Ken Loach
Kenneth „Ken“ Loach [17. Juni 1936 in Nuneaton, Warwickshire) ist ein britischer Filmregisseur und Drehbuchautor. Mit den Spielfilmen The Wind That Shakes the Barley (2006) und I, Daniel Blake (2016) gewann er jeweils die Goldene Palme der Internationalen Filmfestspiele von Cannes.
] (*Leben und Werk
Ken Loach ist der Sohn eines Elektrikers und studierte Jura am St Peter’s College der University of Oxford. Er entschied sich jedoch, als Schauspieler mit einer Theatertruppe auf Tournee zu gehen und wechselte 1964 zum Fernsehen (BBC). Loach erregte landesweit Aufmerksamkeit mit dem für das Fernsehen produzierten Sozialdrama Cathy Come Home (1966). Der Film handelt von einem jungen Paar, dessen unverschuldeter Arbeits- und Obdachlosigkeit und davon, dass ihnen deswegen die gemeinsamen Kinder von den Sozialbehörden weggenommen werden. Als allseits bekanntem, bekennendem Trotzkisten versuchte man Loach in den 1970er Jahren, insbesondere in der Thatcher-Ära, durch Sendeverbote und Zensurmaßnahmen das Arbeiten zu erschweren.
Loach hat erst spät in seinem Leben als angesehener europäischer Filmemacher Anerkennung erfahren. Seine Filme stehen in der Tradition des italienischen Neorealismus, den er zu einem britischen Sozialrealismus weiterentwickelte. So schuf er seit den 1960er Jahren einige bedeutende Filme, die ein genaues Bild der zeitgenössischen gesellschaftlichen Situation seines Landes zeichneten. Sein zweiter Kinofilm Kes (1969) handelte beispielsweise von einer sozial benachteiligten, perspektivlosen Jugend den tristen Arbeiterstädten Nordenglands. Der Erfolg von Kes[1] brachte Loach ab den 1970er-Jahren internationale Aufmerksamkeit, der Film wird heute beim British Film Institute als einer der besten britischen Filme aller Zeiten gelistet. Andere Filme, wie etwa Land and Freedom über den Spanischen Bürgerkrieg und Carla’s Song über den Bürgerkrieg in Nicaragua zeugen von seinem Interesse für den spanischsprachigen Raum bzw. die Situation der „illegalen“ Hispanics in den USA (Bread and Roses).
Ken Loach war häufig mit Filmen auf der Berlinale vertreten und gewann dort diverse Preise. Zuletzt erhielt er 2004 den Preis der Ökumenischen Jury und den der Jury der Gilde-Filmtheater für seinen Film Just a Kiss. 2006 gewann Loach die Goldene Palme der 59. Filmfestspiele in Cannes. Die Auszeichnung bekam er für den Film The Wind That Shakes the Barley, der vom irischen Freiheitskampf in den 1920er Jahren handelt.
Während des Wahlkampfs um die französische Präsidentschaft 2007 unterstützte Loach Olivier Besancenot, den Kandidaten der trotzkistischen Ligue communiste révolutionnaire (LCR, Revolutionär-Kommunistischer Bund). Im selben Jahr war er mit dem Sozialdrama It’s a Free World im Wettbewerb der 64. Filmfestspiele von Venedig vertreten.
2009 erhielt er für Looking for Eric eine Einladung in den Wettbewerb der 62. Filmfestspiele von Cannes. Der Film handelt von einem fußballbegeisterten Briefzusteller (gespielt von Steve Evets), der in eine Lebenskrise gerät und von dem ehemaligen Fußballspieler Éric Cantona unterstützt wird. Ein Jahr später wurde Loach mit Route Irish dort zum neunten Mal in den Wettbewerb eingeladen. Das Drama handelt von der englischen Intervention im Irak.
Häufig arbeitet Loach mit dem Kameramann Barry Ackroyd und dem Drehbuchautor Paul Laverty zusammen. Er dreht gern mit Laiendarstellern, weil sie authentischer wirken. Produziert werden seine Werke heute von Rebecca O’Brien. Zuletzt entstand in Kooperation mit Laverty und O’Brien der Spielfilm The Angels’ Share (2012), der zwischen Mai und Juni in Glasgow und den Highlands abgedreht wurde. Im Mittelpunkt der Sozialkomödie steht ein arbeitsloser Kleinkrimineller, der nach der Geburt seines Sohnes gemeinnützige Arbeit verrichten muss und beim Besuch einer Whisky-Brennerei eine neue berufliche Perspektive entdeckt. Ein schwerer Sturz des Regisseurs zu Beginn der Dreharbeiten sorgte für mehrere Wochen Verzögerung.[2] 2012 erhielt Loach für The Angels’ Share seine elfte Einladung in den Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes, der Film wurde mit dem Preis der Jury ausgezeichnet.
Loach unterstützt die antiisraelische Boykottbewegung Boycott, Divestment and Sanctions (BDS). Beim Sarajevo Film Festival 2014 rief er angesichts des Kriegs im Gazastreifen zu einem Boykott aller kulturellen und sportlichen Ereignisse des Staates Israel auf und erneuerte seine Forderung nach einem Waffenembargo gegen Israel.[3]
2016 erhielt er für I, Daniel Blake seine 13. Einladung in den Wettbewerb der 69. Internationalen Filmfestspiele von Cannes, wo der Film mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde. Der verwitwete Zimmermann Daniel Blake (dargestellt von Dave Johns) hat auf dem Gerüst einen Herzanfall erlitten und muss daraufhin einen aussichtslosen Kampf gegen die Bürokratie des abgewrackten britischen Wohlfahrtssystems ausfechten.[4]
Loach lebte mit seiner Familie längere Zeit in Bath, England. Sein jetziger Wohnsitz ist London, wo auch seine Produktionsfirma Sixteen Films ansässig ist.
Filmografie (Auswahl)
- 1966: Cathy Come Home (Fernsehspiel)
- 1967: Poor Cow – geküsst und geschlagen (Poor Cow)
- 1969: Kes
- 1971: Family Life
- 1979: Black Jack, der Galgenvogel (Black Jack)
- 1980: The Gamekeeper
- 1981: Erwartungen und Enttäuschungen – Looks and Smiles (Looks and Smiles)
- 1985: Which side are you on?
- 1986: Vaterland (Fatherland)
- 1990: Geheimprotokoll (Hidden Agenda)
- 1991: Riff-Raff
- 1993: Raining Stones
- 1994: Ladybird Ladybird
- 1995: Land and Freedom
- 1996: Carla’s Song
- 1998: Mein Name ist Joe (My Name Is Joe)
- 2000: Bread and Roses
- 2001: The Navigators – Geschichten von den Gleisen (The Navigators)
- 2002: 11'09"01 – September 11 (6. Episode, auch Drehbuch)
- 2002: Sweet Sixteen
- 2004: Just a Kiss (Ae Fond Kiss)
- 2005: McLibel (Drehbuch)
- 2005: Tickets
- 2006: The Wind That Shakes the Barley
- 2007: It’s a Free World (It’s a Free World…)
- 2009: Looking for Eric
- 2010: Route Irish
- 2012: Angels’ Share – Ein Schluck für die Engel (The Angels’ Share)
- 2013: Spirit of '45 (Dokumentarfilm)
- 2014: Jimmy’s Hall
- 2016: I, Daniel Blake
Auszeichnungen (Auswahl)
- Goldene Palme Filmfestspiele von Cannes 2016 für I, Daniel Blake
- Internationale Filmfestspiele Berlin 2014: Goldener Ehrenbär
- Filmfestspiele von Cannes 2012: Preis der Jury für The Angels’ Share
- Europäischer Filmpreis 2009: Ehrenpreis für sein Lebenswerk
- Ehrendoktorwürde der Kunst (DArt) der University of the West of England (UWE) 2008[5]
- Goldene Palme Filmfestspiele von Cannes 2006 für The Wind That Shakes the Barley
- Ehrenpreis der British Academy of Film and Television Arts 2006
- Bremer Filmpreis 2006
- Preis der Ökumenischen Jury auf der Berlinale 2004 für Ae Fond Kiss
- Goldene Ähre der Semana Internacional de Cine de Valladolid 2002 für Sweet Sixteen
- Goldene Ähre der Semana Internacional de Cine de Valladolid 1998 für Mein Name ist Joe
- British Independent Film Awards 1998 Regiepreis für My Name is Joe und Sonderpreis der Jury für das Lebenswerk
- Ehrendoktorwürde der Literatur (DLitt) der Universität Bristol[6]
- FIPRESCI-Preis und Preis der Ökumenischen Jury 1995 in Cannes für Land and Freedom
- Preis der Ökumenischen Jury auf der Berlinale 1994 für Ladybird Ladybird
- Ehren-Goldener Löwe 1994 auf der Filmfestspielen von Venedig für sein Lebenswerk
- Sonderpreis der Jury 1993 in Filmfestspiele von Cannes 1993 für Raining Stones
- FIPRESCI-Preis Filmfestspiele von Cannes 1991 für Riff-Raff
- Preis der Jury Filmfestspiele von Cannes 1990 für Hidden Agenda
- FIPRESCI-Preis Filmfestspiele von Cannes 1979 für Black Jack
- FIPRESCI-Preis auf der Berlinale 1972 für Family Life
- Kristallglobus 1970 in Karlovy Vary für Kes
Fernsehreportagen
- Ken Loach: Fürsprecher der Arbeiterklasse. Gespräch, Frankreich, Deutschland, 2012, 43 Min., Moderation: Vincent Josse, Produktion: arte France, Redaktion: Square, Erstsendung: 21. Oktober 2012 bei arte (Film-Informationen und Videos von arte)
- „Frei ist, wer Geld hat“ – Ken Loach und sein bedrückendes Sozialdrama über Tagelöhner. Produktion: hr, Redaktion: ttt – titel, thesen, temperamente, Erstausstrahlung: 16. November 2008 (mit Video, 4:23 Min.)
Literatur
- Jong Uk Yun: Die Spielfilme von Ken Loach. Perspektive eines realistischen Kinos. Büchner-Verlag, Darmstadt 2010, ISBN 978-3-941310-10-0.
- Das Buch zum Film „Land and Freedom“. Ken Loachs „Geschichte aus der Spanischen Revolution“. edition tranvía, Berlin 1996, ISBN 978-3-925867-20-0.
Weblinks
- Literatur von und über Ken Loach im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Ken Loach bei IMDb
- Vorlage:Filmportal.de Name
- Ken Loach beim Film-Portal senses of cinema
- Vom Gucken, vom Lächeln, Tribut an Ken Loach von Hans Jürgen Wulff bei F.LM – Texte zum Film
- Das Kino muss wieder Fragen stellen!, Interview auf critic.de
- Presse-Artikel
- „Selbstverantwortung ist Gelaber“ – Interview mit Reiner Luyken in der Zeit, Nr. 48 vom 20. November 2008, S. 70
- „Drehen heißt Kämpfen. Grimmige Lust: Zum 70. Geburtstag des britischen Filmemachers Ken Loach“ ( vom 18. Mai 2007 im Internet Archive), Tagesspiegel, 17. Juni 2006
- „Ich starrte zwischen ihren Beinen hindurch“ Tagesspiegel, 6. Februar 2014
- "Regisseur seiner Klasse" Ingar Solty, junge Welt, 17. Juni 2016
Einzelnachweise
- ↑ Jenseits jeder Midlife-Crisis auf Süddeutsche.de, 12. Juli 2015
- ↑ The Angels’ Share auf timeout.com (abgerufen am 22. April 2012).
- ↑ Ken Loach calls for cultural boycott of Israel. 21. Oktober 2013, abgerufen am 7. Oktober 2014.
- ↑ Kritik bei sennhausersfilmblog.ch, 12. Mai 2016 (abgerufen am 22. Mai 2016).
- ↑ Liste der verliehenen Ehrendoktorwürden der UWE ( vom 28. Februar 2012 im Internet Archive), abgerufen am 3. November 2009
- ↑ Liste der verliehenen Ehrendoktorwürden der University of Bristol, abgerufen am 3. November 2009
Personendaten | |
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NAME | Loach, Ken |
ALTERNATIVNAMEN | Loach, Kenneth (wirklicher Name) |
KURZBESCHREIBUNG | britischer Filmregisseur |
GEBURTSDATUM | 17. Juni 1936 |
GEBURTSORT | Nuneaton, Warwickshire, England |