Donezbecken

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Oblaste Donezk und Luhansk, in denen der ukrainische Teil des Donezbeckens liegt

Das Donezbecken (ukrainisch Донецький басейн/Donezkyj bassejn, russisch Донецкий бассейн/Donezki bassein, Kurzform ukrainisch Донбас/Donbas, russisch Донбасс/Donbass) ist ein großes Steinkohle- und Industriegebiet beiderseits der russisch-ukrainischen Grenze.

Geographie

Das Donezbecken wird im Nordostteil vom namensgebenden Siwerskyj Donez (russisch Sewerski Donez, auch kurz Donez) durchflossen. Der Fluss entwässert über den Don in das Asowsche Meer. Innerhalb der Ukraine gehören der nördliche und mittlere Teile der Oblast Donezk, der südliche Teil der Oblast Luhansk und der äußerste Osten der Oblast Dnipropetrowsk zur Region, auf russischer Seite ist es der westliche Teil der Oblast Rostow. Das Zentrum des Donbass ist Donezk, die fünftgrößte Stadt der Ukraine. Größere Städte (über 100.000 Einwohner) sind außerdem Luhansk, Makijiwka, Horliwka, Kramatorsk und Slowjansk sowie Altschewsk, Sjewjerodonezk und Lyssytschansk.

Geschichte

Ein sowjetisches Poster von 1921 preist das Donezbecken als das Herz Russlands

Die Kohlevorkommen wurden Anfang des 18. Jahrhunderts entdeckt und werden seit 1770 ausgebeutet. Die Lagerstätten waren eine wichtige Voraussetzung für den Ausbau des russischen Eisenbahnnetzes gegen Ende des 19. Jahrhunderts.

Seit dem Beginn der 1930er Jahre arbeiteten in den Bergwerken des Donbass hunderte deutscher Bergleute, die sich angesichts ihrer Arbeitslosigkeit im Ruhrgebiet dorthin verpflichtet hatten. Soweit sie nicht bis 1935/36 zurückgekehrt waren, wurden sie fast alle Opfer der Stalinschen Säuberungen.

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden große Industriebetriebe im Donezbecken demontiert und mit ihren Facharbeitern nach Westsibirien in das Kusbass verlegt, um sie so vor dem deutschen Angriff zu schützen. So verwandelte sich das Kusnezker Becken in eine Rüstungsschmiede der sowjetischen Armee. Omsk, Nowosibirsk und Krasnojarsk sowie andere Städte hinter dem Ural entwickelten sich zu wichtigen Industriezentren. Im Zweiten Weltkrieg war das Donezbecken wegen seiner reichen Kohlegruben und deren strategischer Bedeutung ein Hauptangriffsziel des Unternehmens Barbarossa. Die Wehrmacht eroberte es bereits im Frühherbst 1941. Bei der Durchsetzung von Zwangsarbeit griff die deutsche Besatzung auf die „bewährten“, bis 1941 praktizierten stalinistischen Methoden zurück.[1] Zwei Jahre später gelang es der Roten Armee in der Donezbecken-Operation, es zurückzuerobern.

Ab 1944 wurden deutsche Kriegsgefangene in Lagern im Donbass wie Stalino[2] interniert und für Arbeiten in den Bergwerken eingesetzt.[3] Die Zahl der eingesetzten Kriegsgefangenen wurde auf 200.000 geschätzt.[4] 1944–1945 wurden auch Rumäniendeutsche aus Siebenbürgen und dem Banat hierher transportiert und zu ähnlichen Zwangsarbeiten gezwungen,[5] aus Jugoslawien verschleppten deutschstämmigen Zivilisten erging es in einem Lager bei Woroschilowgrad ähnlich.[6] Arbeitsunfälle, Unterernährung und Krankheiten wie Typhus forderten viele Opfer.

Seit April 2014 sind Teile des Donezbeckens Schauplatz des Krieges zwischen ukrainischen Truppen und prorussischen Separatisten.

Wirtschaft

Für die Schwerindustrie der Ukraine ist das Donbass bis heute so wichtig wie die Eisenerzvorkommen des Krywbass westlich des Dnepr. 1999 wurden im Donezgebiet jährlich 36 Mio. t Kohle gefördert.[7] Auf russischer Seite ist die Produktion zurückgegangen; sie betrug 1999 noch rund 10 Millionen t Kohle.[8]

Die Bergwerke sind ebenso wie die Anlagen zur Stahlproduktion durch ausbleibende Wartung und Investitionen inzwischen veraltet. Laut Angaben des ukrainischen statistischen Amts verzeichneten die Unternehmen im Donbass im ersten Quartal 2014 Verluste, die um 37 Prozent höher lagen als der Landesdurchschnitt. In absoluten Zahlen beliefen sie sich auf umgerechnet 1,8 Milliarden Euro, etwa 50 Prozent mehr als im gesamten Jahr 2013. Die Industrieproduktion des Donbass ging im Vergleich zur Vorjahresperiode um 13 Prozent zurück.[9]

Bevölkerung, Sprache und Politik – Ukraine

Anteil der Bewohner, die Russisch als Muttersprache sprechen, nach Regionen (Volkszählung 2001)

Die Bevölkerung des Donbass ist hauptsächlich russischsprachig. Die ukrainische Sprache ist hier deutlich weniger verbreitet, obwohl Ukrainer eine Mehrheit stellen. In der Politik ist die Partei der Regionen die stärkste Partei mit über 50 % der Stimmen (Stand 2009).

Die Bewohner russischer Abstammung konzentrieren sich vor allem in den größeren städtischen Ballungszentren. In den größeren Städten und besonders in den Oblasten Donezk und Luhansk dominiert das Russische als Muttersprache, wobei Russisch auch von vielen Ukrainern als Verkehrssprache verwendet wird. Die hohe Bedeutung der russischen Sprache in den Städten der Ostukraine rührt daher, dass im Zuge der Industrialisierung viele Russen in die neugegründeten Städte dieses Gebietes einwanderten (insbesondere aus der Oblast Kursk). So waren etwa bei der Volkszählung 1897 63,17 % der Bevölkerung der Stadt Charkiw russischer Abstammung. Das Ausmaß, in welchem die rurale ukrainische Bevölkerung in der Folgezeit in der Sowjetunion zur Abwanderung gezwungen und/oder ihr Tod durch eine angeblich systematische, vom Regime Stalins organisierte Hungersnot (Holodomor) in Kauf genommen wurde, ist Gegenstand anhaltender Forschungskontroversen, wird aber in diesen zwei Oblasten meist komplett bestritten. Fast die gesamte jüdische Bevölkerung, sofern nicht geflohen, wurde während der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg ausgelöscht.

Der Anteil derer, die Russisch als Muttersprache sprechen, ist höher als der der ethnischen Russen, da es auch ethnische Ukrainer und Angehörige anderer Nationalitäten gibt, die Russisch als Muttersprache angeben. Der Anteil liegt in Donezk bei 74,9 %, in Luhansk bei 68,8 %.[10] In den ukrainischen Regionen gab es 2001 große russische Minderheiten von 39 % in Luhansk und 38,2 % in Donezk.[11]

Literatur

  • Kléber Legay: Ein französischer Bergmann bei den Sowjets. Paris 1937.
  • Anatolij M. Mychnenko: Istorija Donbasu (1861-1945 rr). Donec'k 1999.
  • Wilhelm Mensing: Von der Ruhr in den GULag. Opfer des Stalinschen Massenterrors aus dem Ruhrgebiet. Klartext-Verlag, Essen 2001, ISBN 3-88474-788-6.
  • Tanja Penter: Die lokale Gesellschaft im Donbass unter deutscher Okkupation 1941–1943. In: Babette Quinkert, Christoph Dieckmann, Tatjana Tönsmeyer (Hg.): Kooperation und Verbrechen. Formen der »Kollaboration« im östlichen Europa 1939–1945. Wallstein, Göttingen 2003, ISBN 3-89244-690-3.
  • Tanja Penter: Kohle für Stalin und Hitler. Arbeiten und Leben im Donbass 1929 bis 1953 (Veröffentlichungen des Instituts für Soziale Bewegungen. Schriftenreihe C: Arbeitseinsatz und Zwangsarbeit im Bergbau, Bd. 8). Klartext-Verlag, Essen 2010, ISBN 978-3-8375-0019-6.
  • Ljudmila Belkin: Donbass. Zur Vielheit in der Ukraine. In: Faust-Kultur. 10. Januar 2015 (Online [abgerufen am 13. Januar 2015] Essay (Teil I)).
  • Andrew Wilson: The Donbas between Ukraine and Russia. The Use of History in Political Disputes. In: Journal of Contemporary History, Jg. 30 (1995), S. 265–289.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Tanja Penter: Arbeiten im Donbass unter Stalin und Hitler. Perspektiven einer Erfahrungsgeschichte. In: Babette Quinkert, Jörg Morré (Hg.): Deutsche Besatzung in der Sowjetunion 1941–1944. Vernichtungskrieg, Reaktionen, Erinnerung. Schöningh, Paderborn 2014, S. 229–246.
  2. Hans Horn: So lang die Flügel tragen. Norderstedt 2005, S. 207.
  3. Bericht auf der Seite http://www.kriegsgefangen.de
  4. Heinz Schenk: Bergbau im Donezbecken – Das Los der deutschen Zwangsarbeiter – Primitive Arbeitsbedingungen unter Tage. In: Die Zeit. Nr. 4, 27. Januar 1949, S. 10 (PDF, 381 Kb [abgerufen am 11. April 2014]).
  5. Berthold Neff: Das bewegende Schicksal von 165000 verschleppten Deutschen aus Südosteuropa. Nur noch Haut und Knochen, wankten sie durchs Lager. In: Beiträge zur Banater Geschichte: Verschleppung. Abgerufen am 11. April 2014.
  6. Pavel M. Polian: Die Deportationen deutscher Zivilisten aus Ost- und Südosteuropa in die Sowjetunion. Abgerufen am 11. April 2014.
  7. http://www.mbendi.com/indy/ming/coal/as/ua/p0005.htm
  8. Kurakov/Samofalov/Malikov/Kolomiets: Coal mining in the Russian Donetsk Basin. In: Coke and Chemistry, Jg. 53, Heft April 2010, S. 121–123 (englisch).
  9. Andreas Kappeler: Die Kinder des Sowjetkommunismus fühlen sich verraten, Neue Zürcher Zeitung, 25. Juni 2014.
  10. Volkszählung 2001: Sprachen
  11. Volkszählung 2001: Nationalitäten

Koordinaten: 48° 0′ N, 37° 48′ O