkleinerungsform des Ursprungsbegriffes verwendet. Beispiele:

Andere Wörter wirken nur wie Diminutiva, sind aber gar nicht von dem scheinbaren Stamm abgeleitet.

  • Plätzchen, möglicherweise von lat. placenta = Kuchen oder lat. placere = gefallen
  • Veilchen (lat. viola), Pflanzenart

Koseformen bei Vornamen

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Wiktionary: Diminutiv – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Duden.de: Mädchen
  2. DWDS: Mädchen