Findling
Ein Findling, auch Erratischer Block oder Erratiker genannt, ist ein heute meist einzeln liegender sehr großer Stein, der durch Gletscher während der Eiszeiten in seine heutige Lage verdriftet (transportiert und abgelegt) wurde. Die Grenze zwischen Findlingen und den kleineren Geschieben zieht man bei einem Volumen von einem Kubikmeter.
Verbreitung
Findlinge sind sowohl im skandinavischen als auch im zirkumalpinen Vereisungsgebiet häufig. Bei den großen Findlingen handelt es sich in Norddeutschland meist um magmatische Gesteine, wie Granit, oder um metamorphe Gesteine (z. B. Gneis). Sedimentgesteine sind auf Grund ihrer geringeren Widerständigkeit deutlich seltener.
Entstehung der Findlinge
Ein Gletscher als fester Körper sortiert das Material (Moräne), welches er befördert, nicht. Das gilt sowohl für die Abtragung, den Transport als auch für die Ablagerung (Sedimentation). Die Abtragung großer Gesteinsbruchstücke geschieht entweder durch die Aufnahme bereits gelockerter Steine, wenn der Gletscher sie überfährt oder aber durch das Anfrieren und Herausbrechen von Blöcken am Gletschergrund. Letzteres geschieht vor allem an Leehängen von Rundhöckern. Als festem Körper ist es dem Gletscher ohne weiteres möglich, Material von der minimalen Korngröße der Tonminerale bis hin zu Brocken von über tausend Tonnen Masse zu bewegen.
Ablagerungen, die direkt vom Eis abgesetzt werden, sind unsortiert und meist auch ungeschichtet. Im deutschsprachigen Raum hat sich dafür die Bezeichnung Geschiebemergel durchgesetzt. Der Geschiebemergel enthält zwar deutlich mehr Feinmaterial (Ton, Schluff, Sand und Kies), dennoch kommen immer wieder größere und große Steine vor. Von einem Findling spricht man aber erst dann, wenn er an der Erdoberfläche offen zu Tage tritt.
Findlinge finden sich im skandinavischen Vereisungsgebiet meist innerhalb von Grundmoränenlandschaften, die zum Formenschatz der Glazialen Serie gehören. Sie können aber auch in anderen Elementen der Glazialen Serie auftreten, zum Beispiel als Erosionsrest in Schmelzwassersanden.
Findlinge als Problem der Wissenschaft
Der Transport des Gesteins über offensichtlich weite Strecken erregte jahrhundertelang die Fantasie der Menschen, ehe die Wissenschaft plausible Erklärungen anbieten konnte. Im wissenschaftlichen Weltbild des 18. Jahrhunderts, das die Erdgeschichte seit der Schöpfung als weitgehend statisch betrachtete, waren Gesteinsblöcke, die in Gebieten zu finden waren, aus denen sie geologisch offensichtlich nicht stammen konnten, ein großes Problem. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts beschäftigten sich Geologen intensiv mit der Frage, durch welche Kräfte die Findlinge über so weite Strecken transportiert werden konnten, z. B. von Skandinavien in die Norddeutsche Tiefebene und aus den Alpen ins Alpenvorland. Sagenhafte Erklärungen, wie Riesen, die die Steine durch die Luft geschleudert hätten, wurden im Zeitalter der Aufklärung nicht mehr akzeptiert. Statt dessen wurden vulkanische Vorgänge in Betracht gezogen, die Toteislöcher wurden als Krater gedeutet. 1787 hatte zwar schon der Schweizer Politiker und Heimatkundler Bernhard Friedrich Kuhn als Ursache Gletschertätigkeiten vermutet, auch der schottische Geologe James Hutton hatte sich dahingehend geäußert, aber die Vorstellung von einer Vergletscherung weiter Teile Europas widersprach dem damaligen Weltbild. Der Begriff Eiszeit war noch nicht geprägt. Eher konnte man sich vorstellen, dass die riesigen Gesteinsbrocken bei der Sintflut oder anderen Überschwemmungskatastrophen auf Eisschollen aus dem Norden an ihre heutigen Fundorte in Norddeutschland getragen worden seien. Die Findlinge im Alpenvorland könnten ebenfalls durch große Wassermassen von den Alpengipfeln bis weit ins Vorland gelangt sein, so vermutete man. Goethe, der in dieser Zeit selbst als Geologe tätig war, beschrieb in seinem Drama Faust II die Probleme mit den Findlingen in Spottversen.
Die These, dass einstmals die Gletscher weite Teile der Alpen sowie Teile im Norden Europas überzogen hätten, wurde 1822 von Ignaz Venetz aufgestellt. Gehör fand er lediglich bei Jean de Charpentier, dem Salinendirektor in Bex (Kanton Waadt) im schweizerischen Tal der Rhône.
Ab dem Jahr 1835 reiste der deutsche Naturforscher, Geologe und Botaniker Karl Friedrich Schimper mit Vorträgen über das Problem der Findlinge und seine Vorstellungen über einen „Weltwinter“ durch Deutschland und die Schweiz und prägte den Begriff Eiszeit. Zusammen mit Charpentier und dem Schweizer Naturforscher Louis Agassiz wurde die Theorie weiterentwickelt und durch Forschungen an rezenten Gletscherlandschaften erhärtet. Das Problem des Transports der Findlinge durch das Eis der langsam fließenden Gletscher konnte als gelöst betrachtet werden. Es dauerte jedoch noch bis in die 1870er, bis sich die Theorie der Eiszeiten durchsetzte. Der Beitrag Schimpers, der keine Bücher schrieb, sondern nur mündliche Berichte oder kurze Schreiben abgegeben hatte, geriet dabei fast in Vergessenheit.
Kulturhistorie
In der Jungsteinzeit wurden Findlinge im Norden Mittel- und Westeuropas zum Bau von Hünengräbern verwendet. Diese mitteleuropäische Variante der paneuropäischen Großsteingräber ist primär im norddeutschen Raum (Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt), in den Niederlanden, in Polen und in Südskandinavien zu finden. Die unverbaut liegengelassenen riesigen Steinblöcke tragen (teils seltsame) Eigennamen, die meistens mit Sagen und Legenden verbunden sind. Aus behauenen Findlingen wurden neben Gebäuden auch Denkmäler gebaut, beispielsweise das Lindhoopdenkmal in Kirchlinteln.
Bekannte Findlinge
Deutschland
- Der Erratische Block in der allgäuer Marktgemeinde Weiler-Simmerberg war Europas größter Findling, wurde aber bis ins 19. Jahrhundert hinein als Steinbruch und Materialquelle zum Kalkbrennen genutzt. Heute besitzt er noch etwa die Hälfte seines ursprünglich 4000m³ großen Volumens
- Etwa 300 m vor der Küste von Rügen, bei Göhren liegt der größte Findling Norddeutschlands, der Buskam. Sein Volumen beträgt 600 m³, was einer Masse von 1.600 t entspricht.
- Der Dengelstein im Kempter Wald (Allgäu) gilt mit ca 3.000m³ Volumen und 7.900 Tonnen Gewicht als der größte Findling im Iller-Vorlandgletschergebiet.
- Die Markgrafensteine in den Rauenschen Bergen bei Bad Saarow, Brandenburg. Der Große Markgrafenstein war ursprünglich der größte landliegende Findling in Deutschland (heute zerteilt). Der Kleine Markgrafenstein ist jetzt der größte Findling Brandenburgs. Beide Steine bestehen aus Granit, der ursprünglich aus Südschweden stammt.
- Der Große Stein bei Altentreptow, Mecklenburg-Vorpommern, auf dem Klosterberg; Länge 8,2 m, Breite 6 m, Höhe 5,2 m = 133 m³ = 360 t (Granit)
- Giebichenstein (330 t) bei Stöckse, Niedersachsen
- Der Große Stein bei Nardevitz (281 t) auf Rügen (einst dreimal so groß; aus ihm wurden Mitte des 19. Jahrhunderts die sogenannten Preußensäulen und Bauteile für den Ernst-Moritz-Arndt-Turm auf dem Rugard bei Bergen auf Rügen geschlagen)
- Der Kobbelner Stein (256 t) bei Kobbeln in der Gemeinde Neuzelle, Brandenburg
- Der Findling Alter Schwede bei Övelgönne Hamburg; er hat einen Umfang von 19,7 m bei einer Höhe von 4,5 m (217 t). Er wurde 1999 bei Baggerarbeiten in der Elbe gefunden und am Elbufer aufgestellt.
- Die Johannissteine bei Lage (Lippe); Der größte Findling ist 6,20 Meter lang, 5,50 Meter breit und wiegt ca. 200 Tonnen.
- Der Düwelstein von Großkönigsförde Schleswig-Holstein ca. (200 t)
- Siebenschneiderstein (165 t) am Gellort auf Rügen, Mecklenburg-Vorpommern
- Der Schwanenstein (162 t) von Lohme (Rügen). Er gilt als einer der schönsten Findlinge.
- Der Wandhoff-Riesenfindling (126 t) liegt im "Findlingsgarten" von Kreuzfeld bei Malente-Gremsmühlen.
- Klein Helgoland (Uskam) (110 t) an der nördlichen Strandpromenade von Sassnitz (Rügen)
- Ventschau, (100 t), Landkreis Lüneburg. Vor ca. 150.000 Jahren während der Saale-Eiszeit dorthin verbracht.
- Jastor (91 t) an der Zufahrt zum neuen Fährhafen Sassnitz, 1983 im Hafenbecken entdeckt, 2002 geborgen
- Dicker Stein (90 t), Ahlen
- Findling Babelsberg, Großbeerenstraße, Potsdam-Babelsberg, Brandenburg
- Findling Ewald in Hennickendorf, Ortsteil der Gemeinde Nuthe-Urstromtal, Brandenburg
- Bismarckstein und Landwehrmannstein bei Treuenbrietzen in Brandenburg
- Der Große Stein in Rahden-Tonnenheide (Kreis Minden-Lübbecke), ist 10 Meter lang, 7 Meter breit, 3 Meter hoch und hat ein Gewicht von ca. 350 Tonnen.
- Das Holtwicker Ei (ca. 30 t), Wahrzeichen des Ortes Holtwick (Gemeinde Rosendahl) im westlichen Münsterland (Kreis Coesfeld)
Dänemark (Vandreblok)
- Damme- oder Hesselagerstenen auf Fünen, der größte Findling Dänemarks; 370 m³ und 1.000 t
- Hvissingesten wurde 1966 auf Seeland gefunden, wiegt 250 t
- Sjælland und Skåne (Schonen) wurden zwei Findlinge genannt, die beim Bau der Verbindung zwischen Seeland und Schweden aus dem Meer geholt und am Strand der künstlichen Insel Peberholm aufgestellt wurden. Sie wiegen 105 t bzw. 75 t.
- Rokkestenen auf Bornholm wiegt 35 t und ist ein Wackelstein
- Tirslundstein (Tirslundstenen) bei Brørup auf Jütland, ist 3,5 m hoch
Schweiz
- Der rund 1.000 m³ große Pflugstein in Herrliberg, Kanton Zürich, Schweiz
- Die 1.200 m³ messende Grossi Flue in Steinhof, Kanton Solothurn, Schweiz
- Der 175 m³ Agassiz-Stein (ursprünglich Erratiker) zum Mont Vully im Kt. Freiburg verlagert
- Der Erdmannlistein zwischen Wohlen und Bremgarten
- Die beiden Pierre du Niton im Genfer Hafenbecken. Der größere von ihnen ist als Repère Pierre du Niton seit Mitte des 19. Jahrhunderts der Referenzpunkt der Schweizer Landvermessung.
Sonstige
- Der Puntukas-Findling in Litauen wiegt 265 t und ist der größte im Land. Auf ihm befinden sich die Basreliefs zweier berühmter Piloten, S. Darius und S. Girenas, die 1933 den Atlantik in ihrem Flugzeug „Lituanica“ überquerten.
- Der Findling am Monte Cimino bei Soriano nel Cimino, Provinz Viterbo Italien ist vulkanischen Ursprungs. Dieser Stein wurde bereits von Plinius beschrieben, denn der mehrere Tonnen wiegende Findling lässt sich bewegen, das heißt, er hält sich mit der Auflagefläche in der Waage.
- Die beiden Big-Rock-Findlinge nahe Okotoks in Kanada
Siehe auch
Literatur
- Hesemann, J.: Kristalline Geschiebe der nordischen Vereisungen, Geolog. Landesamt Nordrhein-Westfalen, Krefeld 1975.
- Smed, P.; Ehlers, J.: Steine aus dem Norden. Geschiebe als Zeugen der Eiszeit in Norddeutschland, Borntraeger, Stuttgart 2002, 194 S., ISBN 3-4430104-6-6.