Schifffahrtsgericht

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Schifffahrtsgerichte sind in Deutschland Amtsgerichte zur Entscheidung über Binnenschifffahrtssachen (mit Ausnahme der Rhein- und Moselschifffahrtssachen, siehe unten). In Österreich werden entsprechende Aufgaben von Bezirksgerichten wahrgenommen.

Schifffahrtsgerichte in Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrtssachen von 1952 (BinSchVfG)[1] gehören zu den Binnenschifffahrtssachen bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, Strafsachen und Bußgeldsachen, die mit der Benutzung von Binnengewässern durch Schifffahrt zusammenhängen (§ 2 BinSchVfG), insbesondere

  • Schadensersatzansprüche aus Unfällen
  • Schadensersatzansprüche aus Amtspflichtverletzungen
  • Ansprüche aus Bergung
  • Ansprüche wegen Zahlung der Lotsen-, Kran-, Waage-, Hafen- und Bohlwerksgebühren
  • Straf- und Bußgeldsachen wegen Verstößen gegen schifffahrtspolizeiliche Vorschriften und damit in Zusammenhang stehender Handlungen,[2] soweit nach GVG die Amtsgerichte zuständig sind.

In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten sind die Amtsgerichte als Schifffahrtsgerichte auch soweit sachlich zuständig, wie nach den Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes die Landgerichte streitwertmäßig zuständig wären (§ 3 Abs. 1 BinSchVfG), und die Berufung ist ohne Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 9 BinSchVfG).

Für Berufungen und Beschwerden (einschließlich Rechtsbeschwerden) ist das dem jeweiligen Amtsgericht übergeordnete Oberlandesgericht als Schifffahrtsobergericht zuständig (§ 11 BinSchVfG). In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten entscheidet im dritten Rechtszug der Bundesgerichtshof (§ 133 GVG); in Strafsachen ist die Revision ausgeschlossen (§ 10 BinSchVfG).

Zuständigkeitskonzentration[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es gibt zahlreiche Bestimmungen zur Zuständigkeitskonzentration, zum Teil bundesländerübergreifend (vgl. § 4 BinSchVfG). Diese können sich auf einzelne Gewässer oder auf ganze Gebiete beziehen.

Schifffahrtsobergerichte Schifffahrtsgerichte Zuständigkeitskonzentration für
Oberlandesgericht Karlsruhe
(zugleich Rheinschifffahrtsobergericht)
Amtsgericht Konstanz[3] Baden-Württemberg Bodensee, Rhein (aber nicht als Rheinschifffahrtsgericht)
Amtsgericht Kehl (Rheinschifffahrtsgericht)[3] Baden-Württemberg Rhein
Amtsgericht Mannheim (Rheinschifffahrtsgericht)[3] Baden-Württemberg Rheinland-Pfalz Rhein, Neckar, Main bei Wertheim
Amtsgericht Mainz (Rheinschifffahrtsgericht)[3] Rheinland-Pfalz Hessen Rhein, Main in Hessen
Oberlandesgericht Köln
(Rhein- und Moselschifffahrtsobergericht)
Amtsgericht Sankt Goar
(Rhein-[3] und Moselschifffahrtsgericht)[4]
Rheinland-Pfalz Hessen Nordrhein-Westfalen Saarland Rhein, Lahn, Mosel, Saar
Amtsgericht Duisburg-Ruhrort (Rheinschifffahrtsgericht)[3] Nordrhein-Westfalen Rhein, Schifffahrtsweg Rhein-Kleve, Rhein-Herne-Kanal, Wesel-Datteln-Kanal, Ruhr
Oberlandesgericht Hamm Amtsgericht Dortmund[5] Nordrhein-Westfalen Dortmund-Ems-Kanal, Rhein-Herne-Kanal, Wesel-Datteln-Kanal, Datteln-Hamm-Kanal, Ruhr
Amtsgericht Minden[5] Nordrhein-Westfalen Hessen Niedersachsen Weser, Werra, Fulda, Mittellandkanal
Oberlandesgericht Saarbrücken Amtsgericht Saarbrücken[6] Saarland Saar
Oberlandesgericht Hamburg Amtsgericht Emden[7] Niedersachsen Dortmund-Ems-Kanal, Ems, Küstenkanal u. a.
Amtsgericht Bremen[8] Bremen Niedersachsen Weser, Aller, Leine u. a.
Amtsgericht Hamburg[8] Hamburg Niedersachsen Schleswig-Holstein Elbe, Nord-Ostsee-Kanal u. a.
Amtsgericht Waren (Müritz)[9] Mecklenburg-Vorpommern ganz Mecklenburg-Vorpommern
Kammergericht Amtsgericht Charlottenburg (Zivilsachen)[10] Berlin ganz Berlin
Amtsgericht Tiergarten (Strafsachen)[10]
Oberlandesgericht Brandenburg Amtsgericht Brandenburg an der Havel[11] Brandenburg ganz Brandenburg
Oberlandesgericht Naumburg Amtsgericht Magdeburg (Zivilsachen)[12] Sachsen-Anhalt ganz Sachsen-Anhalt (nur Zivilsachen)
Oberlandesgericht Dresden Amtsgericht Dresden[13] Sachsen ganz Sachsen
Oberlandesgericht Nürnberg[14] Amtsgericht Bamberg Bayern LG-Bezirke Bamberg, Bayreuth, Coburg, Hof
Amtsgericht Lindau (Bodensee) Bayern Bodensee, LG-Bezirk Kempten (Allgäu), AG-Bezirk Memmingen
Amtsgericht Nürnberg Bayern LG-Bezirke Ansbach, Ingolstadt, Nürnberg-Fürth;
AG-Bezirke Dillingen a. d. Donau, Günzburg, Neu-Ulm, Nördlingen
Amtsgericht Regensburg Bayern LG-Bezirke Amberg, Deggendorf, Landshut, Passau, Regensburg, Weiden i. d. OPf.
Amtsgericht Starnberg Bayern LG-Bezirke Augsburg (ohne AG-Bezirke Dillingen a. d. Donau und Nördlingen), München I, München II, Traunstein
Amtsgericht Würzburg Bayern LG-Bezirke Aschaffenburg, Schweinfurt, Würzburg

Keinerlei Zuständigkeitskonzentration existiert für Thüringen.

Besteht danach keine Zuständigkeitskonzentration, sind das örtliche Amtsgericht als Schifffahrtsgericht und sein Oberlandesgericht als Schifffahrtsobergericht zuständig.[15]

Rhein- und Moselschifffahrtsgerichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Rhein- und die Moselschifffahrtsgerichte beruhen auf staatsvertraglicher Grundlage (vgl. § 14 GVG), nämlich der Revidierten Rheinschifffahrtsakte von 1868 bzw. dem Vertrag über die Schiffbarmachung der Mosel von 1956.

Rhein- und Moselschifffahrtssachen sind Angelegenheiten auf dem Rhein ab Basel bzw. der Mosel, die betreffen

  • Schadensersatzansprüche aus Beschädigungen, welche Schiffer während der Fahrt oder beim Anlanden verursachen
  • Ansprüche wegen Zahlung von Gebühren
  • Bußgeldsachen wegen Zuwiderhandlungen gegen schifffahrtspolizeiliche Vorschriften.[16]

Der sachliche Zuständigkeitsbereich der Rhein- und Moselschifffahrtsgerichte ist somit enger als der der Schifffahrtsgerichte; insbesondere gehören Strafsachen,[17] vertragliche Schadensersatzansprüche[18] und Amtshaftung nicht dazu.

Rheinschifffahrtsgerichte

Schifffahrtsgericht (Deutschland Südwest)
Schifffahrtsgericht (Deutschland Südwest)
BASEL
Straßburg
Thionville
COLMAR
LUX
Kehl
Mannheim
Mainz
KARLSRUHE
St. Goar
Duisburg
KÖLN
ARL
Utr
AMS
Dor
Rot
Gou
DHA
Sitze der Rhein- und Moselschifffahrtsgerichte
Land Rheinschifffahrtsobergericht Rheinschifffahrtsgericht
Schweiz Schweiz[19] Appellationsgericht Basel-Stadt Strafgericht Basel-Stadt
Zivilgericht Basel-Stadt
Frankreich Frankreich Cour d’appel de Colmar[20] Tribunal judiciaire de Strasbourg[21]
Deutschland Deutschland[3] Oberlandesgericht Karlsruhe Amtsgericht Kehl
Amtsgericht Mannheim
Amtsgericht Mainz
Oberlandesgericht Köln
(ECLI-Code: RSCHOGK)
Amtsgericht Sankt Goar
Amtsgericht Duisburg-Ruhrort[22] (RSCHGDU)
Niederlande Niederlande[23] Gerechtshof Arnhem-Leeuwarden Rechtbank Gelderland, Arnhem
Gerechtshof Amsterdam Rechtbank Midden-Nederland, Utrecht
Gerechtshof Den Haag Rechtbank Rotterdam, Rotterdam/Dordrecht
Rechtbank Den Haag, Den Haag/Gouda

Moselschifffahrtsgerichte

Land Moselschifffahrtsobergericht Moselschifffahrtsgericht
Frankreich Frankreich Cour d’appel de Colmar[24] Tribunal judiciaire de Thionville[21]
Luxemburg Luxemburg[25] Tribunal d’arrondissement de Luxembourg Justice de paix de Luxembourg
Deutschland Deutschland[4] Oberlandesgericht Köln (MSCHOGK) Amtsgericht Sankt Goar

In Rheinschifffahrtssachen kann statt Berufung oder Rechtsbeschwerde an das Rheinschifffahrtsobergericht optional auch die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) in Straßburg angerufen werden,[26] in Moselschifffahrtssachen der Berufungsausschuss der Moselkommission in Trier.[27]

Schifffahrtsgerichte in Österreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Österreich gelten weiterhin[28] das ursprünglich deutsche Gesetz über das Verfahren in Binnenschiffahrtssachen von 1937[29] sowie die Vierte Durchführungsverordnung hierzu von 1941.[30]

Davon erfasst werden nur bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, nämlich

  • Schadenersatzansprüche aus Zusammenstößen oder anderen Schifffahrtsunfällen sowie aus unerlaubten Handlungen, die sonst mit der Benutzung der Gewässer zusammenhängen
  • Ansprüche auf Lotsenvergütungen
  • Ansprüche aus Bergung und Hilfeleistung (§ 1 BinSchVfG 1937).

Zuständig sind im ersten Rechtszug die Bezirksgerichte bzw. für die Donau das Bezirksgericht für Handelssachen Wien als Schifffahrtsgerichte,[31] im zweiten Rechtszug die Oberlandesgerichte als Schifffahrtsobergerichte und im dritten Rechtszug der Oberste Gerichtshof.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur, Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrtssachen vom 27. September 1952; BT-Drs. 1/3303
  2. Beispiele: Gewässerverunreinigung durch Einleiten von mit Öl vermischtem Kühlwasser aus Motorschiff (BGH, Beschluss vom 20. April 1979, 2 ARs 76/79); Unterschlagung von Mineralöl und Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit Verstoß gegen Umladeverbot (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 7. April 2003, 1 AR 35/02); fahrlässige Körperverletzung im Zusammenhang mit fahrlässiger Gefährdung des Schiffsverkehrs (BGH, Beschluss vom 27. November 2018, 2 ARs 295/18)
  3. a b c d e f g Abkommen zwischen den Ländern Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz über die Gliederung der Schiffahrtsgerichtsbezirke im Rheinstromgebiet von 1954 (GV. NW. S. 263)
  4. a b Abkommen zwischen den Ländern Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland über die Errichtung von Moselschiffahrtsgerichten von 1966 (GV. NW. S. 294)
  5. a b Verordnung über die Zuweisung von Binnenschiffahrtssachen vom 28. Februar 1984 (GV. NW. S. 205)
  6. Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 15. Juli 1994 (Amtsbl. S. 1119)
  7. § 22 ZustVO-Justiz
  8. a b Staatsvertrag zwischen der Freien Hansestadt Bremen, der Freien und Hansestadt Hamburg sowie den Ländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein über die gerichtliche Zuständigkeit in Binnenschiffahrtssachen von 1983 (GVOBl. 1984 S. 61)
  9. § 7 KonzVO M-V
  10. a b § 4 ZuwV
  11. § 9 GerZV
  12. § 3 ZivilAGZustV
  13. § 18 SächsJustOrgV
  14. § 48 GZVJu, trotz der Überschrift auch in Straf- und Bußgeldsachen (LG Würzburg, Beschluss vom 20. April 2022, 1 Qs 38/22)
  15. Beispiel: Havarie eines schwimmenden Saugbaggers auf Baggersee in Hessen (Verweisung an AG Dieburg durch LG Darmstadt, Beschluss vom 23. Oktober 2023, 18 O 59/22)
  16. Art. 34 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte; Art. 35 des Vertrags über die Schiffbarmachung der Mosel
  17. Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt, Urteil vom 23. Januar 1997, 352 S - 6/96
  18. Hubert Holland: Frachtrechtliche Zuständigkeit der Schiffahrtsgerichte (1. Dezember 2018)
  19. Gesetz über die Rheinschiffahrtsgerichte vom 8. Februar 1968
  20. Code de l’organisation judiciaire, art. L. 313-1 (2006), art. D. 313-1 (2008); ehemals Art. 3 des Gesetzes vom 19. März 1934
  21. a b Code de l’organisation judiciaire, art. L. 215-4, art. D. 215-2, tab. XII (2019)
  22. Amtsgericht Duisburg-Ruhrort: Rheinschifffahrtsgericht
  23. Uitvoeringswet der bepalingen van de artikelen 33, 36, 37 en 38 der herziene akte omtrent de Rijnvaart van 16 juli 1869; Wet op de rechterlijke indeling van 10 augustus 1951
  24. Code de l’organisation judiciaire, art. L. 313-2 (2006), art. D. 313-2 (2008)
  25. Loi portant création et organisation d’un tribunal pour la navigation de la Moselle du 24 janvier 1990
  26. § 18 BinSchVfG; Art. 37, 45bis der Revidierten Rheinschifffahrtsakte; Verfahrensordnung der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt
  27. § 18e BinSchVfG; Art. 34 Abs. 4 des Vertrags über die Schiffbarmachung der Mosel; Verfahrensordnung des Berufungsausschusses der Moselkommission
  28. Zweites Bundesrechtsbereinigungsgesetz, BGBl. I Nr. 61/2018, Anlage, Klassifikationsnummer 94.02.05
  29. Gesetz über das Verfahren in Binnenschiffahrtssachen vom 30. Januar 1937
  30. Vierte Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über das Verfahren in Binnenschiffahrtssachen vom 26. Juni 1941, insbesondere Art. 1, 2, 3 Abs. 1 Z 27
  31. ECLI:AT:OGH0002:1992:RS0046456