Gipfelkreuz

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Otto Barth (1876–1916), Morgengebet der Kalser Bergführer auf dem Großglockner, Öl auf Leinwand, 1911

Ein Gipfelkreuz ist ein Kreuz auf dem Gipfel eines Berges oder Hügels, das als Gipfelmarkierung und religiöses Symbol dient. Häufig findet sich an Gipfelkreuzen ein Behältnis oder zumindest eine wetterfeste Hülle mit einem Gipfelbuch.

Gestaltung

Verschiedene Formen von Markierungen und Symbolen wie Steinmännchen, Gebetsfahnen oder Obos sind weltweit auf Pässen und Anhöhen, insbesondere Heiligen Bergen zu finden. In den italienischen Alpen steht manchmal stattdessen eine Madonna auf dem Gipfel.

Gipfelkreuze haben meist eine Höhe von etwa zwei bis vier Meter und sind meist aus Holz oder Metall sowie seit April 2010 sogar aus Glas gefertigt.[1] Sie sind überwiegend in katholisch geprägten Regionen der Alpen, vor allem in Österreich, der Schweiz und Bayern, aber auch in Amerika, zu finden. Meist stehen sie auf Bergen, deren Gipfel die Baumgrenze überschreitet, sie sind aber auch in den deutschen Mittelgebirgen zu finden, beispielsweise im Schwarzwald auf dem Herzogenhorn.

Begehbares Gipfelkreuz

Das größte, komplett begehbare Gipfelkreuz der Welt soll das 29,6 m hohe Jakobskreuz genannte Gipfelkreuz am Gipfel der Buchensteinwand im Pillerseetal (St. Jakob in Haus, Bezirk Kitzbühel, Tirol, Österreich) auf 1456 m ü. A. sein. Die Ausführung wurde als sogenanntes Jakobskreuz gewählt (kreuzförmiges Gebäude mit vier Armen). In einer Höhe von 19 und 22 Meter befinden sich Aussichts- und Ausstellungsräume und auf der höchsten Ebene des Kreuzes auf ca. 28 Meter Höhe eine Panorama-Aussichtsplattform.[2]

Es wurde am 27. Juli 2014 offiziell eröffnet.[3] Die Finanzierung erfolgte durch die Bergbahnen Pillerseetal und EU-Förderungen.[4] Die Gesamtkosten für das Jakobskreuz sollen etwa 1,8 Millionen Euro betragen.

Geschichte

Bereits Ende des 13. Jahrhunderts wurden vereinzelt große Kreuze auf Pässen und Anhöhen errichtet. Beispiele aus dieser Zeit sind das Confin-Kreuz in St. Valentin auf der Malser Haide, das auch als Grenzmarkierung diente, oder Kreuze auf dem Arlberg, dem Grödner Joch oder der Birnlücke.[5] Ein frühes Beispiel der Anbringung von großen, bis ins Tal hinab sichtbaren Kreuzen war die Erstbesteigung des Mont Aiguille im Jahr 1492, wo drei Kreuze an den Ecken des Gipfelplateaus angebracht wurden.[6] Im 16. Jahrhundert wurden vermehrt Kreuze auf Gipfeln errichtet, wobei sie hierbei vor allem auch die Funktion der Markierung von Alm- und Gemeindegrenzen hatten. Im 17. Jahrhundert, insbesondere während des Dreißigjährigen Krieges gewann die religiöse Symbolik an Bedeutung. Die Kreuze dieser Zeit waren meist aus einfachen, vor Ort aufgefundenen Ästen gezimmerte Holzkreuze oder hier befestigte Hauskruzifixe. Vielfach wurden in dieser Zeit auch Kreuze mit zwei Querbalken in Form der sogenannten Patriarchenkreuze (oder Scheyernkreuze) angefertigt. Diese Wetterkreuze sollten gemäß dem von alten heidnischen Vorstellungen geprägten Volksglauben Unwetter, Sturm und Hagel bannen.

Im 19. Jahrhundert wurden im Zuge des aufstrebenden Alpinismus und der Vermessung der Gipfel viele Berge mit meist einfachen Holzkreuzen versehen. Eigens für den Gipfel von Fachleuten angefertigte große Gipfelkreuze im heutigen Sinne wurden meist erst Ende des 19. Jahrhunderts auf die Berge getragen. Eine bekannte Ausnahme sind der Klein- und Großglockner, die schon 1799 bzw. 1800 im Zuge ihrer Erstersteigung mit großen Kreuzen ausgestattet wurden.[5] Diese Kreuze wurden neben ihrer religiösen Funktion auch als Symbole der Aufklärung gesehen, sie waren mit Blitzableitern und wissenschaftlichen Messinstrumenten wie Barometern ausgestattet.[7] Während des 19. Jahrhunderts kam es mehrfach zu Versuchen, statt der christlichen Kreuze neutraleren Gipfelsymbolen wie Pyramiden, Obelisken oder Fahnen zum Durchbruch zu verhelfen, die meist weltlichen Herrschern gewidmet waren. Ein Beispiel hierfür war die (nicht umgesetzte) Errichtung des sogenannten Kaiserobelisken am Ortler 1888.[8]

Eine Blütezeit erlebten die Gipfelkreuze im 20. Jahrhundert. Besonders nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viele neue Kreuze errichtet. Die Gemeinden organisierten oft diese teilweise sehr teuren und logistisch schwierigen Unternehmungen auf hohen Gipfeln im Gedenken an die Gefallenen, oder zum Dank für die gesunde Heimkehr aus dem Krieg und der Gefangenschaft. Insbesondere Kriegsheimkehrer waren oft an der Aufstellung beteiligt.[5] Ein bekanntes Beispiel aus dieser Zeit ist das Kreuz am Zuckerhütl, dessen Errichtung 1947 ein Jahr später verfilmt wurde.[9]

Nahezu immer werden Gipfelkreuze von Personenvereinigungen aufgestellt, selten von Privat- oder Einzelpersonen.[10] Zu solchen Vereinen zählen etwa Tourismusverbände, Sektionen der alpinen Vereine, Ortsstellen der Bergrettung, Sportvereine, Schützenkompanien oder so wie in Tirol beispielsweise die Tiroler Jungbauernschaft/Landjugend. In etwa seit den 1960er Jahren hat sich das Motivspektrum erweitert. Heute werden sogenannte Gedenkkreuze, Freundschaftskreuze oder Dankeskreuze errichtet. Gipfelkreuze werden aber genauso noch aus ästhetischen Gründen gesetzt, oder einfach nur als Ersatz für das von der Witterung beschädigte alte Kreuz.[11]

Eine neuere kulturelle Entwicklung ist das Behängen von Gipfelkreuzen mit buddhistischen Gebetsfahnen, wie sie auch in der Nähe oder direkt bei Schutzhütten zu finden sind.[12]

Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit Gipfelkreuzen

Die Freidenker-Vereinigung der Schweiz fordert, dass keine neuen Gipfelkreuze in der Schweiz aufgestellt werden.[13] "Da Berge öffentlicher Raum seien, sollte dieser auch frei von religiösen Symbolen sein."[13] Reinhold Messner sieht Gipfelkreuze kritisch,[14] fordert aber nicht den Abbau der bestehenden Kreuze

„Das Kreuz ist das christliche Symbol schlechthin, dieses gehört meiner Meinung aber nicht auf einen Gipfel. Ich spreche nicht von Missbrauch, ich sage nur, man sollte die Berge nicht zu religiösen Zwecken möblieren. Die Berge, die doch der ganzen Menschheit gehören, sollten nicht mit einer bestimmten Weltanschauung verknüpft oder besetzt werden. [...] Natürlich sollten bestehende Gipfelkreuze schon aus historischen Gründen stehen bleiben. Und ich würde niemals jemanden verteidigen, der Kreuze umhackt, das ist ja fast ein terroristischer Akt. Meine Waffe bleibt das Wort. Man kann aber offen darüber diskutieren, ob auch das Gipfelkreuz untrennbar zum christlichen Abendland gehört wie unsere Kirchen, Friedhöfe und Wetterkreuze.“

Reinhold Messner: [15]

Im Kanton Freiburg beschädigte 2009 ein Schweizer zwei Gipfelkreuze. Vor Gericht sagte er "'Die Natur gehört keiner Religion' [...] Sie solle freier Raum bleiben. Er habe versucht, den Einfluss und die Präsenz des Christlichen Glaubens in der Öffentlichkeit zu bekämpfen."[16] Er wurde zu einer Geldbuße wegen Sachbeschädigung und Verletzung der Religionsfreiheit verurteilt. Nach dem Urteil sagte er "'Ich wollte eine öffentliche Diskussion um die Gipfelkreuze provozieren.'"[16]

An Pfingsten 2016 wurde ein Holzkreuz an einer Alm in der Nähe von Lenggries von einem Unbekannten zerstört.[17] Ende Juli 2016 wurde das Gipfelkreuz auf dem Torjoch (auch Prinzkopf genannt[18]) zerstört.[17] Ende August 2016 wurde das Gipfelkreuz des Scharfreiters von einem Unbekannten mit einer Axt und einer Säge so stark beschädigt, dass es entfernt werden musste.[17] Über die Motive gibt es (Stand Anfang September 2016) nur Spekulationen.[17]

Der Schweizer Künstler Christian Meier hat im Sommer 2016 auf dem Gipfel des Berges Freiheit im Kanton Appenzell Innerrhoden einen drei Meter hohen Halbmond angebracht, der in der Nacht beleuchtet war. Der Kantonvorsitzende von Innerrhoden, Roland Inauen, hat das Gespräch mit dem Künstler gesucht und die Zusage erhalten, dass die Installation entfernt wird.[19]

Bildergalerie

Siehe auch

Literatur

  • Paul Werner: „Zum Beweise, daß wir dagewesen …“ Zur Geschichte unserer Gipfelkreuze. In: Ars Bavarica. 63/64, 1991, S. 112–143.
  • Paul Werner, Richhilde Werner: Vom Marterl bis zum Gipfelkreuz. Flurdenkmale in Oberbayern. Plenk, Berchtesgaden 1991, ISBN 3-922590-62-4.
  • Claudia Mathis (Claudia Paganini): Dem Himmel nah … Von Gipfelkreuzen und Gipfelsprüchen. 2. Auflage. Berenkamp, Innsbruck 2007, ISBN 978-3-85093-149-6.
  • Wolfgang Kunz: Gipfelkreuze in Tirol. Eine Kulturgeschichte mit Gegenwartsbezug. Böhlau, Wien/ Köln/ Weimar 2012, ISBN 978-3-205-78727-3.

Weblinks

Wiktionary: Gipfelkreuz – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Gipfelkreuze – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Tennengebirge: Erstes Gipfelkreuz aus Glas, im April 2010, berg-magazin.at
  2. Das Jakobskreuz auf baumkronenweg.at (PDF; 6,59 MB)
  3. Beitrag ORF Tirol vom 28. Juli 2014.
  4. Beitrag ORF Tirol vom 22. August 2013.
  5. a b c Wilhelm Eppacher: Berg- und Gipfelkreuze in Tirol (= Schlern-Schriften. Band 178). Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 1957, S. 5–9.
  6. Reinhold Messner: Schöne neue Welt VERTIKAL. In: Bergsteiger. Band 6, 92, S. 71–73 (online auf: bardoux.de [abgerufen am 20. Juni 2009]).
  7. Alpenvereinsmuseum, Phillipp Felsch (Hrsg.): Berge, eine unverständliche Leidenschaft. Folio-Verlag, Wien 2007, ISBN 978-3-85256-408-1, S. 40.
  8. Wilhelm Eppacher: Berg- und Gipfelkreuze in Tirol (= Schlern-Schriften. Band 178). Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 1957, S. 10.
  9. Kinofilm: Gipfelkreuz (Drama, Österreich 1948) In: kino.de
  10. Wolfgang Kunz: Gipfelkreuze in Tirol. Eine Kulturgeschichte mit Gegenwartsbezug. Wien/ Köln/ Weimar 2012, S. 146.
  11. Wolfgang Kunz: Gipfelkreuze in Tirol. Eine Kulturgeschichte mit Gegenwartsbezug. Wien/ Köln/ Weimar 2012.
  12. Wolfgang Kunz: Gipfelkreuze in Tirol. Eine Kulturgeschichte mit Gegenwartsbezug. Wien/ Köln/ Weimar 2012, S. 201.
  13. a b Die Schweiz soll frei von Gipfelkreuzen werden. Augsburger Allgemeine, 25. Oktober 2010, abgerufen am 1. September 2016.
  14. http://www.idea.de/gesellschaft/detail/kontroverse-um-gipfelkreuze-reinhold-messner-nennt-sie-humbug-90194.html
  15. Reinhold Messner interviewt von Titus Arnu: Reinhold Messner: Kreuze haben am Gipfel nichts verloren. Süddeutsche Zeitung, 31. August 2016, abgerufen am 1. September 2016.
  16. a b Katrin Woitsch und Andreas Steppan: Gipfelkreuze: Steckt ein religiöses Motiv hinter den Axt-Attacken? Münchner Merkur, 30. August 2016, abgerufen am 1. September 2016.
  17. a b c d Hendrik Ternieden: Ostalpen: Das Rätsel um die gefällten Gipfelkreuze. Der Spiegel, 30. August 2016, abgerufen am 1. September 2016.
  18. Elmar Voltz: Gipfelkreuz auf dem Prinzkopf umgehackt. Bayerischer Rundfunk, 9. August 2016, abgerufen am 1. September 2016.
  19. Wanderer erzürnt wegen Halbmond statt Gipfelkreuz. Die Welt, abgerufen am 7. September 2016.