„Phantomtor“ – Versionsunterschied

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== Weiterführende Literatur ==
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* Schäfer-Hock, Christian 2017: [http://doi.org/bvfn Stefan Kießlings Phantomtor und die Zunahme gesellschaftlicher Überwachung. Vorschlag für eine Intensivierungsspirale auf Grundlage eines Mehrebenenmodells der Öffentlichkeit.] In: Grimmer, Christoph (Hg.): Der Einsatz Sozialer Medien im Sport. Gestaltung, Vermarktung, Monetarisierung (ISBN 978-3-658-13587-4), Wiesbaden: Springer VS, S. 45–60.
* Schäfer-Hock, Christian: ''Stefan Kießlings Phantomtor und die Zunahme gesellschaftlicher Überwachung. Vorschlag für eine Intensivierungsspirale auf Grundlage eines Mehrebenenmodells der Öffentlichkeit.'' In: Grimmer, Christoph (Hg.): Der Einsatz Sozialer Medien im Sport. Gestaltung, Vermarktung, Monetarisierung (ISBN 978-3-658-13587-4), Wiesbaden: Springer VS, 2017, S. 45–60. {{doi|10.1007/978-3-658-13588-1_3}}


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Version vom 15. September 2017, 17:12 Uhr

Phantomtor (von griechisch ‚Phantasma‘, ‚Phantasie‘, was „Trugbild“, „unwirkliche Erscheinung“ oder „Einbildung“ bedeutet) ist eine Bezeichnung aus der Sportberichterstattung und steht für ein Tor, das vom Schiedsrichter anerkannt wird, obwohl der Ball oder Puck die Torlinie nicht den Regeln entsprechend überschritten hat. Die Bezeichnung wird auf das wohl bekannteste Phantomtor im Jahr 1994 durch Thomas Helmer in der Fußball-Bundesliga zurückgeführt.

Eishockey

In der DEL-Saison 2003 endete ein Spiel zwischen den Kölner Haien und den DEG Metro Stars 6:4. In der 49. Minute erzielte Steve Palmer das vermeintliche 5:4 für die Kölner. Schiedsrichter Hellwig zog den Videobeweis, wie im Eishockey bei strittigen Entscheidungen üblich, zu Rate. Er verwendete die Übertorkamera und entschied auf Tor. Die Fernsehbilder lösten später jedoch klar auf, dass der Puck die Linie nicht überschritten hatte. Die Metro Stars legten nach dem Spiel Protest ein. Dieser wurde abgewiesen und das Ergebnis hatte Bestand.

In der Partie USA gegen Finnland bei der Eishockey-Weltmeisterschaft 2008 übersah der Videorichter beim 1:2-Anschlusstreffer durch Ville Koistinen, dass der Puck durch ein Loch im Netz von der Seite ins Tor gelangt war. Auch dank dieses Treffers gewannen die Finnen das Spiel am Ende mit 3:2. Beide Mannschaften waren jedoch schon vor dem Spiel für das Viertelfinale qualifiziert.

Fußball

Reinhold Wosab, 1965 (Bundesliga)

Das erste Phantomtor in der deutschen Bundesliga erzielte Reinhold Wosab am 27. März 1965 im Spiel Borussia Dortmund gegen Karlsruher SC. Sein Treffer zum 4:1 für Dortmund in der 74. Minute war irregulär, da der Ball durch das Außennetz ins Tor gelangte. Das Endergebnis dieser Begegnung des 25. Spieltags lautete 5:1. Ein Wiederholungsspiel gab es nicht.[1]

Dieter Kobel, 1978 (Zweite Bundesliga Süd)

Am 21. Oktober 1978 erlebte die Zweite Bundesliga Süd ein Phantomtor. In der 63. Minute der Begegnung des 12. Spieltags zwischen Borussia Neunkirchen und den Stuttgarter Kickers (Endstand 4:3) ging ein Schuss von Dieter Kobel[2] beim Stand von 3:3 am Tor vorbei. Der Ball sprang von hinten am Netz so hoch, dass der Eindruck entstand, er sei im Tor – und der Schiedsrichter entschied, auch mit Unterstützung seines Linienrichters, auf Tor. Angesichts der Fernsehbilder wurde das Spiel nicht gewertet und neu angesetzt; die Stuttgarter Kickers gewannen das Wiederholungsspiel mit 1:0. Es war das erste Mal, dass eine sogenannte Tatsachenentscheidung eines Schiedsrichters nicht Bestand hatte.

Arne Larsen Økland, 1981 (Bundesliga)

Ein weiteres Phantomtor in der Fußball-Bundesliga fiel am 7. März 1981 im Spiel TSV Bayer 04 Leverkusen gegen Bayern München. Beim Spielstand von 3:0 für Leverkusen traf dessen Stürmer Arne Larsen Økland, dem in der ersten Halbzeit ein Hattrick gelungen war, die rechte Netzstange hinter dem Tor. Von dort prallte der Ball so ans Außennetz, dass Schiedsrichter Udo Horeis zunächst auf Tor erkannte. Dass der Ball nicht im Tor war, teilte Økland jedoch kurz vor dem folgenden Anstoß dem Unparteiischen mit, der seine Entscheidung daraufhin revidierte und das Spiel mit einem Abstoß für Bayern München fortsetzen ließ. Für seine Aktion erhielt der norwegische Stürmer später die Fair-Play-Plakette des Weltverbandes FIFA.[3]

Thomas Helmer, 1994 (Bundesliga)

Das vermutlich bekannteste Phantomtor gelang Thomas Helmer am 23. April 1994 am 32. (drittletzten) Spieltag für den FC Bayern München gegen den 1. FC Nürnberg.

In der 26. Spielminute beförderte Helmer in einer undurchsichtigen Situation im Strafraum den Ball Richtung Nürnberger Tor. Er verfehlte, und der Ball rollte am linken Pfosten vorbei über die Torauslinie. Linienrichter Jablonski hingegen signalisierte dem Schiedsrichter Hans-Joachim Osmers ein Tor. Osmers erkannte den Treffer an, und Bayern München gewann das Spiel 2:1 (inklusive Phantomtor). Im Nachhinein erklärte der DFB das Tor für ungültig und begründete dies mit einem Regelverstoß des Schiedsrichters. Eine Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters sei zwar grundsätzlich endgültig, nach Auffassung des DFB-Sportgerichts lag eine solche allerdings gerade nicht vor: Der Schiedsrichter habe sich per Blickkontakt auf die Entscheidung des Linienrichters verlassen. Dieser wollte dem Referee in diesem Moment allerdings gar nicht signalisieren, ob ein Tor zu geben sei oder nicht, sondern beurteilte eine vorherige Spielsituation. Der Schiedsrichter müsse sich davon überzeugen, dass der Linienrichter ihm auch tatsächlich zu genau der Situation Auskunft erteilt, zu der er Informationen wünscht. Dass er dies hier nicht getan habe, sei der entscheidende Regelverstoß. Demnach liege keine Tatsachenentscheidung vor.[4] Daraufhin wurde das Spiel neu angesetzt. Bayern München gewann das Wiederholungsspiel mit 5:0.[5]

Im Nachinein betrachtet, stieg Nürnberg auch aufgrund eines verschossenen Elfmeters Manfred Schwabls ab und Bayern wurde durch den Sieg im Nachholspiel Deutscher Meister.

Jerren Nixon, 2001 (Nationalliga A)

Beim Klassiker zwischen dem FC St. Gallen und dem FC Basel auf dem Espenmoos am 22. April 2001 schlug der St. Galler Jerren Nixon in der 46. Minute eine Flanke, die der Basler Torhüter Miroslav König klar vor der Linie abwehrte. Zum Erstaunen aller entschied der Schiedsrichter auf Geheiß seines Assistenten auf Tor.[6] Der FC Basel verlor das Spiel mit 3:2 und legte einen Protest gegen die Wertung ein, welcher jedoch auf Grund der Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters abgewiesen wurde.[7]

Stefan Kießling, 2013 (Bundesliga)

Auch beim Erstligaspiel TSG 1899 Hoffenheim gegen Bayer 04 Leverkusen am 9. Spieltag am 18. Oktober 2013 gab es ein Phantomtor. Beim Stand von 0:1 köpfte Stefan Kießling (Leverkusen) von außen an das Seitennetz; der Ball landete aber durch ein Loch trotzdem innerhalb des Tornetzes. Schiedsrichter Felix Brych gab den „Treffer“. Das Spiel endete 1:2. Hoffenheim legte Einspruch gegen die Spielwertung ein,[8] der jedoch am 28. Oktober 2013 von dem Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes abgewiesen wurde, da es sich um eine Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters handele, die nach dem Regelwerk endgültig sei.[9] Bei Sportrechtlern stieß dieses Urteil auf ein geteiltes Echo.[10] Das Torgehäuse mitsamt dem löchrigen Netz befindet sich seit März 2015 im Auto- und Technikmuseum Sinsheim.[11]

Treffer des Typs „Wembley-Tor“

Mitunter werden auch vermeintliche Treffer, die dem Wembley-Tor ähneln, als Phantomtor bezeichnet. Dabei springt der Ball nach einem Schuss an die Latte, von dort auf den Boden, ohne die Linie zu überqueren, und anschließend wieder vom Tor weg – und das Schiedsrichtergespann entscheidet dennoch auf Tor. Das namensgebende und bekannteste Tor dieser Art, das Wembley-Tor, war der 3:2-„Treffer“ von Geoff Hurst im WM-Endspiel von 1966 zwischen der englischen und der deutschen Fußballnationalmannschaft im Londoner Wembley-Stadion. Das Spiel endete mit einem 4:2-Sieg der Engländer und deren einzigem Weltmeistertitel.

Am 17. Januar 2010 erlebte auch die eingleisige Zweite Bundesliga ihr erstes Phantomtor: In der 81. Minute der Begegnung des 18. Spieltags zwischen dem MSV Duisburg und dem FSV Frankfurt beförderte Duisburgs Angreifer Christian Tiffert den Ball an die Latte des Frankfurter Gehäuses; von dort landete er klar ersichtlich mindestens einen Meter vor der Torlinie und sprang zurück ins Feld, worauf Schiedsrichter-Assistent Thomas Münch zur Überraschung aller Tor signalisierte. Schiedsrichter Marco Fritz verließ sich auf seinen Assistenten und erkannte den Treffer an. Der DFB erklärte das Tor in diesem Fall für gültig und berief sich dabei auf die Tatsachenentscheidung des Referees. Der FSV verzichtete angesichts des klaren Resultats von 5:0 für Duisburg auf einen Protest.[12]

Ein Phantomtor ereignete sich auch in der dritten Viertelfinalpartie der Fußball-Afrikameisterschaft 2010 zwischen Ägypten und Kamerun. Kameruns Torwart Idriss Carlos Kameni ließ einen Freistoß von Ahmed Hassan an die Latte abprallen, von welcher der Ball vor der Torlinie aufsprang. Schiedsrichter Jerome Damon erkannte jedoch auf Tor.

Marcell Jansen erzielte in der Bundesliga-Partie am 6. März 2011 zwischen dem Hamburger SV und dem 1. FSV Mainz 05 ein Phantomtor, nachdem sein Volleyschuss von der Latte aus klar vor der Grundlinie aufgesprungen war. Schiedsrichter Babak Rafati entschied auf Anraten des Schiedsrichterassistenten Christoph Bornhorst jedoch auf Tor.[13][14]

Handball

Nach Abpfiff des Spiels der Zweiten Bundesliga Nord zwischen dem SV Post Schwerin und dem ASV Hamm herrschte Unklarheit über das genaue Endergebnis. Presse und Zuschauer hatten einen 26:23-Sieg der Schweriner gesehen. Das Kampfgericht vermerkte im Spielberichtsbogen hingegen ein 26:24. Der vermeintliche Treffer wurde Gästespieler David Kreckler gutgeschrieben.

Gravierender war allerdings ein Fehler, der dem Schiedsrichtergespann Hagen Becker und Axel Hack (Halberstadt) am 25. März 2006 beim Handball-Erstligaspiel der SG Kronau/Östringen gegen die HSG Düsseldorf in der Mannheimer SAP-Arena unterlief. Beim Stand von 10:8 (24. Minute) verkürzte der Düsseldorfer Frank Berblinger auf 10:9, auf der Anzeigetafel aber leuchtete 11:8 für die SG auf. Nach Rücksprache mit den Zeitnehmern korrigierten die Unparteiischen die Anzeige des Spielstands, doch zur Verblüffung aller hieß es nun 11:9. Die Referees hatten irrtümlich auch Kronau/Östringen einen Treffer zugesprochen. Hallensprecher Jürgen Essig versuchte vergeblich, die Unparteiischen auf ihren Fauxpas aufmerksam zu machen; er erhielt stattdessen sogar die Gelbe Karte. Am Ende siegte die SG Kronau/Östringen dank des „Phantomtores“ mit 26:25. Düsseldorf legte Einspruch beim Bundessportgericht ein. Das Gericht setzte ein Wiederholungsspiel an, das die SG Kronau/Östringen am 17. Mai 2006 in Eppelheim mit 34:24 für sich entschied.

Hockey

Bei der Hockey Champions Trophy der Herren in Chennai 2005 löste das 1:0 der Australier gegen Deutschland (Endstand 4:1) große Verwirrung aus. Der Ball, geschossen von Jamie Dwyer, rollte durch ein Loch im Tornetz ins Tor. Der Schiedsrichter gab den Treffer.

Weiterführende Literatur

  • Schäfer-Hock, Christian: Stefan Kießlings Phantomtor und die Zunahme gesellschaftlicher Überwachung. Vorschlag für eine Intensivierungsspirale auf Grundlage eines Mehrebenenmodells der Öffentlichkeit. In: Grimmer, Christoph (Hg.): Der Einsatz Sozialer Medien im Sport. Gestaltung, Vermarktung, Monetarisierung (ISBN 978-3-658-13587-4), Wiesbaden: Springer VS, 2017, S. 45–60. doi:10.1007/978-3-658-13588-1_3

Einzelnachweise

  1. O. N.: Spielbericht Borussia Dortmund – Karlsruher SC. KSC hielt die Partie lange offen. In: fussballdaten.de, o. J., abgerufen am 6. November 2013.
  2. Stephan Reich: Dieter Kobel über das erste Phantomtor. „Tumultartige Szenen“. In: 11freunde.de, 25. Oktober 2013, abgerufen am 6. November 2013.
  3. O. N.: 1981: Ökland weist Schiri auf Phantom-Tor hin: Schon im Jahr 1981 hat es in der Fußball-Bundesliga ein Phantom-Tor mit Leverkusener Beteiligung gegeben. In: handelsblatt.com, 19. Oktober 2013, abgerufen am 19. Oktober 2013.
  4. Tobias Fuchs: Zur Wiedervorlage. In: Ellenfeldstrasse.de, 20. Oktober 2013, abgerufen am 21. Oktober 2013.
  5. U. Muras: Als Sportkamerad Jablonski sah, was keiner sah. In: Die Welt, 23. April 2004, abgerufen am 6. November 2013.
  6. Phantom-Tor in St. Gallen - FC Basel verlor in der 96. Minute In: fussball.ch, 22. April 2001, abgerufen am 17. Dezember 2014.
  7. Phantomtor von St. Gallen: Es bleibt dabei..! In: fussball.ch, 1. Mai 2001, abgerufen am 17. Dezember 2014.
  8. O. N.: Hoffenheim kündigt nach Phantom-Tor Protest an. In: Rhein-Zeitung, 18. Oktober 2013, abgerufen am 6. November 2013.
  9. O. N.: Kießlings Phantomtor: Hoffenheim bekommt kein Wiederholungsspiel. In: Spiegel Online, 28. Oktober 2013, abgerufen am 6. November 2013.
  10. O. N.: Phantomtor-Urteil: „DFB-Sportgericht hat wichtige Chance verpasst“. In: Spiegel Online, 28. Oktober 2013, abgerufen am 6. November 2013.
  11. TSG-„Phantomtor“ kommt ins Museum. Rhein-Neckar-Zeitung, 31. März 2015, abgerufen am gleichen Tage.
  12. Tiffert und die Fair-Play-Frage, Artikel der Rheinischen Post vom 18. Januar 2010
  13. O. N.: Jansens Phantomtor. In: Hamburger Morgenpost, 6. März 2011, abgerufen am 6. November 2013.
  14. O. N.: Schürrle der Matchwinner gegen den HSV. In: fussball.de, 6. März 2011, abgerufen am 6. November 2013.