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Wasserrad

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Oberschlächtiges Wasserrad im Freilichtmuseum Neuhausen ob Eck
Unterschlächtiges Wasserrad beim Rheinfall in Neuhausen (Schweiz)
Sägemühle (links) und Getreidemühle (rechts) jeweils mit eigenem oberschlächtigen Wasserrad. Luttermühle am Weesener Bach, Hermannsburg, um 1960

Ein Wasserrad, oft auch Mühlrad genannt, ist eine Wasserkraftmaschine, die die potentielle oder kinetische Energie des Wassers nutzt, um Wassermühlen aller Art, Generatoren von kleinen Wasserkraftwerken oder Wasserschöpfwerke anzutreiben.

Bedeutung

Ein altes Wasserrad am Stiglbach

In den industrialisierten Regionen haben Wasserräder heute kaum noch wirtschaftliche Bedeutung. Die meisten stehen in den zahlreichen zu Museen umgebauten Mühlen, einige treiben kleinere Generatoren an und dienen der Stromerzeugung. Teilweise laufen Wasserräder zu dekorativen Zwecken ohne Energienutzung. Im Schlosspark Nymphenburg in München betreiben Wasserräder allerdings seit über 200 Jahren bis heute die Pumpwerke für die beiden Fontänen vor dem Schloss. Ein wichtiger Unterschied zwischen Wasserrädern und Turbinen: Wasserräder können ohne Regelung und mit stark schwankenden Wassermengen ohne nennenswerte Einbußen beim Wirkungsgrad laufen.

Neben den reinen Wassermühlen gab und gibt es Mühlen, die ihre Antriebskraft aus Wasser und Wind zugleich beziehen. Eine der wenigen heute noch komplett erhaltenen derartigen Mühlen ist die Hüvener Mühle im nördlichen Emsland.

Die meisten Wasserräder stehen in den Entwicklungsländern Afrikas und Asiens als unerlässliche Hilfsmittel vor allem der Landwirtschaft zur Verfügung. Das weltweit zur Verfügung stehende Leistungspotenzial von Wasserrädern dürfte nach seriösen Schätzungen im Bereich einiger Terawatt liegen. Typischerweise liefert ein Wasserrad eine Antriebsleistung im ein- bis zweistelligen Kilowatt-Bereich. Es stellt einen Beitrag zur nachhaltigen Nutzung der Wasserkraft dar, da es durch seine geringe Leistung und dezentrale Anordnung nur einen kleinen Eingriff in die Natur erfordert.

Geschichte

Wirkungsgrad des oberschlächtigen Turaswasserrades
Darstellung der römischen Sägemühle von Hierapolis in Kleinasien.

Die aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. stammende Mühle ist die erste bekannte Maschine, die mit einem Mechanismus aus Kurbelwelle und Pleuelstange arbeitete.[1]
Das „Great Laxey Wheel“, Europas größtes Wasserrad mit 22 m Durchmesser
Das große Wasserrad im National Slate Museums in Wales
Oberes Rad im Roeder Stollen Rammelsberg, Harz

Die Erfindung des Wasserrades durch griechische Ingenieure im 4./3. Jahrhundert v. Chr. stellte einen Meilenstein in der Entwicklung der Technik dar, da durch die Nutzung der Wasserkraft mechanische Energie nutzbar gemacht werden konnte.[2][3] Zu Anfang dienten Wasserräder der Bewässerung in der Landwirtschaft, als Schöpfrad zum Heben von Wasser. Solche Schöpfräder sind seit vor der Zeitenwende in den hellenistischen Staaten und im Römischen Reich, später auch in Indien und China verbreitet.

Bereits in römischer Zeit wurden Wasserräder auch für den Antrieb von Mahlmühlen genutzt. Der römische Baumeister und Ingenieur Vitruv beschreibt in seiner „architectura“ aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. sowohl das Prinzip des Wasserschöpfrads als auch das der -mühle ausführlich. Der früheste Nachweis einer Wassermühle in Deutschland gelang den Archäologen durch die Ausgrabung einer Mühle aus der Zeit um Christi Geburt an der Inde. Funde in der alemannischen Siedlung Mittelhofen bei Lauchheim datieren aus dem 6. Jahrhundert. Bereits im 9. Jahrhundert gab es viele Mühlen in Zentralfrankreich. Seit dem 12. Jahrhundert waren Wassermühlen in Mitteleuropa verbreitet. Später kam die Nutzung von Ölmühlen, Walkmühlen, Sägemühlen, Hammerwerken, Papiermühlen und Schleifmühlen hinzu. Der beginnenden Industrialisierung diente das Wasserrad zum Antreiben von Maschinen über die ersten Transmissionen. Auch im Bergwesen wurden sie zum Materialtransport und zur Entwässerung eingesetzt. So wurde im Oberharzer Bergbau mit Beginn des 16. Jahrhunderts der durch die Pest von 1348 zum Erliegen gekommene Bergbau auf Blei, Kupfer und Silber wieder aufgenommen. Im Jahr 1868 veröffentlichte Alfred Dumreicher eine detaillierte Beschreibung des Oberharzer Wasserkraft-Systems.[4] Er zählt darin 190 Wasserräder in der Größe von 6 Fuß (= 1,7 m) bis 40 Fuß (= 11,5 m) Durchmesser auf. Dazu kommen noch drei – für die damalige Zeit ganz moderne – Wassersäulenmaschinen hinzu. 18 Wasserräder haben einen Durchmesser von mehr als 10 Metern und 10 Wasserräder mit 11 Meter Durchmesser und mehr. Dumreicher beziffert die in diesem Wasserkraftsystem erbrachte Leistung auf 1870 Pferdekräfte netto. Dabei ist anzumerken, dass hier die Wasserkraft für die besonderen Anforderungen im Erz-Bergbau eingesetzt wurde. Eine der wichtigsten Aufgaben war die Förderung des Erzes von dem unter Tage liegenden Abbaustollen über Höhen von teilweise mehr als 500 Meter zu Tage. Ein mit Erz gefüllter Förderkorb hatte damals ein Gewicht von 300–350 Kilogramm. Weitere Aufgaben waren die Beförderung der Bergleute mit Hilfe der Fahrkunst und das Herausheben des in die Gruben eingesickerten Wassers in Form der bergmännisch genutzten Wasserkunst.

Ein weiteres Beispiel sind die in Möhrendorf an der Regnitz noch vorhandenen neun historischen Wasserschöpfräder, die bereits für den Anfang des 15. Jahrhunderts belegt sind. Eines der größten historischen Wasserräder Deutschlands ist mit 9,6 m Durchmesser, das 1745–1748 erbaute „Große Rad“ in Schwalheim bei Bad Nauheim. Es trieb die mechanischen Pumpen einer frühindustriellen Salinenanlage an. Das größte Wasserrad überhaupt steht auf der Isle of Man. Das „Great Laxey Wheel“ hat etwa 22 m Durchmesser und diente der Entwässerung eines Bergwerks.

Eine ausreichende Wasserversorgung war ein wichtiger Punkt in der Standortbewertung der entstehenden Fabriken, im Gegensatz zu anderen Standortkriterien in der heutigen Zeit. Wesentlicher Punkt, um ein Wasserrad betreiben zu können, waren die Wasserrechte. So findet man heute noch Eigentumsrechte von alten Industriebetrieben im Quellgebiet von Flüssen oder größeren Bächen, die von den Eigentümern nicht mehr genutzt werden. Die zur Verbesserung und Sicherung der Mühlenleistung angelegten Mühlenstauen sind an kleinen Gewässern oft noch als Mühlenteiche erhalten. An größeren Gewässern hatten sie weitreichende Auswirkungen und waren darum im Mittelalter ein Politikum.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts machten es die aufkommenden Wasserturbinen möglich, viel größere Wassermengen und höhere Gefälle zu nutzen. Durch die Einführung der Elektrizität musste die Energie nicht mehr vor Ort mechanisch übertragen werden, sondern konnte in elektrischen Strom umgewandelt werden. Es entstanden Wasserkraftwerke, die auf Grund ihrer Größe kostengünstiger produzieren konnten und die kleinen Kraftwerke mit Wasserrad allmählich verdrängten. Versuche, die vergleichsweise kleinen Wasserräder durch Turbinen zu ersetzen, schlugen vielfach fehl, da beide Antriebe völlig unterschiedliche Eigenschaften haben. Moderne Turbinenentwicklungen eröffnen inzwischen neue Möglichkeiten der Nutzung.

Bauformen von Wasserrädern

Diagramm Einsatzbereiche der Bauformen

Wasserräder können nach Art des Wasserzulaufs klassifiziert werden. Je nach Gefälle sowie der Höhendifferenz zwischen Zu- und Ablauf werden verschiedene Wasserräder eingesetzt.

Unabhängig davon unterscheidet man zwischen Zellen- und Schaufelrad.

  • Zellenräder bestehen aus seitlich und nach unten abgeschlossenen Behältern (Zellen), die das Wasser maximal eine halbe Umdrehung festhalten. Diese Bauform wird auch als Staber- oder Kranzrad bezeichnet.[5] Eine Sonderform stellt das Pansterrad dar, das nach demselben Prinzip aufgebaut, jedoch wesentlich größer und breiter und daher für den Einsatz in Flüssen geeignet ist.[5]
  • Schaufelräder besitzen keine Zellen, sondern nur radial angeordnete Bleche oder Bretter (Schaufeln), die zu allen Seiten offen sind. Um das Wasser in den Schaufeln zu halten, laufen die meisten Schaufelräder in einem Kropfgerinne. Um einen hohen Wirkungsgrad zu erzielen, muss das Kropfgerinne möglichst eng an der Schaufel anliegen (sh. Abb. „mittelschlächtiges Wasserrad“). Diese Bauform wird auch als Strauber- oder Stelzenrad bezeichnet.[5]

Die Abbildungen „oberschlächtiges Wasserrad“ und „mittelschlächtiges Wasserrad“ zeigen ein Zellenrad, die Abbildung „unterschlächtiges Wasserrad“ ein Schaufelrad.

Oberschlächtiges Wasserrad

Gerinne und Oberschlächtiges Wasserrad der Zschonermühle in Dresden
Oberschlächtiges Wasserrad
Oberschlächtiges Wasserrad in Betrieb
Oberschlächtiges Wasserrad einer Lesachtaler Mühle (Kärnten, A)

Beim oberschlächtigen Wasserrad werden Zellenräder eingesetzt. Das Wasser strömt durch eine Rinne (sogenanntes Gerinne oder Fluder) oder ein Rohr zum Scheitelpunkt des Rades, fällt dort in die Zellen und setzt das Rad durch sein Gewicht und seine kinetische Energie (Aufschlagwasser) in Bewegung. Die Fallhöhe liegt üblicherweise zwischen drei und zehn Metern.[5] Oberschlächtige Wasserräder sind seit dem 13. Jahrhundert bekannt.[5]

Im Gegensatz zur Wasserturbine benötigt ein oberschlächtiges Wasserrad keinen Rechen, um Treibgut herauszufiltern, und der Wirkungsgrad ist weniger abhängig von Schwankungen der Wassermenge. Das Einsatzgebiet liegt bei Gefällen von 2,5 m bis 10 m und Wassermengen bis zu 2 m³/s (typisch sind Gefälle von 3 bis 6 m und Wassermengen von 0,1 bis 0,5 m³/s). Für Mühlen liegen die typischen Wasserradleistungen zwischen 2 und 10 kW. Oberschlächtige Wasserräder werden bei Umfangsgeschwindigkeiten von ca. 1,5 m/s betrieben.

Das Wasser wird bei einem kleinen Wehr, einige 100 m oberhalb des Wasserrades vom Mutterbach abgezweigt und in einem künstlichen Kanal mit wenig Gefälle zum Rad geleitet. Dieser Kanal wird oft als Obergraben, Mühlbach oder oberer Mühlgraben bezeichnet. Das Wehr dient der Regulierung der zuströmenden Wassermenge. Der letzte Teil des Kanals vor dem Rad wird Gerinne genannt. Es besteht häufig aus Holzbrettern oder Metall. Am Gerinne ist ein Freifluter, auch Leerschuss genannt, angebracht, welcher bei Stillstand des Wasserrades das Wasser am Rad vorbeileitet. Eine weitere Anlagenform besteht darin, dass der Obergraben zu einem Stauteich erweitert wird. Das Wasserrad steht in unmittelbarer Nähe hinter dem Teichdamm. Der Wasserzufluss zum Rad wird bei dieser Anlagenform über ein Radschütz gesteuert, welches sich am Ende des Gerinnes befindet.

Unter optimalen Bedingungen (insbesondere mit Schaufeln aus Stahlblech) werden beim oberschlächtigen Wasserrad Wirkungsgrade von über 80 % realisiert. Allerdings ist ein Wasserrad im Winter mit Vereisungsproblemen konfrontiert. Enteisungsarbeit am Wasserrad ist anstrengend und nicht ungefährlich. Daher wurden viele Wasserräder mit einem Radhaus umbaut. Das Radhaus schützt nicht nur vor Eis, sondern verhindert auch ein Austrocknen bei Stillstand, wodurch es bei hölzernen Bauteilen zu unregelmäßigem Gang des Rades kommt. Turbinen haben diese Probleme nicht.

Die Leistung eines oberschlächtigen Wasserrades errechnet sich zu:

mit Leistung in Watt, Wirkungsgrad: , Dichte des Wassers: in kg/m³, Volumenstrom in m³/s, Fallbeschleunigung: in m/s² und der Fallhöhe, bzw. dem Raddurchmesser in m.

Kehrrad

Rekonstruktion eines Kehrrades mit 9,5 m Durchmesser in Clausthal-Zellerfeld

Eine besondere Bauform ist das Kehrrad. Es wird ausschließlich oberschlächtig beaufschlagt und hat zwei gegenläufig angeordnete Schaufelkränze, so dass es je nach Beaufschlagung seine Drehrichtung ändern kann. Kehrräder fanden im Bergbau Verwendung, um mit Wasserkraft Fördermittel anzutreiben. Durch die Umkehr der Richtung konnten die Tonnen oder Körbe gehoben und gesenkt werden. In der Regel befand sich eine Seiltrommel oder ein Kettenkorb mit auf der Welle des Rades. Unabdingbar war darüber hinaus eine Bremsvorrichtung, um das Kehrrad abbremsen zu können (Bremsrad). Die älteste heute bekannte Darstellung eines Kehrrades stammt von Georgius Agricola aus dem Jahr 1556.

Mittelschlächtiges und rückschlächtiges Wasserrad

Mittelschlächtiges Wasserrad
Mittelschlächtiges Wasserrad – Stütings Mühle in Belecke

Mittelschlächtige Wasserräder werden etwa auf Nabenhöhe beaufschlagt („vom Wasser getroffen“) und nutzen Strömung und Gewicht des Wassers, also Stoß und Druck gleichermaßen.[5] Sie können als Zellenrad oder als Schaufelrad gebaut werden. Mittelschlächtige Zellenräder werden auch rückschlächtig genannt, sie werden ähnlich wie oberschlächtige Räder gebaut, drehen aber in die entgegengesetzte Richtung. Der Übergang zu unterschlächtigen Rädern ist fließend, auch Zuppinger-Räder (Siehe: unterschlächtiges Wasserrad) können fast auf Nabenhöhe beaufschlagt werden.

Manche mittelschlächtige Räder haben einen Kulisseneinlauf ('a' in der Schemaskizze). Das ist eine meist verstellbare Leitvorrichtung, welche das Wasser in mehrere Teilstrahlen (meist drei) aufteilt und dem Rad in einer bestimmten Richtung zuführt.

Moderne mittelschlächtige Wasserräder können bei entsprechender Konstruktion von Zulauf und Ablauf sowie Kammern und Schaufelform Wirkungsgrade von bis zu 85 % erreichen, was sie nahe an den Wirkungsgrad von herkömmlichen Turbinen heranbringt.

Unterschlächtiges Wasserrad

Unterschlächtiges Wasserrad
Unterschlächtiges Wasserrad in Betrieb
Modernes Zuppinger-Rad im LBV-Zentrum Mensch und Natur (2002 von der Fa. HydroWatt gebaut)

Bei unterschlächtigen Wasserrädern fließt das Wasser unter dem Rad in einem Kropf durch. Der Kropf ('K' in der Schemaskizze zum mittelschlächtigen Wasserrad) ist eine Führung, welche dem Rad angepasst ist. Sie verhindert, dass Wasser unterhalb und seitlich der Schaufeln abfließt, ohne es anzutreiben. Aufgrund der eher simplen Bauweise sind unterschlächtige Wasserräder die älteste Form der Wasserräder.[5]

Die Kraftübertragung geschieht über Schaufeln. In ihrer einfachsten Form bestehen die Schaufeln aus einem Holzbrett, bessere Wirkungsgrade werden jedoch mit speziell gebogenen Blechschaufeln erzielt.

Das Einsatzgebiet liegt bei Gefällen von 0,25 bis 2 m und Wassermengen über 0,3 m³/s bzw. 50 Litern pro Sekunde.[5] Daraus ergibt sich eine Leistung im ein- bis zweistelligen kW-Bereich. Unter optimalen Bedingungen, insbesondere, wenn der Spalt zwischen Kropf und Rad klein ist, werden Wirkungsgrade von über 70 % erzielt. Unterschlächtige Wasserräder werden bei Umfangsgeschwindigkeiten von 1,6–2,2 m/s betrieben, wobei diese Größe einen Erfahrungswert darstellt. Wegen des geringen Gefälles steht das Wasserrad normalerweise direkt beim Wehr.

Aus dem 19. Jahrhundert stammt das Zuppinger-Rad, welches durch evolventenförmige Schaufeln einen höheren Wirkungsgrad erzielt. Diese Bauform war vor der Einführung von Dampfmaschinen in der Industrie im 19. Jh. (Textilindustrie, chemische Industrie, Stahlindustrie) verbreitet. Es gelang, durch breite Räder aus Eisen beachtliche Leistungen von einigen 10 kW zu erzielen. Mit den Drehzahlen des Wasserrades konnten langsamgehende Maschinen wie z. B. Stampfwerke oder Schwanzhämmer (= Hammerschmiede) direkt angetrieben werden. Die meisten Antriebsmaschinen benötigten mehrstufige Getriebe (sog. Vorgelege), um die erforderlichen Drehzahlen bereitzustellen. Dies begünstigte den Einsatz von Turbinen gegenüber dem Wasserrad.

Tiefschlächtiges Wasserrad

Ein tiefschlächtiges Wasserrad ähnelt einem unterschlächtigem, jedoch ist bei jenem das Wasserrad in ein (nahezu) ebenes Fließgewässer eingetaucht und wird allein durch dessen Fließgeschwindigkeit angetrieben. Gegenüber dem unterschlächtigen Wasserrad ist hier ausschließlich die natürliche Fließgeschwindigkeit des Gewässers von Belang, eine Erhöhung der zur Verfügung stehenden Energie durch ein künstlich angelegtes Gefälle im Gewässer (entlang des Wasserrades oder durch eine Staustufe vor selbigem) findet nicht statt.

Leistung und Wirkungsgrad

Das Leistungsangebot des Gewässers aus dessen kinetischer Energie durch die Fließgeschwindigkeit , bezogen auf die vom Wasserrad beeinflusste Querschnittsfläche , lässt sich wie folgt berechnen:

Die Leistung eines tiefschlächtigen Wasserrades lässt sich wie folgt berechnen:

Die Wasserströmung ( Dichte des Wassers in kg/m³) übt eine Kraft (in Newton) auf die Schaufeln mit der Querschnittsfläche (in m²) aus, die aus dem dynamischen Druck der Strömung auf die Schaufel berechnet werden kann:

Der Strömungswiderstandsbeiwert ist eine dimensionslose Zahl und kann aus entsprechenden Tabellenwerken abgeleitet werden. Eine Hohlkugelhalbschale, die zur hohlen Seite hin angeströmt wird, hat den Beiwert ≈1,35. Es ist allerdings zu beachten, dass bei einem Wasserrad ohne eine dynamische Verstellung des Anstellwinkels zu einer senkrechten Anströmung (exzentergesteuerte Radschaufeln) beim Ein- und Austauchen flachere Winkel wirken. Der wirksame mittlere Strömungswiderstandsbeiwert ist also kleiner als der in den üblichen Tabellenwerken ablesbare. Exzentergesteuerte Radschaufeln stellen insofern eine mögliche Verbesserung dar, sind aber wartungsintensiv und verursachen zusätzliche Verluste zum Antrieb der Exzentersteuerung, so dass sie sich nicht durchsetzten.

Die für den dynamischen Druck wirksame Geschwindigkeit berechnet sich aus der Strömungsgeschwindigkeit des Flusses , vermindert um die Oberflächengeschwindigkeit des Wasserrades :

Die Leistung des Wasserrades (in Watt) berechnet sich aus

  • dem Produkt der Kraft mit der Oberflächengeschwindigkeit des Wasserrades
bzw.
  • dem Produkt der Kraft mit der Winkelgeschwindigkeit des Wasserrades und dem Radius des Wasserrades :

Löst man dieses Gleichungssystem, indem die Kraft , die dynamische Geschwindigkeit und die Oberflächengeschwindigkeit des Wasserrades eliminiert werden, so erhält man die Gleichung für die Leistung des Wasserrades:

Die Leistung ist optimal bei:

Die optimale Oberflächengeschwindigkeit beträgt also nur 1/3 der Strömungsgeschwindigkeit des Flusses, weswegen ein modernes Wasserrad über eine Drehzahlregelung verfügen sollte, um es mit der optimalen Drehzahl betreiben zu können. Ob die Messung der Strömungsgeschwindigkeit des Flusses mittels Ultraschall-Doppler-Sonde erforderlich ist, hängt davon ab, ob die Strömungsgeschwindigkeit, je nach Wasserstand, stark schwankt.

Die maximal mögliche Leistung kann dann folgendermaßen berechnet werden:

Tiefschlächtige Wasserräder benötigen also einen hohen dynamischen Anströmdruck durch den Fluss und erzeugen daraus eine niedrige Drehzahl. Das wirkt sich wie folgt auf den Wirkungsgrad aus:

Der Wirkungsgrad eines tiefschlächtigen Wasserrades ist der Quotient aus der Leistung des Wasserrades und des Leistungsangebots des Flusses, wenn die Ähnlichkeitskennzahl eingeführt wird:


Diese Beziehung wird in der folgenden Grafik veranschaulicht:

Der Wirkungsgrad erscheint zwar relativ gering im Verhältnis zu dem durch einen Unterwasserpropeller (Unterwasserwindrad) erreichbaren Wirkungsgrad von ≈60 % nach dem Gesetz von Betz (dieses ist für einen Unterwasserpropeller anwendbar, da Betz von einem nicht kompressiblen Medium ausging).

Das ist darauf zurückzuführen, dass ein tiefschlächtiges Wasserrad eine einfache Arbeitsmaschine ist, die einen Strömungswiderstand und damit eine Reibung in Arbeit konvertiert. Strömungsmaschinen wie Propeller oder Windräder dagegen wandeln den Druckunterschied von angeströmten Tragflächen in ein maximales Drehmoment mal Drehzahl um. Durch eine geschickte Wahl des Profils können so wesentlich effizientere Arbeitsmaschinen konstruiert werden. In Kulissen geführte mittel- oder unterschlächtige Wasserräder können als eine Abart von Verdrängungsmaschinen (die Zellenwand als eine Art Kolben) angesehen werden und arbeiten durch die Zwangsführung des Wassers effektiver, sind aber sehr anfällig für Reibungsverluste aus eingeschlepptem Treibgut und sind daher wartungsintensiv. Ferner muss Treibgut als Abfall entsorgt werden, darf also nicht einfach unterhalb wieder ins Gewässer eingebracht werden, was erhebliche Kosten verursacht.

Trotzdem kann ein tiefschlächtiges Wasserrad ein geeigneter Generator zur Gewinnung von Strom aus der kinetischen Energie von Flüssen sein, da dieses eben

  • relativ unempfindlich gegen den Einfluss von Treibgut ist und
  • folglich geringe Wartungskosten anfallen, die die Wirtschaftlichkeit anderer Flusskraftwerke erheblich beeinträchtigen können.

Das Energieangebot aus dem Fluss muss also nicht möglichst hoch sein, sondern möglichst kosteneffizient genutzt werden. Dafür ist ein tiefschlächtiges Wasserrad gut geeignet.

Als Wasserbauwerk ausgeführtes tiefschlächtiges Wasserrad

Wasserschöpfräder bei Möhrendorf

Das tiefschlächtige Wasserrad kommt mit dem natürlichen Gefälle des Gewässers aus. Anders als beim unterschlächtigen Wasserrad gibt es hier keine Kulisse, die dieses in eine Art Kolbenmaschine verwandelt. Das Rad wird allein durch den Strömungswiderstand der Schaufelbretter reibend angetrieben (Herleitung der Bewegungsgleichung siehe oben). Der Wirkungsgrad bei tiefschlächtigen Wasserrädern ist maximal, wenn die Umfanggeschwindigkeit des Rades 1/3 der Wassergeschwindigkeit entspricht.

Das Prinzip kommt besonders bei Wasserschöpfrädern zur Anwendung, weil es unempfindlich gegen Beeinträchtigung durch Treibgut und damit robust ist, was in diesem Fall den wichtigsten Vorteil darstellt, der die Wirtschaftlichkeit wesentlich verbessert (aus dem Gewässer entnommenes Treibgut muss in Deutschland als Abfall kostenintensiv beseitigt werden).

Es ist außerdem eng verwandt mit dem Antrieb von Schaufelraddampfern als quasi rechtslaufender Prozess und wurde dort durch den Propeller verdrängt, der einen wesentlich höheren Wirkungsgrad aufweist.

Schwimmendes tiefschlächtiges Wasserrad – Schiffmühle

Schiffsmühle Minden

Bei Schiff(s)mühlen, beide Schreibweisen sind üblich, findet dieses Bauprinzip ebenfalls Anwendung. Hierbei liegt das Schiff fest vertäut im Fluss; das Wasserrad treibt die Mühle auf dem Schiff an. Die Schiffsmühle hat den Vorteil, dass sie mit dem Wasserspiegel aufschwimmt oder absinkt und dadurch immer dieselbe Wassermenge zur Verfügung hat.

Horizontalmühlen

Horizontalmühlen, regional auch Stock- oder Flodermühle genannt, sind durch ein horizontales Wasserrad auf einer vertikalen Welle gekennzeichnet. Das Rad treibt den Mahlstein ohne Getriebe an. Es wird nur kinetische Energie genutzt; die Mühle benötigt daher einen Fluss mit starkem Gefälle. Wegen ihrer einfachen und robusten Bauart und ihrer Eignung für kleine Wassermengen waren Horizontalmühlen insbesondere in wasserarmen und gebirgigen Regionen des Mittelmeerraumes schon früh verbreitet; sie finden sich aber auch unter anderem in Nordeuropa und im Alpenraum.

Sonderformen

Neu errichtete Wasserräder stellen oftmals Sonderformen dar und werden in der Regel zur Stromerzeugung genutzt.

  • Das Turas-Wasserrad ist ein oberschlächtiges, einseitig gelagertes Wasserrad. Es wird in einer vorgefertigten Rahmenkonstruktion, welche mit der Getriebe- und Asynchrongeneratoreinheit bestückt ist, einseitig angeflanscht und durch das Getriebe gelagert. Bei dieser Bauweise entfällt die Wasserradwelle.[6]
  • Das Gravity-Wasserrad ist ein mittelschlächtiges Wasserrad, bei dem zur maximalen Energieerzeugung die Ein- und Auslaufverluste minimiert wurden. Basis sind die Konstruktionsrichtlinien für Zuppinger Wasserräder. Die Form der Schaufeln wird nicht auf maximale Leistung, sondern maximale Jahresarbeit (Jahresarbeit bedeutet in diesem Fall die in einem Jahr durchschnittlich produzierte Energiemenge) hin optimiert. Das Gravity-Wasserrad entspricht dadurch mehr den heutigen Bedürfnissen der Wasserradnutzung zur Energieerzeugung.
  • Das Segmentkranz-Wasserrad ist ein ventiliertes Wasserrad in modularer Bauweise.
  • Die Durchströmturbine stellt im Wesentlichen eine Weiterentwicklung des Wasserrades dar.
  • Die Lamellenturbine basiert auf Prinzip eines unterschlächtigen Wasserrads.[6]
  • Die Wasserdruckmaschine, ist eine Weiterentwicklung des mittelschlächtigen Wasserrades.[6]
  • Die Staudruckmaschine, ist ebenfalls eine Weiterentwicklung des mittelschlächtigen Wasserrades.[7][6]
  • Die Wasserkraftschnecke, basiert auf dem Prinzip der Archimedischen Schraube.[6]
  • Die Steffturbine arbeitet nach dem Prinzip eines oberschlächtigen Wasserrades.[6]

Bei Le Locle im Schweizer Kanton Neuenburg (NE) befinden sich Europas einzige unterirdische Mühlen, die Höhlenmühlen von Le Locle. In einer mehrstöckigen Höhle wurden im 16. Jahrhundert in einen Wasserfall Wasserräder eingebaut, um eine Getreidemühle und Dresch- und Sägemühlen anzutreiben.

Einsatz zur Stromerzeugung

Einsatzbereiche von Wasserkraftmaschinen im Bereich der Klein- und Kleinstwasserkraft[7]

Das Wasserrad hat im Zuge der Stromerzeugung auf Basis von erneuerbaren Energien eine Renaissance erfahren. Wasserräder zeichnen sich durch eine kostengünstigen Realisierung in bestehenden Kanälen (z. B. Bewässerungskanälen) aus, wobei die baulichen und technischen Größenbegrenzungen von Wasserrädern (Fallhöhe max. ≈8–10 m, Durchfluss max. ≈10 m³/s) den Einsatz im Bereich der Klein- und Kleinstwasserkraft vorgeben, wie im Diagramm rechts dargestellt.[7]

Kombination von bestehenden Wasserrädern mit anderen erneuerbaren Energieformen

Bestehende Wasserradanlagen lassen sich durch die Verwendung von Generatoren mit weiteren Energieerzeugern wie Photovoltaik, Kleinwindanlagen und Blockheizkraftwerken kombinieren. Ein Laderegler mit Energiemanagementsystem sorgt für die Regelung und Steuerung der Energieerzeugung und Energieverteilung.

Siehe auch

Literatur

  • Konrad Gruter: De aquarum conductibus; molendinis aliisque machinis et aedificiis. 3 Teile, Venedig 1424.
  • Ferdinand Redtenbacher: Theorie und Bau der Wasserräder. 2 Bände, Mannheim 1858.
  • Carl von Bach: Die Wasserräder. 1 Bd. + Atlas, Stuttgart 1886.
  • Wilhelm Müller: Die eisernen Wasserräder. Band 1: Die Zellenräder. Band 2: Die Schaufelräder. Band 3: Atlas. Verlag Veit & Comp, Leipzig 1899.
  • Wilhelm Müller: Die Wasserräder, Berechnung, Konstruktion und Wirkungsgrad. gekürzte Version der Vorgängerbände. Verlag Moritz Schäfer, Leipzig 1929.
  • Heinrich Henne: Die Wasserräder und Turbinen. 1 Bd. + Atlas. Verlag Bernhard Friedrich Voigt, Leipzig 1903.
  • F. Beyrich: Berechnung und Ausführung der Wasserräder. J. M. Gebhardt’s Verlag, Leipzig 1905.
  • C. G. O. Deckert: Die hydraulischen Motoren. (Die Schule des Maschinentechnikers 14) Verlag Moritz Schäfer, Leipzig 1914.
  • K. Albrecht: Wasserräder und Turbinen Teil 2 im 5. Band Motoren 1. aus Uhland’s Handbuch für den praktischen Maschinen-Konstrukteur. Verlag W. & S. Loewenthal, Berlin ca. 1915.
  • Wasserrad. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Band 16, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig/Wien 1885–1892, S. 427.
  • K. W. Meerwarth: Experimentelle und theoretische Untersuchungen am oberschlächtigen Wasserrad. Dissertation. TU Stuttgart, 1935.
  • D. M. Nuernbergk: Wasserräder mit Kropfgerinne – Berechnungsgrundlagen und neue Erkenntnisse. Verlag Moritz Schäfer, Detmold 2005, ISBN 3-87696-121-1.
  • D. M. Nuernbergk: Wasserräder mit Freihang – Entwurfs- und Berechnungsgrundlagen. Verlag Moritz Schäfer, Detmold 2007, ISBN 978-3-87696-122-4.
  • Richard Brüdern: Wie man Wasserräder baut – ein Beitrag zur Technikgeschichte, Berechnung und Konstruktion von Wasserrädern. Eigenverlag, Hannover 2006, OCLC 255703382.
  • Axel Feuß: Wasser-, Wind- und Industriemühlen in Hamburg. (= Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Hamburg, Themen-Reihe Band 9) Boyens Medien, Heide/Holstein 2007, ISBN 978-3-8042-1234-3.
  • Klaus Grewe: Die Reliefdarstellung einer antiken Steinsägemaschine aus Hierapolis in Phrygien und ihre Bedeutung für die Technikgeschichte. Internationale Konferenz 13.–16. Juni 2007 in Istanbul. In: Martin Bachmann (Hrsg.): Bautechnik im antiken und vorantiken Kleinasien. (Byzas, Bd. 9) Istanbul 2009, ISBN 978-975-8072-23-1, S. 429–454. (deutsch, teilw. englisch)

Weblinks

Wiktionary: Wasserrad – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Wasserräder – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Tullia Ritti, Klaus Grewe, Paul Kessener: A Relief of a Water-powered Stone Saw Mill on a Sarcophagus at Hierapolis and its Implications. In: Journal of Roman Archaeology. Bd. 20 (2007), S. 138–163 (161).
  2. John Peter Oleson: Greek and Roman Mechanical Water-Lifting Devices: The History of a Technology. University of Toronto Press, 1984, ISBN 90-277-1693-5, S. 325ff.
  3. John Peter Oleson: Water-Lifting. In: Örjan Wikander: Handbook of Ancient Water Technology, Technology and Change in History. (Technology and change in history 2). Brill, Leiden 2000, ISBN 90-04-11123-9, S. 217–302.
  4. Alfred Dumreicher: Gesammtüberblick über die Wasserwirthschaft des nordwestlichen Oberharzes. Clausthal 1868. (Erweiterte Neuausgabe: Volkmar Trunz (Hrsg.), Oberharzer Geschichts- und Museumsverein e.V., Clausthal-Zellerfeld 2000, ISBN 3-9806619-2-X).
  5. a b c d e f g h Jutta Böhm: Mühlen-Radwanderung. Routen: Kleinziegenfelder Tal und Bärental. Umweltstation Weismain des Landkreises Lichtenfels, Weismain/Lichtenfels (Landkreis Lichtenfels), 2000, S. 6.
  6. a b c d e f Tagungsband der 43. IWASA 2013 Lehrstuhl und Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen; Herausgeber: Univ.-Professor Dr.-Ing. Holger Schüttrumpf (PDF;1,06 MB).
  7. a b c Statusbericht zur Entwicklung der Staudruckmaschine, Institut für Hydraulische Strömungsmaschinen der TU Graz.