Wolfgang Mischnick

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 17. Juni 2016 um 14:18 Uhr durch 2003:e0:abce:ef00:b055:2b3a:e3dd:a9b5 (Diskussion) (→‎Leben und Beruf). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Wolfgang Mischnick, 1990
Wolfgang Mischnick (mit weißem Einstecktuch) auf einer Dresdner Veranstaltung zu den DDR-Kommunalwahlen im Mai 1990, begleitet von Rainer Ortleb

Friedrich Adolf Wolfgang Mischnick (* 29. September 1921 in Dresden; † 6. Oktober 2002 in Bad Soden am Taunus) war ein deutscher Politiker (FDP). Er war von 1961 bis 1963 Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte und von 1968 bis 1991 Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion.

Leben und Beruf

Nach dem ihm vorzeitig zuerkannten Abitur auf dem Gymnasium Luisenstift in Radebeul[1][2] nahm Mischnick von 1939 bis 1945 als Soldat, zuletzt im Range eines Leutnants der Infanterie, am Zweiten Weltkrieg teil. Als ehemaligem Offizier der Wehrmacht verbot ihm die sowjetische Besatzungsmacht das angestrebte Ingenieurstudium. Im Jahre 1948 wurde er mit einem Schreib- und Redeverbot belegt. Daraufhin – und um der drohenden Verhaftung durch die NKWD zu entgehen – floh er zunächst nach Berlin, wenig später nach Frankfurt am Main. Von 1953 bis 1957 war er Vizepräsident der Verbandsversammlung des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen. Zwischen 1957 und 1961 bekleidete er auch das Amt des Hessischen Landesvorsitzenden im Gesamtverband der Sowjetzonenflüchtlinge. Außerdem war er Mitglied im Kuratorium der Stiftung Deutsche Sporthilfe.

Wolfgang Mischnick starb im Alter von 81 Jahren und wurde auf dem alten Friedhof von Kronberg im Taunus beigesetzt.[3] Er war zweimal verheiratet und hatte drei Kinder.

Partei

Nach Kriegsende gehörte Mischnick zu den Mitbegründern der LDP in Dresden. Er wurde LDP-Jugendreferent für Sachsen und gehörte ab 1946 dem geschäftsführenden Zentralvorstand der LDP für die Sowjetische Besatzungszone an. Er wandte sich gegen den politischen Monopolanspruch Freien Deutschen Jugend (FDJ) und die Vereinnahmung von Kindern in der Pionierorganisation Ernst Thälmann. Im Jahre 1947 wurde er zum stellvertretenden Landesvorsitzenden der LDP Sachsen gewählt. Die Wahl wurde jedoch von der sowjetischen Besatzungsmacht annulliert.

Nach seiner Flucht nach Westdeutschland wurde Mischnick Mitglied der FDP in Hessen. Von 1954 bis 1957 war er Bundesvorsitzender der FDP-Jugendorganisation, der Deutschen Jungdemokraten. Zwischen 1954 und 1991 saß er auch im Bundesvorstand der FDP, davon in den Jahren 1964 bis 1988 als Stellvertretender Bundesvorsitzender. Zudem war er in den 1950er Jahren Vorsitzender des FDP-Kreisverbandes Frankfurt am Main.

Von 1954 bis 1967 war Mischnick daneben auch Stellvertretender Landesvorsitzender der FDP in Hessen, von 1967 bis 1977 amtierte er dann als deren Landesvorsitzender. Am 30./31. Mai 1973 reiste Mischnick zusammen mit Herbert Wehner (SPD) zu einem geheimen Treffen mit dem Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker in die DDR. Im Jagdhaus Hubertusstock in der Schorfheide wurden humanitäre Fragen der deutsch-deutschen Beziehungen erörtert.

Von 1987 bis 1995 war Mischnick Vorsitzender der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung.

Der umfangreiche Nachlass von Mischnick befindet sich im Archiv des Liberalismus der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Gummersbach.

Abgeordneter

Wolfgang Mischnick, 1976

1946 wurde Mischnick in die Stadtverordnetenversammlung von Dresden gewählt. Von 1954 bis 1957 war er Mitglied des Hessischen Landtages. Hier fungierte er als Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion. Von 1956 bis 1961 sowie von 1964 bis 1972 war er Mitglied in der Stadtverordnetenversammlung von Frankfurt am Main. Er bekleidete zwischen 1956 und 1961 sowie 1964 und 1968 das Amt des Fraktionsvorsitzenden.

Von 1957 bis 1994 war Wolfgang Mischnick Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 1959 bis 1961 war er Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion. Nach seinem Ausscheiden aus der Bundesregierung wurde er 1963 zum Stellvertretenden Vorsitzenden und 1968 schließlich zum Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion gewählt. Als solcher fungierte er bis zum Amtsantritt der Regierung Brandt am 21. Oktober 1969 als Oppositionsführer gegen die Regierung Kiesinger. Von 1969 bis 1972 und 1976 bis 1983 war er zudem stellvertretender Vorsitzender des Gemeinsamen Ausschusses gemäß Artikel 53a des Grundgesetzes und von 1972 bis zum 8. Dezember 1982 stellvertretender Vorsitzender des Sportausschusses.

Erst 1991 schied Mischnick auf eigenen Wunsch aus dem Amt des Fraktionsvorsitzenden aus und wurde daraufhin zum Ehrenvorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion gewählt. Berühmt ist Mischnicks Rede vor dem Deutschen Bundestag anlässlich des Misstrauensvotums gegen Helmut Schmidt am 1. Oktober 1982.

Wolfgang Mischnick ist 1990 über die Landesliste Sachsen und davor stets über die Landesliste Hessen in den Bundestag eingezogen.

Öffentliche Ämter

Nach der Bundestagswahl 1961 wurde er als damals jüngster Minister am 14. November 1961 zum Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte in der von Bundeskanzler Konrad Adenauer geführten Bundesregierung ernannt. Im Zuge der Spiegel-Affäre trat er am 19. November 1962 gemeinsam mit den anderen FDP-Bundesministern zwar zurück, wurde aber am 13. Dezember 1962 erneut in dieses Amt berufen. Mit dem Rücktritt von Konrad Adenauer schied auch Mischnick am 11. Oktober 1963 aus der Bundesregierung aus.

Sportpolitisches Engagement

Mischnick verdankte einen Teil seiner Popularität seinem sportpolitischen Engagement. Dem Sportausschuss des Deutschen Bundestages gehörte er seit dessen Gründung 1969 bis 1994 an und war zeitweise dessen Stellvertretender Vorsitzender.[4] Er war Mitglied des Kuratoriums der Deutschen Sporthilfe, Stifter des Wolfgang-Mischnick-Pokals für Geher und bis 1990 über 15 Jahre Verwaltungsratsmitglied bei Eintracht Frankfurt. Er arbeitete auch in der Sepp-Herberger-Stiftung mit. Regelmäßig wurde bei der FDP ein Tennisturnier um einen Wolfgang-Mischnick-Pokal ausgetragen.[5] Gegenüber dem Boykott der Olympischen Sommerspiele 1980 als Reaktion auf den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan war er skeptisch und trat für die Unabhängigkeit des Sports ein. Letztendlich trug er diesen jedoch aus Solidarität zu den USA mit.[6]

Auszeichnungen

Mischnick war Großoffizier der französischen Ehrenlegion. Er wurde 1968 mit dem Großen Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband, 1973 mit dem Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland[7], dem Großen Goldenen Ehrenzeichens mit Stern der Republik Österreich, dem Bannerorden der Ungarischen Republik, der Freiherr-vom-Stein-Plakette, der Wilhelm-Leuschner-Medaille, dem Verdienstorden des Freistaats Sachsen, dem Hessischen Verdienstorden, der Römerplakette der Stadt Frankfurt am Main, der Reinhold-Maier-Medaille und der Wolfgang-Döring-Medaille ausgezeichnet.

Siehe auch

Veröffentlichungen

Literatur

  • Sven Prietzel: Leidenschaftlich pragmatisch für Deutschland. Wolfgang Mischnick und der Liberalismus während der deutschen Teilung, Comdok, Berlin 2015.

Weblinks

Commons: Wolfgang Mischnick – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Sänger: Handbuch des Deutschen Bundestages, 3. Wahlperiode und Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1949 bis 1999.
  2. Abweichend: Vita Wolfgang Mischnick.
  3. knerger.de: Das Grab von Wolfgang Mischnick
  4. Arnd Krüger: Sport und Politik. Von Turnvater Jahn zum Staatsamateur. Fackelträger, Hannover 1975.
  5. http://www.oberberg-aktuell.de/index.php?id=144&tx_ttnews%5Btt_news%5D=30478
  6. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14329362.html
  7. Bekanntgabe von Verleihungen des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. In: Bundesanzeiger. Jg. 25, Nr. 43, 9. März 1973.