Inside Llewyn Davis

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Film
Titel Inside Llewyn Davis
Produktionsland Vereinigte Staaten
Frankreich
Originalsprache Englisch
Erscheinungsjahr 2013
Länge 105 Minuten
Altersfreigabe
Stab
Regie Ethan und Joel Coen
Drehbuch Ethan und Joel Coen
Produktion Ethan und Joel Coen,
Scott Rudin
Musik T-Bone Burnett,
Todd Kasow,
Marcus Mumford
Kamera Bruno Delbonnel
Schnitt Ethan und Joel Coen
(als Roderick Jaynes)
Besetzung

Inside Llewyn Davis ist ein Film der Coen-Brüder aus dem Jahr 2013. Wie bei früheren Filmen auch waren Ethan und Joel Coen in mehreren Funktionen an dessen Entstehung beteiligt; sie zeichneten für Regie, Drehbuch und Schnitt verantwortlich und zusammen mit Scott Rudin auch für die Produktion. Die Hauptrolle übernahm Oscar Isaac, daneben sind Carey Mulligan, Justin Timberlake und John Goodman zu sehen.

Der Film erzählt eine Woche aus dem Leben des Folkmusikers Llewyn Davis im New York der 1960er Jahre. Hierbei ließen sich die Coen-Brüder von Dave Van Ronks Lebensgeschichte und dessen Musik inspirieren.[3] Inside Llewyn Davis feierte am 19. Mai 2013 Premiere auf dem Filmfestival in Cannes, wo der Film den Großen Preis der Jury gewann. In den USA war er erstmals am 28. September 2013 auf dem New York Film Festival zu sehen. Am 6. November 2013 kam der Film in die französischen und niederländischen Kinos. In Deutschland lief er ab dem 5. Dezember 2013, ausgewählte Kinos in den USA zeigten ihn ab dem darauf folgenden Tag.

Handlung

Der junge Gitarrist Llewyn Davis streift durch die Kneipen im New Yorker Greenwich Village, wo er gelegentlich mit Folksongs auftritt. Seinen Lebensunterhalt kann er damit nicht bestreiten, weshalb er Nacht für Nacht bei Freunden oder Bekannten auf dem Gästesofa schläft. So übernachtet er mitunter bei den Gorfeins, einem älteren Ehepaar, das seine Musik schätzt. Als Davis eines Morgens die Wohnung verlässt, entwischt auch der Kater Odysseus aus der Wohnung. Da die Gorfeins abwesend sind, nimmt er die Katze mit sich. Als sie wegläuft, fängt er sie wieder ein und bringt sie zurück. Er bleibt zum Abendessen und wird inständig gebeten, etwas auf der Gitarre vorzuspielen. Dann bricht Davis jedoch ab, als Lillian Gorfein mit der zweiten Stimme einsetzt, die früher sein inzwischen verstorbener Partner gesungen hat. Er begründet seinen Abbruch damit, dass Musik sein Beruf sei und nichts anderes. Die Situation eskaliert vollends, als Lillian feststellt, dass der zurückgebrachte Kater eine Katze ist. „Wo ist sein Scrotum?“ schreit sie Davis wiederholt an.

Das Folk-Duo Jean und Jim gehört ebenfalls zu den Bekannten, bei denen Davis von Zeit zu Zeit übernachtet. Jean hält Davis für einen Versager und überhäuft ihn mit Schimpfwörtern, als sie erfährt, dass sie schwanger ist. Sie weiß nicht, ob das Kind von ihm oder von ihrem Freund Jim ist, und möchte das Kind abtreiben. Davis soll den Eingriff bezahlen und einen Termin bei einem befreundeten Arzt für sie organisieren. Im Gespräch mit dem Arzt erfährt Davis, dass er bereits seit zwei Jahren Vater ist. Seine frühere Freundin hat die damals geplante Abtreibung zurückgezogen, ohne ihn davon in Kenntnis zu setzen. Der Arzt hatte Davis’ Adresse nicht und konnte das Geld daher nicht zurückzahlen. Dafür will er Jean nun kostenlos behandeln.

Davis hat gerade ein neues Soloalbum aufgenommen, es heißt Inside Llewyn Davis. Doch die erhofften Tantiemen bleiben aus, sein Verleger Mel Novikoff bietet ihm stattdessen einen Wintermantel an. Er begibt sich mit dem übergewichtigen Jazzmusiker Roland Turner und dessen rechter Hand Johnny Five auf einen Roadtrip nach Chicago. Turner, der sich bei Zwischenhalten an Tankstellen auf der Toilette jeweils einen Schuss setzt, macht sich über Llewyns Folkmusik lustig. In Chicago erhofft sich Davis Unterstützung von dem Produzenten Bud Grossman. Der hört sich einen Song an, sieht aber keine Chance, die Musik zu vermarkten („Ich sehe hier nicht viel Geld fließen“). Grossman bietet ihm an, in ein Trio einzusteigen. Davis lehnt dankend ab, er habe einen Partner gehabt. Grossman rät ihm, sich wieder mit ihm zu versöhnen; er weiß nicht, dass Davis’ Partner sich vor kurzem mit einem Sprung von der George Washington Bridge das Leben genommen hat.

Zurück in New York meldet sich Davis bei der Matrosen-Gewerkschaft der Handelsmarine. Er bezahlt mit seinem letzten Geld die ausstehenden Beiträge, um wieder in See stechen zu können. Allerdings muss er dafür seine Lizenz vorlegen. Seine Schwester hat er aber seine alten Unterlagen wegwerfen lassen. Das Geld für eine neue Lizenz hat Davis nicht. Er trifft seinen Vater in einem Pflegeheim und spielt ihm ein Lied vor.

Davis zieht wieder mit seinem Gitarrenkoffer durch die Kneipen in Greenwich Village. Streit suchend pöbelt er eine ältere Frau bei ihrem Auftritt an, ruft ihr obszöne Bemerkungen zu und wird schließlich aus der Kneipe geworfen. Am nächsten Tag wird er nach seinem Auftritt in einer dunklen Gasse von einem Mann mit Hut darauf angesprochen. Nach einem Wortwechsel schlägt er Davis mit der Faust ins Gesicht und tritt mehrfach auf ihn ein.

Es ist die Prügelszene, die der Zuschauer schon zu Beginn des Films gesehen hat, ohne Zusammenhang. In der Wiederholung sagt der Hutträger noch den Satz: „Meine Frau wollte doch einfach nur was spielen.“ Außerdem wird in dieser Wiederholung klar, dass Davis dadurch gerade den Auftritt von Bob Dylan verpasst, der sein Set mit dem Lied Farewell beginnt.

Hintergrund

Die Coen-Brüder wussten davon, dass Dave Van Ronk in Greenwich Village einmal zusammengeschlagen wurde. Die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass jemand einen Folksänger verprügelt, war für die beiden Filmemacher der Ausgangspunkt zu diesem Projekt: „Wir fanden die Vorstellung irgendwie amüsant, hatten aber keine Ahnung, ob das irgendwo hinführen würde, geschweige denn für einen Film taugt.“[4]

Vor den Dreharbeiten beschäftigten sie sich mit dem Werk des Folkmusikers Dave Van Ronk und mit dessen Memoiren, die posthum unter dem Titel The Mayor of MacDougal Street erschienen sind. Diese Straße in Greenwich Village bildete mit ihren zahlreichen Kneipen und Musikclubs vor allem in den 1950er und 60er Jahren das Zentrum der Folkmusikszene in New York, die „Lebensader der aufkeimenden Folkbewegung“.[5] Das im Film vorkommende Gaslight Café befand sich zum Beispiel in dieser Straße. Der Filmtitel verweist auf Inside Dave Van Ronk, das Album aus dem Jahr 1963, auf dem u. a. Hang Me, Oh Hang Me zu hören ist, das Lied, das Davis zu Beginn singt.

Inside Llewyn Davis spielt im Winter 1960/61, am „Vorabend der Pop-Revolution“.[4] Bob Dylan, ein Freund von Dave Van Ronk, ist noch nicht entdeckt; sein Durchbruch folgt ein Jahr später. Ähnliches gilt für das Trio Peter, Paul and Mary, auf das im Film angespielt wird. Bud Grossman bietet Davis in Chicago den dritten Part für das geplante Trio an. Im wirklichen Leben war es Manager Albert Grossman, der dafür u. a. Dave Van Ronk vorspielen ließ, ihn aber ablehnte. Schlussendlich formte er das Trio Peter, Paul and Mary, das wenig später zu einer der erfolgreichsten Folkgruppen der USA aufstieg. Die Coen-Brüder entschieden sich dafür, eben nicht die Erfolgsgeschichte einer Folklegende zu erzählen, sondern die des „Anti-Dylan“,[4] der „an dem historischen Abend vielleicht vor ihm oder nebenan aufgetreten ist“.[6]

Soundtrack

Für den Soundtrack heuerten die Coen-Brüder erneut T-Bone Burnett an, der bereits an der Produktion von O Brother, Where Art Thou? beteiligt war. Als ausgewiesener Kenner der amerikanischen Musikgeschichte stellte Burnett eine Liste mit in Frage kommenden Titeln zusammen.[7] Oscar Isaac überzeugte die Produzenten mit seiner Interpretation des Traditionals Hang me, o hang me, das als Bewerbungsgrundlage für das Casting diente.[8][9] Zum Soundtrack trugen neben T-Bone Burnett, Oscar Isaac und Justin Timberlake auch Marcus Mumford, Chris Thile und die Punch Brothers, Gillian Welch und David Rawlings bei.[10]

Im September 2013 veranstalteten die Produzenten in New York das Promotionkonzert Another Day, Another Time: Celebrating the Music of ‘Inside Llewyn Davis’, bei dem u. a. Elvis Costello, Joan Baez, Patti Smith, Jack White und Lake Street Dive auftraten. Das Ereignis wurde dokumentiert; der Konzertfilm erschien wie der Soundtrack bei Nonesuch Records.[11]

Rezeption

In der deutschen Presse wurde der Film durchweg positiv aufgenommen. Mehrfach lobend erwähnt wurden der Hauptdarsteller Oscar Isaac, die Inszenierung der Musikszenen und der Humor im Film. Die Zeit hält Inside Llewyn Davis für einen „in jeder Hinsicht gelungenen Film: ein runder Plot (was nicht nur an der Katze liegt); eine gekonnte Inszenierung; ein herausragender Hauptdarsteller; eine herausragende Nebenfigur; tausend versteckte Hinweise für die vielen Dylan- und Folk-Fans; viel Coen-Humor, für alle, die ihn lieben; und ausreichend Stoff zum Nachdenken in Zeiten, in denen Scheitern zum sozialen Ausschluss führt.“[6] Spiegel Online schreibt von „hinreißendem Kino“ mit „hintersinnig gewitzten Dialogen“, „perfekt das Timing der Situationskomik, grotesk die Nebenfiguren“.[12] Die Süddeutsche Zeitung hebt vor allem den Humor hervor: „Die Coens sind inzwischen zu einer Dimension des Humors vorgestoßen, die im Grunde unerklärlich ist. Man könnte genauso gut weinen, und man hat hinterher nicht die leiseste Ahnung, wie einem geschehen ist.“[13] Sie hält die dem Film zugrunde liegende Idee vom unentdeckten Genie, das an seiner unbeirrbaren Berufung zerbricht, für „die traurigste Idee, die das Brüderpaar jemals hatte. Aber weil sie Genies sind, die sich noch dazu in der Welt durchgesetzt haben, ist trotzdem einer ihrer komischsten Filme daraus geworden.“[13] Der Auftritt von John Goodman als reicher, drogensüchtiger Jazz-Musiker wird von vielen Kritikern ebenfalls positiv bewertet. Eine Kritikerin von zeit.de behauptete sogar, schon allein diese Szene mache den Film sehenswert.[6][14]

2016 belegte Inside Llewyn Davis bei einer Umfrage der BBC zu den 100 bedeutendsten Filmen des 21. Jahrhunderts den elften Platz.

Auszeichnungen

Cannes Film Festival 2013

  • Großer Preis der Jury für Ethan and Joel Coen
  • nominiert für die Goldene Palme: Ethan and Joel Coen

New York Film Festival 2013

  • nominiert in der Kategorie „Bester Film“ für den Grand Marnier Fellowship Award

Hamburg Film Festival 2013

  • nominiert für den Art Cinema Award: Ethan and Joel Coen

Oscar 2014

  • nominiert in der Kategorie „Beste Kamera“
  • nominiert in der Kategorie „Bester Ton“

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Freigabebescheinigung für Inside Llewyn Davis. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, November 2013 (PDF; Prüf­nummer: 141 708 K).
  2. Alterskennzeichnung für Inside Llewyn Davis. Jugendmedien­kommission.
  3. Inside Llewyn Davis. Moviepilot, abgerufen 6. Dezember 2013
  4. a b c Andreas Borcholte: Der Anti-Dylan. Spiegel Online, abgerufen am 6. Dezember 2013
  5. Christoph Wagner: Folk, Lyrik und eine Katze. In: Neue Zürcher Zeitung, 4. Dezember 2013, abgerufen am 7. Dezember 2013
  6. a b c Wenke Husmann: So wollen wir scheitern. Zeit Online, 3. Dezember 2013, abgerufen am 7. Dezember 2013
  7. Christoph Dallach: Soundtrack für „Inside Llewyn Davis“: Folk für Millionen. Spiegel Online, 8. November 2013, abgerufen am 23. April 2014
  8. Isaac: „Auf Lob der Coen-Brüdern kann man lange warten“. Focus, 4. Dezember 2013; Interview mit Oscar Isaac, abgerufen am 23. April 2014
  9. Brian Hiatt: How Oscar Isaac Became Llewyn Davis. Interview mit Oscar Isaac. In: Rolling Stone, 12. Dezember 2013; abgerufen 23. April 2014
  10. Trackliste und Credits auf nonesuch.com
  11. Konzertfilm. Nonesuch-Journal, 13. März 2014, abgerufen am 23. April 2014
  12. Andreas Borcholte: Der Anti-Dylan, Spiegel Online, abgerufen am 7. Dezember 2013
  13. a b Tobias Kniebe: Hölle aus Hohn und Spott. In: Süddeutsche Zeitung, abgerufen am 7. Dezember 2013
  14. Thomas Gross: Ein Held im Konjunktiv. In: Die Zeit, Nr. 49/2013, S. 59