Marcus Lachmann

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Marcus Lachmann (* 23. Juli 1956 in Pforzheim) ist ein deutscher Schauspieler, Szenenbildner, Regisseur und Theaterpädagoge.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausbildung und feste Engagements[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Marcus Lachmann entstammt einer Schauspielerfamilie. Seine Großmutter mütterlicherseits, die Schauspielerin Erna Keldaan (1892–1988), war Mutter des Schauspielers Hans Nielsen (1911–1965). In zweiter Ehe war sie mit Lutz Heinle (1898–1973) verheiratet, der bis 1942 acht Jahre lang Schauspieldirektor am Deutschen Nationaltheater in Weimar war.[1]

Lachmann besuchte die Waldorfschule Goetheschule in Pforzheim. An der Westfälischen Schauspielschule Bochum studierte er Schauspiel. 1977 begann er seine Bühnenlaufbahn als Schauspieler mit einem Engagement an der Hamburgischen Staatsoper. In der Jugendoper Bruch – Ein Ding mit Musik trat er in einem provisorischen Zirkuszelt neben dem kurz vor der Premiere abgebrannten Kulturzentrum Fabrik in Hamburg neben Kollegen wie Jan Fedder und Burghart Klaußner auf.[2] Von 1977 bis 1979 war Lachmann am Theater Neumarkt Zürich engagiert, wo er unter anderem in den Stücken Ritter Blaubart von Ludwig Tieck[3], Zwischen Himmel und Erde von Staffan Westerberg nach Eugène Ionesco[4], Mensch Meier von Franz Xaver Kroetz[5] und Die Geisel von Brendan Behan spielte.[6]

Es folgte bis 1981 ein Engagement am Staatstheater Stuttgart, wo er neben Rollen in Schnitzlers Komödie der Verführung und Heiner Müllers Philoktet[7] auch als Marquis von Posa in der umstrittenen Inszenierung Hansgünther Heymes von Schillers Don Carlos auftrat.[8]

Ab 1983 hatte Lachmann ein dreijähriges Engagement als Schauspieler am Niedersächsischen Staatstheater Hannover.[9][10] Parallel dazu leitete er am Schlosstheater Moers das S.TM-Jugendforum, wo er mit interessierten Jugendlichen jährlich ein Theaterstück inszenierte.[11] In der Folge wollte Lachmann vom Schauspielerberuf Abschied nehmen und sich auf Theaterregie und Ausstattung konzentrieren. Am Schauspielhaus Düsseldorf inszenierte er ein Einpersonenstück von Dario Fo und die deutsche Erstaufführung des Kinderstücks Die Geschichte vom Onkelchen[12], in seiner Heimatstadt Pforzheim Süskinds Der Kontrabaß.[13]

1985 folgte er dem Ruf ans Schauspiel Frankfurt, wo er unter anderem die Titelrolle der Hilsdorf-Inszenierung von Goethes Egmont spielte, die von Publikum und Kritik anerkennend aufgenommen wurde.[14][15][16] Weitere Inszenierungen mit Lachmann in Frankfurt waren die Uraufführung des Stückes Die Schauspieler von Einar Schleef, Die Irre von Chaillot[17] von Giraudoux und Shakespeares Hamlet.[18]

Ab 1990 war Lachmann als Oberspielleiter am Mecklenburgischen Landestheater Parchim engagiert. Stücke wie Carl Ceiss’ Honecker-Monolog An den Dreizehnten oder die Bearbeitung von Shakespeares König Lear durch den damals 24-jährigen Autor Daniel Call (der selbst im Stück mitspielte) nahmen dabei Bezug auf den gesellschaftlichen Umbruch der Wendezeit.[19][20] Die Zusammenarbeit mit Call setzte sich fort: In den Jahren 1991 bis 2007 war Lachmann an verschiedenen Bühnen an über einem Dutzend Uraufführungen von Calls Stücken beteiligt.[21][22][23][24] Auch privat waren die beiden Partner. In einem Biografie-Artikel über Call schrieb Stern-Autor Holger Witzel, Lachmann sei „so etwas wie sein Simon von Kyrene“: er „trägt das Kreuz insgesamt acht Jahre mit und wischt nachts die Kotze auf“. In die gemeinsame Zeit fielen der Selbstmord von Calls Ehefrau und der Tod seiner sechs Jahre alten Tochter.[25]

Am 22. Februar 1992 inszenierte Lachmann in Parchim die Uraufführung von Barbara Bronnens einzigem dramatischen Text Bevor ich ins Gras beiße.[26][27]

Bis 2002 hatte er durchgängig feste Engagements, zuletzt als Oberspielleiter in Nordhausen und Schauspieldirektor in Rostock. In Nordhausen wurde über 40 Jahre nach seiner Entstehung das Stück Die jüngste Nacht von Arnolt Bronnen unter Lachmanns Regie in Deutschland erstaufgeführt.[28] Außerdem brachte er das Musical Stars von und mit Klaus Lage auf die Bühne.[29] In Rostock inszenierte er mit Hohn der Angst erneut ein Stück von Dario Fo. Gegenüber dem Deutschen Depeschendienst sagte er: „Für mich ist Dario Fo eine wichtige Figur des Jahrhunderts, er nimmt Staat und Gesellschaft auf die Schippe und ist zugleich Provokateur.“[30] Weitere Inszenierungen Lachmanns in Rostock waren Dürrenmatts Der Besuch der alten Dame und Botho StraußDie Hypochonder. Bereits 1995 war Lachmann am Theater Brandenburg mit einer Botho-Strauß-Inszenierung von Das Gleichgewicht aufgefallen, als diese sowohl von der Theaterzeitschrift Die Deutsche Bühne, als auch von Theater heute im Vergleich mit Inszenierungen von Thomas Langhoff, Luc Bondy und Peter Ibrik als besonders gelungen beurteilt wurde.[31][32]

Parallel inszenierte er auch an anderen Bühnen, wie das Kinderstück Momo von Michael Ende für die Badische Landesbühne[33], Stan Laurel und Oliver Hardy in Luxemburg von Urs Widmer im Kasemattentheater in Luxemburg[34], Goethes Clavigo am Stadttheater Bremerhaven[35], Wedekinds Frühlings Erwachen am Brandenburger Theater[36] und Büchners Leonce und Lena erneut in Pforzheim.[37]

Freiberuflichkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit 2002 setzt Marcus Lachmann seine Arbeit als Regisseur, Theaterpädagoge, Szenenbildner und Schauspieler in freiberuflicher Selbständigkeit fort. Hinzu kommen Filmprojekte mit Rosa von Praunheim, Benzina Kanchavelli und für die Produktionsfirmen WTS Film und Ente Kross Film.

Gemeinsam mit den Schülern der Rudolf-Steiner-Schule Hamburg-Bergedorf[38], der Freien Waldorfschule Oberberg[39], der Blote-Vogel-Schule in Witten und der Freien Waldorfschule Saarbrücken[40] entwickelt Lachmann Theaterstücke, in denen die Schüler von der Konzeption über die Einstudierung bis hin zu Bühnen- und Kostümbild alles selbst gestalten. Die Projekte werden durch den für Waldorfschulen charakteristischen Schulalltag ermöglicht, in dem jährlich mehrere Wochen ausschließlich für die sogenannten Klassenspiele bestimmt werden können. Lachmann ist es wichtig, „die Jugendlichen an große Texte der Weltliteratur heran[zu]führen“ und sie in diesem Prozess die Erfahrung machen zu lassen, mit der eigenen Emotionalität, dem eigenen Gruppenverhalten umgehen zu können, um daraus ein größtmögliches Selbstbewusstsein zu entwickeln.[41]

Theatrografie (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Regie und Ausstattung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Filmografie (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hörspiele (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Susanne Deuter: Figuren der Weltliteratur verkörpert. Die Königsberger Schauspielerin Erna Keldaan wurde 90 Jahre alt. In: Das Ostpreußenblatt. 13. Februar 1982, S. 9 (preussische-allgemeine.de [PDF]).
  2. Klaus Wagner: Jugendoper „Bruch“. Romeo und Julia in der Hamburger „Fabrik“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 75, 30. März 1977, S. 27.
  3. mw: Von der Unruhe der Neugier und ihren Widersachern. Ludwig Tiecks «Ritter Blaubart» im Theater am Neumarkt, Zürich. In: Neue Zürcher Zeitung. 10. Oktober 1977.
  4. Hans-Peter Fricker: «Zwischen Himmel und Erde». Kinderstück von Ionesco/Westerberg im Zürcher Theater am Neumarkt. In: Zürichsee-Zeitung. 23. Mai 1978.
  5. Elisabeth Brock-Sulzer: Grau verdüsterter Alltag, ehrliche Trübsal. Theater am Neumarkt: «Mensch Meier» von Franz Xaver Kroetz. In: Züri Leu. 6. Februar 1979.
  6. Max Wüthrich: Endlich wieder einmal lebendiges Theater. «Die Geisel» von Brendan Behan. In: Frelämter Tagblatt. 11. Mai 1979.
  7. Wolfgang Ignée: Robinson nach Troja. Heiner Müller in Stuttgart. „Philoktet“ und „Mauser“. In: Stuttgarter Zeitung. Nr. 12, 16. Januar 1981, S. 29.
  8. kmh: Vogelperspektiven. Hansgünther Heymes Stuttgarter «Don Carlos»-Inszenierung. In: Neue Zürcher Zeitung. Nr. 236, 11. Oktober 1979, S. 37.
  9. Reimar Hollmann: Alexander Mays Wünschelrute findet eine vergrabene Komödie. Shakespeares „Ende gut, alles gut“ als wohlgeratenes Ballhof-Vergnügen. In: Neue Presse. 20. September 1982, S. 11.
  10. Bernhard Häußermann: Nicht gerade verschwenderisch. „Der Geizige“ von Molière im hannoverschen Ballhof. In: Hannoversche Allgemeine Zeitung. 20. September 1983, S. 7.
  11. Ellen Dellwig: S.TM-Jugendforum mit Aristophanes. Der „Krieg“ als üppige Blondine in Samt. In: Neue Rheinische Zeitung. 20. Juni 1984.
  12. Meik Breer: Premiere im Kindertheater. Onkelchen wohnt auf der Parkbank. In: Neue Rheinische Zeitung. 28. Mai 1985.
  13. „Der Kontrabaß“ im Podium. In: Pforzheimer Zeitung. Nr. 225, 28. September 1985, S. 14.
  14. Gerhard Rohde: Der ganze Egmont. Hilsdorf inszeniert Goethe in Frankfurt. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 27. Oktober 1986.
  15. Hans-Jürgen Linke: Special Effects im Dienste des Grafen Egmont. Dietrich Hilsdorfs wirkungssichere und sehenswerte Goethe-Inszenierung im Frankfurter Schauspiel. In: Gießener Anzeiger. 28. Oktober 1986.
  16. Peter Merck: Frankfurt sah einen modernen »Egmont«. In: Wetzlarer Neue Zeitung. 28. Oktober 1986.
  17. Siegfried Diehl: Jeanne d'Arc aus dem Westend. „Die Irre von Chaillot“ in Frankfurter Fassung. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 124, 2. Juni 1986, S. 27.
  18. Günter Engelhard: Wo ist die schöne Majestät von Dänemark? In: Rheinischer Merkur. Nr. 2, 4. Januar 1986.
  19. „Honeckers“ Sturz auf den Theaterbrettern als Weltfall. Uraufführung am Landestheater Parchim. „Honecker“-Stück als Stachel gegen neue Verdrängung. In: Schweriner Volkszeitung. 21. Januar 1991.
  20. Christian Menzel: Die Moral von der ewigen Herrschaft. „Lear“, ein Stück nach Shakespeare, von Daniel Call. In: Norddeutsche Zeitung. 17. Juni 1991.
  21. Hans-Peter Gumtz: »...wo traut ich mit Dir spielen kann«. Uraufführung von Daniel Calls Schauspiel „Blaubart“ im Theaterstudio im Löbershof – Marcus Lachmann führte Regie. In: Gießener Zeitung. 26. Oktober 1992.
  22. dpa: Premiere in Dortmund: Tumult in der Villa des Autors Karl May. In: Morgenpost. 1. Dezember 1997.
  23. Erika Stephan: In den Mühlen der Bürokratie. In: Theater heute. März 2001.
  24. René Aguigah: Und ewig locken die Jagdgründe. In: Berliner Zeitung. 3. Dezember 1997 (archive.org).
  25. Holger Witzel: Drama eines Dramatikers: Es gibt Schicksale, die hält kein Mensch aus – wie also überlebt einer wie der Theaterregisseur DANIEL CALL? In: Stern spezial Biografie. Nr. 1, 2002, S. 94.
  26. Christoph Funke: Sterbenwollen und Lebenmüssen. Barbara Bronnens Stück „Bevor ich ins Gras beiße“ in Parchim. In: Der Tagesspiegel. 24. Februar 1992.
  27. Barbara Bronnen: Werke. In: Literaturhaus Wien. Abgerufen am 31. Oktober 2023.
  28. Harald Müller: Slapstick. Theater Nordhausen: „Die jüngste Nacht“ von Arnolt Bronnen (Regie/Ausstattung Marcus Lachmann). In: Theater der Zeit. Mai 1995.
  29. Maren Mende: 45 Minuten Applaus für Dehm-Musical „Stars“. In: Bild. 22. Januar 1996.
  30. Detlef Kuzia: Verwirrspiel um eine missglückte Entführung. Volkstheater Rostock zeigt mit „Hohn der Angst“ zum fünften Mal ein Stück von Dario Fo. In: Nordkurier. 20. November 2000.
  31. Claudia Petzold: „Das Gleichgewicht“ von Botho Strauß. In: Die Deutsche Bühne. Juli 1995.
  32. Dieter Kranz: David im Gleichgewicht. Die Uckermärkischen Bühnen Schwedt und das Theater Brandenburg versuchen sich an „Das Gleichgewicht“ von Botho Strauß. In: Theater heute. August 1995, S. 33.
  33. Birgit Matthes: Zuschauer in eine imaginäre Welt entführt. „Boing & Co.“ zauberten bei „Momo-Inszenierung“ eine Vielzahl markanter Figuren hervor. In: Badische Rundschau. 16. Oktober 1993.
  34. Stan Laurel und Oliver Hardy in Luxemburg. Kasemattentheater stets für Überraschungen gut. In: Tageblatt. 21. Dezember 1993, S. 10.
  35. Volker Heigenmooser: Liebesleid in der Popszene. Marcus Lachmanns aktualisierter „Clavigo“ in Bremerhaven. In: Weser-Kurier. März 1995.
  36. Günther Bellmann: Am Ende des Steges warten bedrohlich die Grabsteine. Gefeierter Wedekind am Brandenburger Theater: Marcus Lachmann inszenierte „Frühlings Erwachen“. In: Berliner Morgenpost. 21. April 1998.
  37. Michael Stolle: Premiere in Pforzheim. Viel Kraft und zündende Ideen. Büchners „Leonce und Lena“. In: Pforzheimer Kurier. 28. September 2001.
  38. Wann ist ein Verbrechen ein Verbrechen? (PDF) In: waldorfschule-bergedorf.de. Abgerufen am 11. November 2023.
  39. Waldorfschule Oberberg zeigt Drama „Die Verbrecher“. In: Kölner Stadt-Anzeiger. 4. Dezember 2017, abgerufen am 11. November 2023.
  40. Theaterprojekt der 7. Klasse. In: waldorfschule-saarbruecken.de. 6. Dezember 2019, abgerufen am 11. November 2023.
  41. Gabi Schlag: Leidenschaft für das Theater – ein Leben lang. In: erziehungskunst.de. Mai 2016, abgerufen am 11. November 2023.