Walther Gerlach

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Gedenktafel am Haus des Physikalischen Vereins in Frankfurt am Main

Walther Gerlach (* 1. August 1889 in Biebrich am Rhein; † 10. August 1979 in München) war ein deutscher Physiker und Hochschullehrer. Er zählt zu den führenden Kernphysikern.

Biografie

Walther Gerlach wurde in Biebrich geboren als Sohn des Hygienikers Valentin Gerlach und seiner Ehefrau Marie geb. Niederhaeuser. Er ist der ältere Bruder des Pathologen Werner Gerlach und des Arztes Wolfgang Gerlach (Zwillinge). Gerlach begann 1908 sein Studium an der Eberhard Karls Universität Tübingen und wurde im Corps Borussia Tübingen aktiv.[1] Er wurde 1912 unter Friedrich Paschen zum Dr. rer. nat. promoviert und habilitierte sich 1916. Seit 1917 Privatdozent an der Georg-August-Universität Göttingen, wurde er 1921 a.o. Professor an der neuen Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. 1921/22 führte er mit Otto Stern den Stern-Gerlach-Versuch zum Nachweis der Richtungsquantelung durch. Insbesondere dafür erhielt Otto Stern 1943 den Nobelpreis der Physik.

1924 kehrte Gerlach als o. Professor nach Tübingen zurück. 1929 erhielt Gerlach den Lehrstuhl für Experimentalphysik an der Ludwig-Maximilians-Universität München, den er bis zur Emeritierung 1957 innehatte. Im Jahr 1940 wurde er zum Mitglied der Leopoldina gewählt. Ab 1943 leitete er die Fachsparte Physik und die Arbeitsgemeinschaft für Kernphysik im Reichsforschungsrat. Zunächst war er Bevollmächtigter des Reichsmarschalls für Kernphysik für das deutsche Uranprojekt, ab 1944 Bevollmächtigter für Kernphysik. Bei Kriegsende wurde er im Rahmen der Operation Epsilon von den Alliierten in Farm Hall interniert. Er war von 1948 bis 1951 Rektor der Ludwig-Maximilians-Universität und von 1949 bis 1951 auch der erste Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft. Von 1951 bis 1961 war er Vizepräsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und von 1956 bis 1957 Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG). Von 1937 bis 1946 war Gerlach Mitglied im Senat der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft.

Gerlach war Mitinitiator und Unterzeichner der Tübinger Resolution vom 1. Oktober 1951: Die nach 1945 berechtigt erhobene Forderung nach Leistungssteigerung sei in Gefahr, das geistige Leben durch die Fülle des Stoffes zu ersticken. „Die Durchdringung des Wesentlichen der Unterrichtsgegenstände hat den unbedingten Vorrang vor jeder Ausweitung des stofflichen Bereiches.“ Er unterzeichnete 1957 die Erklärung der Göttinger Achtzehn, einer Gruppe von 18 Kernphysikern, die sich gegen die geplante atomare Bewaffnung der Bundeswehr wandten.[2] Der Name lehnte sich an die Göttinger Sieben an. Gerlach schrieb zahlreiche populärwissenschaftliche Bücher über die Geschichte der Physik und die Physik des Alltags. Er war Herausgeber einiger Physik-Lexika.

Gerlach war in erster Ehe seit dem 29. September 1917 mit Mina Metzger (geb. 1889) verheiratet; sie hatten eine Tochter Ursula (geb. 1918). In zweiter Ehe (München 18. April 1939) war er mit der Kinderärztin Dr.med. Ruth Probst (1904-1994) verheiratet.

Ehrungen

Porträt auf der Gedenktafel

Werke (Auswahl)

  • Walther Gerlach: Die experimentellen Grundlagen der Quantentheorie, Vieweg, Braunschweig 1921. (Digitalisat bei archive.org)
  • (Hrsg): Der Natur die Zunge lösen : Leben und Leistung großer Forscher, München : Ehrenwirth 1969 (erste Auflage 1967), Reihe: das moderne sachbuch ; Bd. 84.
  • Walther Gerlach und Martha List: Johannes Kepler. 2. Auflage. Piper, München 1980, ISBN 3-492-00501-2.
  • Walther Gerlach / Dietrich Hahn: Otto Hahn. Ein Forscherleben unserer Zeit. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft (WVG), Stuttgart 1984. ISBN 3-8047-0757-2.
  • Auszüge aus einem Briefwechsel von Richard Gans und Walther Gerlach bei 'Formierungsphase' des Machtkartells
  • (als Hrsg., unter Mitarbeit von Josef Brandmüller): Das Fischer-Lexikon : Teil 19: Physik, Neuausgabe 239.-243. Tausend, Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1978, ISBN 3-596-40019-8.
  • H.-R. Bachmann, Helmut Rechenberg (Herausgeber): Walther Gerlach (1889-1979). Eine Auswahl aus seinen Schriften und Briefen, Springer Verlag 1989

Einzelnachweise

  1. Kösener Corpslisten 1930, 127, 340; nach dem Zweiten Weltkrieg ausgeschieden.
  2. Vernichtung ohne Grenzen. 1957 protestierten 18 westdeutsche Wissenschaftler gegen die geplante atomare Bewaffnung der Bundeswehr, in: junge Welt, 24.9.2016, S. 3.

Literatur/Archiv

  • Rudolf Heinrich, Hans-Reinhard Bachmann (Bearb.): Walther Gerlach. Physiker, Lehrer, Organisator. Dokumente aus seinem Nachlass, eine Ausstellung im Deutschen Museum zum 100. Geburtstag des Experimentalphysikers, 26. Juli – 29. November 1989, ISBN 3-924183-12-0.
  • Richard von Schirach: Die Nacht der Physiker. Heisenberg, Hahn, Weizsäcker und die deutsche Bombe. Berenberg, Berlin 2012, ISBN 978-3-937834-54-2
  • Lupold von Lehsten; Das Freundschaftsalbum des Jakob Gerlach zu seiner Wanderschaft im Jahr 1849 und die Schlossermeisterfamilie Gerlach in Frankfurt am Main. In: Hessische Familienkunde, Bd. 38, (2015), H. 3, Sp. 113-124.
  • ((Bensheim, Institut für Personengeschichte, Vorlass Werner Kittel, Mappen Gerlach))

Weblinks

Commons: Walther Gerlach – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien