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Seit dem 24. Oktober 2002 gibt es den ''Spiegel'' auch als digitale Ausgabe (PDF).
Seit dem 24. Oktober 2002 gibt es den ''Spiegel'' auch als digitale Ausgabe (PDF).

Seit 2002 kann man die Nebenprodukte des SPIEGEL-Verlags auch über den eigenen [http://www.spiegel.de/shop SPIEGEL-SHOP] bestellen. Hier finden Sie neben den hauseigenen Produkten auch ein breites Sortiment an Büchern, Musik, DVDs, Hörbüchern und vielen anderen Artikel, die über den Logistikpartner libri bezogen werden.


Am 7. November 2002 starb Herausgeber [[Rudolf Augstein]].
Am 7. November 2002 starb Herausgeber [[Rudolf Augstein]].

Version vom 18. Oktober 2007, 22:19 Uhr

Der Spiegel

Logo
Beschreibung Nachrichtenmagazin
Verlag SPIEGEL-Verlag
Erstausgabe 4. Januar 1947
Erscheinungsweise wöchentlich/montags
Verkaufte Auflage 1.051.113 Exemplare
(IVW Q2/2007)
Reichweite 6,01 Mio. Leser
(Vorlage:Ma)
Chefredakteur Stefan Aust
Herausgeber Rudolf Augstein (1923–2002)
Weblink www.spiegel.de

Der Spiegel ist eine deutsche Wochenzeitschrift, die im Spiegel-Verlag in Hamburg erscheint. Er bezeichnet sich selbst als „Deutschlands bedeutendstes und Europas auflagenstärkstes Nachrichtenmagazin“; im Durchschnitt werden pro Woche annähernd 1,1 Millionen Exemplare verkauft. Die gedruckte Ausgabe erscheint am Montag (im Raum Hamburg und in Berlin am Sonntag), die e-paper-Ausgabe bereits am Samstag um 22 Uhr.

Mit Spiegel Online betreibt der Verlag außerdem die reichweitenstärkste Nachrichten-Website im deutschsprachigen Internet.

Geschichte des Magazins

Bereits vor dem Ersten Weltkrieg wurde von Lion Feuchtwanger in München eine Zeitschrift unter dem Namen Der Spiegel herausgegeben, die im November 1908 mit Siegfried Jacobsohns Schaubühne fusionierte, die allerdings nicht in Verbindung mit dem heutigen „Spiegel“ steht.

Entwicklung

Gebäude der Spiegelgruppe in Hamburg

Das Magazin war anfangs umstritten. Bereits in der Gründungsphase kam es zu Konflikten mit der britischen Lizensierungsstelle.

Die erste Ausgabe des Nachkriegs-Spiegels erschien am 4. Januar 1947, einem Samstag, in Hannover als Nachfolger der Zeitschrift Diese Woche. Diese Woche folgte dem Muster US-amerikanischer und britischer „News Magazines“. Einige junge deutsche Redakteure, angeführt von Rudolf Augstein, versuchten die Forderungen nach kritischem und seriösem Journalismus zu erfüllen und ersparten auch den Alliierten keine Kritik. Die Regierung in London und die drei anderen Besatzungsmächte protestierten gegen diese Form der Aufklärung und entledigten sich des Magazins, indem sie Diese Woche an die Deutschen abgaben.

Rudolf Augstein erhielt die Verlegerlizenz und benannte das Magazin in Der Spiegel um. Ab der ersten Ausgabe im Januar 1947 war er Herausgeber und Chefredakteur. Die Zeitschrift erschien im hannoverschen Anzeigerhochhaus. Tätig als Herausgeber blieb er bis zu seinem Tode am 7. November 2002, doch firmiert er noch immer als offizieller Herausgeber.

Der Spiegel besaß schon in der Früh- und Konstituierungsphase einen relativ großen Einfluss. Nach der Spiegel-Affäre weitete sich der Einfluss aus; durch die massiv gestiegene Auflage nahm die wirtschaftliche Macht zu, wodurch auch die publizistische Macht und der politische Einfluss stieg. Die Spiegel-Affäre 1962 führte dazu, dass weite Kreise, im besonderen Angehörige der jungen Generation und der kritischen Intelligenz, sich für das Wochenmagazin und damit für die Presse- und Meinungsfreiheit engagierten (Peter Glaser).

Nach dem Erscheinen des Konkurrenzmagazins Focus kam es zu deutlich wahrnehmbaren Veränderungen. Focus wurde bewusst als Gegenpol und Alternative zum Spiegel konzipiert; nachweisbar ist dies insbesondere an der politischen Linie und dem vergleichsweise schonenden Umgang mit den Anzeigenkunden. Uli Baur, neben Helmut Markwort Chefredakteur von Focus, fasste die redaktionelle Linie von Focus unter Bezugnahme auf das bekannte Augstein-Wort (…im Zweifelsfalle links) deutlich zusammen: „Wenn Der Spiegel im Zweifel links ist, sind wir im Zweifel rechts“.

Seit Mitte der 90er Jahre, unter dem Chefredakteur Stefan Aust und möglicherweise auch unter dem Eindruck der Konkurrenz, wird von Beobachtern eine Hinwendung des Spiegels zu neoliberalen Standpunkten verzeichnet. Gleichzeitig wird dem Blatt teilweise vorgehalten, boulevardesker geworden zu sein und an analytischer Tiefe verloren zu haben, wobei die Artikel weiterhin in Länge und an Aktualität nicht wesentlich verändert worden sind. Im Bundestagswahlkampf 2005 fiel das Blatt überraschenderweise durch verstärkte Wahlhilfe für das bürgerliche Lager um Angela Merkel auf. Auf die Frage, mit welcher Partei sie sympathisieren, antworteten 2005 die befragten Spiegel-Leser zu 36 % CDU/CSU, zu 28 % SPD, zu 18 % die Grünen, zu 7 % FDP und zu 5 % PDS.[1]

Der journalistische Einfluss des Magazins hat sich verringert. Laut einer Umfrage unter 1536 deutschen Journalisten im Frühjahr 2005 betrachten 33,8 % der Befragten den Spiegel weiterhin als ihr Leitmedium, während für die Süddeutsche Zeitung 34,6 % votierten. 1993 hatten noch zwei Drittel der befragten Journalisten für den Spiegel als Leitmedium gestimmt.[2]

Chronologie

Im November 1946 erhält der Spiegel-Vorläufer Diese Woche unter Chefredakteur Rudolf Augstein eine britische Herausgeberlizenz und verkauft sich sehr gut mit einer Auflage von 1500 Exemplaren. Am 4. Januar 1947 erscheint die erste Ausgabe des Spiegels in Hannover. Erneut findet das Magazin einen reißenden Absatz mit einer Auflage von 15.000 Exemplaren. Der Verkauf wird allein durch die britischen Papierzuteilungen begrenzt. 1949 werden die Ansprüche des Spiegels im Spiegel-Statut festgelegt. „Alle im Spiegel verarbeiteten und verzeichneten Nachrichten, Informationen, Tatsachen müssen unbedingt zutreffen. Jede Nachricht und jede Tatsache ist … peinlichst genau nachzuprüfen“. Zur Verwirklichung dieses hohen Anspruchs dient das gut ausgestattete SPIEGEL-Archiv, das aufgrund seiner Größe und seines Niveaus über Deutschland hinaus bekannt ist.

1950 deckt der Spiegel die Bestechung bei Bundestagsabgeordneten auf. So soll für Bonn statt Frankfurt am Main als Bundeshauptstadt abgestimmt worden sein. Augstein wird als Zeuge vernommen, beruft sich jedoch auf die journalistische Schweigepflicht über die vertraulichen Quellen der Information. Das Ereignis wird als Spiegel-Ausschuss bekannt. 1952 ereignet sich die Schmeißer-Affäre. Hans Konrad Schmeißer, ehemaliger Agent im französischen Geheimdienst, hatte behauptet, Bundeskanzler Adenauer, Ministerialdirektor Blankenhorn und Generalkonsul Reifferscheid seien für den französischen Geheimdienst tätig gewesen und hätten einen französischen Agenten mit geheimen Nachrichten versorgt (Spiegel, Nr. 28/1952). 1958 beginnt im Spiegel die Debatte um die Notstandsgesetze, aus denen später (1960, 1963, 1965) verschiedene Gesetzentwürfe des Innenministers Gerhard Schröder (CDU) werden.

1961 liegt die Auflage des Spiegels bei 437.000 verkauften Exemplaren.

Die Spiegel-Affäre: Am 10. Oktober 1962 erscheint im Spiegel ein Artikel mit dem Titel Bedingt abwehrbereit, in dem der verantwortliche Redakteur Conrad Ahlers behauptet, die NATO und die Bundesrepublik könnten einem sowjetischen Angriff nicht standhalten. Am 26. Oktober 1962 werden das Spiegel-Verlagsgebäude in Hamburg und die Redaktion in Bonn durchsucht. Es werden Haftbefehle mit dem Vorwurf auf Verdacht des Landesverrats, landesverräterischer Fälschung und aktiver Bestechung ausgestellt. Nach 103 Tagen wurde Rudolf Augstein aus der Haft entlassen. 1963 sagt Franz-Josef Strauß folgendes: Sie sind die Gestapo im Deutschland unserer Tage […] Ich war gezwungen, gegen Sie zu handeln. Am 13. Mai 1965 erklärt der Bundesgerichtshof auf Grund von Beweismangel das Verfahren für beendet.

1966 übt Karl Jaspers in seinem Buch Wohin treibt die Bundesrepublik scharfe Kritik an den Notstandsgesetzen, die der Bevölkerung im Falle eines äußeren Notstandes keine Wahl ließen, sich Gewalt und Macht zu verweigern. Ein innerer Notstand könne überhaupt nicht eintreten, weil dies dem Gedanken eines demokratischen Staats zuwiderlaufe: Das Notstandsgesetz raubt dem Volk die ihm verbliebenen legitimen, dann aber nicht mehr legalen Mittel des Widerstands. Am 5. August 1966 scheitert eine Verfassungsbeschwerde des Spiegels vor dem Bundesverfassungsgericht. 1968 werden die Notstandsgesetze Teil des Grundgesetzes. 1969 beträgt die Spiegel-Auflage 953.000 verkaufte Exemplare.

Der Spiegel beschäftigt Anfang der 70er Jahre knapp 900 Beschäftigte, davon rund 400 in der Redaktion, 100 in der Dokumentation sowie knapp 400 in den kaufmännischen und technischen Abteilungen. 1970 wird das manager magazin gegründet, das von einer Tochtergesellschaft der Spiegel-Gruppe herausgegeben wird. 1971 und -72 wird ein Mitbestimmungsmodell und mehr Demokratie innerhalb der Redaktion beschlossen; außerdem eine Gewinnbeteiligung. Einnahmen aus Anzeigen sinken. 1971 beträgt die Anzahl der Leser ca. 6 Millionen – dies entspricht rund 12 Prozent aller in der BRD und Berlin-West lebenden Menschen über 14 Jahre. Der Anteil der Auslandsauflage an der Gesamtauflage beträgt 10–15 Prozent – der Spiegel ist eine Publikation mit intensiver Rezeption im Ausland. Die Auflage beträgt 923.000 verkaufte Exemplare.

1974 nennt Willy Brandt den Spiegel „ein Scheißblatt“. 1975 wurden Spiegel-Korrespondenten aus der DDR wegen böswilliger Verletzung ihrer Rechtsvorschriften ausgewiesen. 1978 wurden die Büros in der DDR nach einer kritischen Berichterstattung über Zwangsadoptionen geschlossen. Dies wurde als Einmischung in die inneren Angelegenheiten der DDR ausgelegt.

Der Spiegel brachte auch Vorabdrucke von und über den Dissidenten Rudolf Bahro, Die Alternative (EVA) und Elemente einer neuen Politik (Olle & Wolter), Antworten auf Bahro (Olle & Wolter) und machte damit seinen systemkritischen Ansatz einem größeren Publikum bekannt.

Der Spiegel fiel durch die Erstberichterstattung über diverse deutsche Staats- und Wirtschaftsaffären auf. 1982 gab es die Flick- und Neue-Heimat-Affäre und 1987 die Barschel-Affäre. Theo Sommer dazu in der ZEIT: „Die Republik schuldet dem Spiegel Dank für diese Aufdeckung“. Die Behandlung der Barschel-Affäre durch den Spiegel ist allerdings nicht unumstritten.[3] 1988 kommt die co op-Affäre hinzu und 1989 äußert sich Erich Honecker über den Spiegel: „Ja, Der Spiegel ist ein gutes Blatt, les' ich jeden Montag“.

1990 überschreitet der Spiegel mit 1.050.000 verkauften Exemplaren erstmals die Millionengrenze. 1992 sagt Antje Vollmer: „Am Ende der Ära Augstein hat Der Spiegel an Bedeutung verloren und an Macht gewonnen“.

Am 18. Januar 1993 erscheint die erste Ausgabe des Focus. „Konkurrenz-, nicht Gegenmedium zum Spiegel“ so Helmut Markwort. Der Spiegel leidet unter einem Auflagenminus von über 10 % und einem Rückgang der verkauften Anzeigenseiten um über 12 %. 1995 war die Anzahl der Leser bei über 7 Mio. Es entstehen Spiegel TV, Spiegel Special welche ein Fünftel des Spiegel-Umsatzes von 1996 (542 Mio. DM) generierten. Der Spiegel war im ersten Halbjahr 1996 die deutsche Zeitschrift mit den höchsten Einnahmen aus Vertrieb und Anzeigen. Erzielt wurden Bruttoeinnahmen von 330,74 Mio. DM, das ist knapp eine Mio. mehr, als der Stern (Platz 2) erzielen konnte und liegt noch vor Bild am Sonntag (Platz 3) und Focus. Im Januar 1997 feierte der Spiegel 50. Geburtstag. Bis dahin sind 2.649 Ausgaben erschienen. Es erfolgte auch eine Aktualisierung des Layouts, welches jetzt durchgehend farbig ist.

Seit dem 24. Oktober 2002 gibt es den Spiegel auch als digitale Ausgabe (PDF).

Seit 2002 kann man die Nebenprodukte des SPIEGEL-Verlags auch über den eigenen SPIEGEL-SHOP bestellen. Hier finden Sie neben den hauseigenen Produkten auch ein breites Sortiment an Büchern, Musik, DVDs, Hörbüchern und vielen anderen Artikel, die über den Logistikpartner libri bezogen werden.

Am 7. November 2002 starb Herausgeber Rudolf Augstein.

Derzeitiger Chefredakteur ist Stefan Aust. Austs Vertrag wurde 2004 um weitere fünf Jahre verlängert, doch konnte die Erbengemeinschaft des Gründungsverlegers Augstein als Minderheitsgesellschafterin am Verlag erreichen, dass über Austs Vertrag das Damoklesschwert der Kündigungsmöglichkeit nach drei Jahren (also 2008) schwebt.

Am 6. August 2004 verkündete der Verlag gemeinsam mit der Axel Springer AG, zur deutschen Rechtschreibung vor der Reform von 1996 zurückkehren zu wollen. Dieses Vorhaben wurde aber nicht umgesetzt; am 2. Januar 2006 wurde die aktualisierte Rechtschreibreform entsprechend den Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung übernommen.

Am 25. Juni 2007 erschien der Spiegel in der Schweiz testweise und vorerst einmalig mit einer eingehefteten Split-Beilage.

Chefredakteure

Der Spiegel-Verlag

Der heutige Spiegel-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG hat seit 1952 seinen Sitz in Hamburg in der Brandstwiete und produziert neben dem Hauptblatt dort auch das Manager-Magazin. Augstein verfügte in seinem Testament Ende 2002, dass seine Erben keine Sperrminorität von 25 % haben dürfen und kürzte daher ihren Einfluss um ein entscheidendes Prozent. 50,5 % der Anteile an der Verlags-Holding „Rudolf Augstein GmbH“ sind nun im Besitz der Kommanditgesellschaft der Mitarbeiter. Über die restlichen 25,5 % der Holding verfügt der Hamburger Medienkonzern Gruner und Jahr, eine Tochter der Bertelsmann AG. Die Besitzverhältnisse der Spiegel-Gruppe werden in einem Organigramm [4] vom Januar 2005 dargestellt. Geschäftsführer des Spiegel-Verlags war seit 1991 Karl Dietrich Seikel. Im Januar 2007 wurde er von Mario Frank, dem bisherigen Geschäftsführer des Dresdner Druck- und Verlagshauses, abgelöst.

Der Spiegel in der Kritik

Vorwurf der Demokratiegefährdung

1956/57, rund zehn Jahre nach der Gründung des Spiegels, verfasste Hans Magnus Enzensberger eine kritische Analyse über Die Sprache des Spiegel, in der er eine Reihe von Thesen aufstellte[5]: Das deutsche Nachrichtenmagazin sei kein Nachrichtenmagazin, der Spiegel übe nicht Kritik, sondern deren Surrogat, der Leser des Spiegels werde nicht orientiert, sondern desorientiert. Diese kritische Einstellung revidierte Enzensberger auch nach der Spiegel-Affäre nicht; er sah das Magazin weiterhin als latente Gefahr für die deutsche Demokratie. Dennoch hatte er in den 50er Jahren betont, der Spiegel sei unentbehrlich, solange es in der Bundesrepublik kein kritisches Organ gebe, das ihn ersetzen könne.

Berichterstattung zu AIDS

Die Berichterstattung des Magazins über die Krankheit AIDS wurde teilweise als „unangemessen“[6] kritisiert. Allerdings war der Spiegel mit seiner Art der Berichterstattung in der damaligen Zeit nicht alleine und muss im medialen Gesamtzusammenhang gesehen werden. Viele Medien – insbesondere Stern, Bunte, Quick und BILD, aber auch die bürgerliche Tagespresse – berichteten in ähnlicher Weise [7], doch die Kritik wurde in Untersuchungen bevorzugt am Leitmedium Spiegel festgemacht.

Die Kritik richtete sich gegen die Art und Weise der Berichterstattung, wie beispielsweise AIDS-Patienten als „tickende Zeitbomben“[8] zu bezeichnen oder indem AIDS als Pest oder „tödliche Seuche“[9] bezeichnet wurde. Der Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch bezeichnete diese Form der Berichterstattung als „erschütternd“ und „Versagen jener Presse, die zwischendurch auch einmal liberal war“[10]. Auch „Panik mit Zahlen“[11] wurde der Berichterstattung des Spiegels entgegengehalten. Durch beispielsweise die Einordnung von vorhandenen Fallzahlen als „Spitze eines Eisberges“[12] seien Behauptungen aufgestellt, die zu einer „Darstellung einer Krankheit als Apokalypse der Menschheit“ [13] führten. Der Spiegel stigmatisiere zudem mit redaktionellen Aussagen Kranke, Betroffene und Infizierte, indem er etwa schreibt „wenn erst Kinder an AIDS sterben werden, Frischoperierte, Unfallopfer, Krankenhauspatienten, ohne jedes Stigma also“ [14] oder fragt, ob „nun die Homosexuellen daran glauben müssen.. vielleicht wie es Bakteriologe Fehrenbach formuliert, weil „der Herr für die Homosexuellen immer eine Peitsche bereit hat“?“ [15] oder Leserbriefe veröffentlicht mit Inhalten wie „Was schadet es schon, wenn Teile einer verruchten Brut en masse vergehen?“ oder „Achtung ihr Schwulen, Fixer und Nutten: Solltet Ihr wirklich so weiter machen, wird man auf euch in wenigen Wochen die Jagd freigeben.“[16]. Siegfried Dunde sprach in diesem Zusammenhang von einem „Mechanismus der Verachtung und dem Hass auf Kranke, der so lange bestehe, so lange zwischen „schuldigen“ … und „unschuldigen“ AIDS-Opfern unterschieden wird"[17].

Allerdings erhielt der Spiegel 1987 für eine Reportage auch den ersten Medienpreis der deutschen AIDS-Stiftung, der für Arbeiten ausgelobt wird, „die sachkundig über HIV/Aids berichten und damit zur Solidarität mit Betroffenen beitragen“.

Sprachlicher Stil

Der Journalist und Schriftsteller Erich Kuby veröffentlichte 1987 anlässlich des 40-jährigen Bestehens eine kritische Analyse des Nachrichtenmagazins unter dem Titel „Der Spiegel im Spiegel“. Wolf Schneider nennt das Magazin „den obersten Verhunzer der deutschen Sprache“.[18] Als Negativbeispiele für schlechtes Deutsch spielen in seinen Stilfibeln Zitate aus dem Spiegel eine große Rolle.

Umgang mit NS-Vergangenheit im eigenen Magazin

Nachdem der Medienforscher Lutz Hachmeister die Tätigkeit ehemaliger SS-Offiziere als Spiegel-Redakteure und Serienautoren für den frühen Spiegel belegen konnte [19], geriet das Magazin 2006 verstärkt in die Kritik, weil es seine eigene NS-belastete Vergangenheit nicht ausreichend reflektiere. So bemängelte die Süddeutsche Zeitung in einem ganzseitigen Beitrag vom 14. Juni 2006 [20] ebenso wie das medienpolitische Magazin M der Gewerkschaft ver.di in seiner September-Ausgabe [21] , dass die Rolle des ehemaligen Pressechefs im NS-Außenministerium und SS-Obersturmbannführers Paul Karl Schmidt als Serienautor des Magazins marginalisiert würde und der Tatbestand, dass die SS-Hauptsturmführer Georg Wolff und Horst Mahnke in den 1950er Jahren zu leitenden Redakteuren avancierten, von dem sonst NS-kritischen Magazin ausgeblendet sei. Schon im Jahre 2000 hatte die Neue Zürcher Zeitung Rudolf Augstein vorgeworfen, ehemaligen Nationalsozialisten bewusst die Möglichkeit gegeben zu haben, wieder gesellschaftsfähig zu werden. Zudem soll Augstein im Falle des Reichstagsbrandes mit dazu beigetragen haben, die kontroverse Alleintäterthese als allein gültig darzustellen [22].

Einzelnachweise

  1. „Statistik: Wer liest/hört/sieht was warum?“ Die Zeit, 2006, Nr. 5, S. 64
  2. Studie „Journalismus in Deutschland“, Erhebung vom 1. Februar bis 25. April 2005 durch die Institute für Journalistik und Kommunikationswissenschaft der Universitäten Hamburg und Münster
  3. vgl. die FAZ vom 7. September 2007 ("Skandalöse Rolle des Spiegel"), [1]
  4. Organigramm
  5. Hans Magnus Enzensberger: Die Sprache des Spiegel, 1957, in Auszügen erneut veröffentlicht in Der Spiegel 1997, PDF
  6. Herbert Bock: Eine sprachpsychologische Untersuchung zur Berichterstattung über die Krankheit AIDS in Print-Medien. Roderer, Regensburg, 1992, S. 92, ISBN 3-89073-603-3. Siehe auch Prof. Dr. Herbert Bock: Zur sprachlichen Darstellung von AIDS in Print-Medien .
  7. Dr. sc. pol. Hans-Jürgen Schmidt: Mediale Deutungsmuster von AIDS – Über die Konsequenzen medialer Darstellung für Prävention und praktische AIDS-Arbeit. Mühlheim an der Ruhr, 2005, [2], PDF
  8. Der Spiegel: 1993, Heft 22, Seite 203
  9. Der Spiegel: 1983, Heft 23
  10. Volkmar Sigusch:Aids als Risiko: Über den gesellschaftlichen Umgang mit einer Krankheit. Konkret-Literatur-Verlag, Hamburg, 1987, S. 8, ISBN 3-922144-67-5. Siehe auch: Dr. sc. pol. Hans-Jürgen Schmidt: Mediale Deutungsmuster von AIDS – Über die Konsequenzen medialer Darstellung für Prävention und praktische AIDS-Arbeit. Mühlheim an der Ruhr, 2005, S. 66, PDF
  11. Ulrich Clement: Höhenrausch. in: Aids als Risiko: Über den gesellschaftlichen Umgang mit einer Krankheit. Konkret-Literatur-Verlag, Hamburg, 1987, S. 212, ISBN 3-922144-67-5. Siehe auch: Dr. sc. pol. Hans-Jürgen Schmidt: Mediale Deutungsmuster von AIDS – Über die Konsequenzen medialer Darstellung für Prävention und praktische AIDS-Arbeit. Mühlheim an der Ruhr, 2005, S. 76, PDF
  12. Der Spiegel: 1983 und Susanne Köneke: AIDS in der Presse: Der schreibende Umgang mit dem Ungewissen. Freiburg (Breisgau), Univ., 1990, S. 24, Dissertation
  13. Frank Rühmann: AIDS : Eine Krankheit und ihre Folgen. Edition Qumran im Campus-Verlag, Frankfurt am Main; New York, 1985, S. 75, ISBN 3-88655-208-X.
  14. Der Spiegel: 1984 und Susanne Köneke: AIDS in der Presse: Der schreibende Umgang mit dem Ungewissen. Freiburg (Breisgau), Univ., 1990, S. 24, Dissertation
  15. Der Spiegel 1983, Nummer 23, Seite 147. Siehe auch: Martina Sahliger: AIDS und Stereotypen in der Gesellschaft Universität Konstanz, Konstanz, 2000, Seite 24, Magisterarbeit PDF
  16. Prof. Gunter Schmidt: Moral und Volksgesundheit. in: Aids als Risiko: Über den gesellschaftlichen Umgang mit einer Krankheit. Konkret-Literatur-Verlag, Hamburg, 1987, S. 26, ISBN 3-922144-67-5.
  17. Siegfried Rudolf Dunde: Aids – was eine Krankheit verändert: Sexualität und Moral, der Einzelne und die Gesellschaft. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main, 1986, S 113–114, ISBN 3-596-24224-X. Siehe auch: Dr. sc. pol. Hans-Jürgen Schmidt: Mediale Deutungsmuster von AIDS – Über die Konsequenzen medialer Darstellung für Prävention und praktische AIDS-Arbeit. Mühlheim an der Ruhr, 2005, S. 85, PDF
  18. Wolf Schneider: Deutsch für Profis, 2. Aufl. Gruner & Jahr: Hamburg 1985, Ders.: Deutsch für Kenner. Die neue Stilkunde, 2. Aufl. Gruner & Jahr: Hamburg 1997.
  19. Lutz Hachmeister: Ein deutsches Nachrichtenmagazin, Der frühe Spiegel und sein NS-Personal in Die Herren Journalisten. Die Elite der deutschen Presse nach 1945 von L. Hachmeister/ F.Siering (Hrsg.), C.H Beck, München 2002
  20. Willi Winkler:Ich hatt’ einen Kameraden. Ein Prozess, den der Spiegel mit dem Bayerischen Rundfunk führt, wirft unvermittelt Licht auf die Vergangenheit des Nachrichtenmagazins, Süddeutsche Zeitung, 14./ 15. Juni 2006, S. 15.
  21. Verharmlosung im Rückblick. Kritiker vermissen bis heute offenen Umgang des Spiegel mit seiner braunen Vergangenheit, M -MENSCHEN – MACHEN – MEDIEN 9/2006, S. 16.
  22. Netzeitung: NZZ attackiert Rudolf Augstein, 8.Dezember 2000

Literatur

  • Der Spiegel. Spiegelverlag Rudolf Augstein, Hamburg 1946,1ff. ISSN 0038-7452
  • Helmut Arntzen: Der Spiegel. Analyse, Interpretation, Kritik. Hrsg. von H.A. und Winfried Nolting. Fink, München 1977. ISBN 3770515366
  • Rudolf Augstein: Schreiben, was ist. Kommentare, Gespräche, Vorträge. Hrsg. v. Jochen Bölsche. DVA, Stuttgart/München 2003. ISBN 3-421-05747-8
  • Michael Schneider, Eckhard Siepmann: DER SPIEGEL oder die Nachricht als Ware. Voltaire Verlag, Frankfurt am Main und Berlin, 1968 (Reihe: Voltaire Flugschrift 18)
  • Lutz Hachmeister: Ein deutsches Nachrichtenmagazin. Der frühe „Spiegel“ und sein NS-Personal. In: Lutz Hachmeister, Friedemann Siering (Hrsg.): Die Herren Journalisten. Die Elite der deutschen Presse nach 1945. C.H. Beck, München 2002. ISBN 3-406-47597-3
  • Leo Brawand: Die Spiegel-Story. Wie alles anfing. ECON-Taschenbuch-Verlag, Düsseldorf 1995. ISBN 3-612-26212-2
  • Oliver Gehrs: Der Spiegel-Komplex. Wie Stefan Aust das Blatt für sich wendete. Droemer/Knaur, München 2005. ISBN 3-426-27343-8
  • Digne Meller Marcovicz: 2000 Spiegel-Photos der Jahre 1965 bis 1985. Greno, Nördlingen 1986. ISBN 3-89190-008-2
  • Julia Bönisch: Meinungsführer oder Populärmedium? Das journalistische Profil von Spiegel Online. Recherche-Journalismus und kritische Medienpolitik. Bd 3. Herausgeber Netzwerk Recherche, Münster 2006. ISBN 3-8258-9379-0
  • Ralf Stockmann: Spiegel und Focus. Eine vergleichende Inhaltsanalyse 1993-1996. Schmerse, Göttingen 1999. ISBN 3-926920-26-2
  • Leo Brawand: DER SPIEGEL – ein Besatzungskind. Wie die Pressefreiheit nach Deutschland kam, EVA, Hamburg 2007, ISBN 978-3-434-50604-1

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