Eisenbahnunfall von Brühl

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Der Eisenbahnunfall von Brühl ereignete sich am 6. Februar 2000 im Bahnhof Brühl (Rheinland) an der Linken Rheinstrecke. Der von der Lok 101 092 gezogene D 203 Schweiz-Express von Amsterdam nach Basel fuhr mit überhöhter Geschwindigkeit über eine in abzweigender Lage gelegte Weiche und entgleiste. Dabei kamen neun Fahrgäste ums Leben.[1]

Vorgeschichte

Der Bahnhof von Brühl. Nach dem Unfall wurde er komplett saniert, wobei das Gleis 3, an dem sich der Unfall ereignete, abgebaut wurde. An dessen früherer Stelle sieht man ganz rechts die Schallschutzmauer.

Der Bahnhof Brühl besteht aus zwei Teilen, dem Güter- und dem Personenbahnhof. Züge, die wie der verunfallte Zug von Köln nach Bonn fahren, durchfahren zuerst den Güterbahnhof und dann den Personenbahnhof.

In der Unfallnacht war im Güterbahnhof Brühl das rechte der beiden durchgehenden Hauptgleise (Gleis 1) wegen Arbeiten gesperrt. Die Zugfahrten mussten deshalb auf das linke Gleis (Gleis 2) umgeleitet werden. Da im Güterbahnhof Brühl vor der Baustelle keine Überleitung vom rechten auf das linke Gleis vorgesehen ist, musste der Zug bereits am davorliegenden Bahnhof (Hürth-Kalscheuren) vom rechten auf das Gegengleis übergeleitet werden. Die Strecke zwischen Hürth-Kalscheuren und Brühl Güterbahnhof ist signaltechnisch für den Gleiswechselbetrieb ausgestattet, so dass dort ebenfalls mit hoher Geschwindigkeit gefahren werden kann. Diese entsprechende signaltechnische Ausrüstung war im Bahnhof Brühl für die durchgehenden Hauptgleise 1 und 2 zwischen den beiden Bahnhofsteilen nicht eingerichtet, ein Zwischensignal am Gleis 2 für den Übergang vom Güter- zum Personenbahnhof fehlte.

Für eine Durchfahrt des Bahnhofes Brühl auf dem linken durchgehenden Hauptgleis war daher sicherungstechnisch wegen fehlenden Hauptsignals keine Zugstraße vorgesehen. Daher musste der geplante Fahrweg von Hand gesichert und die Zugfahrt durch Ersatzsignal zugelassen werden. Die zulässige Geschwindigkeit bei einer Bahnhofseinfahrt auf Ersatzsignal beträgt für den anschließenden Weichenbereich 40 km/h.

Zum Schutz der benachbarten Baustelle war auf dem Gleis eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 120 km/h angeordnet worden, Züge in Richtung Bonn durften aber auf Grund der beschriebenen Signalisierung nur mit 40 km/h fahren. Es war hier also wegen der örtlichen Verhältnisse im Bahnhof Brühl die Besonderheit eingetreten, dass die Signalisierung einer Langsamfahrstelle für die eine Richtung erforderlich, für die andere hingegen überflüssig war. Deswegen sollten Langsamfahrscheiben mit der Kennziffer 12 (120 km/h) für die Fahrtrichtung Köln–Bonn nicht aufgestellt werden. Im Verzeichnis der Langsamfahrstellen (La), das der Triebfahrzeugführer während der Fahrt vor sich liegen hat, war die Beschränkung für die Fahrtrichtung des Unfallzuges von Streckenkilometer 13,5 bis Streckenkilometer 13,6 wie folgt angegeben:

  • für die Dauer der Bauarbeiten auf dem rechten Gleis: 120 km/h auf dem linken Gleis (irritierender Eintrag, da nur 40 km/h aufgrund des Ersatzsignals erlaubt)
  • für die Zeit nach den Bauarbeiten: 90 km/h auf dem rechten Gleis

Es konnte nicht endgültig geklärt werden, ob bereits zum Zeitpunkt des Unfalls kurz hinter dem Einfahrsignal von Brühl Güterbahnhof rechts neben dem linken Gleis eine Langsamfahrscheibe stand. Diese Langsamfahrscheibe wurde später dort aufgefunden, eventuell aber auch erst nach dem Unfall aufgestellt. Sie trug aber nicht die Kennziffer 12, sondern die Kennziffer 9 (90 km/h). Offenbar war sie schon für die Zeit nach den Bauarbeiten aufgestellt worden und sollte dann für das rechte Gleis gelten. In diesem Falle hätte sie aber normalerweise rechts neben dem rechten Gleis stehen müssen. Da dort wegen Weichen und anderer Signale Platzmangel herrschte, durfte sie auch links vom rechten Gleis, also rechts vom linken Gleis stehen – mit einer Zuordnungstafel (einem Pfeil) hätte aber verdeutlicht werden müssen, dass sie für das rechte Gleis gilt, da im Bahnhofsbereich Signale ansonsten immer rechts von dem Gleis stehen, für das sie gelten.

Unfallhergang

Bei der Einfahrt in den Bahnhof Hürth-Kalscheuren wurde dem Triebfahrzeugführer an einem Vorsignal angezeigt, dass das Ausfahrsignal den Hauptsignalbegriff Hp 2 (Langsamfahrt) anzeigen werde. Die Langsamfahrt ist erforderlich für die Fahrt über die Weichen vom rechten auf das linke Gleis. Der Triebfahrzeugführer bestätigte über das System der Punktförmigen Zugbeeinflussung (PZB), dieses Vorsignal erkannt zu haben, bremste und wechselte mit der vorschriftsmäßig gesenkten Geschwindigkeit vom rechten auf das linke Gleis. Das Ausfahrsignal Hp 2 gilt, bis der letzte Wagen des Zuges den anschließenden Weichenbereich geräumt hat, danach gilt wieder die Geschwindigkeit, die vor der Langsamfahrt gefahren werden durfte. Als auch der letzte Wagen seines Zuges die Weichen passiert hatte, durfte der Triebfahrzeugführer wieder auf die für seinen Zug zulässige Geschwindigkeit beschleunigen. Die zulässige Geschwindigkeit für den D 203 betrug an diesem Tag 130 km/h, da das zu geringe Bremsgewicht des Zuges eine Herabsetzung der ursprünglich vorgesehenen Geschwindigkeit von 140 km/h erforderlich machte.[2] Die zulässige Streckengeschwindigkeit zwischen Hürth-Kalscheuren und Brühl beträgt auf beiden Gleisen 160 km/h.

Einen Kilometer vor dem Einfahrsignal des Bahnhofes Brühl zeigte ein Vorsignal Vr 0 (Halt erwarten) an. Der Triebfahrzeugführer bestätigte das Erkennen dieses Vorsignals (PZB) und bremste den Zug. Als er sich dem Einfahrsignal näherte, blieb dieses auf Hp 0 (Halt). Als die Fahrdienstleiterin alle Weichen im Bahnhof Brühl entsprechend gestellt und die Weichenlaufkette gesperrt hatte, bediente sie das Ersatzsignal am Einfahrsignal in den Bahnhof Brühl, Bahnhofsteil Güterbahnhof. Zusätzlich zum Halt zeigenden Hauptsignal leuchteten daher drei kleine weiße Lichter als Ersatzsignal. Das Ersatzsignal wird benutzt, um die Zugfahrt am roten Signal vorbeizulassen, weil der beabsichtigte Fahrweg keine regelmäßige Fahrstraße darstellte und deshalb in der Stellwerkslogik nicht für Zugfahrten vorgesehen war. Diese Vorgehensweise ist in der Bau- und Betriebsanweisung vorgesehen.[3]

Wenn ein Zug auf Ersatzsignal in einen Bahnhof einfährt, dann darf er maximal 40 km/h bis zum nächsten Hauptsignal fahren (siehe auch Zugfahrt mit besonderem Auftrag). Grund dafür ist dass im Fahrweg des Zuges Weichen liegen können, die auf Abzweig stehen. Alle Weichen sind für mindestens 40 km/h vorgesehen, so dass es bei dieser Geschwindigkeit nicht zu Entgleisungen durch überhöhte Geschwindigkeit an einer abzweigenden Weiche kommen kann.

Der Triebfahrzeugführer fuhr regelkonform auf dem linken Gleis auf Ersatzsignal und mit 40 km/h in den Güterbahnhof ein, um dann nach etwa einem Kilometer in Höhe des Baustellenbereiches zunächst auf 90 km/h und dann weiter auf 120 km/h zu beschleunigen. Der Zug entgleiste etwa zwei Kilometer nach dem Ersatzsignal um 00:13 Uhr an der im Personenbahnhof Brühl gelegenen Weiche 48, die ihn von Gleis 2 auf Gleis 3 führen sollte, mit einer Geschwindigkeit von 122 km/h. Die Weiche durfte in abzweigender Stellung mit einer signalisierten Geschwindigkeit von bis zu 40 km/h befahren werden (nach der Weichengrundform hätten es 50 km/h sein dürfen).[4]

Anschließend fuhr der vordere Teil des Zuges über eine Böschung und an einer Baumgruppe vorbei. Die Lokomotive rammte die Wand eines der nahegelegenen Einfamilienhäuser. Die nachfolgenden Wagen wurden zum Teil mitgerissen und dabei zerstört, andere stellten sich im Bahnhof quer und wurden gegen die Pfeiler der Bahnhofsüberdachung gepresst. Von den 201 Reisenden des Zuges starben bei dem Unfall neun Menschen, 149 weitere wurden verletzt.

Rettungs- und Bergungsmaßnahmen

Rettungsmaßnahmen

Die ersten Helfer am Unfallort waren die Anwohner der direkt an der Bahnstrecke gelegenen Straße Am Inselweiher, die durch den Unfall geweckt wurden. Sie halfen vor allem den nicht oder nur leicht verletzten Reisenden, die, aus dem Schlaf gerissen, in der Dunkelheit herumirrten. Bereits fünf Minuten nach dem Unfall waren erste Einsatzkräfte der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr vor Ort und begannen mit der Bergung und Versorgung der verletzten Passagiere, unter ihnen der nur leicht verletzte Triebfahrzeugführer, der mit einem Schock in die psychiatrische Abteilung des Marienhospitals in Euskirchen eingeliefert wurde.[5]

Der damalige leitende Notarzt des Erftkreises erreichte die Unfallstelle um 00:28 Uhr, etwa fünfzehn Minuten nach der Entgleisung. Unter seiner Leitung wurde die Bahnhofsgaststätte Brauhaus am Schloss als provisorische Verletztensammelstelle für die Erstversorgung genutzt.[6] Direkt nach dem Unfall kamen rund 20 Ärzte, zum Teil alarmierte Notärzte aus der Region, zum Teil Ärzte aus Brühl, zum Unfallort. Bis zum Nachmittag des Unfalltages waren etwa 200 Feuerwehrleute und 300 Polizisten im Einsatz, dazu kamen weitere 70 Helfer des THW, die vor allem die dringend benötigte Beleuchtung sowie die Stromversorgung sicherstellten.

Den Einsatzkräften kam zugute, dass rund eineinhalb Jahre vor dem Unfall eine Übung mit einem ähnlichen Szenario durchgeführt worden war, auf deren Erfahrungen die Einsatzkräfte zurückgreifen konnten. So verliefen die Rettungsarbeiten trotz der unübersichtlichen Situation routiniert. Problematisch war die Tatsache, dass die etwa 300 Passagiere aus 15 verschiedenen Ländern, vorwiegend England, Japan und Neuseeland, stammten, was eine Kommunikation mit den Verletzten erschwerte.[7] Dazu kam noch lange die Unklarheit, wie viele der 22 vermissten Fahrgäste ihren Weg auf eigene Faust fortgesetzt hatten. Die Befürchtung, noch weitere Todesopfer in den zerstörten Waggons zu finden, bewahrheitete sich jedoch nicht.

Viele der Opfer waren in den Personenwagen eingeklemmt, daher kamen die Rettungsarbeiten nur langsam voran. Die Waggons mussten erst vorsichtig angehoben werden, um die Verletzten zu erreichen, die zum Teil für mehrere Stunden eingeklemmt waren. Die letzten Schwerverletzten wurden rund zweieinhalb Stunden nach dem Unfall aus den Trümmern befreit. Die Bergung der letzten Toten konnte erst am nächsten Tag erfolgen, nachdem die Waggons angehoben werden konnten.

Insgesamt waren etwa 850 Rettungskräfte im Einsatz. Neun Passagiere verloren ihr Leben, zehn Personen erlitten schwerste, 42 Personen schwere und 44 Personen leichte Verletzungen.

Bergung

Unter derselben Nummer wie bei der verunfallten Lokomotive befindet sich seit dem 4. Dezember 2002 ein Ersatzbau im Einsatz. Auf diesem Bild ist die Lok vor einem InterCity bei Linz am Rhein zu sehen.

Nach der Rettung der Verletzten begann die Bergung der zerstörten Waggons sowie des Triebfahrzeugs, um die viel befahrene Strecke wieder befahrbar zu machen. Die Bergung der Waggons dauerte bis Dienstag, den 8. Februar, die Bergung des 84 Tonnen schweren Triebfahrzeugs, das sich in die Mauer eines angrenzenden Hauses gebohrt hatte, war schwieriger: Erste Pläne, die Lokomotive direkt vor Ort zu zerlegen, wurden verworfen; stattdessen wurden die Gärten soweit gerodet und mit Stahlplatten befestigt, dass die Lok mit zwei Kränen herausgezogen werden konnte. Obwohl das betroffene Haus stabilisiert werden konnte, musste es später abgerissen und neu errichtet werden. Von dem beim Unfall schwer beschädigten Triebfahrzeug der Baureihe 101 konnten einige technische Komponenten in 101 092II weiterverwendet werden, Rahmen und Lokkasten wurden verschrottet. Das Fahrzeug befindet sich seit dem 4. Dezember 2002 im planmäßigen Einsatz. Zum Zeitpunkt des Unfalls war die seit dem 10. Juni 1998 im Einsatz befindliche Lokomotive 101 092I (Fabriknummer 33202-1998) seit rund 20 Monaten im Einsatz der DB.[8] Die Ursprungsmaschine war zerlegt worden; die DB hatte Ende Mai 2001 den Neuaufbau der Lokomotive beschlossen.[9]

Die Bergungsmaßnahmen lockten im Laufe des Sonntags viele Schaulustige an, die von der Polizei vom Betreten der Unfallstelle abgehalten werden mussten. Insgesamt zog sich die Bergung bis Donnerstag, dem 10. Februar, hin.

Öffentliche Anteilnahme

Am Montag nach dem Unfall ordnete der damalige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Wolfgang Clement, landesweite Trauerbeflaggung an. Neben ihm sprachen Bahnchef Hartmut Mehdorn, der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder sowie Vertreter der beiden großen Kirchen in Deutschland den Opfern und Angehörigen ihr Mitgefühl aus.

Am 13. Februar, eine Woche nach dem Unfall, fand ein Gedenkgottesdienst in der Pfarrkirche St. Margareta in Brühl statt. Viele Opfer und Angehörige nahmen an diesem Gottesdienst teil. Neben Bahnchef Mehdorn waren auch der damalige Bundespräsident Johannes Rau, der Ministerpräsident Wolfgang Clement sowie der damalige Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt unter den Anwesenden.

Aufarbeitung und Reaktionen

Untersuchung durch das Eisenbahn-Bundesamt

Wie in solchen Fällen üblich, begann das Eisenbahn-Bundesamt bereits kurz nach dem Unfall mit seinen Untersuchungen zur Ursache. Im Verlauf der Untersuchung wurde neben der bekannten Faktenlage, durch die elektronische Fahrtenregistrierung in der Lokomotive gut dokumentiert, besonders die Ausbildung des Triebfahrzeugführers und die Sicherungstechnik der Bahn kritisiert.[10]

Es stellte sich dabei heraus, dass der Triebfahrzeugführer bei der Deutschen Bahn die Ausbildung zum Triebfahrzeugführer ohne Erfolg abgeschlossen hatte. Nach einem Wechsel zur Häfen und Güterverkehr Köln konnte er seine Ausbildung zum Triebfahrzeugführer 1998 erfolgreich beenden und wurde dort zuerst als Streckenlokführer, später als Lokrangierführer mit sporadischen Fahrten auf regionalen Strecken eingesetzt. 1999 wurde er ohne eine erneute Prüfung von der Deutschen Bahn AG übernommen. Eine einwöchige Weiterbildung war zwar bescheinigt, doch stellte sich heraus, dass er stattdessen Tätigkeiten in der Werkstatt auszuführen hatte. Im Abschlussbericht vom 20. April 2000 wurde die Ausbildung des Triebfahrzeugführer unabhängig von dieser Unstimmigkeit als ausreichend bezeichnet, da die Ausbildung der Häfen und Güterverkehr Köln nach dem Regelwerk der Deutschen Bahn erfolgte.[11][12]

Weiterhin stellte das Eisenbahn-Bundesamt fest, dass in der Betriebs- und Bauanweisung und im Verzeichnis der Langsamfahrstellen mehrere Fehler enthalten waren. Dies könnte für die Entscheidung des Triebfahrzeugführers, den Zug weiter zu beschleunigen, begünstigend gewirkt haben. Die Signalisierung an der Unfallstelle wurde laut Eisenbahn-Bundesamt jedoch korrekt ausgeführt.[13]

Zudem wurde festgestellt, dass der Zugfunk gestört war, sodass die vorgesehene Unterrichtung der Triebfahrzeugführer über die beabsichtigte Fahrwegführung durch die Fahrdienstleiterin nicht stattfinden konnte.

Bundespolitik

Am 16. Februar 2000 fand im Bundestagsausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen eine erste Diskussion zum Thema statt, zu der auch der damalige Vorstandsvorsitzende der Bahn, Hartmut Mehdorn, sowie Hans-Heinrich Grauf (als Vertreter des Eisenbahn-Bundesamts) eingeladen waren. Man einigte sich darauf, erst den Untersuchungsbericht abzuwarten.

Nach Fertigstellung des Abschlussberichts durch das Eisenbahnbundesamt am 20. April 2000 wurde dieser aus Datenschutzgründen jedoch nicht an die Ausschussmitglieder verteilt. Am 11. Juli 2000 teilte die Staatsanwaltschaft Köln mit, dass sie keine Einwände zur Weiterleitung des Berichts an den deutschen Bundestag habe. Trotzdem unterblieb diese; stattdessen wurde eine vierseitige Zusammenfassung herausgegeben.[14]

Juristische Aufarbeitung

Die Staatsanwaltschaft Köln erhob Anfang 2001 Klage gegen vier DB-Mitarbeiter. Ihnen wurde fahrlässige Körperverletzung in 149 Fällen zur Last gelegt. Neben dem Triebfahrzeugführer wurden der für die fehlerhafte Geschwindigkeitseintragung (120 statt 40 km/h) zuständige Mitarbeiter sowie zwei Mitarbeiter, die für die Bau- und Betriebsanweisung verantwortlich waren, angeklagt. Die Ermittlungen gegen die verantwortliche Fahrdienstleiterin und einen Betriebsleiter wurden dagegen eingestellt.[15]

Im Prozess machte der Triebfahrzeugführer von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, es wurde allerdings ein umstrittenes Tonband abgespielt, das nur eine knappe Stunde nach dem Unfall bei einem Gespräch mit dem DB-Notfallmanager vor Ort entstanden war.[16] Der Triebfahrzeugführer ließ einen zwölfseitigen Brief verlesen, in dem er seine Sicht der Dinge schilderte und sich bei den Opfern entschuldigte. Aus seiner Sicht habe die Signalisierung zusammen mit dem Verzeichnis der Langsamfahrstellen eindeutig eine Geschwindigkeit von 120 km/h zugelassen.[17]

Von den weiteren Angeklagten äußerte sich der 47-jährige Baukoordinator zu den Vorwürfen. Er gab an, bereits bei der Planung der Baustelle sei bei einer Besprechung die unklare und daher gefährliche Signalisierung angesprochen, aber nicht weiter behandelt worden.[18] Am letzten Tag des Prozesses sprachen die Angeklagten gemeinsam in einer Erklärung den Opfern und Angehörigen ihr Mitgefühl aus.

Das Strafverfahren gegen den Triebfahrzeugführer und drei weitere Mitarbeiter der Deutschen Bahn wurde am 25. Oktober 2001 am Landgericht Köln nach 23 Prozesstagen wegen geringer Schuld eingestellt. Die Angeklagten mussten Geldbußen zwischen 7.000 DM und 20.000 DM für wohltätige Zwecke zahlen. Dem Triebfahrzeugführer sei lediglich ein Augenblicksversagen im Rahmen einer Fehlinterpretation anzulasten, die übrigen Angeklagten, denen die verwirrenden Betriebsanweisungen vorgeworfen worden waren, hätten sich, objektiv gesehen, an das Regelwerk gehalten, jedoch die Gefahren nicht erkannt.

Wirkung in den Medien

Nur gut anderthalb Jahre nach dem ICE-Unfall von Eschede, bei dem 101 Menschen starben, hatte sich wieder ein schwerer Zugunfall ereignet. Die Bilder des verunfallten Triebfahrzeugs im Vorgarten eines Hauses gingen tagelang durch die Medien. Es entwickelte sich eine Debatte um die Ausbildung und die Arbeitsbedingungen der Triebfahrzeugführer, da zum Zeitpunkt des Unfalls im Zuge von Umstrukturierungsmaßnahmen der Deutschen Bahn AG viele Triebfahrzeugführer entlassen wurden und die Arbeitsbelastung der verbleibenden Triebfahrzeugführer stark zunahm. Die Debatte wurde weiter angeheizt, als im Untersuchungsbericht Mängel in der Ausbildung des Triebfahrzeugführers zu Tage traten. Es kam auch die Frage auf, ob Einsparungen im Zuge der Bahnreform von 1994 Auswirkungen auf die Sicherheit im Schienenverkehr haben könnten.[19]

Literatur

Einzelnachweise

  1. http://www.eifelbahn.de/news/bruehl.htm#11
  2. Eisenbahn-Bundesamt: Unfalluntersuchungsbericht vom 20. April 2000, S. 41
  3. Eisenbahn-Bundesamt: Unfalluntersuchungsbericht vom 20. April 2000, S. 17 ff
  4. Eisenbahn-Bundesamt: Unfalluntersuchungsbericht vom 20. April 2000, S. 64
  5. N24 vom 7. Februar 2000 Sammlung von Presseartikeln durch das DRK Erftkreis Auf: http://www.drk-fmderft.de/einsatzberichte/bruehl_2000/nachrichten_auszug.htm. 22. Februar 2010, 16:00 Uhr
  6. Heinz-Albert Brüne: Es lief wie ein Uhrwerk Sammlung von Presseartikeln durch das DRK Erftkreis Auf: http://www.drk-fmderft.de/einsatzberichte/bruehl_2000/nachrichten_auszug.htm. 22. Februar 2010, 16:00 Uhr
  7. Kölner Stadtanzeiger vom 7. Februar 2000 Sammlung von Presseartikeln durch das DRK Erftkreis Auf: http://www.drk-fmderft.de/einsatzberichte/bruehl_2000/nachrichten_auszug.htm. 22. Februar 2010, 16:00 Uhr
  8. Gerd Böhmer: Lokliste der BR 101 Auf: www.gerdboehmer-berlinereisenbahnarchiv.de. 15. Juni 2008, 6:00 Uhr
  9. Meldung Aktuelles in Kürze. In: Eisenbahn-Revue International, Heft 7/2001, ISSN 1421-2811, S. 292 f.
  10. Vor Brühler Zugunglück war Risiko bekannt, welt.de, 3. Juli 2001
  11. Frankfurter Rundschau, 11. November 2000, Das Eisenbahnunglück von Brühl, die Frage nach der Schuld und die Geheimniskrämerei um den Untersuchungsbericht / Eine Analyse von Winfried Wolf [1] Auf: www.http://rcswww.urz.tu-dresden.de/~umaschek/bruehl_presse.htm. 2. Februar 2010, 20:00 Uhr
  12. Eisenbahn-Bundesamt: Unfalluntersuchungsbericht vom 20. April 2000, S. 50 ff.
  13. Eisenbahn-Bundesamt: Unfalluntersuchungsbericht vom 20. April 2000, S. 70
  14. Frankfurter Rundschau, 11. Oktober 2000, Das Eisenbahnunglück von Brühl, die Frage nach der Schuld und die Geheimniskrämerei um den Untersuchungsbericht / Eine Analyse von Winfried Wolf [2] Auf: www.http://rcswww.urz.tu-dresden.de/~umaschek/bruehl_presse.htm. 2. Februar 2010, 20:00 Uhr
  15. Meldung Anklage nach dem Zugunglück von Brühl. In: Eisenbahn-Revue International, Heft 3/2001, ISSN 1421-2811, S. 101.
  16. Zitat von wdr.de, Original mittlerweile gelöscht [3]
  17. Brühler Zugunglück: Triebfahrzeugführer äußert sich per Brief, rp-online.de, abgerufen am 21. Juli 2013 [4]
  18. Prozess um Brühler Zugunglück Angeklagter kannte Sorge um Sicherheit, rp-online.de, abgerufen am 6. Oktober 2010 [5]
  19. Kölner Stadtanzeiger vom 8. Februar 2000 (Internet)Sammlung von Presseartikeln auf www.eifelbahn.de Auf: http://www.eifelbahn.de/news/bruehl.htm#04 22. Februar 2010, 16:00 Uhr

Weblinks

Koordinaten: 50° 49′ 47″ N, 6° 54′ 45″ O