Vattenfall (Deutschland)

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Vattenfall GmbH

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Rechtsform GmbH
Gründung 2002
Sitz Berlin, Deutschland
Leitung Tuomo Hatakka
Mitarbeiterzahl 20.532[1]
Umsatz 11,0 Mrd. Euro[1]
Branche Energieversorger
Website http://corporate.vattenfall.de
Stand: 2011

Die Vattenfall GmbH (zuvor Vattenfall Europe) mit Sitz in Berlin ist eine 100%ige Tochtergesellschaft des staatlichen schwedischen Energiekonzerns Vattenfall AB.

Geschichte

Seit 1996 ist das schwedische Unternehmen international tätig. Nach der Deregulierung im Bereich der elektrischen Stromversorgung in Deutschland wurden 1999 zunächst 25,1 Prozent der Anteile an den Hamburgischen Elektrizitäts-Werken (HEW) erworben. 2001 wurde Vattenfall Mehrheitseigner der HEW.[2] Die aktuelle Vattenfall GmbH ging 2002 aus der Fusion der HEW und der Vereinigte Energiewerke AG sowie dem Bergbauunternehmen Lausitzer Braunkohle AG hervor, zu der Anfang 2003 die Berliner Bewag hinzu kam. Mit der Fusion ist mit Vattenfall (nach E.ON, RWE und EnBW) der derzeit viertgrößte deutsche Stromkonzern (Stand 2012) entstanden. Die Marken HEW und Bewag wurden nach der Fusion zunächst beibehalten. Seit Januar 2006 tritt Vattenfall in ganz Deutschland unter der einheitlichen Marke Vattenfall auf. 2006 wurde auf der Hauptversammlung der Ausschluss von Minderheitsaktionären mittels eines Squeeze-out beschlossen. Die Übertragung der Aktien von Minderheitsaktionären der damals unter Vattenfall Europe firmierenden Gesellschaft an den schwedischen Mutterkonzern wurde mit dem Eintrag in das Handelsregister Berlin am 21. April 2008 beendet und die Börsennotierung des Konzerns damit eingestellt.

Aus wettbewerbspolitischen Gründen verkaufte Vattenfall im März 2010 den eigenen Übertragungsnetzbetreiber, 50Hertz Transmission an den belgischen Netzbetreiber Elia und den australischen Infrastrukturfonds Industry Funds Management (IFM).[3][4][5][6]

Am 17. September 2012 wurde die deutsche Holding-Gesellschaft Vattenfall Europe AG auf die Vattenfall GmbH umfirmiert.

Schadenersatzklage gegen die Bundesrepublik Deutschland

Im Zuge des nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 beschlossenen Atomausstiegs in Deutschland[7] erlosch die Betriebsgenehmigung für acht Kernkraftwerke in Deutschland, namentlich für die sieben ältesten (darunter das Vattenfall-Kernkraftwerk Brunsbüttel) sowie für das Kernkraftwerk Krümmel im August 2011. Laut einem Bericht des Handelsblatt wollte Vattenfall wegen der Schließung seiner Atomkraftwerke juristisch gegen Deutschland vorgehen: Das Unternehmen wollte noch vor Weihnachten 2011 die Bundesrepublik vor dem Internationalen Schiedsgericht für Investitionsstreitigkeiten (Washington) auf Schadensersatz in Milliardenhöhe verklagen. Ursprünglich wurde bei dem Rot-Grünen Atomausstieg kein festes Datum für eine Abschaltung festgelegt, sondern den Anlagen Reststrommengen, die noch erzeugt werden dürfen, zugesichert. Nach dem Brand 2007 wurde der Reaktor heruntergefahren und viele Millionen Euro in die Aufrüstung und Erneuerung der Sicherheitseinrichtungen und -ausrüstungen investiert, da die noch zur Verfügung stehende Reststrommenge für einen Weiterbetrieb von Krümmel von ca. 10 Jahren gereicht hätte. Die Entscheidung der Regierung Merkel im März 2011, Krümmel endgültig abzuschalten, führte so zu Verlusten. Bei Brunsbüttel war die noch zur Verfügung gestandene Reststrommenge deutlich geringer, so dass der finanzielle Schaden durch die Abschaltung des kleinsten Kernkraftwerks Vattenfalls entsprechend geringer ausfällt.[8]

Vattenfall und Bestrebungen zu der Rekommunalisierung der Energienetze

Vattenfall ist in Berlin und Hamburg mit den regionalen Tochterunternehmen Betreiber der Strom- und Fernwärmenetze. In Berlin besitzt Vattenfall außerdem einen 30-Prozent-Anteil an der Gasag.

Im Dezember 2010 gab Vattenfall den Verkauf seines 24,9-Prozent-Anteil an den Städtischen Werken Kassel an den regionalen Energieversorger Thüga bekannt.[9]

Die Hamburger Regierungskoalition strebte im Mai 2009 an, beim Auslaufen der derzeit bestehenden Konzessionsverträge im Jahr 2014 die Energienetze (Strom, Gas, Fernwärme) durch Rückkauf von Vattenfall zu rekommunalisieren.[10] Im November 2012 erwarb der amtierende SPD-Senat von Vattenfall eine Beteiligung von 25,1 Prozent am Stromnetz und am Fernwärmegeschäft (sowie am Gasnetz, das von E.ON betrieben wird); davon versprach sich der Senat einen maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmenspolitik von Vattenfall. Dennoch forderte die Initiative "Unser Hamburg - Unser Netz" weiterhin die Gründung eines Stadtwerks mit eigenen Energienetzen. Ein Volksentscheid dazu erfolgte parallel zur Bundestagswahl im September 2013; dabei kam es zu einer knappen Mehrheit für eine Übernahme der Netze durch eine städtische Gesellschaft.[11]

In Berlin bemühte sich die Initiative Berliner Energietisch um die Rekommunalisierung des Stromnetzes und den Aufbau eines Stadtwerkes, das ökologischen und sozialen Kriterien folgen sollte. Im Juli 2012 wurde mit 30.660 gültigen Unterschriften ein Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens gestellt.[12] Nachdem das Volksbegehren im Juni ausreichende Unterschriften gesammelt hatte, kam es am 3. November 2013 zum Volksentscheid über die Rekommunalisierung der Berliner Energieversorgung, die jedoch vom Berliner Senat in seiner Stellungnahme abgelehnt wird.[13] Der Gesetzentwurf scheiterte, da das Quorum von 25 Prozent aller Stimmberechtigten mit 24,1 Prozent verfehlt wurde.

Unternehmensdaten

Kennzahlen 2011
Energie
Wärmeverkauf 15,2 TWh
Rohbraunkohleförderung 59,8 Mio. t
Finanzen
Stromerlöse 9,4 Mrd. €
Umsatzerlöse 10.956 Mio. €
Betriebsergebnis 181 Mio. €
Jahresüberschuss 153 Mio. €
Bilanzsumme 22.084 Mio. €
Personal
Beschäftigte 20.532

Seit dem 17. September 2012 arbeitet die Geschäftsführung in der Zusammensetzung Tuomo Hatakka (Vorsitzender), Torsten Meyer (Arbeitsdirektor) und Axel Pinkert (Finanzen).

Stromzusammensetzung

Die Kennzahlen für das Jahr 2011[1] waren:

Strombeschaffung und Stromvertrieb
Strombeschaffung TWh Stromvertrieb TWh
Stromerzeugung 69,0 Stromverkauf an Vertriebskunden 48,8
Strombezug 50,6 Stromverkauf am Großhandelsmarkt 67,2
Sonstige Stromlieferungen 3,6
Strombeschaffung gesamt 119,6 Stromverkauf gesamt 119,6

Für Deutschland setzte sich die Stromerzeugung in eigenen Kraftwerken in den Jahren 2010 und 2011 wie folgt zusammen:[14]

  2010 2011
Gesamterzeugung 71,2 TWh 69,0 TWh
Kernenergie 3,2 % 3,9 %
Braunkohlekraftwerke 71,5 % 76,7 %
Sonstige Kraftwerke 25,3 % 19,4 %

Nach Angaben von Vattenfall Europe Sales GmbH stellt sich der Strommix gegenwärtig wie folgt dar:[15]

Energieträger Anteil
Kohle 33,7 %
Strom nach EEG 27,6 %
Erdgas 19,4 %
Sonstige Erneuerbare Energien 16,3 %
Kernenergie 3,1 %

Kohleverstromung

Als Betreiber von Braunkohletagebauen und Kohlekraftwerken, die beim Unternehmen einen verhältnismäßig großen Teil des Strommixes liefern, steht Vattenfall immer wieder im Zentrum gesellschaftlicher Diskussion. So gab es Konflikte mit Bewohnern umgesiedelter Dörfer (z. B. Horno). Eine langwierige Auseinandersetzung betraf die ökologisch wertvolle Lacomaer Teichlandschaft[16] (FFH-Gebiet) und das Dorf Lacoma, die dem von Vattenfall betriebenenTagebau Cottbus-Nord weichen sollen.

Gegen die drei von Vattenfall neu geplanten Tagebaue Jänschwalde-Nord, Spremberg-Ost und Bagenz Ost wurde bis Mitte 2008 erfolgreich eine Volksinitiative durchgeführt. Von einem Bündnis mehrerer Umweltverbände wurden von Oktober 2007 bis Mai 2008 in Brandenburg Unterschriften gegen die Pläne Vattenfalls gesammelt. Nach Ablehnung der Initiative durch den brandenburgischen Landtag fand von 10. Oktober 2008 bis zum 9. Februar 2009 ein Volksbegehren statt. Dieses scheiterte jedoch. Von den 80.000 notwendigen Unterschriften wurden nur 25.168 gültige Stimmen bei den Meldeämtern abgegeben.[17]

Die Kohleverstromung steht auch wegen ihrer Treibhauswirkungen in der Kritik. Der Kohlendioxid-Ausstoß des deutschen Kraftwerkparks von Vattenfall belief sich im Jahr 2012 auf 85 Millionen Tonnen und war damit nur etwas geringer als im Jahre 2010 mit 94 Millionen Tonnen.[18]

Kernkraftwerke

Vattenfall betreibt in Deutschland zwei Kernkraftwerke: das Kernkraftwerk Krümmel und das Kernkraftwerk Brunsbüttel. Das Unternehmen geriet zeitweise wegen einer Häufung meldepflichtiger Ereignisse in beiden Anlagen in die Kritik.

Kernkraftwerk Krümmel

Vattenfall steht insbesondere nach dem Trafo-Brand auf dem Gelände des Kernkraftwerks Krümmel am 28. Juni 2007 in der Kritik, sicherheitsrelevante Informationen über den Betrieb ihrer beiden Kernkraftwerke gar nicht bzw. erst spät zu veröffentlichen. Politiker und Naturschutzverbände fordern den Lizenzentzug für das Betreiben von Atomkraftwerken.[19] Außerdem wurde Vattenfall wegen Anhäufung von Leukämieerkrankungen in der Umgebung kritisiert.[20][21][22][23][24]

Kernkraftwerk Brunsbüttel

Auch beim Kernkraftwerk Brunsbüttel traten nach einer Störung am gleichen Tag beim Wiederanfahren meldepflichtige Ereignisse auf, die an das zuständige Ministerium erneut zu spät gemeldet wurden.[25] Das in Schleswig-Holstein für die Reaktorsicherheit zuständige Sozialministerium überprüfte nach diesen Vorfällen die Zuverlässigkeit Vattenfalls als Betreiber von Kernkraftwerken. Es war wegen seiner Informationspolitik selbst kritisiert worden.[26] Im Zuge dieser Vorkommnisse wurde der Chef der deutschen Atom-Sparte, Bruno Thomauske, seines Amtes enthoben, und der Konzernsprecher Johannes Altmeppen trat zurück.[27] Bis auf weiteres übernehme Kraftwerks-Vorstand Reinhardt Hassa die Geschäftsführung von Vattenfall Europe Nuclear Energy (Vene.)[28] Später, am 18. Juli 2007, trat der Vorstandsvorsitzende der Vattenfall Europe, Klaus Rauscher, zurück. Das Unternehmen verlor im Jahr 2007 – größtenteils durch diese Vorfälle – fast 200.000 Kunden.[29]

Standorte und Anlagen in Deutschland

Standorte

  • Hamburg (Vattenfall Stromnetz Hamburg (Verteilnetzbetreiber), Vattenfall Europe Business Services, Vattenfall Europe Kundenservice, Vattenfall Europe Information Services (IT-Dienstleister), Vattenfall Europe Sales, Vattenfall Europe Netzservice Hamburg, Vattenfall Europe Nuclear Energy)
  • Berlin (Vattenfall-Deutschlandzentrale, Vattenfall Europe Sales (Privatkunden Berlin und Hamburg), Vattenfall Europe Wärme (Fernwärme Berlin und Hamburg), Vattenfall Europe Netcom (Telekommunikation), Vattenfall Europe Information Services (IT-Dienstleister), Vattenfall Stromnetz Berlin (Verteilnetzbetreiber), Vattenfall Europe Netzservice Berlin, TVF Altwert (Flächenrecycling))
  • Cottbus (Vattenfall Europe Mining und Vattenfall Europe Generation – Verwaltung Tagebau & Kraftwerke), Vattenfall Europe Information Services (IT-Dienstleister)
  • Vetschau (Vattenfall Powerconsult/Ingenieurgesellschaft zur Kraftwerksplanung)
  • Lübbenau (VSG GmbH Facility Management/Sparten: Catering, Gebäudemanagement, Fuhrpark, Fuhrparkmanagement, Objektschutz), Qualifizierungszentrum

Kraftwerke

Aktive Anlagen

Kraftwerk Jänschwalde
Kraftwerk Boxberg
Kraftwerk HafenCity Hamburg

Anlagen in Planung bzw. Bau

Schaufelradbagger Tagebau Welzow-Süd

Stillgelegte Anlagen

Tagebaue

Tagebau Jänschwalde.

Siehe auch

Weblinks

Commons: Vattenfall – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
 Wikinews: Vattenfall – in den Nachrichten

Einzelnachweise

  1. a b c Geschäftsbericht der Vattenfall Europe AG zum 31. Dezember 2011.
  2. http://corporate.vattenfall.de/uber-uns/unternehmensgeschichte
  3. Reuters: „Vattenfall-Stromnetz geht an belgische Elia“, Reuters-Meldung vom 12. März 2010 – 9:09 Uhr
  4. Spiegel Online: „Vattenfall verkauft Stromnetz an belgische Elia“, vom 12. März 2010.
  5. faz.net: Vattenfall verkauft deutsches Hochspannungsnetz, faz.net vom 12. März 2010.
  6. Vattenfall: Vattenfall schließt Verkauf des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz Transmission ab, 21. Juni 2010.
  7. bundestag.de (PDF; 218 kB)
  8. handelsblatt.com 2. November 2011: Vattenfall verklagt Deutschland
  9. Artikel in Handelsblatt online vom 20. Dezember 2010 Vattenfall verkauft Anteil an Stadtwerken Kassel (siehe Rekommunalisierung)
  10. Hamburg gründet Öko-Stadtwerke. Die Tageszeitung(18. Mai 2009)
  11. Hamburger Energienetz wird rekommunalisiertVolksentscheid: Kostspieliger Rückkauf hrsg= Deutschlandfunk. 23. September 2013, abgerufen am 3. November 2013.
  12. Ulrich Zawatka-Gerlach: Senat lehnt Volksbegehren zur Energie ab. Tagesspiegel vom 15. August 2012
  13. Amtliche Information zum Volksentscheid über die Rekommunalisierung der Berliner Energieversorgung. (pdf) Die Landesabstimmungsleiterin Berlin, S. 30, abgerufen am 24. Oktober 2013.
  14. Geschäftsbericht Vattenfall Europe AG 2011, S. 18.
  15. http://corporate.vattenfall.de, abgerufen am 20. Juli 2015
  16. Siehe Bi-lacoma
  17. Volksbegehren gegen Tagebaue im Sande verlaufen. In: Lausitzer Rundschau. 9. Februar 2009.
  18. Vattenfall Deutschland Geschäftsbericht 2012, S.3.
  19. Neue Unfall-Details: AKW-Leitstelle in Krümmel war voller Rauchgas.auf: Spiegel Online. 6. Juli 2007.
  20. Atomkraftgegner lassen 13.000 Luftballons fliegen. In:Hamburger Morgenpost, 26. Juni 2010 (online)
  21. Drei Jahre Stillstand: Geht Krümmel wieder ans Netz?. In: Lübecker Nachrichten, 27. Juni 2010 (online)
  22. robinwood.de 19. Dezember 1996
  23. Atomkraft – Laufzeitverlängerung trotz Sicherheitsdefiziten. ARD-Magazin Kontraste, 15. Juni 2010, abgerufen am 22. September 2010.
  24. Internationale Länderkommission Kerntechnik (PDF)Vertraulich: ILK-Gutachten vom November 2002 bei Frontal21
  25. AKW Brunsbüttel: Pannen in Atomkraftwerk erneut zu spät gemeldet. auf: Spiegel Online. 8. Juli 2007.
  26. spiegel.de 2007:Atommeiler-Pannen: Ministerin droht Vattenfall mit Lizenzentzug.auf: Spiegel Online. 9. Juli 2007.
  27. Pannenserie: Vattenfall feuert deutschen Atom-Chef. auf: Spiegel Online.16. Juli 2007.
  28. Vattenfall wechselt Atom-Chef aus. (Memento vom 4. Dezember 2013 im Internet Archive) auf:netzeitung.de, 16. Juli 2007.
  29. Vorlage:Tagesschau Vattenfall verliert fast 200.000 deutsche Kunden (Abgerufen am 31. Oktober 2007)