Geisterspiel

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Als Geisterspiele werden zumeist Fußballspiele bezeichnet, die aufgrund von Sanktionen ohne Publikum ausgetragen werden müssen.

In Anlehnung an die „echten“ Geisterspiele werden gelegentlich auch höherklassige Spiele mit nur sehr geringem Zuschauerzuspruch scherzhaft als Geisterspiele bezeichnet.

Prinzip

Bei einem Geisterspiel wird lediglich Spielern, Betreuern, Vereinsoffiziellen sowie Medienvertretern Zutritt zum Stadion gewährt, die Zuschauerränge bleiben leer. Einer solchen Maßnahme geht in der Regel ein Fehlverhalten der Anhänger des gastgebenden Vereins bei einem früheren Spiel voraus. Die Ansetzung eines Geisterspiels hat für den Heimverein eine Einnahmeeinbuße aufgrund der ausbleibenden Eintrittsgelder zur Folge und ist daher neben der Androhung von Geldstrafen oder Punktabzug ein beliebtes und zumeist auch wirksames Druckmittel auf den betroffenen Club. Als weitere Möglichkeit des Strafmaßes werden manche Begegnungen mit einem Zuschauerteilausschluss belegt, bei dem einzelne Blöcke oder Tribünen gesperrt werden, die restlichen Plätze aber offen bleiben.

Beispiele

Deutschland

Das erste Geisterspiel im deutschen Profifußball fand am 26. Januar 2004 in Aachen zwischen Alemannia Aachen und dem 1. FC Nürnberg statt. Dieses wurde als Wiederholungsspiel der 2. Bundesliga von der DFL angeordnet, da im ersten Spiel der Nürnberger Trainer Wolfgang Wolf von einem Wurfgeschoss am Kopf getroffen worden war.[1] Am 18. Dezember 2011 fand die Zweitliga-Partie Hansa RostockDynamo Dresden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Grund waren Ausschreitungen im Ligaspiel gegen den FC St. Pauli (1:3).[2] Dynamo Dresden war in der gleichen Saison noch einmal von einem Geisterspiel betroffen: auslösender Grund für das Spiel ohne Zuschauer gegen den FC Ingolstadt am 11. März 2012 waren Krawalle im Zweitrundenspiel um den DFB-Pokal bei Borussia Dortmund am 25. Oktober 2011.[3]

Ein weiteres Geisterspiel im deutschen Profifußball wurde am 30. August 2008 in der 3. Liga zwischen dem FC Rot-Weiß Erfurt und der zweiten Mannschaft von Werder Bremen ausgetragen. Dieses Spiel fand auf Anordnung des DFB unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, da zwei Wochen zuvor beim Spiel der Erfurter gegen den FC Carl Zeiss Jena Teile des Erfurter Publikums antisemitische Sprechchöre in Richtung des Jenaer Fanblocks gerufen hatten. Für Ausschreitungen, die es zuvor beim Spiel gegen Regensburg gab, bestrafte der DFB den Karlsruher SC im Sommer 2012; er musste ein Drittliga-Heimspiel gegen Osnabrück ohne Zuschauer austragen.[4]

In der Regionalliga fanden im September 2009 Geisterspiele statt: 1860 München II musste am 17. September 2009 gegen den SV Darmstadt 98 ebenso vor leeren Rängen spielen wie einen Tag später der 1. FC Kaiserslautern II gegen Bayer 04 Leverkusen II. Begründet wurden die Sanktionen mit Böllerwürfen auf das Spielfeld beim Spiel des TSV 1860 in Weiden, beziehungsweise Ausschreitungen beim Gastspiel von Kaiserslautern in Mannheim.[5][6]

Österreich

In der österreichischen Bundesliga wurden wegen eines Platzsturms von Fans des SK Rapid Wien, der zum Abbruch des Spiels am 22. Mai 2011 gegen Austria Wien führte, zwei Geisterspiele als Strafmaßnahme gegen Rapid ausgesprochen.[7] Die Strafe wurde später vom ständigen neutralen Schiedsgericht auf ein Geisterspiel reduziert.[8]

Schweiz

Das erste Geisterspiel in der Schweiz fand am 19. April 2001 zwischen dem FC Sion und Servette Genf statt. Der Genfer Torwart Eric Pédat wurde von einer aus dem gegnerischen Fanblock geworfenen Petarde getroffen, dabei verletzt und zur Halbzeit ausgewechselt. Das ursprüngliche Spiel zwischen beiden Mannschaften, welches Servette unter Protest zu Ende spielte, ging 2:1 für Sion aus. Die Disziplinarkommission der Liga ordnete ein Wiederholungsspiel als Geisterspiel an, dieses endete 1:1.[9]

Zwischen 2003 und 2006 kam es zu insgesamt sechs Voll- oder Teilsperrungen des St. Jakob-Parks, dem Heimstadion des FC Basel. 2006 erhielt der FC Basel gleich zwei Geisterspiele, nachdem Basler Fans am 13. Mai 2016 nach dem Sieg des FC Zürich über den FC Basel und der dadurch durch Zürich gewonnenen Meisterschaft den Platz stürmten.[10]

Europa

In der Europa League-Saison 2012/13 wurde gegen Rapid Wien wegen Ausschreitungen beim Spiel gegen PAOK Thessaloniki am 23. August 2012 als Strafe ein Spiel ohne Publikum verhängt.[11] Dieses fand am 20. September 2012 gegen Rosenborg Trondheim im Ernst-Happel-Stadion statt.[12] PAOK musste wegen der Vorfälle im selben Spiel sogar drei Geisterspiele austragen, die wegen des Ausscheidens des Vereins ab der Saison 2013/14 stattfanden.[13] Das erste dieser Spiele war das Qualifikationsspiel zur Champions-League am 27. August 2013 gegen Schalke 04.[14]

Während dem Europa-League Achtelfinal-Rückspiel am 20. März 2014 zwischen dem FC Basel und dem FC Salzburg wurden aus der Basler Kurve Gegenstände auf das Spielfeld geworfen, so dass die Partie während der ersten Halbzeit für eine Viertelstunde unterbrochen wurde. Die Disziplinarkammer des europäischen Fußballverbands UEFA bestrafte Basel mit einem Geisterspiel sowie 107.000 Euro Strafe, zudem wurde ein weiteres Geisterspiel auf Bewährung ausgesprochen.[15] Nachdem am 4. Oktober 2014 beim Champions League-Gruppenspiel zwischen dem FC Basel und dem FC Liverpool nach einem Wurf einer Schnapsflasche aufgrund der Bewährung zuerst eine Platzsperre im Raum stand[16], wurde der Verein nur mit einer Geldstrafe in Höhe von 48.000 Schweizer Franken belegt.[17]

Für die Champions League-Saison 2014/15 sprach die Disziplinarkommission der UEFA neben einer Geldstrafe in Höhe von 200.000 EUR insgesamt vier Heimspiele Sperre gegen ZSKA Moskau aus, nachdem sich dessen Fans im Gruppenspiel der Vorsaison bei Viktoria Pilsen sowie im ersten Gruppenspiel der laufenden Saison beim AS Rom rassistisch geäußert hatten. Hiervon betroffen war u.a. das erste Heimspiel der Gruppenphase gegen den FC Bayern München. Außerdem untersagte die UEFA dem Verein den Verkauf von Eintrittskarten für die verbleibenden internationalen Auswärtsspiele der Saison.[18]

Ebenfalls rassistische Äußerungen sowie der Vorwurf, Zuschauer hätten am dritten Gruppenspieltag gegen den FC Chelsea absichtlich Treppen blockiert, führten in der Champions League-Saison 2015/16 dazu, dass Dynamo Kiew sein Gruppenspiel gegen Maccabi Tel-Aviv vor leeren Rängen austragen musste. Zunächst sollte auch das folgende Achtelfinale gegen Manchester City zum Geisterspiel werden, jedoch reduzierte die UEFA in zweiter Instanz das zuvor ausgesprochene Urteil von zwei auf ein Spiel Sperre.[19]

Aufgrund mehrfachem Einsatz von Pyrotechnik, versuchtem Blocksturm, Gegenständen auf dem Spielfeld sowie mutmaßlich rassistischen Äußerungen am ersten Gruppenspieltag der Champions League-Saison 2016/17 gegen Borussia Dortmund verurteilte die UEFA Legia Warschau neben 80.000 EUR Geldstrafe dazu, das Heimspiel gegen Real Madrid ohne Zuschauer auszutragen.[20]

Gegenmaßnahmen

Als Maßnahme gegen die durch Geisterspiele entstehenden Einnahmeausfälle organisierten manche Vereine und/oder Fangruppierungen Spendenmaßnahmen in Form von sogenannten Geistertickets. Gegen eine Spende in Höhe des normalen Eintrittspreises erhält der Fan eine Spendenquittung in Form eines Tickets. Dieses berechtigt jedoch zu keinerlei Eintritten. Als erstes Team versuchte Hansa Rostock, mit solch einer Aktion den finanziellen Schaden zu verringern. Einen der größten Spendenerfolge dieser Art erzielte Dynamo Dresden bei seinem Geisterspiel am 11. März 2012 gegen den FC Ingolstadt 04. Hierbei wurden mit 34.638 Geistertickets mehr „Plätze“ verkauft, als im realen Stadion zur Verfügung gestanden hätten. Außerdem hätten ca. 7.100 Dauerkartenbesitzer einen Anspruch auf Eintritt zu dem Spiel gehabt, wodurch die maximale Zuschauerkapazität des Stadions von 32.066 Personen infolge der verkauften Geistertickets um mehr als 9.000 Plätze überschritten werden konnte.

Anlässlich des Geisterspiels am 30. September 2014 bei ZSKA Moskau mieteten Fans des FC Bayern München eine ganze Etage in einem in unmittelbarer Nähe der Arena Khimki gelegenen Hochhaus und konnten so das Spiel dennoch verfolgen. Als Anerkennung für die Kreativität seiner Anhänger übernahm der Verein daraufhin die Kosten hierfür.[21]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. "Geisterspiel" in Aachen: Zwei Würstchenverkäufer und der Ehrenpräsident. In: Spiegel Online. 26. Januar 2004, abgerufen am 27. Februar 2015.
  2. Express.de: Huch?!: Doch ein Zuschauer bei Hansas Geisterspiel. In: express.de. 18. Dezember 2011, abgerufen am 27. Februar 2015.
  3. Pokalausschluss für Dresden aufgehoben. In: rhein-zeitung.de. 27. Februar 2015, abgerufen am 27. Februar 2015.
  4. KSC bestreitet Geisterspiel gegen Osnabrück - 3. Liga. In: kicker.de. 2. August 2012, abgerufen am 27. Februar 2015.
  5. DFB sanktioniert Böllerwürfe beim U23-Auswärtsspiel - Hohe Geldstrafe und Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf tsv1860.de vom 11. September 2009, nicht mehr abrufbar
  6. FCK akzeptiert Richterspruch - Regionalliga. In: kicker.de. 9. September 2009, abgerufen am 27. Februar 2015.
  7. Auf Platzsturm reagiert ORF, abgerufen am 1. Juni 2011.
  8. Platzsturm: Nur ein "Geisterspiel" für Rapid Die Presse.com, 7. Juli 2011.
  9. Geisterspiele: Traurige Tradition in der Schweiz. In: 20 Minuten. 3. April 2014, abgerufen am 22. Juli 2016.
  10. Die Geisterspiele des FC Basel. In: TagesWoche. 26. März 2014, abgerufen am 22. Juli 2016.
  11. Rapid muss "Geisterspiel" austragen Kleine Zeitung, 14. September 2012.
  12. 20. September 2012 Das Geisterspiel Rapid Wien vs. Rosenborg Trondheim meinbezirk.at.
  13. Höchststrafe für Rapid nach Randalen in Thessaloniki Wiener Zeitung.at, 28. August 2012.
  14. Sebastian Weßling: Trotz Geisterspiel - Einige Schalke-Fans bekommen Tickets für Spiel in Saloniki. In: derwesten.de. 15. August 2013, abgerufen am 27. Februar 2015.
  15. Die Uefa ist knallhart: Ein Geisterspiel für den FC Basel – kein Rekurs. In: TagesWoche. 26. März 2014, abgerufen am 15. August 2016.
  16. FCB droht Geisterspiel, YB eine Busse: Schweizer Fans sorgen in Europa für negative Schlagzeilen. Abgerufen am 22. Juli 2016.
  17. 48'000 Franken Busse für den FCB und ein weiteres Verfahren. Abgerufen am 6. August 2016.
  18. Rassistische Vorfälle: ZSKA Moskau zu weiteren Geisterspielen verurteilt. In: Spiegel Online. 3. Oktober 2014, abgerufen am 27. Februar 2015.
  19. Doch kein Geisterspiel für City in Kiew. In: kicker.de. 2. Februar 2016, abgerufen am 9. Februar 2016.
  20. Hammerstrafe nach BVB-Randale. In: reviersport.de. 29. September 2016, abgerufen am 29. September 2016.
  21. FC Bayern belohnt kreative Fans sky.de, 30. September 2014.