Estragon

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Estragon

Estragon

Systematik
Familie: Korbblütler (Asteraceae)
Unterfamilie: Asteroideae
Tribus: Anthemideae
Untertribus: Artemisiinae
Gattung: Artemisia
Art: Estragon
Wissenschaftlicher Name
Artemisia dracunculus
L.

Estragon (Artemisia dracunculus), veraltet auch Dragon bzw. Dragun genannt, ist eine Pflanzenart in der Familie der Korbblütler (Asteraceae) und ist relativ nahe mit dem Wermut verwandt.

Handelsüblicher frischer oder getrockneter Estragon (auch pharmazeutisch als Herba dracunculi) stammt aus landwirtschaftlichem Anbau, der am deutschen und österreichischen Markt vorrangig aus den Balkanländern und den Niederlanden kommt.

Beschreibung

Estragon ist eine mehrjährige krautige Pflanze, die eine Wuchshöhe von 60 bis 150 Zentimeter erreicht. Die zahlreichen, schwach behaarten, lineal-lanzettlichen Blätter sind ungestielt, ganzrandig oder schwach gesägt und 2–10 Zentimeter lang und 2–10 Millimeter breit. Der selten blühende Estragon hat gelbe kleine Blütenköpfchen, die in Rispen stehen.[1] Diese sind 2–3 Millimeter groß und armblütig. Die äußeren Hüllblätter sind größtenteils grün, länglich-elliptisch, die inneren sind eiförmig und breit hautrandig. Die Randblüten sind weiblich, die Scheibenblüten zwittrig. Die Blütenkrone ist gelblich.

Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 18, 36 oder 90.[2]

Vorkommen

Die Heimat der Art ist Osteuropa, Asien und Nordamerika von Kanada bis Mexiko.[3] In Osteuropa findet man Estragon als Wildpflanze. Dorthin soll er jedoch schon vor langer Zeit aus dem Fernen Osten gelangt sein. Die seltenen Vorkommen Österreichs beschränken sich auf Ruderalflächen im Burgenland und Wien.[4]

Systematik

Artemisia dracunculus wurde 1753 von Carl von Linné in Species Plantarum, Band 2, S. 849 erstbeschrieben.[5] Synonyme für Artemisia dracunculus sind Artemisia aromatica A.Nelson, Artemisia changaica Krasch., Artemisia dracunculina S.Watson, Artemisia dracunculoides Pursh, Artemisia glauca Pall. ex Willd., Artemisia inodora Willd., Artemisia pamirica C.Winkl., Artemisia redowskyi Ledeb., Artemisia simplicifolia Pamp., Oligosporus changaicus (Krasch.) Poljakov, Oligosporus dracunculus (L.) Poljakov und Oligosporus pamiricus (C.Winkl.) Poljakov.[3][6][7]

Estragon, Blütenköpfchen
Estragon, Sprosse mit Blättern

Nutzung

Traditionell verwendet man die jungen Triebe oder die Blätter, die mehrmals im Jahr geerntet werden können, zum Würzen. Durch ihr zartes Anisaroma sind die Blätter eine delikate Würze. Da der Gehalt an würzenden ätherischen Ölen kurz vor der Blüte am höchsten ist, werden die 20 bis 30 Zentimeter langen Triebspitzen zu diesem Zeitpunkt abgeschnitten.

Die häufig angebaute, Samen produzierende Varietät „Russischer Estragon“ (Artemisia dracunculus var. inodora) überlebt bis -10 °C. Der infertile „Französische Estragon“ (Artemisia dracunculus var. sativa) oder als Synonym „Deutscher Estragon“ genannt, muss vegetativ vermehrt werden und ist frostempfindlich. Meist wird der „Russische Estragon“ in den Gärtnereien angebaut. Er besitzt wegen des geringeren Gehalts an ätherischem Öl jedoch kaum Estragon-Aroma. Auch eine phytochemische Charakterisierung zeigt deutliche Unterschiede im Flavonoid-Fingerprint.

Estragon wird zur Aromatisierung von Essig und Senf verwendet und zum Würzen von eingelegten Gurken, von Geflügel, Reis oder gekochtem Fisch sowie bei der Saucen- und Marinadenherstellung (z. B. Sauce béarnaise). Estragon wird außerdem zum Würzen von Salat, Quark, Kräuterbutter und Suppen verwendet. Estragon gehört neben Petersilie, Schnittlauch und Kerbel zu der klassischen französischen Kräutermischung Fines herbes.[8]

Geschichte

Im alten Ägypten wurden während der Herrschaft der Pharaonin Hatschepsut von 1490 bis 1468 vor Christus Parfums und Duftöle sehr geschätzt und tausende Kilogramm verschiedener Pflanzen (darunter auch Estragon) destilliert, um daraus Duftöle herzustellen. Das Duftöl wurde anschließend in den ägyptischen Tempeln verbrannt. Dabei hatten die Pflanzen, aus denen die Duftöle hergestellt wurden, jeweils eine andere Bedeutung, je nachdem welcher Gottheit sie zugeordnet wurden. Die Götterstatue Isis wurde mit dem Parfumöl der Estragonpflanze bedeckt. Wenn die Gottheit Isis um einen Gefallen gebeten werden sollte, wurde das Duftöl des Estragons als Opferdarbietung verbrannt.[9]

Estragon (regional Bertram) gilt als das einzige traditionelle deutsche Küchengewürz, das von den Römern noch nicht verwendet wurde. Die ältesten Hinweise über seine Verwendung stammen aus dem zweiten vorchristlichen Jahrtausend aus China. Die antiken Griechen kannten Estragon als drakos (Schlange, Drache) und nutzten es für Zaubereien. Von dort übernahmen es die Araber als طرخون tarchun, DMG ṭarḫūn und würzten damit ihre Speisen. Im heutigen Deutschland entstand daraus der Name Drakonkraut.[10] Im Nahen Osten wird Estragon erstmals Mitte des 12. Jahrhunderts erwähnt, die erste Erwähnung im Abendland gibt es beim Genuesen Simon Ianuensis Ende des 13. Jahrhunderts.

Etymologie

Der Begriff Estragon stammt von arabisch طرخون tarchun, DMG ṭarḫūn[11][12] bzw. طرخوم tarchum, DMG ṭarḫūm und persisch ترخون tarchun, DMG tarḫūn ab. Zur Zeit der Kreuzzüge kam der Begriff dann nach Europa; im 13. Jahrhundert erschien das Wort im Mittellateinischen vorerst in medizinischen Texten in der Abwandlung Tarcon, woraus sich seit 1592 das spanische Taragona bildete.

Weitere Nennungen gibt es im Rumänischen; Tarhon, Türkischen; Tarhun, Ungarischen; Tárkony, Sizilianischen; Straguni, im Neapolitanischen; Stregoni und im Venezianischen (Erba Stragon). Im Französischen bildete sich ab 1564 Estragon, im Spanischen ab 1762 Estragón, woraus sich auch die deutsche Bezeichnung herleitet. Weitere Abwandlungen des Namens finden sich in der malaiischen Sprache bzw. indonesischen Sprache mit Tarragon und in der finnischen Sprache mit Rakuuna.

Eine andere Version besagt, dass der Name sich vom lateinischen Wort Draco = Drache oder Schlange ableite; die wissenschaftliche Bezeichnung der Pflanze lautet Artemisia dracunculus. Man glaubte früher, die Blätter würden Bisse von Giftschlangen heilen. Der heutige davon abgeleitete dänische Name ist Dragon.

Im deutschsprachigen Raum werden oder wurden für diese Pflanzenart, zum Teil nur regional, auch die folgenden weiteren Trivialnamen verwandt: Biertram (Siebenbürgen), Drachant (Zürich), Dragon (Pommern, Hamburg), Dragackel, Dragunten (Unterweser), Eierkraut, Fieferkrott (Siebenbürgen), Kaisersalat (Thüringen), Traben und Zittwerkraut.[13]

Estragon in der Pflanzenheilkunde

Da Estragon Estragol enthält, von dem vermutet wird, dass es für den Menschen cancerogen und erbgutschädigend ist, soll laut dem Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin sein Verzehr auf die Küchenzubereitung beschränkt bleiben.[14] Dem widersprechen allerdings medizinische Studien, die selbst ein 100- bis 1000-faches des typischen Konsum als ungefährlich einschätzen.[15]

Estragon wirkt verdauungs- und gallenflussfördernd sowie harntreibend und enthält viel Kalium. Im Vergleich beider Varietäten zeigt sich beim Russischen Estragon ein etwa vier- bis fünfmal höherer Natriumanteil. Es wurde als Heilpflanze bei Wassersucht, Nierenträgheit, bei Appetitlosigkeit, Magenschwäche und Blähungen gebraucht. Als Hausmittel lindert Estragonöl Rheuma und Muskelkrämpfe und wirkt in Form einer Essenz oder in Blattform gegen Schluckauf.[16]

Inhaltsstoffe: Ätherische Öle (Estragol, Phellandren, Ocimen), Flavonoide, Gerbstoffe und Bitterstoffe. Estragon enthält außerdem geringe Mengen des Benzodiazepins Delorazepam.[17] Die enthaltenen Mengen sind jedoch so gering, dass sie pharmakologisch nicht relevant sind.

Vermehrung: Durch Wurzelteilung im Frühjahr. Im Sommer Ableger nehmen.

Siehe auch

Literatur

  • Anne Iburg (Hrsg.): Dumonts kleines Gewürzlexikon. Edition Dörfler im Nebel Verlag, Egolsheim 2004, ISBN 3-89555-202-X.
  • Avril Rodway: Kräuter und Gewürze. Tessloff, Hamburg 1980, ISBN 3-7886-9910-8.
  • Gustav Hegi: Illustrierte Flora von Mitteleuropa. 2. Auflage Band VI, Teil 4. Verlag Paul Parey, Berlin / Hamburg 1987, ISBN 3-489-86020-9, S. 635–637 (Beschreibung).

Weblinks

Commons: Estragon – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Estragon – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Anne Iburg (Hrsg.): Dumonts kleines Gewürzlexikon. S. 44.
  2. Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. Unter Mitarbeit von Angelika Schwabe und Theo Müller. 8., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2001, ISBN 3-8001-3131-5, S. 943.
  3. a b Artemisia dracunculus im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Abgerufen am 14. Mai 2016.Vorlage:GRIN/Wartung/Keine ID angegeben
  4. Manfred A. Fischer, Karl Oswald, Wolfgang Adler: Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol. 3., verbesserte Auflage. Land Oberösterreich, Biologiezentrum der Oberösterreichischen Landesmuseen, Linz 2008, ISBN 978-3-85474-187-9, S. 923.
  5. Carl von Linné: Species Plantarum. 1. Auflage. Band 2. Stockholm 1753, S. 849 (eingescannt bei Biodiversity Heritage Library – Artemisia dracunculus).
  6. M. Qaiser: Asteraceae. In: S. I. Ali, M. Qaiser (Hrsg.): Flora of Pakistan. Volume 207, Artemisia dracunculus, S. 101 (online – englisch, Abschnitt Systematik, textgleich mit gedrucktem Werk).
  7. Lin Yourun (Ling Yuou-ruen), Christopher J. Humphries, Michael G. Gilbert: Asteraceae. In: Wu Zheng-yi, Peter H. Raven, Deyuan Hong (Hrsg.): Flora of China. Volume 20–21: Asteraceae. Science Press / Missouri Botanical Garden Press, Beijing / St. Louis 2011, ISBN 978-1-935641-07-0, S. 725 (englisch). Artemisia dracunculus. (Abschnitt Systematik)
  8. Anne Iburg (Hrsg.): Dumonts kleines Gewürzlexikon. S. 47.
  9. Danièle Ryman: Handbuch der Aromatherapie – Heilende Öle und pflanzliche Essenzen für Gesundheit und Wohlbefinden. Wilhelm Heyne Verlag, München 1990, ISBN 3-453-04097-X, S. 32.
  10. Alfons Schuhbeck, Monika Reiter: Meine Küche der Gewürze. Zabert Sandmann, München 2009, ISBN 978-3-89883-193-2, S. 38.
  11. Nabil Osman (Hrsg.): Kleines Lexikon deutscher Wörter arabischer Herkunft (= Beck’sche Reihe. Band 456). 8. Auflage. Verlag C. H. Beck oHG, München 2010, ISBN 978-3-406-60155-2.
  12. Duden, Estragon. Rechtschreibung, Bedeutung, Definition, Herkunft. Bibliographisches Institut GmbH, Dudenverlag, abgerufen am 19. November 2015.
  13. Georg August Pritzel, Carl Jessen: Die deutschen Volksnamen der Pflanzen. Neuer Beitrag zum deutschen Sprachschatze. Philipp Cohen, Hannover 1882, S. 43 (archive.org).
  14. Minimierung von Estragol- und Methyleugenol-Gehalten in Lebensmitteln. Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz, 15. Januar 2002, abgerufen am 5. September 2015 (Hintergrundpapier, PDF, 32 kB).
  15. Horst Surburg, Johannes Panten: Common Fragrance and Flavor Materials: Preparation, Properties and Uses. Wiley-VCH, 2006, ISBN 3-527-60789-7, S. 233.
  16. Marie-Josephin Rode (aka kleine Kräuterhexe): Mittel gegen Schluckauf. estragon.org, abgerufen am 16. Mai 2014 (Webseite mit Anleitung zur Anwendung von Estragon gegen Schluckauf).
  17. Dominique Kavvadias: Liganden des Benzodiazepin-Rezeptors: Studien über Benzodiazepine in pflanzlichen Geweben sowie über Hispidulin. (PDF; 1,8 MB) Dissertation an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 2003, S. 5.