„Mindestlohn“ – Versionsunterschied

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Ein Mindestlohn <math>W_{min}</math> ist ''unwirksam'', wenn er unterhalb des Gleichgewichtslohns <math>W_{GG}</math> liegt. Auch wenn sich der Mindestlohn auf einem so niedrigen Niveau bewegt, dass fast alle Arbeitnehmer ohnehin ein Arbeitseinkommen oberhalb des Mindestlohns realisieren, wird der Markt nur wenig beeinflußt, allerdings ist auch der sozialpolitische Effekt nur gering.
Ein Mindestlohn <math>W_{min}</math> ist ''unwirksam'', wenn er unterhalb des Gleichgewichtslohns <math>W_{GG}</math> liegt. Auch wenn sich der Mindestlohn auf einem so niedrigen Niveau bewegt, dass fast alle Arbeitnehmer ohnehin ein Arbeitseinkommen oberhalb des Mindestlohns realisieren, wird der Markt nur wenig beeinflußt, allerdings ist auch der sozialpolitische Effekt nur gering.


===Produktivitätsdruck===
Die Gegner von gesetzlichen Mindestlöhnen vermuten bei hohen Mindestlöhnen außerdem eine Zunahme der [[Schwarzarbeit]]. Stetig steigende Mindestlöhne führten darüber hinaus zu einem hohen Produktivitätsdruck bei den [[Arbeit]]splätzen, mit der Folge, dass systematisch niedrigqualifizierte und leistungsschwache Arbeitnehmer in die Arbeitslosigkeit gedrängt würden. Durch das weitere „Erodieren“ des Humankapitales der Arbeitslosen, basierend auf der Annahme, dass die arbeitsmarktrelevanten Fähigkeiten der sich selbst überlassenen Arbeitslosen verkümmern, wird die Verfestigung der [[Sockelarbeitslosigkeit]] und die Begünstigung des Entstehens einer perspektivlosen, langzeitarbeitslosen „Unterschicht“ befürchtet.
Stetig steigende Mindestlöhne führten darüber hinaus zu einem hohen Produktivitätsdruck bei den [[Arbeit]]splätzen, mit der Folge, dass systematisch niedrigqualifizierte und leistungsschwache Arbeitnehmer in die Arbeitslosigkeit gedrängt würden. Durch das weitere „Erodieren“ des Humankapitales der Arbeitslosen, basierend auf der Annahme, dass die arbeitsmarktrelevanten Fähigkeiten der sich selbst überlassenen Arbeitslosen verkümmern, wird die Verfestigung der [[Sockelarbeitslosigkeit]] und die Begünstigung des Entstehens einer perspektivlosen, langzeitarbeitslosen „Unterschicht“ befürchtet.

=== Vertragsfreiheit ===
Ein Mindestlohn stellt einen Eingriff in die [[Vertragsfreiheit]] dar, da er ggf. Arbeitsverhältnisse untersagt, die sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer freiwillig eingegangen worden wären und von dem sich beide Seiten Vorteile versprochen hätten. Da in der Praxis eine illegale Beschäftigung zum vereinbarten Lohn möglich ist, wird eine Zunahme von [[Schwarzarbeit]], unbezahlten Überstunden und (Schein)selbstständigkeit befürchtet <ref>http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/Mindestlohn;art271,2327372?_FRAME=33&_FORMAT=PRINT</ref>.


=== Lenkungsfunktion ===
=== Lenkungsfunktion ===
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Sowohl die [[ILO]] als auch die [[OECD]]<ref name="OECD 2006">OECD (2006): ''OECD Employment Outlook 2006'' [http://www.oecdbookshop.org/oecd/get-it.asp?REF=8106071E.PDF&TYPE=browse (Lese-PDF)]</ref> gehen mittlerweile davon aus, dass es keinen signifikanten direkten Einfluss von Mindestlöhnen auf Arbeitslosigkeit gebe.
Sowohl die [[ILO]] als auch die [[OECD]]<ref name="OECD 2006">OECD (2006): ''OECD Employment Outlook 2006'' [http://www.oecdbookshop.org/oecd/get-it.asp?REF=8106071E.PDF&TYPE=browse (Lese-PDF)]</ref> gehen mittlerweile davon aus, dass es keinen signifikanten direkten Einfluss von Mindestlöhnen auf Arbeitslosigkeit gebe.

== Juristische Aspekte ==
=== Vertragsfreiheit ===
Die [[Vertragsfreiheit]] wird zwar meist nicht ausdrücklich in Verfassungstexten erwähnt, ist aber Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 3 der Universellen Erklärung der Menschenrechte, Art. 2 GG; hierzu BVerfGE 8, 274 [329]<ref name"BVerfGE008274">Zum Volltext der Entscheidung [http://www.servat.unibe.ch/law/dfr/bv008274.html BVerfGE 8, 274]</ref>).

Wenn der Mindestlohn über dem Marktlohn liegt verbietet er Arbeitsverhältnisse mit einem Lohn zwischen Markt- und Mindestlohn, die sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer freiwillig eingegangen worden wären und von dem sich beide Seiten Vorteile versprochen hätten. Dies stellt einen Eingriff in die [[Vertragsfreiheit]] dar. Aus rechtlicher Perspektive stellen jedoch der Schutz der Menschenwürde und das Sozialstaatsprinzip Rechtfertigungen für einen derartigen Eingriff dar (s.o.).

Darüber hinaus können Eingriffe in die Vertragsfreiheit gerechtfertigt sein, die zur Abwehr von Gefährdungen und ernsthaften Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und mithin zum Nutzen des Gemeinwohls geboten erscheinen (BVerfGE 8, 274 [328f.]). Ein Mindestlohn kann also gerechtfertigt sein, wenn Voraussetzungen zur Einstellung eines Marktgleichgewichts nicht gegeben sind, z.B. durch extrem ungleiche Machtverhältnisse auf dem Markt.

Während Arbeitsverhältnisse mit Löhnen unterhalb des jeweiligen Mindestlohns nach dessen Einführung nicht mehr legal möglich sind, ist in der Praxis eine illegale Beschäftigung zum vereinbarten Lohn möglich. Der Mindestlohn fördert damit potenziell die [[Schwarzarbeit]], unbezahlte Überstunden und (Schein)selbstständigkeit. Praktisch ist dieser Effekt durch die enorme Unsicherheit, die bereits bei der Bezifferung des allgemeinen Umfangs der Schwarzarbeit besteht, kaum belegbar oder kontrollierbar.


== Geschichte ==
== Geschichte ==

Version vom 30. November 2007, 22:54 Uhr

Ein Mindestlohn ist ein in der Höhe durch eine gesetzliche Regelung oder durch einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag festgeschriebenes oder aufgrund der Unzulässigkeit von Lohnwucher gegebenes kleinstes rechtlich zulässiges Arbeitsentgelt.

Ein Mindestlohn solle die Einkommenssituation von Beschäftigten im Niedriglohnsektor verbessern oder erreichen, dass deren Existenzminimum allein durch ihr Arbeitseinkommen ohne zusätzliche Sozialleistungen gesichert werden kann. Besonders gesetzliche Mindestlöhne werden unter sozial- und arbeitsmarktpolitischen Aspekten in Wissenschaft und Politik kontrovers diskutiert.


Wirtschaftstheoretische Überlegungen

Die ökonomischen Auswirkungen von Mindestlöhnen werden kontrovers diskutiert. Vertreter von klassisch oder neoklassisch orientierten Strömungen wie Monetarismus oder Angebotstheorie, Neue Institutionenökonomik oder Ordoliberalismus stehen einem Mindestlohn skeptisch oder ablehnend gegenüber (in Deutschland z.B. die Mehrheit der Ökonomik-Professoren und die Mehrheit des Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung). Befürwortet werden Mindestlöhne vor allem von Vertretern des Keynesianismus (in Deutschland z.B die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik).

Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt

Nach Ansicht vieler Wirtschaftsexperten führen Mindestlöhne zum Abbau bzw. zur Nichtschaffung von Arbeitsplätzen [1] [2] insbesondere dort, wo der Ertrag aus der Arbeit geringer ist als die Kosten des Arbeitsplatzes.

Datei:Hoher Mindestlohn.PNG
Hoher Mindestlohn aus Sicht des einzelnen Unternehmens. Die Lohnhöhe bestimmt somit die Anzahl der Arbeitsplätze und nicht etwa umgekehrt.
Datei:Niedriger Mindestlohn.PNG
Ein niedriger Mindestlohn stört den Gleichgewichtslohn nicht.

Nach der neoklassischen Lehrmeinung stellt sich auf einem freien Markt aufgrund der Gesetze von Angebot und Nachfrage stets ein dynamisches Gleichgewicht ein, so auch auf dem Arbeitsmarkt. Im Gleichgewicht entspricht die Menge der angebotenen Arbeitskraft der nachgefragten Arbeitskraft sowie der angebotene Lohn dem nachgefragten Lohn. Dieser wird dann als Gleichgewichtslohn bezeichnet.

Liegt der Mindestlohn über dem Gleichgewichtslohn – darf also unterhalb des Mindestlohns keine Arbeit mehr angeboten bzw. nachgefragt werden – hat das folgende Effekte:

  • Die Unternehmen (Kurve D, demand, Nachfrage) sind zu dem höheren Preis lediglich bereit, eine geringere Menge Arbeit () als im Gleichgewicht () nachzufragen.
  • Die potentiellen Arbeitnehmer (Kurve S, supply, Angebot), wären zu dem höheren Preis bereit, mehr Arbeit () anzubieten als im Gleichgewicht.

Die Menge an unfreiwilliger Arbeitslosigkeit besteht aus der Differenz zwischen und .

Die negativen Auswirkungen (Wohlfahrtsverluste) des Mindestlohns werden deutlich, wenn man beachtet, dass es

  • Unternehmen gibt, die zusätzliche Arbeitsplätze zu einem Lohn zwischen dem Gleichgewichtslohn und dem Mindestlohn anbieten würden, und es
  • Menschen gibt, die zu diesem niedrigeren Lohn bereit wären zu arbeiten.

Ein wirksamer Mindestlohn bringt nach der neoklassischen Lehrmeinung Vorteile für Beschäftigte, die ihren Arbeitsplatz behalten können, und schädigt jene, die dadurch arbeitslos werden oder bleiben. Ein Mindestlohn hält zudem Arbeitnehmer vom Arbeitsmarkt fern, bei denen der unternehmerische Ertrag aus ihrer Arbeit unter den Kosten ihres Arbeitsplatzes liegt.

Mögliche Reaktionen der Unternehmen auf die Einführung eines wirksamen Mindestlohns mit Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sind vor allem:

Ein Mindestlohn ist unwirksam, wenn er unterhalb des Gleichgewichtslohns liegt. Auch wenn sich der Mindestlohn auf einem so niedrigen Niveau bewegt, dass fast alle Arbeitnehmer ohnehin ein Arbeitseinkommen oberhalb des Mindestlohns realisieren, wird der Markt nur wenig beeinflußt, allerdings ist auch der sozialpolitische Effekt nur gering.

Produktivitätsdruck

Stetig steigende Mindestlöhne führten darüber hinaus zu einem hohen Produktivitätsdruck bei den Arbeitsplätzen, mit der Folge, dass systematisch niedrigqualifizierte und leistungsschwache Arbeitnehmer in die Arbeitslosigkeit gedrängt würden. Durch das weitere „Erodieren“ des Humankapitales der Arbeitslosen, basierend auf der Annahme, dass die arbeitsmarktrelevanten Fähigkeiten der sich selbst überlassenen Arbeitslosen verkümmern, wird die Verfestigung der Sockelarbeitslosigkeit und die Begünstigung des Entstehens einer perspektivlosen, langzeitarbeitslosen „Unterschicht“ befürchtet.

Vertragsfreiheit

Ein Mindestlohn stellt einen Eingriff in die Vertragsfreiheit dar, da er ggf. Arbeitsverhältnisse untersagt, die sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer freiwillig eingegangen worden wären und von dem sich beide Seiten Vorteile versprochen hätten. Da in der Praxis eine illegale Beschäftigung zum vereinbarten Lohn möglich ist, wird eine Zunahme von Schwarzarbeit, unbezahlten Überstunden und (Schein)selbstständigkeit befürchtet [3].

Lenkungsfunktion

Niedrige und sinkende Löhne haben nach der neoklassischen Lehrmeinung eine gesamtwirtschaftlich sinnvolle Funktion: Sie signalisieren ein Überangebot an Arbeitskräften in dem betroffenen Bereich und veranlassen die arbeitswilligen Menschen, sich anderen Branchen, bzw. Berufen sowie Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen zuzuwenden. Diese Lenkungsfunktion des Lohnes wird durch eine Mindestlohnregelung behindert.

Marktversagen

Kritik am neoklassischen Arbeitsmarktmodell konzentriert sich auf ein mögliches Marktversagen, also einer Situation, in der der reale Markt nicht mehr fähig ist, die Löhne selbst zu regulieren. Wenn die Arbeitgeber über monopsonistische Macht verfügten, das heißt finanzielle Notlagen oder Angst vor Arbeitslosigkeit bei Arbeitnehmern ausnutzten, könne sich durch dieses Machtungleichgewicht ein Lohnniveau ergeben, das unterhalb des theoretischen freien Marktlohnes liegt. Ein Mindestlohn würde in diesem Fall eine Art Monopol- und Kartellverhinderung darstellen.

Nachfrageeffekte

Im Zusammenhang mit den Theorien von John Maynard Keynes wird eine nachfragestützende Wirkung des Mindestlohns postuliert.

Einzelne Unternehmen handelten zwar mikroökonomisch und marktwirtschaftlich (the invisible hand) gesehen vernünftig, wenn sie ihre Lohnkosten und damit die Löhne gering halten wollen. Nach keynesianischer Ansicht handelten sie damit aber auf der makroökonomischen Ebene schädlich, weil die realisierbare Nachfrage mit den Löhnen gleichfalls sinkt.

Ein Mindestlohn erhöhe das Einkommen der Niedriglohn-Angestellten und sorge so dafür, dass sie durch einen erhöhten Lebensstandard mehr Produkte nachfragen können. Durch diese Steigerung der Nachfrage werde die Wirtschaft angekurbelt, die Auslastung von Produktionsstätten gesteigert und Arbeitslosigkeit verringert.

Bezieher/innen von Niedrigeinkommen weisen häufig gezwungenermaßen eine sehr geringe Sparquote auf oder sind sogar bereits verschuldet. Entsprechend der keynesianischen Annahmen geben Bezieher niedrigerer Einkommen einen höheren Anteil ihres Einkommens für Konsum aus, und auch Einkommenszuwächse dieser Gruppe würden zunächst zu hohen Anteilen direkt in den Konsum fließen.

Voraussetzung für einen realen positiven Effekt ist aber, dass der Nachfrageeffekt gegenüber dem Effekt von Preissteigerungen infolge höhrerer Löhne überwiegt, dass also der monetäre Effekt so schwach ist, dass von der nominalen Lohnerhöhung auch ein realer Kaufkraftzuwachs "übrig bleibt". Die Einführung des Mindestlohnes in Großbritannien als Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit hat kaum zu zusätzlicher Inflation geführt (Inflationsraten 1999/2000 von 1,3 bzw. 0,8%[4]), allerdings haben dort auch nur relativ wenige Arbeitnehmer/innen Einkommensverbesserungen erfahren (ca. 1,4% der Beschäftigten).

Auch die Studie des IAT beruft sich auf diesen Effekt.

Kritik:

Gegen die keynesianische Vermutung eines Nachfrageeffekts richtet sich die Kritik von Monetaristen um Milton Friedman, wonach der exogene Impuls des Keynsianismus, der für den Nachfrageeffekt benötigt wird, nicht durch eine Lohnerhöhung erzeugt werden könne.

Hinzu kommt aus Sicht der Kritiker der gegen den Keynesianismus allgemein vorgebrachte Einwand, dass reale Effekte nachfragesteuernder Maßnahmen (im Gegensatz zur Preissteigerung) erst mit großer zeitlicher Verzögerung wirksam würden. In Bezug auf die Einführung von Mindestlöhnen lässt sich dieser Einwand wie folgt zusammenfassen:

Ein Unternehmen würde im Zeitpunkt der Einführung eines Mindestlohnes () nicht mehr Güter produzieren und verkaufen und somit auch nicht über mehr Geld verfügen; es müsse daher entweder Leute entlassen, bei anderen die Gehälter kürzen oder die Gewinne schrumpfen. Also würden zuerst negative Nachfrageeffekte eintreten. Wenn nun die Erhöhung der Niedriglöhne zu einem späteren Zeitpunkt () tatsächlich reale Nachfrageeffekte hervorrufen würde, würde sich die kumulierte Nachfrage nicht verändern, sondern es gebe nur Verlagerungen bei der Nachfrageentscheidung; in der Regel nehme aufgrund der niedrigeren Sparquote der neuen Nachfragerstruktur die Nachfrage nach Investitionsgütern ab. Dies führe mittel- und langfristig zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit.

Kritiker keynesianischer Positionen erwähnen außerdem, dass die vom Mindestlohn betroffenen Unternehmen der arbeitsintensiven Branchen durch eine Nachfrageerhöhung, die sie durch Lohnerhöhung selbst finanzieren, keinen Vorteil erlangen würden. Gesamtwirtschaftlich betrachtet würden diejenigen Unternehmen Vorteile aus dem Kaufkraftgewinn der Lohnempfänger genießen, die von der ursächlichen Lohnerhöhung nicht belastet wären. Dies seien zum einen die Unternehmen der kapitalintensiven Wirtschaftszweige, die relativ wenig Menschen beschäftigen. Zum anderen seien dies ausländische Unternehmen, die oftmals bereits kostengünstiger produzierten. Eine Begünstigung dieser Wirtschaftszweige widerspräche der sozialpolitischen Intention einer Mindestlohnregelung.

Nach Ansicht der Kritiker einer nachfrageorientierten (geschlossenen) Wirtschaftspolitik könnten die Unternehmen die höheren Lohnkosten im übrigen durch Preiserhöhungen ausgleichen (Inflation), was einerseits den sozialpolitisch beabsichtigten Kaufkraftgewinn der Mindestlohnempfänger hinsichtlich der betroffenen Produkte neutralisieren würde und andererseits die Wettbewerbsfähigkeit der inländischen Produkte auf dem Weltmarkt behindere.

Auch ist das keynesianische Modell zunächst auf einen geschlossenen Markt bezogen. Im Rahmen der Globalisierung führt eine Kaufkraftsteigerung zur Erhöhung des Importes der günstigeren ausländischen Produkte und damit zu mehr Beschäftigung im Ausland zulasten der Inlandsbeschäftigung. Höhere deutsche Kaufkraft führt z. B. mit dem Kauf neuer Handys (aus Finnland, China) unmittelbar zu mehr Beschäftigung in Asien und Finnland, mittelfristig kann unter Umständen der deutsche Export dadurch stimuliert werden und dies kann dazu führen, dass Unternehmen der deutschen Exportwirtschaft, die größtenteils hoch kapitalintensiv ist und nur wenige Niedrigqualifizierte beschäftigt, volle Auftragsbücher und hohe Gewinne beschert werden. Durch diesen Sachverhalt wird die Produktion arbeitsintensiver durch Niedrigqualifizierte hergestellter handelbarer Produkte ins Ausland verlagert und durch im Inland produzierte handelbare kapitalintensive von Hochqualifizierten produzierte Produkte bezahlt. (ggf. über eine längere Handelskette - beispielsweise Finnland kauft in Frankreich, Frankreich kauft in Deutschland).

Auswirkungen von sozialen Transferleistungen

In Staaten ohne Mindestlöhne können soziale Transferleistungen Mindestlohn-ähnliche Wirkungen entfalten. Dies geschieht, wenn zur Existenzsicherung Transfers bei Arbeitslosigkeit gezahlt werden, die mit Annahme von Arbeit entfallen.

In vielen Ländern werden nicht existenzsichernde Löhne aufgestockt. Dabei werden die bei Nichterwerbstätigkeit bezogenen Unterstützungszahlungen jeweils um einen bestimmten Anteil des Einkommens, die Transferentzugsrate, gekürzt. Herrschende Meinung unter Ökonomen ist, dass auch bei diesen Kombilohnsystemen ein bestimmter Lohnabstand vom arbeitsfreien Einkommen gewahrt werden müsse, damit Arbeit angenommen wird. Daraus ergibt sich dann je nach Ausgestaltung der Sozialsysteme ein Quasi-Mindestlohn. Er wird nicht per Gesetz, sondern durch den von den Transfersystemen veränderten Markt bestimmt. In Deutschland hingegen ist mit dem Arbeitslosengeld II (Hartz IV) bundesweit faktisch ein Kombilohn eingeführt worden [5].

Wissenschaftliche Studien

Die Untersuchung der Wirkung von Mindestlöhnen wurde häufig in Auftrag gegeben. Der Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Joachim Möller, beklagt die mangelnde Qualität der wirtschaftswissenschaftlichen Politikberatung in Deutschland, zahlreiche ökonomische Studien, die viel Medienresonanz erhielten, seien Schnellschüsse und basierten zu wenig auf empirischen Fakten. In der deutschen Debatte über den Mindestlohn hätten sich viele Ökonomen zu Wort gemeldet, "aber keiner hat sich die Daten zum Mindestlohn im Bauhauptgewerbe angeschaut – obwohl sie seit 1998 vorliegen."[6]

Prognosen

Einer Studie des Institut Arbeit und Technik an der Fachhochschule Gelsenkirchen (IAT) zufolge hätten 4,6 Millionen Beschäftigte in Deutschland Anspruch auf eine Lohnerhöhung. Auf die Unternehmen kämen 10 bis 12 Milliarden Euro Zusatzkosten zu, von denen allerdings auch der Staat über Steuereinnahmen sowie 3,7 bis 4,2 Milliarden Euro Mehreinnahmen (ohne Mehrwertsteuer 19 Prozent) für die Sozialversicherungen profitieren würde. Bei den Untersuchungen des IAT war die Finanzierung des Mindestlohnes nicht Gegenstand der Untersuchung. Der Mindestlohn betrifft laut IAT größtenteils Kleinstunternehmen mit weniger als 5 Mitarbeitern. Eventuell steigenden Preisen stünde eine mindestens gleichhohe Steigerung der Kaufkraft entgegen. Ohne eine gesetzlich fixierte Untergrenze bestehe die Gefahr, dass Unternehmen die „Ausfallbürgschaft“ des Staates zunehmend nutzen, um Löhne weiter abzusenken. Von einem Mindestlohn in dieser Höhe würden überdurchschnittlich gering Qualifizierte (28,8 Prozent) profitieren, ebenso Frauen (18,3 Prozent).[7]

Dem widersprechen das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und das Ifo-Institut Dresden in einer aktuellen Studie. Demnach berge das Instrument des Mindestlohns die Gefahr, dass die Einkommenserhöhung für einige Arbeitnehmer mit Arbeitsplatzverlusten anderer Geringverdiener teuer erkauft werde. Bei einem Mindestlohn von 6,50 Euro gingen demnach rund 465 000 Jobs verloren, bei 7,50 Euro sogar 621 000. Dabei wäre Ostdeutschland sehr viel stärker betroffen. Bei 6,50 Euro wären im Osten 4,4 Prozent (West: 2,3 Prozent) aller Beschäftigungsverhältnisse bedroht. Bei 7,50 Euro wären es sogar 6,4 Prozent (West: 3,0 Prozent) aller Stellen. Die Prognosen basierten auf folgenden Feststellungen: 1) Es träten Rationalisierungen durch die Substitution von Arbeit durch Kapital auf, wodurch ein Teil der bisherigen Geringverdiener ihren Arbeitsplatz verlöre. 2) Die Unternehmen müssten zwangsweise die Preise erhöhen, wodurch die Konsumenten mit Nachfrageeinschränkungen reagierten und dadurch die Beschäftigung zurückginge (abhängig von den Substitutionsmöglichkeiten durch Importe). 3) Ein Ausweichen in die Schattenwirtschaft zur Umgehung der höheren Lohnkosten wäre denkbar. Die Lohnelastizität läge nach empirischen Studien bei rund 0,75. Dies führe insbesondere bei Arbeitnehmern mit sehr niedrigen Bezügen zu einem überproportionalen Stellenabbau (bei 4€ Stundenlohn würden rund 50% der Jobs wegfallen). [8]

Verhalten in Modellsimulationen

Bei einem Experiment mit einem simulierten Arbeitsmarkt fanden Ökonomen von der Universität Zürich und der Universität Bonn heraus, dass Mindestlöhne im Modell neben den ökonomischen Effekten auch Verhaltensänderungen bewirken.[9] Zu den ökonomischen Effekten gehört, dass sich der Marktlohn bei vorhandenem Mindestlohn erkennbar über dessen Niveau einpendelt, auch wenn er vor Einführung eines Mindestlohns deutlich darunter gelegen hatte. Durch den Mindestlohn stieg also der Reservationslohn deutlich an, unterhalb dessen niemand Arbeit annimmt.

Bei einer Abschaffung des Mindestlohns sank der Marktlohn hingegen nur unwesentlich. Dies wird auf die Verhaltensänderung der Angestellten in der Modellökonomie zurückgeführt, die einen Maßstab für eine „faire“ Entlohnung erhalten hatten und hinter dieses Niveau nicht wieder zurückfallen wollten.

In dem Experiment, das ohne Berücksichtigung der möglichen Insolvenz der Unternehmen durchgeführt wurde, stieg die Anzahl der Beschäftigten je Unternehmen bei gleichzeitig sinkenden Gewinnen deutlich an. Dies erklären die Autoren mit den geringeren Grenzkosten, die für einen neuen Angestellten zu zahlen sind: Ohne Mindestlohn müssten die Unternehmen bei Aufstockungen der Belegschaft irgendwann Beschäftigte einstellen, die nicht bereit sind, zu Niedriglöhnen zu arbeiten. Dies führt zur Forderung nach Lohnerhöhungen unter den etablierten Angestellten, so dass mit jeder Neueinstellung hohe Grenzkosten verbunden sind. Bei bestehendem Mindestlohn sind zwar die Grundausgaben höher, aber die Kosten pro neuem Angestellten bedeutend geringer, was Neueinstellungen begünstigt.

Empirische Studien

Empirisch lässt sich aufgrund der Schwierigkeit, die Auswirkungen eines einzelnen Elements in einem komplexen Wirtschaftsgefüge zu messen, nur schwer ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Einführung von Mindestlöhnen und darauffolgenden Veränderungen der Arbeitslosenzahlen nachweisen. Insgesamt ist zu sagen, dass die Empirie kein einheitliches Bild liefert. Es gibt empirische Beispiele für eine sinkende wie für eine steigende Arbeitslosigkeit nach einer Erhöhung des Mindestlohnsatzes.[10] Eine 2003 erstellte Übersicht über existierende Untersuchungen zur Beschäftigungswirkung von Mindestlöhnen kommt zu folgendem Ergebnis für neun teils mehrfach begutachtete Länder: In 24 Fällen liegen mit der klassischen Theorie des Arbeitsplatzverlustes übereinstimmende Studien vor, in 7 Fällen besteht ein widersprüchliches Bild, und 15 Untersuchungen liefern ein unerwartetes Ergebnis, d.h. sie belegen keine oder positive Beschäftigungswirkungen.[11]

Nach einer Studie der Princeton-University-Professoren Alan B. Krueger und David Card führten Erhöhungen des gesetzlichen Mindestlohns um bis zu 20% zu keinem Arbeitsplatzabbau. Die Autoren untersuchten hierfür Erhöhungen des gesetzlichen Mindestlohns in den US-Staaten Kalifornien 1988 und New Jersey 1992 sowie im gesamten Bundesgebiet 1990/91.[12] Unter anderem diese Studie führte 1999 zu der Aussage im jährlichen US-Wirtschaftsbericht des Präsidenten, dass die Beweislage einen sehr geringen oder nicht existenten Effekt von Mindestlöhnen auf das Arbeitsplatzniveau anzeige.[13] Eine ebenfalls in den USA durchgeführte Studie des Fiscal Policy Institute ergab, dass in den US-Staaten, deren Mindestlohn über dem bundesweit geltenden Niveau von 5,15 US-Dollar liegt, sowohl ein größeres Arbeitsplatzwachstum in kleinen Firmen unter 50 Mitarbeiter/innen, ein größerer Zuwachs an Unternehmen im Einzelhandel, als auch ein insgesamt höheres Jobwachstum erzielt wurde. Dies belege nach Angaben der Autoren nicht die positive Wirkung des Mindestlohns, und widerlege auch dessen angenommenen negativen Effekte nicht auf den Arbeitsmarkt.[14]

Am ehesten scheinen die negativen Wirkungen eines zu hohen Mindestlohns junge und schlecht ausgebildete Beschäftigte zu treffen, wenn auch selbst hier nur ein schwacher und widersprüchlicher Zusammenhang festgestellt werden konnte.[15] Um dennoch die mögliche Arbeitslosigkeit unter jungen und Menschen ohne Berufsausbildung nicht zu sehr ansteigen zu lassen, bestehen in zahlreichen Ländern mit Mindestlöhnen diskriminierende Ausnahmeregelungen und reduzierte Sätze für diese Gruppe.[16] Zudem treten schädliche Wirkungen am ehesten bei sehr steilen Anhebungen des Mindestlohns auf, weswegen Erhöhungen in der Mehrzahl der Fälle in kleineren Schritten und dafür öfter durchgeführt werden. Die positiven Wirkungen entfallen überdurchschnittlich auf Frauen und die so genannten Working Poor, die bislang vor allem aufgrund ihrer wenig aussichtsreichen Verhandlungspositionen gegenüber ihren Arbeitgebern schlechter dastehen.

Sowohl die ILO als auch die OECD[17] gehen mittlerweile davon aus, dass es keinen signifikanten direkten Einfluss von Mindestlöhnen auf Arbeitslosigkeit gebe.

Geschichte

Ein Mindestlohn wurde historisch mehrfach von der Arbeiterbewegung durch Streiks gefordert und erkämpft. Motiv waren so genannte Hungerlöhne, die bei großer Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt (Überangebot von Arbeitskräften) so gering waren, dass sie kaum zur Sicherung der Grundbedürfnisse reichten. Eine Forderung nach einem solchen Mindest-Lohn stellte damals auch die Forderung nach einem menschenwürdigen Leben dar. Lokale Mindestlohnregelungen gab es spätestens gegen Ende des 19. Jahrhunderts, beispielsweise vergab die Stadt Amsterdam ab 1894 öffentliche Aufträge nur noch an Unternehmen, die ihre Beschäftigten nicht unter einer gewissen Lohnhöhe bezahlten. Die ersten nationalen gesetzlichen Mindestlöhne wurden 1896 in Neuseeland und 1899 in Australien eingeführt, gefolgt von Großbritannien 1909. Auch eine Reihe von Entwicklungsländern beschloss in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Mindestlöhne, darunter 1918 Argentinien durch den Home Work Act und 1927 Sri Lanka mittels des Minimum Wage Ordinance.[18] Zu anderen Ländern mit einer langen Erfahrung mit Mindestlöhnen gehören u.a. die Vereinigten Staaten (seit 1938), Frankreich (1950) oder die Niederlande (1968).

Die Einführung gesetzlicher und tariflicher Mindestlöhne wurde bis nach dem Zweiten Weltkrieg nur spärlich zur Armutsbekämpfung eingesetzt. Erst mit Ende des Krieges wuchs die Zahl der Länder mit Mindestlöhnen wieder deutlich an. Auch die ILO, drittelparitätisch besetzt mit Vertreter/innen von Gewerkschaften, Arbeitgebern und der Staaten, beschloss nun mehrere Internationale Arbeitskonventionen über Mindestlohnregelungen: Noch 1928 die Minimum Wage Fixing Machinery Convention (No. 26), dann 1951 die Minimum Wage Fixing Machinery (Agriculture) Convention (No. 99) und schließlich 1970 die Minimum Wage Fixing Convention (No. 131).

Mittlerweile sind Mindestlöhne als politisches Mittel in der großen Mehrheit aller Länder formal eingeführt (die Anwendung und Durchsetzung steht in vielen Ländern auf einem anderen Blatt). In 20 der 27 Länder der Europäischen Union, in praktisch allen anderen Industrie- sowie in einer beträchtlichen Zahl von Schwellen- und Entwicklungsländern existieren heute auf dem Papier Mindestlohnregelungen. In Europa gab es besonders in den 1990er Jahren nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion einen deutlichen Zuwachs an Ländern, die an ihre nationalen Begebenheiten angepasste Mindestlohngesetze beschlossen.

Während Mindestlöhne die Einkommenssituation von Niedriglohnverdienern spürbar verbessern können, ist ihr Effekt auf Armut und Arbeitslosigkeit weit weniger offensichtlich. Dies liegt daran, dass nur ein vergleichsweise kleiner Teil der als arm geltenden Menschen offizielle Arbeit hat, die unter der Mindestlohnregeln fallen. Auch sind nicht alle Mindestlohnverdiener arm (z.B. als Zweitverdienerin einer Familie), so dass insgesamt gesehen Mindestlöhne nicht gegen Armut helfen (vgl. Card/Krueger 1995; LPC). Mindestlöhne können aus diesen Gründen nur als wirksam gegen die Ausbeutung von unter den Mindestlohn fallenden Arbeitsverhältnissen gelten (Schwarzarbeit, Arbeit als Freiberufler, unbezahlte und undokumentierte Überstunden u.ä. wird durch Mindestlöhne nicht unterbunden, möglicherweise aber begünstigt.).

Situation in ausgewählten Staaten

Überblick

Gesetzlich vorgeschriebener Mindestlohn
in Euro (Stand: 01/2007)
Staat Pro Stunde Pro Monat
Luxemburg 9,08 1.570
Irland 8,30 1.403
Frankreich 8,27 1.254
Niederlande 8,13 1.301
Vereinigtes Königreich 7,96 (5,52 Pfund) 1.361
Belgien 7,93 1.259
Australien 7,65 (12,75 AUD)
USA 4.34 (5.85$)
Griechenland 4,22 668
Spanien 3,99 666
Israel 3,54
Malta 3,47 585
Slowenien 3,02 522
Portugal 2,82 470
Türkei 298
Tschechien 1,76 288
Ungarn 1,50 258
Polen 1,34 246
Estland 1,33 230
Slowakei 1,32 217
Litauen 1,00 174
Lettland 0,99 172
Rumänien 0,66 114
Bulgarien 0,53 92
Russland zwischen 65
und 172
China Höchstsatz: 78
Kleinstsatz: 26
Schweden Branchenregelungen
Dänemark Branchenregelungen
Österreich über Sozialpartner
(ab 2008 EUR 1000/Monat)
Deutschland (in der Diskussion)
Schweiz (in der Diskussion)
Quelle: Hans-Böckler-
Stiftung 2007

(außer Australien,
USA, Israel)
Eurostat 2007
(außer Russland)

In den meisten EU-Ländern wird der Mindestlohn als Bruttomonatslohn definiert, in den USA, Großbritannien und Irland als Stundensatz. Im Januar 2007 haben 20 von 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union einen gesetzlich festgelegten Mindestlohn, der von 92 EUR (Bulgarien) bis 1.570 EUR (Luxemburg) reicht [19]. In einigen anderen Staaten bestehen Branchen- und andere Regelungen. Mit Ausnahme der USA passen die meisten westlichen Länder die Mindestlöhne regelmäßig an die gestiegenen Lebenshaltungskosten an.

In Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie in den skandinavischen Ländern gibt es keinen von der jeweiligen Regierung festgelegten Mindestlohn, da ein größerer Wert auf die Tarifautonomie gelegt wird. In Dänemark, Finnland und Schweden liegt die Tarifbindung bei über 90 %. In Österreich besteht ebenfalls eine beinahe flächendeckende Tarifbindung. In Westdeutschland wurden 2004 dagegen nur 68 % der Beschäftigten nach Tarif bezahlt, in Ostdeutschland 53 %.[20]

Regelungsmodelle

Nach Angaben des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) lassen sich folgende vier Regelungstypen für die Festlegung von Mindestlöhnen finden:[20]

  • Konsultationsmodell: Der Staat legt nach obligatorischer Anhörung der Tarifparteien den Mindestlohn fest
  • Verhandlungsmodell: Arbeitgeber und Gewerkschaften einigen sich untereinander, was bei Nichteinigung eine Blockade bedeutet
  • Indexmodell: Die Höhe des Mindestlohns wird automatisch bzw. ab einer bestimmten Schwelle an die ermittelte Inflation angepasst
  • Rein politisches Verfahren: Die Regierung bestimmt selbstständig über den Mindestlohn

In den meisten Ländern werden mehrere dieser Verfahren kombiniert, etwa eine feste Erhöhung auf dem Inflationsniveau sowie eine optionale und außergewöhnliche politische Erhöhung.

Australien

In Australien beträgt der bereits 1899 eingeführte Mindestlohn gegenwärtig 12,75 Australische Dollar oder umgerechnet ca. 7,65 Euro pro Stunde.[21] Die Effekte des Mindestlohns auf den Arbeitsmarkt sind auch in Australien umstritten.[22]
Australien war nach Neuseeland der zweite Staat weltweit, der einen gesetzlichen Mindestlohn einführte.

Deutschland

Rechtslage

In Deutschland gibt es keinen allgemeinen, für alle Arbeitsverhältnisse gültigen, durch Gesetz verordneten Mindestlohn.

Allerdings gelten im Baugewerbe sowie in der Gebäudereinigung (hier ab 1. Juli 2007) branchenspezifische Mindestlöhne. Diese werden zunächst von den Tarifvertragsparteien unabhängig von staatlicher Einflussnahme ausgehandelt. Durch einen staatlichen Rechtsetzungsakt werden sodann auch die nicht organisierten, also sonst nicht an den Tarifvertrag gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dieser Branche dem Mindestlohn des Tarifvertrags unterworfen.

Die Rechtsverbindlichkeit des Branchen-Mindestlohns ergibt sich aus § 1 Abs. 1 und Abs. 4 Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG)[23] in Verbindung mit der Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrags nach § 5Tarifvertragsgesetz oder - alternativ - in Verbindung mit einer nach § 1 Abs. 3a AEntG erlassenen Rechtsverordnung[24]. Für Leiharbeitsverhältnisse ergibt sich die Verbindlichkeit aus § 1 Abs. 2a AEntG (wird ab 1 Juli 2007 Abs. 2[25]). Der Branchen Mindestlohn ist verbindlich für

  • alle Arbeitgeber mit Sitz in Deutschland und ihre im Geltungsbereich des Tarifvertrags beschäftigten Arbeitnehmer,
  • alle Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und ihre in Deutschland im Geltungsbereich des Tarifvertrags beschäftigen Arbeitnehmer
  • alle Verleih-Arbeitgeber und Leiharbeitnehmer, wenn der Entleiher den Leiharbeitnehmer mit Tätigkeiten beschäftigt, die in den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen.

Mindestlöhne gibt es derzeit (Stand 1. September 2007) im

  • Bauhauptgewerbe: 8,50 € bis 12,50 €[26],
  • Dachdeckerhandwerk: 10,00 €[27],
  • Maler- und Lackiererhandwerk: 7,15 € bis 10,73 €[28],
  • Abbruchgewerbe: 8,80 € bis 11,60 €[29] und in der
  • Gebäudereinigung: 6,36 € bis 7,87 €[30]
  • Elektrohandwerk: 7,70 € im Osten, 9,20 € im Westen[31]

Der Versuch der Tarifpartner, auch in der Zeitarbeit einen Mindestlohn einzuführen[32], ist bisher daran gescheitert, dass der Gesetzgeber das AEntG nicht entsprechend geändert hat.

Der Branchen-Mindestlohn kommt nach der derzeitigen Rechtslage nur im Bauhaupt- und Baunebengewerbe, sowie in der Gebäudereinigung in Betracht. Notwendige Voraussetzung ist darüber hinaus, dass es überhaupt einen Tarifvertrag gibt. Selbst eine Ausweitung des AEntG auf weitere Branchen könnte daher in vielen Branchen mangels eines Tarifvertrags nicht zu einem rechtsverbindlichen Mindestlohn führen. Dagegen bietet das Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen von 1952 eine gesetzliche Grundlage zur Bestimmung von Mindestlöhnen unabhängig von Tarifverträgen. Hiervon ist bislang jedoch kein Gebrauch gemacht worden.

In den nicht in das AEntG einbezogenen Branchen geht eine Mindestlohnfunktion von der Allgemeinverbindlichkeit eines Entgelt-Tarifvertrags aus. Dies gilt allerdings nicht für nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer und für Leiharbeitnehmer. Voraussetzung für eine Allgemeinverbindlicherklärung ist u.a., dass die tarifgebundenen Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Arbeitnehmer der in den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer beschäftigen (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 TVG). Außerdem haben die Arbeitgeber de facto ein Vetorecht, da die Allgemeinverbindlichkeit nur im Einvernehmen mit den Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer erklärt werden darf (§ 5 Abs. 1 SAtz 1 TVG). Einen allgemeinverbindlichen Lohn gibt es etwa im Hotel- und Gaststättengewerbe in Nordrhein-Westfalen. Hier liegt der Stundenlohn der untersten tariflichen Lohngruppe bei 5,34 Euro.

Ein gewisser Mindestschutz hinsichtlich der Höhe des Arbeitsentgelts ergibt sich aus dem Verbot sittenwidriger Löhne (§ 138 Abs. 1 BGB). Sittenwidrige Löhne sind nichtig. An ihre Stelle tritt ein Anspruch auf die übliche Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB [33]. Als sittenwidrig werden Löhne häufig jedenfalls dann betrachtet, wenn sie mindestens ein Drittel unterhalb des orts- bzw. branchenüblichen Lohnes liegen [34]. Die Sittenwidrigkeit einer Entgeltvereinbarung ist nicht allein nach der vereinbarten Entgelthöhe zu beurteilen, sondern der Inhalt der guten Sitten iSv. § 138 Abs. 1 BGB wird auch durch die Wertungen des Grundgesetzes und einfachgesetzliche Regelungen konkretisiert [35].

Dagegen lässt sich aus Artikel 4 der Europäischen Sozialcharta kein individueller Rechtsanspruch auf eine Mindestentlohnung ableiten, denn diese Vorschrift hat keine unmittelbare Wirkung für den einzelnen Bürger[36].

Politische Debatte

Wegen des in Deutschland ausgeprägten Systems der Tarifautonomie war ein gesetzlicher Mindestlohn lange Zeit kein Thema in der politischen Diskussion. Die Tarifparteien verteidigten ihre Regelungskompetenz gegen staatliche Einflussnahme.

Lange Zeit hatten die von den Tarifparteien in Tarifverträgen vereinbarten Entgelte wie branchenspezifische Mindestlöhne gewirkt. Die Wirkung der Flächentarifverträge schwächte sich aber zuletzt mehr und mehr ab, weil sich einerseits zahlreiche Arbeitgeber der Tarifbindung entzogen, andererseits auch die Gewerkschaften durch hohe Mitgliederverluste an Macht und Durchsetzungskraft einbüßten. In Deutschland gibt es inzwischen eine Vielzahl von Tarifverträgen, nach denen Stundenlöhne von weit weniger als 6 Euro gezahlt werden [37]. Die niedrigsten tariflichen Bruttostundenlöhne registrierte das Statistische Bundesamt im zweiten Halbjahr 2006 in den ostdeutschen Bundesländern. Zum Beispiel verdienen in Thüringen Wachleute für Veranstaltungen 4,38 Euro, der Stundenlohn für Friseure im ersten Berufsjahr liegt in Sachsen bei 3,82 Euro. [38]. 4,6 Millionen Beschäftigte in Deutschland erhalten weniger als 7,50 Euro je Stunde [39].

Dies führte dazu, dass das Arbeitseinkommen von immer mehr Arbeitnehmern nicht zur Deckung des notwendigen Lebensbedarf ausreicht, obwohl sie in einem Vollzeitarbeitsverhältnis stehen. In Deutschland wird deshalb seit Mitte 2004 verstärkt über den Mindestlohn diskutiert, angeregt u.a. durch den damaligen SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering[40]. Der Koalitionsvertrag der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD sieht die Einrichtung einer Arbeitsgruppe vor, die im Rahmen der Prüfung eines Kombilohnmodells auch den Mindestlohn debattieren soll[41].

In der Debatte stehen sich im wesentlichen zwei Standpunkte gegenüber: Die eine Position sieht den gesetzlichen Mindestlohn als geeignetes und notwendiges Instrument an, soziale Verwerfungen durch Niedriglöhne zu verhindern. Sie verweist auf entsprechende ausländische Regelungen. Die Gegenposition lehnt den Mindestlohn ab, weil sie negative Auswirkungen auf die wirtschaftiche Lage und einen Arbeitsplatzabbau befürchtet. Sie schlägt andere Modelle zur Lösung der sozialen Probleme vor.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) fordern inzwischen einen gesetzlichen Mindeststundenlohn in Höhe von 7,50 Euro, der später auf 9,00 Euro ansteigen soll[42]. Dieser Betrag orientiere sich an den Mindestlöhnen wirtschaftlich vergleichbarer EU-Länder. Das sich daraus ergebende Nettoeinkommen liegt noch unterhalb der Pfändungsfreigrenze[43]. Auch die Industriegewerkschaft Metall fordert nach anfänglicher Skepsis einen Mindeststundenlohn von 7,50 Euro [44]. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 7,50 Euro ebenfalls übernommen. Das gesetzliche Minimum soll dabei als Auffanglösung die Instrumente Allgemeinverbindlicherklärung und das Arbeitnehmer-Entsendegesetz ergänzen. Dagegen lehnt die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) den gesetzlichen Mindestlohn ab und favorisiert statt dessen branchenspezifische Lösungen [45]. Auch die IG Bauen-Agrar-Umwelt, die in ihrem Organisationsbereich Branchen-Mindestlöhne von bis zu 12,40 Euro durchgesetzt hat, bevorzugt dieses Modell [46].

Die Partei Die Linke will einen Mindestlohn von mindestens 8 Euro gesetzlich zu verankern[47]. Bündnis 90/ Die Grünen knüpfen verschiedene Bedingungen an einen Mindestlohn: Er dürfe weder Jobs gefährden, noch eine Entwertung gegebener Jobs nach sich ziehen und müsse mit dem Grundsatz der Tarifautonomie vereinbar sein [48]. Die SPD will das AEntG für weitere Branchen öffnen und fordert im Übrigen mit dem Argument der Lohngerechtigkeit einen gesetzlichen Mindestlohn, der bei einer Vollzeitbeschäftigung das Existenzminimum gewährleistet [49]. Die CDU steht dem Mindestlohn ablehnend gegenüber, weil sie von diesem eine arbeitsplatzvernichtende Wirkung erwartet. Sie setzt auf branchenspezifische und regionale Maßnahmen und im Übrigen auf einen Kombilohn [50]. Auch die FDP ist strikt gegen den gesetzlichen Mindestlohn, den sie als wirtschaftspolitisch völlig verfehlt ansieht. Negativen sozialen Folgen von Niedriglöhnen will sie durch Einführung eines Bürgergeldes begegnen [51].

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) ist gegen den gesetzlichen Mindestlohn, sie sieht durch den Mindestlohn vielmehr 1,7 Millionen Arbeitsplätze bedroht [52].

Am 19. Juni 2007 einigte sich die Regierungskoalition auf einen Kompromiss: ein gesetzlicher Mindestlohn wird vorerst nicht eingeführt, dafür aber in vielen Branchen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz angewendet. Diese Regelung sieht vor, dass ein von Arbeitgebern und Gewerkschaften ausgehandelter Tarif in allen Betrieben der Branche verbindlich wird und auch für Arbeitnehmer aus dem Ausland gilt.[53]

Im September 2007 entbrannte die Diskussion erneut über Mindestlöhne bei Postdiensten.


Ehemalige DDR

In der DDR hatte seit 1958 für alle Werktätigen ein gesetzlich festgelegter Mindestlohn gegolten. Er betrug 1958 für eine Vollzeittätigkeit 220 MDN, 1967 300 Mark der DDR, 1971 350 Mark und wurde 1976 auf 400 Mark festgesetzt.

Der Mindestlohn wurde entsprechend der wirtschaftlichen Entwicklung und aus sozialpolitischen Erwägungen (offizielle Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik seit 1971) typischerweise im Fünfjahrplanrhythmus angehoben.

Frankreich

In Frankreich wurde ein gesetzlich garantierter Mindestlohn unter der Bezeichnung SMIG (“salaire minimum interprofessionnel garanti”) in der IV. Republik unter Vincent Auriol per Gesetz vom 11. Februar 1950 eingeführt und in der V. Republik unter Georges Pompidou durch den bis heute gültigen SMIC (“salaire minimum interprofessionel de croissance”) per Gesetz vom 2. Januar 1970 ersetzt. Dieser ist in der französischen Verfassung und im Arbeitsrecht (Code de Travail) verankert.

Der SMIC wird definiert als Höhe des Bruttostundenlohnes, die kein Arbeitgeber unterschreiten kann, um einen gesunden erwachsenen Gehaltsempfänger zu entlohnen [54]. Er sichert Niedrigstlohnempfänger/innen eine Kaufkraftgarantie und eine Teilhabe an der wirtschaftlichen Entwicklung der Nation [55]. Gesetzesverstöße werden mit Geldstrafen von mindestens 1500 Euro für jeden unrechtmäßig entlohnten Arbeitnehmer geahndet.

Höhe des Bruttomindestlohnes

Die Höhe des Bruttomindestlohnes wird einmal jährlich an die gesamtwirtschaftliche Lage angepasst. Seit der letzten Erhöhung um 3,05 % am 1. Juli 2006 beträgt der Bruttostundenlohn gegenwärtig 8,27 Euro brutto pro Stunde (davor 8,03 Euro), was für die französische 35-Stundenwoche einem Bruttowochenlohn von 289.45 Euro (davor 281,06 Euro) entspricht oder einem Bruttomonatslohn von 1.254,28 Euro (davor 1.217,88 Euro). Daraus ergibt sich, nach Abzug der gesetzlich vorgeschriebenen Sozialabgaben (13,74 % des Brutto-SMIC oder 172,34 Euro) sowie weiterer obligatorischer Beiträge wie der CSG (Contribution sociale généralisée) und der CRDS (Contribution au remboursement de la dette sociale) zur Deckung der Krankenkassenverschuldung beziehungsweise der Soziallastverschuldung (insgesamt 8 % von 97 % des Brutto-SMIC oder 97,33 Euro) ein Nettomonatslohn von 984,61 Euro (1. Juli 2006) [56].

Empfänger und Ausnahmeregelungen

Der SMIC wird von ca. 12,4% der Beschäftigten in Frankreich bezogen. Diese 12,4% entsprechen circa 2,9 Millionen Beschäftigten (Stand 2006). Das Recht, mindestens den SMIC zu beziehen, gilt generell für sämtliche Beschäftigten. Einer Ausnahmeregelung bezüglich der Höhe des Mindestlohnes unterliegen:

  • Jugendliche unter 18 Jahren mit weniger als 6 Monaten Berufserfahrung
  • Auszubildende unter 26 Jahren
  • Praktikanten, die auf die Ausübung ihres Berufes vorbereitet werden
  • Behinderte

Jugendliche mit weniger als 6 Monaten Berufserfahrung erhalten bis zum 16. Lebensjahr 20 % weniger, vom 17.-18. Lebensjahr 10 % weniger als ordentliche SMIC-Empfänger.

Für Auszubildende wird die prozentuale Lohnminderung im Verhältnis zum SMIC sowohl vom Alter als auch von der Schulausbildung abhängig gemacht. Bei Abschluss eines sogenannten "Contrat de Professionalisation" beträgt der Mindestlohn für einen Auszubildenden im Alter unter 21 Jahren ohne Fachabitur mindestens 55 % des SMIC (mit Fachabitur mindestens 65 %), für einen Auszubildenden vom 21. bis zum 25. Lebensjahr ohne Fachabitur mindestens 70 % des SMIC (mit Fachabitur mindestens 80 %), für einen Auszubildenden ab dem 26. Lebensjahr unabhängig von der Qualifikation mindestens den vollen Betrag des SMIC und mindestens 85 % des konventionellen Lohnes. (Siehe auch: Contrat première embauche, Contrat nouvelle embauche)

Behinderte Arbeitnehmer erhalten ebenfalls einen reduzierten SMIC-Satz, und zwar mindestens 90 % des regulären SMIC, jedoch gleicht ein Zuschuss der Sozialversicherung ihr Einkommen dem SMIC-Niveau an. [57]

Insgesamt können die Ausnahmen als Anreize für Arbeitgeber gewertet werden.

Festlegung der Höhe des SMIC

Der SMIC wird jährlich von der Regierung festgelegt und im “Journal Officiel” veröffentlicht. Er tritt für den Arbeitgeber jeweils am 1. Juli nach der Veröffentlichung in Kraft. Im Falle einer Inflationsrate von mehr als 2 % tritt die Erhöhung früher, und zwar automatisch nach der Feststellung der Rate und in Höhe ihres Prozentsatzes in Kraft. Die jährliche Festlegung erfolgt unter Berücksichtigung von zwei Kriterien: dem Verbraucherpreisindex und der Lohnentwicklung (bei der neben dem traditionellen Lohn auch Zuwendungen in Form von Naturalien, Trinkgeldern oder vorhersehbarer Prämien berücksichtigt werden). Zuvor legt eine aus Vertreter/innen der Regierung, der Arbeitgeber und der Gewerkschaften bestehende Kommission, die "Commission Nationale de la Négociation Collective" (CNNC), eine Empfehlung über die zukünftige Entwicklung des Mindestlohnes vor, jedoch räumt das Gesetz der Regierung die Möglichkeit ein, die Anhebung des SMIC auch unabhängig und ohne Absprache mit den Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertretern durchzuführen.

So konnte im Mai 2007 die sozialistische Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal den SMIC als Wahlkampfmittel nutzen, indem sie versprach, diesen im Falle eines Wahlsieges zu erhöhen.

Statistik der SMIC-Empfänger

Interessant ist die Betrachtung der SMIC- Empfängergruppen. Hier ist der Dienstleistungssektor führend, wobei Frauen einen höheren Empfängeranteil haben als Männer. Dies erscheint für ein Land in dem weibliche Beschäftigte knapp die Hälfte stellen, paradox. Der Gastronomiebereich verzeichnet die meisten Mindestlohn-Beschäftigten. Hier werden circa 33,9% der männlichen Beschäftigten und 47,7% der weiblichen Beschäftigten mit dem SMIC entlohnt. Bei häuslichen Dienstleistungen werden 22,7% der Männer und 36,3% der Frauen auf SMIC- Basis bezahlt. In der Bekleidungsindustrie sind bei es den Männern 15,5% und bei den Frauen 39%. Das Alter spielt ebenfalls eine zentrale Rolle bei der Entlohnung. Junge Arbeitnehmer erhalten in der Regel doppelt so häufig den Mindestlohn wie Arbeitnehmer über 26, auch hier gilt für Frauen eine höhere Empfängerzahl als für Männer. Charakteristisch für eine SMIC- Entlohnung ist die Teilzeitarbeit, die befristeten Arbeitsverhältnisse oder die Arbeit für Zeitarbeitsfirmen. Je höher die berufliche Qualifikation der Arbeitnehmer ist, desto geringer fällt der Anteil der SMIC- Empfänger aus. Neue Beobachtungen weisen darauf hin, dass die ethnische Bevölkerungszugehörigkeit ebenfalls eine Auswirkung auf das Beschäftigungsverhältniss hat. So sehen sich Schwarzafrikaner und Maghrebiner überproportional bei den SMIC-Empfängern angesiedelt. Um diese Lohndiskriminierung zu unterbinden, empfiehlt die Regierung den Unternehmen die Einstellungen mit Hilfe eines Lebenslaufes vorzunehmen, in dem nicht nach Name, Vorname, Nationalität sowie Religionszugehörigkeit gefragt wird.

Kritiker wie Hans-Werner Sinn vom ifo-Institut sahen in der Höhe des Mindestlohns eine Ursache für die hohe Jugend-Arbeitslosigkeit in Frankreich, welche ein Auslöser für die Vorstadtkrawalle im Jahr 2005 sei.[58]

Geschichte des SMIC

Der SMIC ging aus dem SMIG (salaire minimal national interprofessionnel garanti) und dem SMAG (salaire minimal garanti annuel en agriculture) hervor, zwei Mindestlohnmodellen, die als Reaktion auf die wirtschaftliche Situation nach dem Zweiten Weltkrieg unter der Regierung von Vincent Auriol am 9. Oktober beziehungsweise am 11. Februar 1950 entworfen wurden. Die Kommunistische Partei Frankreichs, die Sozialisten und die Republikaner stimmten gegen den Gesetzesentwurf, der den Mindestlohn einführte. Die Höhe des SMIG unterlag regionalen Differenzierungen; so wurden in den Départements der damals noch französischen Gebiete Algeriens sowie in den überseeischen französischen Gebieten Guadeloupe, Guyana, Martinique und Réunion niedrigere Löhne gezahlt als im Mutterland. [59]. Der Mindestlohnsatz für die Bewohner der Ile-de-France lag um 18% höher als jener für die Arbeiter im Rest des metropolitanischen Frankreichs. Im Falle einer Inflationrate um oder über 5 % waren die Mindestlöhne dieser Inflationsrate proportional anzupassen. Wirtschaftsexperten beurteilten diese Vorkehrung sehr kritisch und sahen darin eine Gefährdung der gesamtwirtschaftlichen Situation im geschwächten Nachkriegsfrankreich. Im Jahr 1952 wurde die Rate von 5% auf 2% heruntergesetzt. Der SMAG war eine Sonderform des SMIG, die speziell für die in der Landwirtschaft beschäftigten und aufgrund der Ernteperioden jährlich bezahlten Lohnempfänger eingeführt wurde. Dafür wurde das Jahresgehalt dieser Beschäftigten in einen Monats-, Wochen- bzw. Stundenlohn umgerechnet.

Am 2. Januar 1970 wurden die beiden Modelle SMIG und SMAG zu dem heutigen SMIC zusammengefasst. Es wurde nun ein für Frankreich einheitlicher Mindestlohn nach einem Mischmodell aus Verhandlungs- und Indexmodell eingeführt.


Mindestlöhne in % des durchschnitt-
lichen Monatslohns (Stand: 2004)[60]
Land Höhe
Irland 50,0 %
Luxemburg 49,6 %
Malta 49,0 %
Belgien 46,4 %
Niederlande 46,1 %
Slowenien 44,1 %
Bulgarien 41,0 %
Portugal 40,7 %
Ungarn 40,7 %
Lettland 39,1 %
Tschechien 38,8 %
Litauen 38,5 %
Großbritannien 37,9 %
Spanien 37,7 %
Polen 35,1 %
Rumänien 34,4 %
Slowakei 34,1 %
USA 32,9 %
Estland 32,4 %
Quelle: Europäische Kommission nach Schulten et al. 2006: 24.

Großbritannien

1999 führte die zwei Jahre zuvor gewählte Labour-Regierung unter Premierminister Tony Blair erstmals einen gesetzlichen Mindestlohn (National Minimum Wage, NMW) in Großbritannien ein. Der anfänglich mit einem Wert von 3,60 Pfund (etwa 5,29 Euro) pro Stunde eingeführte Mindestlohn für Arbeitskräfte, die älter als 22 sind, liegt momentan bei 5,35 Pfund (etwa 7,86 Euro) und soll im Oktober 2007 auf 5,52 Pfund (etwa 8,10 Euro) erhöht werden.[61] Hiervon werden laut britischer Low Pay Commission voraussichtlich 1,3 Millionen Menschen profitieren.[62] Niedrigere Mindestlöhne existieren jedoch für unter 22jährige sowie für ältere Angestellte während der ersten sechs Monate in einem neuen Job, wenn gleichzeitig eine Weiterbildungsmaßnahme belegt wird.

Die Low Pay Commission übt wesentlichen Einfluss auf die Mindestlohngestaltung aus; sie ist unabhängig und aus je drei Vertreter/-innen der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Gewerkschaften zusammengesetzt. Sie gibt jährlich, zumeist im März, einen Bericht heraus, in dem umfassend die Wirkungen des Mindestlohns auf die Gesamtwirtschaft und den Niedriglohnsektor untersucht werden, und Empfehlungen für die künftige Höhe des Mindestlohnes, auf Grundlage derer dann die Regierung zum Oktober eines jeden Jahres eine Wertanpassung vornimmt.

Die neueste Untersuchung [63] weist nach, dass derzeit 1 von 10 Beschäftigten davon betroffen ist und nach der Einführung des Mindestlohns in Großbritannien sich das reale und relative Lohnniveau im Niedriglohnbereich erhöht sowie die Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen sich verringert hat. Auf unterschiedliche Weise angestellte Analysen lassen indes keine oder nur geringfügige Auswirkungen auf das gesamte Beschäftigungsniveau erkennen, es sei denn auf die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden. Mutmaßlich wurde befürchteten negativen Beschäftigungseffekten entgegengewirkt durch die Arbeitsmarktfriktionen, Einkommensteuerfreibeträge, die Nichteinhaltung von gesetzlichen Vorschriften, Produktivitätsverbesserungen, Preiserhöhungen und Profitreduktionen. Da die Nichteinhaltung des betreffenden Gesetzes kaum wirksam kontrolliert und geahndet wird, ist die Tatsache, dass es überwiegend eingehalten wird, ziemlich überraschend. In einer neueren Beurteilung des britischen Modells [64] wird die vergleichsweise günstigere Arbeitsmarktentwicklung nicht auf die erfolgte Arbeitsmarktflexibilisierung, sondern auf die im Vergleich zur Eurozone günstiger gestalteten institutionellen Rahmenbedingungen für makroökonomisches Handeln zurückgeführt.

Irland

In Irland gilt seit dem 1. April 2000 ein gesetzlicher Mindestlohn. Eingeführt mit einem Stundensatz über 5,59 Euro wurde dieser seitdem mehrfach erhöht. Die vorletzte Steigerung trat am 1. Mai 2005 in Kraft und erhöhte den Mindestlohn auf 7,65 Euro. 4,5 % aller erwachsenen Beschäftigten erhalten den Mindestlohn oder einen reduzierten Stundensatz, für 18-20jährige, Berufseinsteiger/innen und Praktikant/innen sind reduzierte Mindestlöhne zwischen 70 – 90 % des vollen Satzes zu zahlen. Unter 18jährige dürfen für nicht weniger als 5,36 Euro pro Arbeitsstunde angestellt sein.[65]

Ab 2007 gilt ein Mindestlohn von 8,30 Euro .

In den Jahren vor 2000 wurden branchenspezifische Mindestlöhne in Irland durch die Joint Labour Committees ausgehandelt. Diese Branchenregelungen ergaben einen im Vergleich zum jetzigen Mindestlohn deutlich niedrigeren Stundenlohn und galten zudem nur für ein knappes Viertel der Arbeitskräfte. Ökonomische Studien zeigen, dass der Mindestlohn seit seiner Einführung nur geringe Effekte auf die Arbeitssituation in Irland nach sich gezogen hat. Ein negativer Effekt wurde bei einigen wenigen Unternehmen festgestellt, die am meisten von seiner Einführung betroffen waren.[66]

Kanada

In Kanada liegt der gesetzliche Mindestlohn je nach Provinz zwischen 6,50 und 8,25 Kanadischer Dollar. Dies entspricht einer Spanne zwischen 4,79 und 6,08 Euro.[67]

Niederlande

In den Niederlanden gilt seit 1968 ein gesetzlicher Mindestlohn. Aktuell beträgt dieser für alle Vollzeit arbeitenden und über 23jährigen Beschäftigten 1.300,80 Euro. Für jüngere Angestellte wird dieser Mindestlohn auf Beträge zwischen 30 % und 85 % dieses Betrags gekürzt.[68] Erhöhungen beschließt das niederländische Arbeitsministerium nach freiwilliger Anhörung des so genannten Sozialökonomischen Rats, der sich aus Arbeitgebern, Gewerkschaften und Externen zusammensetzt.

Um Schocks durch zu hohe Steigerungen zu vermeiden, passt die niederländische Regierung den Mindestlohn öfter, und zwar jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres an die wirtschaftliche Entwicklung an. Prinzipiell an Letztere gebunden, kann durch politische Entscheidungen des Ministeriums eine außergewöhnliche Erhöhung oder Stagnation des Mindestlohns beschlossen werden. Nachdem der Mindestlohn von 2003 bis einschließlich 2005 aufgrund politischer Entscheidungen und bedingt durch die schlechte Wirtschaftslage nicht erhöht wurde, stieg er zuletzt am 1. Januar 2006 um 0,6 % an.

4,2 % aller niederländischen Beschäftigten wurden 2004 auf dem Niveau des Mindestlohns bezahlt.

Anteil der Vollzeitbeschäftigten mit einem Lohn auf Höhe des Mindestlohns (Stand: 2004)
Land Beschäftigte
Frankreich 15,60 %
Litauen 12,07 %
Rumänien 12,00 %
Luxemburg 11,00 % (2005)
Ungarn 7,95 % (2005)
Estland 5,72 %
Portugal 5,50 %
Bulgarien 5,10 % (2002)
Polen 4,49 %
Irland 3,10 %
Niederlande 2,07 %
Slowenien 2,00 %
Tschechien 2,00 %
Slowakei 1,93 %
Großbritannien 1,80 % (2005)
Malta 1,50 %
USA 1,40 %
Spanien 0,77 %
Quelle: Eurostat Database.

Österreich

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In Österreich wird es ab dem 1. Januar 2009 innerhalb der Kollektivverträge, an denen die WKÖ und der ÖGB beteiligt sind, einen Mindestlohn in Höhe von 1000 Euro Brutto geben, ausgenommen sind Lehrlinge und Praktikanten. Ausdrücklich wird in der Präambel der Vereinbarung darauf hingewiesen, dass ein gesetzlichen Mindestlohn keine Alternative zur Aushandlung durch die Sozialpartner ist. [69][70]

In Österreich unterliegen jene Betriebe, die Mitglieder in der Wirtschaftskammer sind, den für sie stellvertretend zwischen der Wirtschaftskammer und den zuständigen Branchenverbänden bzw. Gewerkschaften abgeschlossenen Kollektivverträgen. Dort sind - je nach Einstufung der Tätigkeit und dem Dienstalter - verbindliche Mindestlöhne festgelegt. Organisationen, die kein Mitglied der Wirtschaftskammer sind (z. B. Non-Profit-Organisationen), unterliegen keinem Kollektivvertrag und daher auch keinem Mindestlohn. Weiterhin ist festzuhalten, dass etwaige Kollektivverträge zwar die Mindestlöhne für Arbeiter- und Angestelltenverhältnisse sehr genau regeln, aber atypische Dienstverhältnisse, die in den letzten Jahren ein starkes Wachstum verzeichneten, oft gar nicht oder unzureichend berücksichtigt werden. Als in atypischen Dienstverhältnissen Beschäftigte gelten freie Dienstnehmer und Werkvertragnehmer sowie unter Umständen auch Dienstnehmer in Ausbildungsverhältnissen (Praktikanten, Werkstudenten). Eine Studie aus dem Jahr 2002 hat ergeben, dass atypische Dienstnehmer in Österreich in der Praxis meist finanzielle Einbußen hinnehmen müssen und sozial weniger abgesichert sind als die gleiche Arbeit verrichtende Angestellte.[71]

Bereits 2003 war im Koalitionspakt von ÖVP und FPÖ ein Mindestlohn von 1000€ vorgesehen, wurde aber nicht umgesetzt. Im Jahr 2006 einigten sich SPÖ und ÖVP im Koalitionspakt auf einen einheitlichen Mindestlohn in der Höhe von 1000€. Die Sozialpartner WKÖ und ÖGB trafen im Juli 2007 eine Vereinbarung zur Umsetzung bis 1. Jänner 2009, allerdings nicht durch Generalkollektivvertrag, sondern durch die Kollektivverträge in den Branchen. Nur wenn bis 2009 die Umsetzung nicht erfolgt ist, kommt der Generalkollektivvertrag für alle Bereiche die durch WKÖ und ÖGB abgedeckt werden. Die freien Berufe (z.B. Zahnarzthelferin) sind nach wie vor eine Lücke. Durch die Einigung der Sozialpartner ist ein gesetzlich geregelter Mindestlohn unwahrscheinlicher geworden. [72][73][74] (siehe Vereinheitlichung des Kollektivvertrages).

Schweden

In einigen EU-Ländern bestehen zwar keine gesetzlichen Regelungen zum Mindestlohn, doch gibt es sie de facto in freierem Rahmen - z. B. in Schweden in Form industrieller Branchenregelungen durch Kollektivverträge.

Schweiz

In der Schweiz gibt es nur wenige Gesamtarbeitsverträge, die Angaben zu Mindestlöhnen enthalten. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund empfiehlt einen Mindestlohn von 3.550 CHF (~ 2.300 €). Dies gilt als das Existenzminimum für eine alleinerziehende Person mit einem Kind.

Es gibt Branchen, vorwiegend in der Gastronomie und beim Detailhandel, die Leute zu tieferen Löhnen anstellen (rund 2.700–3.300 CHF). Dabei gelten Löhne unter 3.000 CHF (~2.000 €) unabhängig von der Beschäftigung gewöhnlich als inakzeptabel. Es gibt Diskussionen, vor allem seitens des Gewerkschaftsbundes, einen gesetzlichen Mindestlohn von 3.000 CHF einzuführen.

Spanien

Der spanische Mindestlohn wurde noch unter Diktator Francisco Franco 1963 eingeführt und zuletzt 1980 demokratisch umgebaut. Der offizielle Mindestlohn pro Monat beträgt 2006 genau 540,90 Euro pro Monat. Beschäftigte mit Mindestlohneinkommen haben allerdings Anrecht auf 14 Monatsgehälter pro Jahr, so dass der effektive Mindestlohn 631 Euro beträgt.

Jeweils in der letzten Woche eines Jahres verkündet die spanische Regierung nach freiwilliger Konsultation der Gewerkschaften und Arbeitgeber den ab 1. Januar des Folgejahres geltenden Mindestlohnsatz. Sollte es ihr notwendig erscheinen, kann die Regierung auch eine zweite Anpassung des Salario Mínimo Interprofessionel genannten Mindestlohns in einem Jahr veranlassen.

Der Mindestlohn ist in Spanien der Maßstab für eine Reihe weiterer Regelungen, darunter das nationale Arbeitslosengeld, das Eingliederungsgeld nach längerer Arbeitslosigkeit oder Abfindungen bei vorzeitiger Auflösung eines Arbeitsvertrages. Dies macht ihn zu einem wichtigen politischen Instrument, auch wenn er durch seine Gültigkeit für nur 0,77 % der Arbeitskräfte in Spanien aufgrund seiner relativ geringen Höhe von 37,7 % des nationalen Durchschnittseinkommens keine große wirtschaftliche Bedeutung genießt.

USA

Übersicht über US-Staaten mit dem bundesweit gültigen Mindestlohn und Staaten mit nach oben davon abweichenden Regelungen

In den USA existiert seit 1938 ein gesetzlicher Mindestlohn, der damals mit einem Wert von 0,25 US-Dollar pro Stunde eingeführt worden war. Seitdem wurde er regelmäßig erhöht, und seine stärkste Kaufkraft bestand im Jahr 1968 mit 1,60 Dollar pro Stunde, was auf Preise des Jahres 2005 umgerechnet 9,12 Dollar entspricht. Seit 1997 beträgt die Höhe des amerikanischen Mindestlohns 5,15 Dollar. Er wurde seitdem nicht mehr an die gesamtwirtschaftliche Entwicklung angepasst. Entsprach dieser Betrag im Jahr 1998 noch 40 % des nationalen Durchschnittseinkommens, ist dieser Wert bis 2005 auf 32 % gefallen.

Die Bundesregierung gibt mit ihren Regelungen einen nationalen Mindestlohn vor, von dem die Bundesstaaten nach oben hin abweichen können. 18 Staaten haben bislang von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, darunter vor allem Staaten im Westen und Nordosten der USA sowie Florida. Den höchsten gesetzlichen Mindestlohn in den USA hat Santa Fe in New Mexico mit 9,50 Dollar seit Januar 2006 und geplanten 10,50 Dollar ab Januar 2008. Eine vorläufige Studie der University of New Mexico über die Effekte der letzten Erhöhung auf 8,50 Dollar im Juni 2004 zeigt keinen Abbau, sondern einen Zuwachs der Beschäftigung zwischen dem 3. Quartal 2003 und dem 2. Quartal 2005.[75]

Würde der bundesweite Mindestlohn in den USA auf 7,25 Dollar angehoben werden, würden davon 5,8 % aller Arbeitnehmer/innen oder insgesamt 7,3 Millionen Menschen profitieren.

Weitere Staaten

In Belgien gilt 2007 pro Stunde ein gesetzlicher Mindestlohn von 7,93 € und in Luxemburg von 9,0768 € (unqualifiziert, ab 18. Lebensjahr) und 10,8921 € (qualifiziert, ab 18. Lebensjahr). [76]

In Polen beträgt der gesetzliche Mindestlohn 936 PLN (~ 247 € (1.1.07)) im Monat.

Siehe auch

Literatur

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Weblinks

Wiktionary: Mindestlohn – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Quellen

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  5. vgl. nur: Ulrike Winkelmann, Hartz-Ombudsrat will Mindestlohn, taz vom 23.6.2006, S. 5
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  25. BGBl I, S. 576
  26. Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 29. Juli 2005
  27. Tarifvertrag zur Regelung eines Mindestlohnes im Dachdeckerhandwerk - Dach-, Wand- und Abdichtungstechnik - in Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 13. Juli 2006
  28. Tarifvertrag zur Regelung eines Mindestlohnes vom 2. Juni 2006
  29. Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne vom 30. Juli 2005
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  33. Bundesarbeitsgericht Urteil vom 26. April 2006, 5 AZR 549/05
  34. Dazu hat das BAG im Urteil vom 24. März 2004 - 5 AZR 303/03 - ausgeführt: Das Bundesarbeitsgericht hat bisher keine Richtwerte zur Feststellung eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung entwickelt. Der Erste Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat demgegenüber in einem Fall der strafrechtlichen Beurteilung des Lohnwuchers gem. § 302a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB aF die tatrichterliche Würdigung des Landgerichts, ein auffälliges Missverhältnis liege bei einem Lohn vor, der 2/3 des Tariflohns betrage, revisionsrechtlich gebilligt (BGH 22. April 1997 - 1 StR 701/96 - BGHSt 43, 53). Von diesem Richtwert gehen auch einige Arbeitsgerichte und das Schrifttum aus (ua. LAG Berlin 20. Februar 1998 - 6 Sa 145/97 - ArbuR 1998, 468; Reinecke NZA 2000 Beilage zu Heft 3 S. 23, 32; Peter ArbuR 1999, 289, 293.
  35. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. April 2006, 5 AZR 549/05
  36. BAG, Urteil vom 24. März 2004, 5 AZR 303/03
  37. Bundestagsdrucksache 15/2932 - Wandel der Arbeitswelt und Modernisierung des Arbeitsrechts, 19. April 2004, dort: Tabelle in Anlage2, Seite 14 ff. (PDF-Datei; Größe: ca. 1,5 MB)
  38. http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,469552,00.html Spiegel-Online: „3,82 Euro für die Friseurin - so niedrig sind deutsche Stundenlöhne“
  39. Tageschau.de: Wer lebt vom Niedriglohn?
  40. http://partei.spd.de/servlet/PB/menu/1011220/1038452.html
  41. Gemeinsam für Deutschland – mit Mut und Menschlichkeit. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 11. November 2005, S. 25 (PDF)
  42. Initiative Mindestlohn
  43. arbeitsrecht.de: Newsletter Gesetzlicher Mindestlohn? Lasst uns über Zahlen sprechen! Siehe online
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  47. 8 Euro Mindestlohn. Gesetzlich garantiert.
  48. http://www.gruene-bundestag.de/cms/arbeit_wirtschaft/dok/40/40716.htm
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  54. „Le SMIC est le niveau de salaire horaire brut au-dessous duquel aucun employeur ne peut descendre pour rémunérer un salarié valide adulte.“
  55. „Le SMIC assure aux salariés dont les salaires sont les plus faibles la garantie de leur pouvoir d’achat et une paticipation au développement économique de la Nation.“ (Code de Travail, Art. L 141-2)
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  59. Unter anderem begründeten mit dieser Divergenz algerische Separatisten den Kriegsbeginn am 1. November 1954.
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  76. Salaire social minimum