Reichenau (Insel)

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Reichenau
Lage der Reichenau
Lage der Reichenau
Gewässer Untersee, Bodensee
Geographische Lage 47° 41′ 35″ N, 9° 3′ 47″ OKoordinaten: 47° 41′ 35″ N, 9° 3′ 47″ O
Reichenau (Insel) (Baden-Württemberg)
Reichenau (Insel) (Baden-Württemberg)
Länge 4,5 km
Breite 1,6 km
Fläche 4,3 km²
Höchste Erhebung Die Hochwart
438,7 m ü. NN
Einwohner 3203 (2008)
745 Einw./km²
Hauptort Mittelzell
Westteil der Insel, im Hintergrund die Halbinsel Mettnau und die vorgelagerte kleine Liebesinsel
Ostteil der Insel, im Hintergrund mit dem Reichenauer Damm sowie dahinter die Naturschutzinsel Triboldingerbohl

Reichenau (alemannisch: Riichenau) ist eine bewohnte Insel im Landkreis Konstanz in Baden-Württemberg und die größte Insel im Bodensee. Seit 2000 ist sie mit dem Kloster Reichenau auf der UNESCO-Liste des Welterbes verzeichnet. Die Insel sei, so die UNESCO in ihrer Begründung, ein herausragendes Zeugnis der religiösen und kulturellen Rolle eines großen Benediktinerklosters im Mittelalter.

Geschichte

Die Insel Reichenau war bereits von den Römern bebaut und besiedelt. So beschreibt Strabo in seinem Buch 7: „In diesem See (Bodensee) gibt es eine Insel derer sich Tiberius gleichsam als einer Burg anlässlich des Zuges gegen die Vindelicier bequem bei den Kämpfen zu Schiff bedienen konnte.“[1]

Handschriften und Bücher aus der Klosterzeit befinden sich im Generallandesarchiv und in der Badischen Landesbibliothek.[2]

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurden etwa Zweidrittel der Bewohner der Insel Reichenau im Sommer 1945 für zweieinhalb Monate evakuiert. Rund 3.000 französische KZ-Häftlinge aus dem Konzentrationslager Dachau verbrachten dort ihre Quarantäne vor ihrer Rückkehr in die Heimat.[3]

Geografie und Wirtschaft

Die Insel ist Teil der Gemeinde Reichenau sowie kulturelles und Verwaltungszentrum der Gemeinde. Verwaltungssitz und seit der Gründungszeit größtes Dorf ist Mittelzell. Die Gemeinde Reichenau umfasst neben der Insel auch Festlandgebiete.

Sie liegt im westlichen Teil des Bodensees, dem Untersee, zwischen Konstanz und Radolfzell. Über den 1838 aufgeschütteten Reichenauer Damm ist sie mit dem Festland verbunden. Der höchste Punkt der Insel (Hochwart, früher Friedrichshöhe)[4] liegt auf 438,7 Meter und erhebt sich circa 43 Meter über den Seespiegel.

Die Insel ist 4,5 Kilometer lang und 1,5 Kilometer breit und besitzt eine Gesamtfläche von 4,3 Quadratkilometern. Der Umfang beträgt 11,0 Kilometer.[5] Diese Angaben beziehen sich auf das Inselgebiet, das westlich vom Bruckgraben liegt. Flächenmäßig ist die Insel bei weitem die größte im gesamten Bodensee und ist mehr als sechsmal so groß wie die an zweiter Stelle stehende Insel Lindau. In den späten 1980er-Jahren hat Reichenau Lindau auch als bevölkerungsmäßig größte Insel überholt.

Die aktuelle Einwohnerzahl der Insel Reichenau wird auf 3200 bis 3300 geschätzt. Die letzte genaue Einwohnerzahl aus der amtlichen Statistik stammt aus der Volkszählung 1961.[6] Die Ortsteile von Südost nach Nordwest:

Nr. Dorf Bevölkerung
Schätzung
2008
Bevölkerung
VZ 1961
Bevölkerung
VZ 1885
1 Oberzell 511 418 292
2 Mittelzell 2454 1737 1082
3 Niederzell 238 198 149
Insel Reichenau 3203 2353 1523

Bei den drei Dörfern handelt es sich um Streusiedlungen ohne stark ausgeprägten Ortskern. Eine Aufstellung aus der Volkszählung vom 1. Dezember 1885 listet neben den eigentlichen Dörfern noch 18 Weiler, Häuser und Häusergruppen auf, die gleichwohl den einzelnen Dörfern zugeordnet wurden:[7]

Ehemalige Ortsteile der Insel Reichenau
Oberzell Mittelzell Niederzell
Ortsteil Bev. Ortsteil Bev. Ortsteil Bev.
Oberzell (Dorf) 159 Mittelzell (Dorf) 1 633 Unter- od. Niederzell (Dorf) 105
Rheinstraße (Häuser) 123 Auenstade (Stadigasse) (Weiler) 67 Bürgle (Haus) 5
Schopflen (Haus) 2 4 Bradlen (Weiler) 43 Genslehorn (Weiler) 28
Fährhaus (Haus) 6 Buchhorn (Weiler) 104 Steinerner Weg (Häuser) 11
Klempern (Häuser) 8
Rheinstraße (Häuser) 199
Sigelinshof oder Rohrschachen (Weiler) 28
Oberzell gesamt 292 Mittelzell gesamt 1082 Unterzell gesamt 149

1 mit den Ortsteilen Allenwinden, Häflinshof, Kellerwies, Münster, Rasthof und Rauhof
2 Die Ruine Schopflen befindet sich bereits jenseits des Bruckgrabens auf dem Reichenauer Damm,[8] wird aber zum Ortsteil Oberzell gerechnet.

Bereits im nachfolgenden Ortsverzeichnis der Volkszählung von 1905 tauchen diese Ortsnamen nicht mehr auf, sondern nur noch die Namen der drei Dörfer Oberzell, Mittelzell und Unterzell.[9] Neun der 18 ehemals angeführten Ortsteile leben zumeist leicht verändert weiter als Straßennamen: Untere Rheinstraße, Fährenhorn, Häfelishofstraße, Im Rasthof, Rauhofweg, Stedigasse, Bradlengasse, Obere Rheinstraße, und Im Genslehorn.

Durch die temperaturausgleichende Wirkung des Bodensees, die positiven Auswirkungen des Alpenföhns und die daraus resultierende hohe Zahl an Sonnentagen ist das Klima auf Reichenau besonders mild. Hiervon profitiert zuvörderst der Gemüseanbau mit bis zu drei Freilandernten pro Jahr. Etwa 160 Hektar der Insel werden landwirtschaftlich genutzt, mehr als 25 % der Anbaufläche befindet sich in Gewächshäusern. Tomaten von der Insel Reichenau, Salate von der Insel Reichenau, Feldsalate von der Insel Reichenau und Gurken von der Insel Reichenau sind durch die EU geschützte geografische Angaben.[10][11][12][13] Zudem ist der Tourismus mit über 200.000 Übernachtungen und vielen Tagestouristen neben dem Gemüseanbau Haupteinnahmequelle der Insel.

Die EnBW betreibt im und um das Schloss Windegg (örtlich Bürgle genannt), das sich in deren Privatbesitz befindet, eine Urlaubsanlage für Mitarbeiter.

Geologie

Die Insel ist aus Moränenschutt und verschwemmten Schottern aufgebaut, die am Ende der letzten Eiszeit (Würm) abgelagert worden sind. Sie ist Teil einer Moräne, die sich vom aufgeschütteten Damm im Osten bis zur Halbinsel Mettnau bei Radolfzell im Westen erstreckt.

Verkehr

Der Reichenauer Damm, auf dem eine 1300 Meter lange Pappelallee verläuft, ist mit Kraftfahrzeugen befahrbar. Er wurde 1838[14] auf Initiative von Napoléon III., welcher seine Jugend auf dem gegenüberliegenden schweizerischen Schloss Arenenberg verbrachte, gebaut. Der Damm ist unterbrochen von dem sieben Meter breiten und 95 Meter langen Bruckgraben, der von der niedrigen Reichenauer Brücke der Landesstraße L 221 Konstanz-Reichenau (Pirminstraße) überquert wird und durch den Boote fahren können. Für Segelboote ist die Brücke jedoch zu niedrig. Die Allee ist ein Startpunkt der rund 2900 Kilometer langen Deutschen Alleenstraße. Bei Hochwasser mit einem Pegelstand ab 5,30 Meter (Pegel Konstanz) wird der Damm überschwemmt.[15]

Mit dem öffentlichen Verkehr ist die Insel per Bus erreichbar, im Sommerhalbjahr auch mit Ausflugsschiffen (Weiße Flotte) und mit der Personenfähre von Allensbach aus. Schiffe der Schweizerischen Schifffahrtsgesellschaft Untersee und Rhein und der BSB Bodensee-Schiffsbetriebe GmbH verkehren fahrplanmäßig mehrmals täglich zur Insel.

Sehenswürdigkeiten

St. Georg, Reichenau-Oberzell

Siehe Hauptartikel: Gemeinde Reichenau (Landkreis Konstanz)

Regelmäßige Feste/Veranstaltungen

  • 25. April: Prozession zu Ehren des Heiligen Markus mit den Gebeinen in einem Schrein aus dem frühen 14. Jahrhundert.[16]
  • Eine Woche nach Pfingsten: Heilig-Blut-Fest: Dies ist ein jährlicher katholischer Reichenauer Feiertag, der aus der Zeit der mittelalterlichen Benediktinerabtei stammt. Das Fest wird begangen mit Bürgerwehr, Gottesdienst, Heilig-Blut-Prozession in Mittelzell und Heilig-Blut-Feier im Münster. Die Heilig-Blut-Reliquie enthält nach der Überlieferung blutgetränkte Erde von Golgatha, Splitter vom Kreuz Christi und ein blutgetränktes seidenes Tüchlein. Diese befinden sich in einem kleinen byzantinischen Abtskreuz.[17]
  • 15. August: Kirchenpatrozinium des Münsters St. Maria und Markus.

Literatur

  • Wolfgang Erdmann: Die Reichenau im Bodensee. Geschichte und Kunst. 11., von Bernd Konrad durchgesehene und um ein Kapitel zum spätgotischen Chor erweiterte Auflage 2004. Englische und französische Résumées. Langewiesche Nachfolger, Königstein i. Ts. 2004, ISBN 3-7845-1222-4.
  • Timo John, Die Klosterinsel Reichenau im Bodensee – „Wiege der abendländischen Kultur“. Beuroner Kunstverlag, Beuron 2006, ISBN 3-87071-128-0.
  • Helmut F. Reichwald: Denkmalverschleiß durch Massentourismus? Welterbestätte Reichenau. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg. 32. Jg. 2003, Heft 3, S. 252–257, denkmalpflege-bw.de (PDF).
  • Ottmar Friedrich, Heinrich Schönhuth: Chronik des ehemaligen Klosters Reichenau aus handschriftlichen Quellen dargestellt. Konstanz 1835. bei Google Books,
  • Monika Spicker-Beck und Theo Keller, Klosterinsel Reichenau – Kultur und Erbe. Jan-Thorbecke-Verlag, Stuttgart 2001, ISBN 3-7995-3507-1.
  • Anne Overlack: Weltkulturerbe Insel Reichenau. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg. 30. Jg. 2001, Heft 2, S. 63–84. denkmalpflege-bw.de (PDF).
  • Stefan Dietrich: Der Gemüsebau auf der Insel Reichenau. Magisterarbeit, Berlin 2008, fair-ortung.org (PDF).
  • Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (Hrsg.): UNESCO-Welterbe Klosterinsel Reichenau in Baden-Württemberg. Stuttgart 2013.

Weblinks

Commons: Reichenau – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Reichenau (Baden-Württemberg) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Reichenau – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Beatus Rhenanus: Rerum Germanicarum libri tres. (1531) übersetzt von Felix Mundt.
  2. Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (Hrsg.): UNESCO-Welterbe Klosterinsel Reichenau in Baden-Württemberg. Stuttgart 2013. S. 39.
  3. Thomas Zoch: Als die Insel ein Quarantäne-Lager war. In: Südkurier. vom 16. Dezember 2015.
  4. Kartenblatt von 1901
  5. Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee: Der Bodensee: Zustand – Fakten – Perspektiven. 2. korrigierte Auflage, Bregenz 2004, ISBN 3-902290-04-8, S. 9.
  6. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg (Hrsg.): Wohnplatzverzeichnis 1961, Staatshandbuch für Baden-Württemberg. Stuttgart 1964, S. 360.
  7. Beiträge zur Statistik des Großherzogthums Baden: Die Volkszählung vom 1. Dezember 1885. II. Theil (Ortsverzeichniß). Karlsruhe 1889, S. 6.
  8. …vor dem Bruckgraben und der Reichenauer Brücke, dem eigentlichen Beginn der Insel.
  9. Beiträge zur Statistik des Großherzogthums Baden: Ortsverzeichnis auf Grund der Volkszählung vom 1. Dezember 1905. Karlsruhe 1911, S. 69.
  10. Europäische Kommission, Denomination Information: Tomaten von der Insel Reichenau
  11. Europäische Kommission, Denomination Information: Salate von der Insel Reichenau
  12. Europäische Kommission, Denomination Information: Gurken von der Insel Reichenau
  13. Europäische Kommission, Denomination Information: Feldsalate von der Insel Reichenau
  14. badische-seiten.de und Ausführungen Schlossrundgang Arenenberg
  15. Michael Lünstroth und Eike Brunhöber: Der Bodensee schwappt über. In: Südkurier vom 20. Juni 2016, S. 25.
  16. Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (Hrsg.): UNESCO-Welterbe Klosterinsel Reichenau in Baden-Württemberg. Stuttgart 2013. S. 40.
  17. Thomas Zoch: Der höchste Feiertag auf der Insel. In: Südkurier vom 20. Mai 2016.