Legionäre Christi

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Die Legionäre Christi, Ordenskürzel: LC, sind eine römisch-katholische Kongregation päpstlichen Rechts von Priestern und Brüdern, die 1941 von dem Seminaristen Marcial Maciel (1920–2008) in Mexiko gegründet wurde und die vorwiegend in der Kinder-, Jugend- und Familienseelsorge sowie im katholischen Bildungswesen arbeitet. Die Ordensgemeinschaft gilt als sehr konservativ.[1]

Selbstdarstellung des Ordenscharismas

Der Grundgedanke der Legion ist es, eine geistliche Miliz zu bilden (Legionär, Soldat einer römischen Legion). Mit militärischer Disziplin und Einheit sollen die Legionäre ihren Dienst an Kirche und Papst verrichten.

Der Orden nennt sechs Pfeiler seines spirituellen Profils.[2]

  • Christozentrische Spiritualität: Jeder Legionär soll Jesus Christus in einer persönlichen und leidenschaftlichen Weise lieben, sich nach seinem Vorbild prägen lassen und ihn predigen.
  • Kindliche Liebe zu Maria: Maria ist für den Legionär die Mutter der Kirche; daher kommt seine geistliche Berufung auch durch Maria zustande. Wie Maria soll auch der Legionär im Erlösungsplan Christi gehorsam mitwirken.
  • Liebe zur Kirche: Der Legionär liebt die Kirche so, wie sie ist, und wie Christus sie haben will. Sie ist nach katholischer Auffassung ein von Christus eingesetztes Werk, durch das sein Heilsplan fortgesetzt wird, bis er wiederkommt.
  • Treue zum Papst und den mit ihm vereinten Bischöfen: Der Primat Petri und die Unfehlbarkeit des Lehramtes sind für die Legion prägende Charakteristika. Der Legionär will dem Papst vor allem durch Bildungsarbeit, Familienapostolat, karitative Werke und Medienarbeit dienen.
  • Das Reich Christi verkündigen: Die Legion strebt danach, die Menschheit in das von Christus verheißene Reich der Liebe und Gerechtigkeit zu verwandeln, nach dem Ideal des neuen Menschen in Christus.
  • Einander lieben, wie Christus uns geliebt hat: Legionäre streben danach, allen Menschen dienlich zu sein. Ihr apostolisches Wirken soll unabhängig von Sprache, Rasse, Geschlecht, Kulturkreis oder gesellschaftlicher Stellung ausgeführt werden.

Ordensrechtliche Anerkennung

Im Jahr 1965 erhielt die Gemeinschaft das Decretum laudis durch Papst Paul VI., 1983 die unbefristete Anerkennung als Kongregation päpstlichen Rechts. Im November 2004 wurden die Statuten der Legionäre Christi und des Regnum Christi von Papst Johannes Paul II. approbiert.

Organisation und Verbreitung

Die Ausbildungszeit, die der Priesterweihe vorangeht, beträgt bei den Legionären Christi in der Regel zwölf bis vierzehn Jahre. Die Legionäre legen die in der katholischen Kirche üblichen drei Gelübde Armut, Keuschheit, und Gehorsam ab. Bis 2007 legten sie zusätzlich zwei Privatgelübde ab: Im Gelübde der Nächstenliebe verpflichteten sie sich, jede Kritik an den Oberen zu unterlassen und ihren Oberen über Verstöße anderer gegen dieses Verbot zu informieren. Im Gelübde der Demut versprachen sie, niemals für sich oder andere Amtswürden anzustreben. Im Dezember 2007 schaffte Papst Benedikt XVI. diese Privatgelübde jedoch ab und entband die Mitglieder von ihren Versprechen.[3] Laut päpstlichem Jahrbuch 2006 gehörten der Gemeinschaft 1.917 Mitglieder an, 642 davon Priester. Die Kongregation betreibt Schulen, Universitäten, Knabenseminare und Priesterseminare. Eng verbunden mit den Legionären Christi ist die ebenfalls von Marcial Maciel gegründete Apostolatsbewegung Regnum Christi.

Die Legionäre Christi sind vertreten in Australien, Argentinien, Brasilien, Chile, Deutschland, El Salvador, Frankreich, Guatemala, Irland, Italien, Kanada, Kolumbien, Mexiko, Niederlande, Österreich, den Philippinen, Spanien, Südkorea, Ungarn, Venezuela und den Vereinigten Staaten (USA).

2007 wurde die Ordensprovinz Mitteleuropa mit Deutschland, Polen, Ungarn, Österreich, der Slowakei und den Niederlanden gegründet. Zur Ordensprovinz Westeuropa gehörten Irland, Frankreich, Belgien sowie die Schweiz. 2011 wurden die Ordensprovinzen in Mittel- und Westeuropa fusioniert. Der Sitz der gemeinsamen Ordensprovinz liegt in Düsseldorf.[4] Andreas Schöggl wird zum 15. April 2012 als Nachfolger von Sylvester Heereman neuer Ordensprovinzial (Territorialdirektor) für Mittel- und Westeuropa.[5]

Generaldirektor

Generaldirektor von 2005 bis 2014 war Álvaro Corcuera. Von 2010 bis 2014 leitet der Kurienerzbischof Velasio De Paolis CS als päpstlicher Delegat die Kongregation durch Dekret von Papst Benedikt XVI. mit dem Ziel einer umfassenden Neuordnung des Ordens. Der Laienzweig des Ordens heißt Regnum Christi und wurde ebenfalls im päpstlichen Auftrag visitiert.

Seit dem 20. Januar 2014 leitet Eduardo Robles Gil Orvañanos LC die Ordensgemeinschaft.[6] Der Orden und die Ordensleitung wird durch die römische Kurie bei der Neuausrichtung beraten; Papst Franziskus ernannte am 4. Juli 2014 Gianfranco Ghirlanda SJ zum päpstlichen Berater der Ordensgemeinschaft.[7]

Niederlassungen in Deutschland und Werke

In Deutschland ist der Orden seit 1988 ansässig. Die Legionäre Christi betreiben zusammen mit dem Regnum Christi und mit der Unterstützung des Erzbistums Köln Einrichtungen in Bad Münstereifel (Noviziat von 1998 bis 2011) und Düsseldorf sowie Köln-Deutz (Verwaltung seit 1998).[8] Das Noviziat der Legionäre Christi wird im Herbst 2011 aus Platzgründen von Bad Münstereifel in die ehemalige Hotelberufsfachschule Bavaria in das bayerische Alzgern im Landkreis Altötting umziehen. Entsprechende Zustimmungen wurden durch den Stadtrat von Neuötting und durch das Bistum Passau erteilt. Das Gebäude dient zudem der Ordensgemeinschaft als Einkehrtagshaus für die Ordensmitglieder der gesamten Provinz West- und Mitteleuropa (Deutschland, Österreich, Irland, Frankreich, Holland, Schweiz, Polen und Ungarn).[9]

Zum Schuljahr 2008/2009 wurde mit der Genehmigung des Erzbistums Köln, der Bezirksregierung Köln und des Landesjugendamtes Köln in Bad Münstereifel eine von weltweit 20 Apostolischen Schulen eröffnet. Die Schule ist gemäß §§116, 118 Abs. 2 Abs. 4 SchulG NRW anerkannt und wurde am 1. Februar 2009 durch Weihbischof Dr. Heiner Koch eingesegnet. Die Lehrer sind keine Ordensmitglieder, sondern stehen im Angestelltenverhältnis.[10] Die Schule sieht sich in der Tradition der Knabenseminare.[11][12] Im Gegensatz zu diözesanen Priesterseminaren sind die Seminaristen hier Schüler, meist minderjährige Kinder, die nicht studieren, sondern erst auf das Abitur vorbereitet werden. Die Kinder sollen in ihrer Berufung, Priester zu werden, gestärkt werden.[13]

Netzwerke und Mediendienste

Die Legionäre betreiben intensive Netzwerkarbeit, wobei sie teilweise auch dann im Hintergrund bleiben, wenn sie Einrichtungen, Bewegungen, Netzwerke und Mediendienste finanzieren:

  • Jugend-Mission betreiben die LC auch mit der Internetseite Mission Youth. Dieser medienpastorale Dienst hat eine andere Zielgruppenausrichtung als das CYWN und richtet sich eher an Jugendliche, die bereits kirchlich sozialisiert sind. Eine deutschsprachige Variante gibt es noch nicht.[14] (Stand Juli 2010)
  • NET ist ein Netzwerk katholischer Familien, das Angebote für Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren anbietet. Realisiert wird die Seite von dem Verein „Regnum Christi Initiativen e.V.“ (vormals Catholic Media e.V.) mit Sitz in Düsseldorf. Ziel der Arbeit ist es nach Angaben der Legionäre, „Kindern im Grundschulalter mit modernen spielerischen Methoden eine ganzheitliche Bildung im christlichen Geist zu vermitteln“.[15]
  • Die Social Media Plattform eCandle unter www.ecandle.net wird ebenfalls vom Orden betrieben und ermöglicht im Internet zum Beispiel virtuelle Kerzen anzuzünden, soll aber auch als Begegnungsort im Netz dienen.[16]
  • Die mehrsprachige Webseite Vocation.com will katholische Berufungen fördern. Nach eigenen Angaben ist der Dienst „einer der umfassendsten katholischen Websites im Internet zum Thema Berufung“. Beratung und Information zum Thema „Berufung“ wird dabei allgemein geleistet.[17] Das deutsche Angebot verlinkt im Unterschied dazu direkt zur deutschsprachigen Webseite der Legionäre Christi und des Regnum Christi, auf welchen das Thema Berufung im Allgemeinen und im Besonderen bezüglich der Ordensgemeinschaft näher vorgestellt wird. Diese Webseite wird von „Regnum Christi Initiativen e.V.“ (vormals Catholic Media e.V.) verantwortet.
  • Liebe leben bietet unter www.liebeleben.com Seminare zu den Themen Ehe, Partnerschaft, Liebe und Sexualität an. Dieser Dienst der LC und Regnum Christi richtet sich in erster Linie an junge Menschen, um ihnen die katholische Ehevorstellung und Sexualmoral zu vermitteln.
  • Die Nachrichtenagentur Zenit wurde von den Legionären Christi gegründet, um damit Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben.[18]
  • Die Legionäre Christi arbeiten beim Forum Deutscher Katholiken mit. Sie treten dort mit Referenten auf,[19] machen Werbung für das Forum und wirken auch inhaltlich mit.
  • Beim Podium der Schönstatt-Frauenbewegung zum „Neuen Feminismus“ lud die Schönstattbewegung 2004 auch eine Vertreterin von Regnum Christi ein.[20] Zum Tod von Pater Maciel kondolierte Schönstatt mit den Worten: „Wir glauben, dass er sein Lebenswerk weiterführen wird“.[21]

Kritik an Legionären und Gründer

Die Kritik am Orden der LC kommt aus unterschiedlichen Richtungen, sowohl innerhalb als auch außerhalb der katholischen Kirche und hat 2010 in den Medien, durch den Abschluss der päpstlichen Visitation, einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Die Skandale um den Gründer und die Probleme der Ordensstrukturen haben weltweit Aufsehen erregt und stellen keine rein innerkirchliche Problematik mehr dar. Die Kongregation nehme auch gesellschaftlich großen Einfluss, indem sie Universitäten, Schulen und Mediendienste unterhalte und durch ihre Finanzaktivitäten und politischen Kontakte auch nach weltlicher Macht strebe.

Skandale um Gründer Marcial Maciel

Seit den 1960er Jahren bestanden Vorwürfe gegenüber P. Maciel, drogenabhängig zu sein und Seminaristen sexuell missbraucht zu haben. Opfer waren offensichtlich auch minderjährige Jungen der Apostolischen Schulen (Knabenseminare). Die Vorwürfe bestätigten sich nach und nach. Die Kongregation für die Glaubenslehre verzichtete im Jahr 2006 aufgrund des hohen Alters Maciels auf ein Verfahren und bat den Pater, ein zurückgezogenes Leben des Gebets und der Buße ohne jeglichen öffentlichen pastoralen Dienst zu führen.[22] P. Maciel starb am 30. Januar 2008. Nach seinem Tod wurde bekannt, dass er – obwohl er öffentlich für den Zölibat eintrat – Kinder in Spanien, Mexiko und der Schweiz gezeugt hatte.[1]

Im Rahmen der Apostolischen Visitation (siehe unten) wurde bekannt, dass er mindestens zwei weitere Kinder mit einer weiteren Frau hatte.[23] Laut einer Meldung von kath.net wurde Maciel vorgeworfen, „Seminaristen missbraucht“ und „ihnen die Absolution für gemeinsam begangene sexuelle Handlungen erteilt“ zu haben (letzteres ein Exkommunikationstatbestand).[24] Der sexuelle Missbrauch von Jungen in den ordenseigenen Häusern wurde inzwischen auch von den Legionären bestätigt.[25] Die Legionäre Christi bedauern das Verhalten des Gründers laut Presseerklärungen 2009[26] und 2010.[23][27]

Maciels vermeintliches Buch El salterio de mis días (Psalter meiner Tage), das in der Geschichte der Gemeinschaft und der spirituellen Formation der Legionäre eine wichtige Rolle gespielt hatte, stellte sich 2009 als Plagiat heraus.[28] Papst Benedikt XVI. schreibt zu Maciel: „Das sehr schwerwiegende und objektiv unmoralische Verhalten von Pater Maciel, das durch unbestreitbare Zeugenaussagen belegt ist, äußert sich bisweilen in Gestalt von wirklichen Straftaten und offenbart ein gewissenloses Leben ohne echte religiöse Gesinnung.“[29]

Laut Meldungen von Radio Vatican[30] und der katholischen Nachrichtenagentur kna[31] sollen die Legionäre Christi jede Form der Verehrung ihres Gründers beenden: „Maciels Verehrung durch die Legionäre Christi trug bisweilen Züge eines Personenkultes. Auch Schriften von Maciel dürfen in den Niederlassungen der Kongregation nicht länger verkauft werden. Zudem sind Geburtstag, Taufe, Namenstag und Priesterweihe Maciels keine Festtage mehr. In Veröffentlichungen des Ordens darf von dem Gründer nur noch als ‚Pater Maciel‘ oder als ‚Gründer der Legionäre Christi und des Regnum Christi‘ ohne jede besondere Ehrerbietung gesprochen werden.“

Mangelnde Freiheit der Mitglieder und sektenartige Merkmale des Ordens

Erzbischof João Bráz De Aviz, Mitglied der Römischen Kurie und Leiter der Kongregation für die Ordensleute, kritisiert die Einschränkung der Freiheit in den Priesterseminaren der Legionäre Christi noch im Juli 2011: „Er selber sei schon als Bischof skeptisch gewesen, was den Mangel an Vertrauen in die persönliche Freiheit angeht, die er in den Strukturen der Gemeinschaft wahrgenommen habe. Deswegen habe er selbst seine Seminaristen aus den Ausbildungsstellen der Legionäre herausgenommen.“[32] Die Kritik von mehreren Buchautoren und von ehemaligen Mitgliedern der Kongregation beziehungsweise von Regnum Christi geht darüber hinaus: sie sprechen von sektenartigen Strukturen und manipulativen Vorgehensweisen. Den Mitgliedern werde demnach nahegelegt, die Ordensleute seien die wahren Vertreter der Wahrheit der katholischen Kirche und Kritik von Außen - auch innerkirchliche Kritik - unterstreiche dies nur. Außerdem würden die Mitglieder mit psychologischen Methoden manipuliert, wie sie in Sekten Verwendung finden.[33][34] Inzwischen gibt es auch immer häufiger Kritik aus Deutschland, etwa von Geistlichen aus dem Bistum Passau. So bringt die Ansiedlung des Noviziats in Neuötting die innerkirchlichen Bedenken in die Öffentlichkeit. Nach Angaben einer ehemaligen Mitarbeiterin wird die Redaktion der legionärseigenen Nachrichtenagentur Zenit „kontrolliert und zensiert“, es durfte nur „auf Linie“ geschrieben werden.[35]

Problematische Rekrutierung von Kindern und Jugendlichen

Auch katholische Einrichtungen kritisieren, dass die Legionäre Christi (und auch Regnum Christi, die Laienorganisation der Legionäre) Kinder und Jugendliche mit Druck rekrutierten.[36] Diese Kritik wird auch von einigen Bischöfen geteilt.[37]

Berichten zufolge wird von den Legionären angestrebt, dass Kinder beim Eintritt in eine Jugendgruppe der LC nicht älter als zwölf Jahre sein sollten. Dies wurde damit begründet, dass sie in diesem Alter leichter zu beeinflussen seien. Außerdem sollte der religiöse Hintergrund der LC nach außen nicht erkennbar sein. Ein Kritiker an diesem System wurde in einem Fall als „Verräter“ beschimpft.[38] Die Zuverlässigkeit der Berichterstattung dieser Zeitung ist auf der Website kath.net in Frage gestellt worden.[39]

In ihrem 2014 veröffentlichten Bericht zu Kinderrechten in der römisch-katholischen Kirche warfen die Vereinten Nationen den Legionären Christi und dem Engelwerk vor, Kinder und Jugendliche von ihren Familien zu entfremden. Es handle sich dabei um Manipulationen durch der Kirche nahestehende Gruppen.[40]

Verbot der Kongregation in einigen nordamerikanischen Bistümern

Im Oktober 2004 verbot der Erzbischof von Saint Paul und Minneapolis, Minnesota, Harry J. Flynn, sowohl den Legionären Christi als auch der mit ihnen affiliierten Laienorganisation Regnum Christi jegliche Aktivität in der Erzdiözese. Er begründet diesen Schritt damit, dass die Legionäre eine Parallel-Kirche aufbauen und somit Gläubige von ihren lokalen Gemeinden entfernen würden. Insgesamt wurde den Legionären in sieben nordamerikanischen (Erz-)Diözesen jegliche Aktivität untersagt: Erzdiözese St. Paul-Minneapolis (Minnesota), Erzdiözese Los Angeles (Kalifornien), Baton Rouge (Louisiana), Richmond (Virginia), Fort Wayne-South Bend (Indiana), Columbus (Ohio), Erzdiözese Miami (Florida).[41] In der Erzdiözese Baltimore (Maryland) stehen ihre Aktivitäten unter Beobachtung.[42]

Maßnahmen zur Neuordnung der Kongregation

Der Papst ordnete eine Apostolische Visitation (2009–2010) an, um Missstände der Kongregation zu untersuchen: Mit Dekret vom 10. März 2009 – unterzeichnet von Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone – ordnete der Heilige Stuhl eine außerordentliche Visitation der Legionäre Christi an. Die Visitation wurde von fünf Bischöfen ausgeführt: den Erzbischöfen Charles Chaput (Denver), Ricardo Ezzati (Concepción), Ricardo Blázquez (Valladolid) und den Bischöfen Ricardo Watty Urquidi (Tepic) und Giuseppe Versaldi (Alessandria). Sie berichteten am 30. April 2010 in Rom Kardinal Bertone.

Der Papst äußert in seiner Erklärung vom 1. Mai 2010, zum Abschluss der Apostolischen Visitation, deutliche Kritik an der Kongregation:[43]

  • Die Legionäre bedürfen nach seinen eigenen Worten einer „Reinigung“, und der Aufbau der Kongregation muss neu überdacht werden. Der Gründer habe nach Überzeugung des Papstes ein Machtsystem installiert, das reformiert werden muss: „Dieser (Weg) bedeutet auch eine aufrichtige Auseinandersetzung mit denen, die innerhalb und außerhalb der Legion zu Opfern von sexuellem Missbrauch und des vom Gründer in Gang gebrachten Machtsystems geworden sind.“ Er fordert die Verantwortlichen der Kongregation auf, ihre Autoritätausübung zu überprüfen und künftig das Gewissen des Einzelnen zu achten. 2006 hatte der Papst bereits das Sondergelübde des Ordens „Nächstenliebe“ verboten.[44] Danach durften die Ordensmitglieder Kritik an ihren Oberen nur mit diesen selbst besprechen und nicht nach außen tragen. Inhaltlich war es also nicht ein Gelübde der Nächstenliebe, sondern eines der Geheimhaltung.
  • Auch wurde die gängige Praxis aufgehoben, dass die Vorgesetzten zugleich geistliche Begleiter und Beichtväter sind. Dem Machtsystem wird damit entgegengewirkt.
  • Die Radikalität der Legionäre wird vom Papst ebenfalls kritisiert: Das missionarische Tun der Kirche dürfe nicht damit gleichgesetzt werden, „um jeden Preis effiziente Ergebnisse zu erreichen“.

Als Konsequenz der Visitation wurde am 16. Juni 2010 der jetzige Kardinal Velasio De Paolis CS, Professor für Kirchenrecht und renommierter Ordensrechtler, zum päpstlichen Delegaten für eine umfassende Neuordnung der Ordensgemeinschaft der Legionäre Christi ernannt.[45] Diese Maßnahme ist – außer einer Auflösung der Kongregation – die massivste Maßnahme, die der Papst nach der Visitation verhängen konnte. Damit obliegt die Leitung der Kongregation auf unbestimmte Zeit nicht mehr den Mitgliedern des Ordens, sondern dem Delegaten, der unmittelbar im Auftrag des Papstes handelt. Die Neuordnung betrifft sowohl die Leitungsstrukturen der Kongregation als auch die örtlichen Niederlassungen.

Über ein Jahr nach Einleitung der Reformmaßnahmen kritisiert Kardinal De Paolis (Juli 2011) es gäbe Dissidenten im Orden: „Unter 'Dissidenten' verstehe er Mitglieder, die nicht bereit seien, sich den Leitungsstrukturen des Ordens zu unterwerfen, sondern sich selber als die 'Herren der Spiritualität und der Lehre' aufspielen würden, führte der Kardinal dazu aus. Das führe zu Spaltungen und dazu, dass vor allem junge Mitglieder den Orden verließen, sagte der Kardinal.“[46]

Abschluss des Erneuerungsprozesses im Frühjahr 2014

Am 4. Oktober hat der Päpstliche Delegat für die Legionäre Christi und das Regnum Christi, Kardinal Velasio De Paolis, einen Außerordentlichen Generalkapitel einberufen, das am 8. Januar 2014 begann. Damit fand nach dreieinhalb Jahren der umfassende Erneuerungsprozess der Gemeinschaft im Frühjahr 2014 seinen Abschluss.[47][48]

Papst Benedikt XVI. benannte bereits bei der Ernennung des Päpstlichen Delegaten im Juni 2010 die Revision der Konstitutionen und die Durchführung eines Außerordentlichen Generalkapitels als wesentliche Schritte des Erneuerungsprozesses.

Das Außerordentliche Generalkapitel fand in Rom statt, wo es am 8. Januar 2014 am Sitz der Ordensleitung in Rom seine Arbeit aufnahm. Das Generalkapitel repräsentiert die gesamte Ordensgemeinschaft als „ein wirkliches Zeichen ihrer Einheit in Liebe“ (c. 631 § 1 CIC). Die beiden Hauptziele bestanden darin, eine neue Ordensleitung zu wählen und die Revision der Konstitutionen abzuschließen. Aus diesem Grunde war eine größere Repräsentativität der gewählten Mitglieder vorgesehen. Im Brief wurden die daraus resultierenden besonderen Wahlmodalitäten der Delegierten dargelegt. Wie im Kirchenrecht vorgesehen, konnten nicht nur die Territorien und die örtlichen Gemeinschaften, „sondern auch alle einzelnen Mitglieder ihre Wünsche und Vorschläge dem Generalkapitel frei zuleiten“ (c. 631 § 3 CIC). Nach Abschluss Revision der Konstitutionen durch das Generalkapitel wurden diese Papst Franziskus zur endgültigen Approbation vorgelegt und angenommen.[49]

Finanzierung und gesellschaftliche Einflussnahme

Die Kritik wird von anderen Seiten noch deutlicher,[50] wenn sie auch vielfach in die gleiche Richtung wie die offizielle kirchliche Kritik geht. Der Orden wird als fundamentalistisch beschrieben. Er strebe verdeckt um jeden Preis nach politischer Macht und gesellschaftlicher Einflussnahme. Die Legionäre sollen zu den reichsten katholischen Gemeinschaften weltweit gehören und ein weit verzweigtes Netz zu politischen und gesellschaftlichen Repräsentanten haben. So hat der Gründer des Ordens einen der reichsten und einflussreichsten Männer der Welt, Carlos Slim Helu, getraut.[51][52][53] Die Legionäre hätten ein Vermögen von 25 Milliarden Euro und ihr jährlicher Haushalt betrage 650 Millionen Dollar.[54] So werden die Legionäre in Lateinamerika „Milionarios de Cristo“ – „Millionäre Christi“ genannt.[55][56] In Deutschland gibt es ebenfalls Kritik hinsichtlich der Finanzierung des Ordens.

Sexueller Missbrauch durch weitere Ordensmitglieder

Im Jahre 2010 wurde aufgedeckt, dass andere Ordensmitglieder in mehreren Apostolischen Schulen ebenfalls Jungen missbraucht haben. In der Presse werden die Kinder meist als minderjährige „Seminaristen“ bezeichnet, weil die Einrichtungen auch „Kleine Seminare“ genannt werden. Öffentlich bekannt ist Missbrauch in Schulen in Chile, Italien, Spanien und den USA.[57][58] In Irland soll Missbrauch in der Jugendseelsorge des Ordens stattgefunden haben. Das Erzbistum Freiburg hat im April 2010 einen Seelsorger beurlaubt, weil die Staatsanwaltschaft ermittelt.[59][60]

Die neue Strategie des Ordens wird dahingehend kritisiert, dass der Orden nun versuche, die Problematik alleine auf den Gründer zu begrenzen. Laut spanischen Quellen gibt es Anzeichen dafür, dass es im Orden der Legionäre weitere übergriffige Angehörige gibt. In Mexiko wurde von Missbrauchsfällen an drei Schulen berichtet.[61][62]

Die Ordensgemeinschaft räumte 2012 ein, mehrere wegen Missbrauchs von Minderjährigen und anderer Vergehen verdächtige Priester dem Vatikan gemeldet zu haben. Insgesamt seien der Kongregation für die Glaubenslehre neun Fälle gemeldet worden. Nach eigenen Angaben handele es sich um sieben Fälle von mutmaßlichem sexuellem Missbrauch, die nach internen Untersuchungen „den Anschein machen, wahr zu sein“.[63]

Bekannte Einrichtungen des Ordens

Literatur

  • Ángeles Conde und David J. P. Murray: Die Gründung, Geschichte und Gegenwart der Legionäre Christi. Köln 2008.
  • Fernando M. González: Los Legionarios de Cristo; testimonios y documentos inéditos. Mexiko-Stadt 2006.

Veröffentlichungen von ehemaligen Mitgliedern der LC und Regnum Christi:

  • Alejandro Espinosa: El Legionario, Città del Messico. Grijalbo 2003.
  • J. Paul Lennon: Our Father, who art in bed: A Naive and Sentimental Dubliner in the Legion of Christ. BookSurge Publishing 2008.
  • Alejandro Espinosa: El Ilusionista Marcial Maciel. Città del Messico 2010.
  • Jack Keogh: Driving Straight On Crooked Lines: How an Irishman found his heart and nearly lost his mind. Iveagh Lodge Press 2010.
  • Nelly Ramírez Mota Velasco: El reino de Marcial Maciel. Città del Messico 2011.
  • Francisco González Parga: Yo acuso al Padre Maciel y a la Legión de Cristo. Seattle 2011.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Süddeutsche Zeitung, 7. April 2010: Katholische Kirche in Lateinamerika. Reich des Schweigens.
  2. Homepage des Ordens [1]
  3. Bernardo Barranco V.: La derogación de los votos secretos de los Legionarios, La Jornada (Mexico City), 12. Dezember 2007.
  4. Ordenskorrespondenz, 2011, Heft 3, S. 358f.
  5. „Legionäre Christi mit neuem Ordensprovinzial“, Radio Vatikan, 16. März 2012.
  6. „El P. Eduardo Robles Gil Orvañanos es el nuevo director general de la Legión de Cristo“, Regnum Christi, 6. Februar 2014 (spanisch)
  7. Franziskus ernennt Berater für „Legionäre Christi“, Radio Vatikan, 4. Juli 2014
  8. „Wo wir sind“, abgerufen am 30. September 2011.
  9. Johann Hausner: „Legionäre Christi kommen nach Alzgern“, Regionalfernsehen Oberbayern, 20. September 2011.
  10. Die „Apostolische Schule“ in Bad Münstereifel. Abgerufen am 18. Januar 2014.
  11. „Apostolische Schule“ der Legionäre Christi in Bad Münstereifel, Zenit, 7. Januar 2009.
  12. „Der Ruhestandslehrer Günter Dischinger baut in Bad Münstereifel eine katholische Privatschule auf“, Werner Falk in Altmühl-Bote, 5. Februar 2009.
  13. Kölner Stadt-Anzeiger: Heike Nickel, 26. Januar 2009: Für die, die eine Berufung in sich fühlen, https://www.ksta.de/html/artikel/1231945330238.shtml
  14. http://www.demisiones.org/usa/
  15. http://freunde-von-net.net/
  16. http://www.zenit.org/article-23153?l=german
  17. http://www.de.vocation.com/ abgerufen Juli 2010.
  18. Süddeutsche vom 2. September 2011 http://www.sueddeutsche.de/bayern/legionaere-christi-wollen-sich-in-neuoetting-ansiedeln-fanatische-ordensbrueder-1.1138594-3
  19. http://www.forum-deutscher-katholiken.de/htm/referenten.html
  20. Schönstatt-Frauenbewegung lädt neben Ministerin von der Leyen auch die Vertreterin von Regnum Christi ein.
  21. Schönstatt kondoliert zum Tod von Pater Maciel mit den Worten: „Wir glauben, dass er sein Lebenswerk weiterführen wird.“
  22. Head of Worldwide Catholic Order Accused of History of Abuse [2]
  23. a b Presseerklärung der Legionäre vom 25. März 2010
  24. Legionäre Christi distanzieren sich von Ordensgründer Maciel, kath.net, 22. Februar 2010.
  25. COMMUNIQUÉ On the current circumstances of the Legion of Christ and the Regnum Christi Movement. In: legonariesofchrist.org. Legoinaries of Christ, 25. März 2010, abgerufen am 27. März 2010.
  26. „Legionäre Christi bedauern Verhalten des Gründers“, Zenit, 5. Februar 2009.
  27. Legionäre Christi distanzieren sich von Ordensgründer Maciel, kath.net, 22. Februar 2010.
  28. engl. Wikipedia, ACI Prensa, 11. Dezember 2009 und El Mundo, 12. Dezember 2009 http://www.elmundo.es/elmundo/2009/12/12/internacional/1260637560.html
  29. Erklärung des Heiligen Stuhls zur apostolischen Visitation der Kongregation der Legionäre Christi – 1. Mai 2010. [3]
  30. Meldung von Radio Vatican – 13. Dezember 2010, [4]
  31. Meldung der katholischen Nachrichtenagentur kna – 14. Dezember 2010, [5]
  32. Radio-Vatican-Meldung vom 6. Juli 2011 [6]
  33. Nelly Ramírez Mota Velasco: El reino de Marcial Maciel, Città del Messico, Editorial Planeta, 2011, ISBN 978-607-07-0624-0.
  34. Alejandro Espinosa: El Ilusionista Marcial Maciel, Città del Messico, Grijalbo, 2010, .
  35. http://www.sueddeutsche.de/bayern/legionaere-christi-wollen-sich-in-neuoetting-ansiedeln-fanatische-ordensbrueder-1.1138594
  36. [7]
  37. [8] catholic bews service 22. Dezember 2004: Kritik der Bischöfe an den Legionären
  38. http://www.sueddeutsche.de/bayern/legionaere-christi-wollen-sich-in-neuoetting-ansiedeln-fanatische-ordensbrueder-1.1138594-2
  39. http://www.kath.net/news/32952
  40. Barbara Hans: Uno-Bericht zu Kinderrechten in der Kirche: Katalog der gelebten Doppelmoral, Spiegel online, 5. Februar 2014 (Punkt 8)
  41. [9] kath.net
  42. http://www.kath.net/news/20089
  43. Erklärung des Heiligen Stuhls zur apostolischen Visitation der Kongregation der Legionäre Christi – 1. Mai 2010. [10]
  44. Meldung von Radio Vatican zum Verbot des Sondergelübdes der Nächstenliebe, [11]
  45. Radio Vatikan: Delegat für Legionäre Christi ernannt. [12]
  46. www.oecumene.radiovaticana.org
  47. Radio Vatikan, 6. Oktober 2013: Papst-Delegat beruft „Legionäre“-Generalkapitel ein http://de.radiovaticana.va/news/2013/10/06/papst-delegat_beruft_%E2%80%9Elegion%C3%A4re%E2%80%9C-generalkapitel_ein/ted-734867
  48. Italien: Reformen bei den Legionären Christi (Radio Vatikan, 26. Febr. 2014) http://de.radiovaticana.va/storico/2014/02/26/italien_reformen_bei_den_legionären_christi/ted-776590
  49. Legionäre Christi: Vatikan billigt neue Regeln (Radio Vatikan, 1. Nov. 2014) http://de.radiovaticana.va/storico/2014/11/01/legionäre_christi_vatikan_billigt_neue_regeln/ted-834206
  50. Hanspeter Oschwald: Im Namen des Heiligen Vaters: Wie fundamentalistische Mächte den Vatikan steuern. München 2010.
  51. Artikel bei Welt online vom 10. März 2011
  52. Artikel bei Zeit online vom 10. März 2011
  53. Artikel bei Verlagsgruppe Bistumspresse vom 23. September 2011
  54. NDR-Radiosendung vom 1. August 2010 (ARD Mediathek): Legionäre Christi. Danach beruft sich die Zeitschrift National Catholic Reporter auf das Nachrichtenmagazin L’Espresso und The Wall Street Journal. Manuskript der Sendung in Langfassung
  55. Ausführlicher Artikel zur internationalen Kritik [13]
  56. TELEPOLIS: Peter Bürger am 2. April 2010 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32375/4.html
  57. NDR-Radiosendung vom 1. August 2010 (ARD Mediathek): Legionäre Christi Sendungs-Manuskript von C. Modehn
  58. Tagesanzeiger vom 3. Mai 2010: [14]
  59. Erzbistum Freiburg beurlaubt Seelsorger: Meldung vom 28. April 2010: http://www.erzbistum-freiburg.de/html/aktuell/aktuell_u.html?t=e586c87b7b219974c27cb9ece31df3db&&cataktuell=955&m=19718&artikel=5998&stichwort_aktuell=&default=true
  60. Südkurier vom 21. August 2010: Beschuldigter Pfarrer geht. http://www.suedkurier.de/region/hochrhein/waldshut-tiengen/Beschuldigter-Pfarrer-geht;art372623,4441870
  61. Christian Modehn: Legionäre Christi – Ihr Gründer Maciel ein enger Freund von Papst Johannes Paul II. Religionsphilosophischer Salon, 13. Dezember 2009, online
  62. Die Quelle, auf die sich Modehn bezieht, ist: Luis Pablo Beauregard: Las claves en la investigación a los Legionarios de Cristo, soitu.es, 8. November 2009, online
  63. Legionäre Christi unter Missbrauchsverdacht, Spiegel Online vom 11. Mai 2012.