Automobil-Weltmeisterschaft 1957
Weltmeister | |
Fahrer: | Juan Manuel Fangio |
Saisondaten | |
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Anzahl Rennen: | 8 |
< Saison 1956 |
Die Automobil-Weltmeisterschaft 1957 war die 8. Saison der Automobil-Weltmeisterschaft, die heutzutage als Formel-1-Weltmeisterschaft bezeichnet wird. In ihrem Rahmen wurde über acht Rennen in der Zeit vom 13. Januar 1957 bis zum 8. September 1957 die Fahrerweltmeisterschaft ausgetragen. Juan Manuel Fangio gewann zum fünften Mal die Fahrerweltmeisterschaft.
Der FIA-Ehrentitel Großer Preis von Europa wurde 1957 an den Großen Preis von Großbritannien vergeben.
Die Saison war ein fast gleichwertiger Dreikampf der Teams Maserati, Vanwall und Ferrari um die Fahrerweltmeisterschaft. Nachdem sich Fangio trotz seines Vorjahreserfolges bei Ferrari unwohl fühlte, wechselte er zu Maserati. Deren Modell 250 F schien nun so weit ausgereift, dass es zum Titelgewinn reichen sollte. Vanwall war als drittes Team konkurrenzfähig, scheiterte aber letzten Endes an der wechselnden Tagesform, technischen Defekten und kranken Piloten.
Erstmals sah die Formel 1 einen Boykott eines Grand Prix bzw. die Absage von zwei Rennen durch die FIA wegen finanzieller Schwierigkeiten. Als großer Verlierer dieses Jahres ist Peter Collins zu sehen, der vor Beginn der Saison als WM-Favorit galt.
Die WM-Läufe
GP Argentinien – Buenos Aires (13. Januar 1957)
Platz | Fahrer | Team | Zeit |
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1 | Juan Manuel Fangio | Maserati | 3:00:55,6 |
2 | Jean Behra | Maserati | + 18,3 |
3 | Carlos Menditéguy | Maserati | + 1 Runde |
4 | Harry Schell | Maserati | + 2 Runden |
5 | J. F. González/A. de Portago | Ferrari | + 2 Runden |
Angesichts des sehr frühen Saisonsstarts fuhren alle Teams die Vorjahreswagen mit geringfügigen Überarbeitungen. Das ganze Rennen war eine erbitterte Auseinandersetzung der beiden italienischen Hersteller Ferrari und Maserati. Moss, der hier noch ein Rennen für Maserati absolvierte, konnte aus seiner Pole-Position heraus nicht den gewünschten Erfolg erzielen, da er sich beim Start extrem verschaltete, sodass sein Getriebe empfindlich beschädigt wurde. Neben Behra hatte auch Castellotti durchaus Siegchancen, aber ein Dreher ließ ihn weit zurückfallen, bis er mit einem mechanischen Defekt aufgeben musste. (Zwei Monate später starb Eugenio Castellotti bei Testfahrten in Monza.) Nachdem der einzige Ferrari-Fahrer mit reellen Siegchancen ausgeschieden war, konnte Fangio seinen Sieg und den fast vollständigen Triumph Maseratis feiern.
GP Monte Carlo – Monaco (19. Mai 1957)
Platz | Fahrer | Team | Zeit |
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1 | Juan Manuel Fangio | Maserati | 3:10:12,8 |
2 | Tony Brooks | Vanwall | + 25,2 |
3 | Masten Gregory | Maserati | + 2 Runden |
4 | Stuart Lewis-Evans | Connaught-Alta | + 3 Runden |
5 | Maurice Trintignant | Ferrari | + 5 Runden |
Zum ersten und einzigen Male wurde der Grand Prix von Monaco über 105 statt der üblichen 100 Runden abgehalten. Moss, der ab sofort für Vanwall fuhr, führte nach dem Start, geriet aber schon nach vier Runden in die Leitplanken; seine Verfolger Collins und Hawthorn konnten nicht mehr ausweichen und schieden ebenfalls aus. Fangios Sieg im zweiten Rennen hintereinander war somit ungefährdet. In Monte Carlo fuhr Jack Brabham erstmals den neuen, in konsequenter Leichtbauweise konzipierten Cooper T43. Er schlug sich hervorragend und lag mit dem Mittelmotor-Monoposto auf dem dritten Rang, als ihm der Treibstoff ausging. Ohne zu zögern, schob Brabham den Wagen über die Ziellinie, wo er als Sechster gewertet wurde.
500 Meilen von Indianapolis – Indianapolis (30. Mai 1957)
Platz | Fahrer | Team | Zeit |
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1 | Sam Hanks | Salih-Epperly-Offenhauser | 3:41:14,25 |
2 | Jim Rathmann | Epperly-Offenhauser | + 21,46 |
3 | Jimmy Bryan | Kuzma-Offenhauser | + 2:13,97 |
4 | Paul Russo | Kurtis-Novi | + 2:56,86 |
5 | Andy Linden | Kurtis Kraft-Offenhauser | + 3:14,27 |
Sam Hanks, einer der erfolgreichsten amerikanischen Fahrer der 1950er-Jahre, feierte mit seinem von George Salih modifizierten Epperly-Chassis mit extrem tiefem Schwerpunkt dank des liegend eingebauten Vierzylinders einen ungefährdeten Sieg. Noch beim Siegerinterview verkündete er unter Tränen seinen Rücktritt vom Rennsport. Europäer waren nicht am Start, nachdem Giuseppe Farina seine Pläne durch den tödlichen Unfall des Testfahrers Keith Andrews, bei dem auch der Wagen zerstört wurde, aufgab.
GP Frankreich – Rouen (7. Juli 1957)
Platz | Fahrer | Team | Zeit |
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1 | Juan Manuel Fangio | Maserati | 3:07:46,4 |
2 | Luigi Musso | Ferrari | + 50,8 |
3 | Peter Collins | Ferrari | + 2:06,6 |
4 | Mike Hawthorn | Ferrari | + 1 Runde |
5 | Harry Schell | Maserati | + 7 Runden |
Nachdem der GP der Niederlande und Belgiens, die für den 2. und 16. Juni vorgesehen waren, aus finanziellen Uneinigkeiten abgesagt wurden, kam es zu einer sechswöchigen Rennpause vor dem GP des Automobilclubs von Frankreich, der zum zweiten Mal in Rouen-les-Essarts ausgetragen wurde. Moss fehlte wegen eines Infekts und Brooks litt noch an den Verletzungen seines Le-Mans-Unfalls, sodass Roy Salvadori von B.R.M. zu Vanwall wechselte. Seinerseits ersetzte ihn der US-Amerikaner Herbert MacKay-Fraser, der im Rennen zunächst für die Überraschung sorgte. Fangio konnte die Pole-Position nicht direkt umsetzen und wurde von den Blitzstartern Musso und Behra überrumpelt. Hinter Collins und Schell hatte sich da schon MacKay-Fraser vom 12. Startplatz nach vorn katapultiert. Es sah überraschend gut für B.R.M. aus, doch ein „Highspeedcrash“ seines Kollegen Flockhart, bei dem der Pilot unverletzt blieb, und das Abscheren der Antriebswelle bei MacKay-Fraser sorgte wieder einmal für eine „Denkpause“ des Teams. Ab der vierten Runde war Fangio der Sieg nicht mehr zu nehmen, während Collins die meisten anderen überholen konnte. MacKay-Fraser starb nur wenige Tage nach dem GP von Frankreich bei einem Formel-2-Rennen auf einem Lotus in Reims.
GP Großbritannien / GP Europa – Aintree (20. Juli 1957)
Platz | Fahrer | Team | Zeit |
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1 | T. Brooks/S. Moss | Vanwall | 3:06:37,8 |
2 | Luigi Musso | Ferrari | + 25,6 |
3 | Mike Hawthorn | Ferrari | + 42,8 |
4 | M. Trintignant/P. Collins | Ferrari | + 2 Runden |
5 | Roy Salvadori | Cooper-Climax | + 5 Runden |
Beide Vanwall-Stammpiloten kehrten mit viel Furore in die Saison zurück. Während sie mit dem ersten (Moss) und dritten Startplatz (Brooks) gute Startplatzierungen erzielten, schwächelten Fangio und die Maseratis in ungewohnter Weise. Zeitweilig lagen vier britische Piloten zur Freude des heimischen Publikums auf den ersten fünf Rängen. Behra, der zu Anfang sogar führte, schied wie Fangio durch einen technischen Defekt aus. Somit siegte Moss, der nach Fehlzündungen Brooks' Wagen übernommen hatte, als erster britischer Pilot auf einem heimischen Monoposto bei einem Weltmeisterschaftsrennen. Daneben ging ein wenig unter, dass Salvadori die ersten Punkte für den neuen Cooper-Climax erzielt hatte.
GP Deutschland – Nürburgring (4. August 1957)
Platz | Fahrer | Team | Zeit |
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1 | Juan Manuel Fangio | Maserati | 3:30:38,3 |
2 | Mike Hawthorn | Ferrari | + 3,6 |
3 | Peter Collins | Ferrari | + 35,6 |
4 | Luigi Musso | Ferrari | + 3:37,6 |
5 | Stirling Moss | Vanwall | + 4:37,5 |
Von manchen Rennsporthistorikern und Journalisten wird dieses Rennen als das „größte aller Zeiten“ beschrieben. Hatten die Vanwall-Piloten in Aintree ihre Chance gehabt, so sollten hier die Ferrari- und Maserati-Piloten ihre Revanche erhalten. Bereits in der Startaufstellung waren sie allesamt besser platziert. Fangio erkämpfte die Pole-Position und stritt fortan mit Hawthorn und Collins um die Führung, die er bis zur Mitte des Rennens behauptete. Dann machte er einen notwendigen Boxenstopp, denn der Tankinhalt des Maserati reichte nicht für die ganze Renndistanz. Die Hinterreifen wurden gewechselt. Vielleicht wiegte er auch durch bewusstes Verzögern die Ferrari-Crew in Sicherheit; „… er schien nicht mehr in den Spitzenkampf eingreifen zu wollen“, sagt Richard von Frankenberg in seinem Buch Die großen Fahrer unserer Zeit. Nach zwei Runden, in denen er ein eher mäßiges Tempo anschlug, fuhr er nun eine Rekordrunde nach der anderen. Fangio gab später zu, nie wieder ein derartiges Risiko eingehen zu wollen. So stellte er nach dem ersten Überholen von Collins am Ende der Gegengeraden den Wagen quer, um Geschwindigkeit abzubauen, und rutschte bis an den Außenrand der Strecke, blieb aber auf der Bahn. Collins konnte Fangio dadurch innen zunächst erneut überholen. Aber in den ersten Kurven der Hatzenbach fuhr Fangio dann endgültig vor. Noch in der Schlussrunde überholte er Hawthorn und gewann damit seine fünfte Weltmeisterschaft.
GP Pescara – Pescara (18. August 1957)
Platz | Fahrer | Team | Zeit |
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1 | Stirling Moss | Vanwall | 2:59:22,7 |
2 | Juan Manuel Fangio | Maserati | + 3:13,9 |
3 | Harry Schell | Maserati | + 6:46,8 |
4 | Masten Gregory | Maserati | + 8:16,5 |
5 | Stuart Lewis-Evans | Vanwall | + 1 Runde |
Nachdem der belgische und niederländische Grand Prix abgesagt worden waren, nahm die FIA ausnahmsweise den Großen Preis von Pescara in den Weltmeisterschaftskalender auf. Auf dem über 25 km langen und anspruchsvollen Kurs durch Pescara und umliegende Gemeinden hatten schon seit 1924 GP-Rennen stattgefunden. Da gegen Ferrari wegen der Mille-Miglia-Tragödie ermittelt wurde, ein Probetraining auf den Landstraßen schwierig und die Weltmeisterschaft bereits vergeben war, lehnte Enzo Ferrari eine offizielle Teilnahme der Scuderia Ferrari ab. Mit Mühe überzeugte ihn Musso, wenigstens als Privatier mit einem Ferrari starten zu dürfen. Als Drittplatzierter lag er zwar schnell in Führung, musste wie viele aber aufgrund der hohen Temperaturen mit technischem Defekt aufgeben, sodass Moss mit großem Vorsprung gewinnen konnte. Von 16 Teilnehmern kamen nur 7 ins Ziel. Noch in der Startphase gab es einen Unfall, als der Privatier Horace Gould einen Mechaniker anfuhr, der nicht schnell genug aus der Startaufstellung verschwunden war.
GP Italien – Monza (8. September 1957)
Platz | Fahrer | Team | Zeit |
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1 | Stirling Moss | Vanwall | 2:59:22,7 |
2 | Juan Manuel Fangio | Maserati | + 41,2 |
3 | Wolfgang Graf Berghe von Trips | Ferrari | + 2 Runden |
4 | Masten Gregory | Maserati | + 2 Runden |
5 | G. Scarlatti/H. Schell | Maserati | + 3 Runden |
Die erhöhten Steilwände waren 1957 in Monza für das Rennen gesperrt, sodass der Streckenverlauf dem heutigen ähnelte. Nach dem Pescara-Boykott von Ferrari waren nun wieder alle drei großen Teams angetreten. Auf den ersten drei Startplätzen präsentierten sich jedoch ausschließlich britische Piloten auf Vanwall: Lewis-Evans, Moss und Brooks. Fangio hingegen stand in der dritten Startreihe. Im Rennen entwickelte sich das Monza-typische Windschatten-Duell mit wechselnden Führungen. Brooks und Lewis-Evans bekamen technische Probleme, sodass der Sieg für Moss greifbar wurde. Berghe von Trips hingegen „erbte“ den dritten Platz von seinen Teamkollegen Collins und Hawthorn, die beide mit Motor- bzw. Ölpumpenproblemen scheiterten.
Fahrerwertung
1 | Juan Manuel Fangio | Maserati | 40 (46) |
---|---|---|---|
2 | Stirling Moss | Vanwall | 25 |
3 | Luigi Musso | Ferrari | 16 |
4 | Mike Hawthorn | Ferrari | 13 |
5 | Tony Brooks | Ferrari | 11 |
6 | Masten Gregory | Maserati | 10 |
7 | Harry Schell | Maserati | 10 |
8 | Sam Hanks | Salih-Epperly-Offenhauser | 8 |
9 | Peter Collins | Ferrari | 8 |
10 | Jim Rathmann | Epperly-Offenhauser | 7 |
11 | Jean Behra | Maserati | 6 |
12 | Stuart Lewis-Evans | Vanwall/Connaught-Alta | 5 |
13 | Maurice Trintignant | Ferrari | 5 |
14 | Wolfgang Graf Berghe von Trips | Ferrari | 4 |
15 | Carlos Menditéguy | Maserati | 4 |
16 | Jimmy Bryan | Kuzma-Offenhauser | 4 |
17 | Paul Russo | Kurtis-Novi | 3 |
18 | Roy Salvadori | Cooper-Climax | 2 |
19 | Andy Linden | Kurtis-Offenhauser | 2 |
20 | Giorgio Scarlatti | Maserati | 1 |
21 | Alfonso de Portago | Ferrari | 1 |
22 | José Froilán González | Ferrari | 1 |
Die ersten fünf jedes Rennens bekamen 8, 6, 4, 3 bzw. 2 Punkte, einen weiteren Punkt gab es für die schnellste Rennrunde. Die besten fünf Resultate der insgesamt acht Rennen wurden gewertet.